Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. März 2011
Aktenzeichen: AnwZ (B) 37/10

(BGH: Beschluss v. 21.03.2011, Az.: AnwZ (B) 37/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in diesem Beschluss über die sofortige Beschwerde eines Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofes Berlin entschieden. Die Beschwerde des Antragstellers wurde zurückgewiesen. Der Antragsteller muss die Kosten des Rechtsmittels tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 50.000 € festgesetzt.

Der Antragsteller war seit 1991 als Rechtsanwalt zugelassen. Die Antragsgegnerin hatte seine Zulassung aufgrund von Vermögensverfall widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof wies den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Antragstellers zurück. Dagegen legte der Antragsteller sofortige Beschwerde ein.

Die Beschwerde ist zulässig, bleibt jedoch in der Sache erfolglos. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete finanzielle Verhältnisse gerät, die er nicht in absehbarer Zeit ordnen kann und nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids erfüllt. Der Antragsteller war nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu begleichen. Es war ihm nicht möglich, Ratenzahlungsvereinbarungen einzuhalten und es wurden Vollstreckungsmaßnahmen wegen Steuerrückständen ergriffen.

Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht so verbessert, dass von einem Widerruf abgesehen werden könnte. Der Antragsteller ist mit Haftbefehlen in das Schuldnerverzeichnis eingetragen und das Insolvenzverfahren über sein Vermögen wurde eröffnet. Solange das Insolvenzverfahren läuft, wird ein Vermögensverfall vermutet.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Interessen der Rechtsuchenden trotz des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären. Die Gefährdung bleibt auch nach der Insolvenzeröffnung bestehen. Die Freigabe der Kanzlei des Antragstellers durch den Insolvenzverwalter ändert daran nichts.

Zum Schluss wird erwähnt, dass der Senat in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden konnte, da dieser auf seine Teilnahme am Termin verzichtet hat. Die Vorinstanz war der Anwaltsgerichtshof Berlin, der am 24.03.2010 eine Entscheidung getroffen hat.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 21.03.2011, Az: AnwZ (B) 37/10


Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofes Berlin vom 24. März 2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1991 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen dessen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschuss vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 28/01, NJW 2003, 577).

2. Diese Voraussetzungen waren zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheides erfüllt. Der Antragsteller war nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten ordnungsgemäß zu tilgen. So war es ihm nach eigenem Bekunden nicht möglich, mit der B. (Forderungshöhe: 6.887,83 €) und der D. (Forderungshöhe: 843 €) getroffene Ratenzahlungsvereinbarungen einzuhalten. Das Finanzamt R. hatte wegen Steuerrückständen in Höhe von 15.479,03 € per 14. April 2009 Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen, die Justizkasse Be. wegen Forderungen in Höhe von 460,07 € und 150 € Vollstreckungsaufträge erteilt.

3. Die Vermögensverhältnisse des Antragstellers haben sich nicht so konsolidiert, dass von einem Widerruf abgesehen werden könnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356 und vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149). Der Vermögensverfall wird vielmehr jetzt nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 2. Halbsatz BRAO vermutet, weil der Antragsteller mit vier Haftbefehlen - der letzte erging am 30. September 2009 auf Antrag der Antragsgegnerin - in das Zentrale Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht S. (§ 915 ZPO) eingetragen ist und das Amtsgericht C. mit Beschluss vom 2. Juni 2010 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet hat (§ 26 Abs. 2 InsO).

Solange das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers läuft, ist die Grundlage der gesetzlichen Vermutung nicht entfallen. Die Vermögensverhältnisse eines Schuldners können grundsätzlich erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens, mit welcher der Schuldner das Recht zurückerhält, über die vormalige Insolvenzmasse frei zu verfügen (§ 259 Abs. 1 Satz 2 InsO), und mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung durch Beschluss des Insolvenzgerichts (§ 291 Abs. 1 InsO) wieder als geordnet angesehen werden (BGH, Beschluss vom 26. November 2007 - AnwZ (B) 96/06 Rn. 9 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Auch der Umstand, dass der Insolvenzverwalter die Anwaltskanzlei des Antragstellers im noch laufenden Insolvenzverfahren freigegeben hat (vgl. nunmehr § 35 Abs. 2 InsO), beseitigt die Insolvenz und damit den Vermögensverfall des Antragstellers nicht (BGH aaO).

4. Für einen Ausnahmefall, in dem die Interessen der Rechtsuchenden ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären, ist nichts ersichtlich. Diese Gefährdung entfällt nicht bereits durch die Insolvenzeröffnung und die damit verbundene Verfügungsbeschränkung des Insolvenzschuldners (BGH aaO Rn. 10). Auch die Freigabe der Kanzlei des Antragstellers durch den Insolvenzverwalter ändert daran nichts.

5. Der Senat konnte in Abwesenheit des Antragstellers verhandeln und entscheiden, da dieser auf seine Teilnahme am Termin verzichtet hat.

Kessal-Wulf Roggenbuck Lohmann Wüllrich Hauger Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 24.03.2010 - II AGH 11/09 -






BGH:
Beschluss v. 21.03.2011
Az: AnwZ (B) 37/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/e44ee0831f70/BGH_Beschluss_vom_21-Maerz-2011_Az_AnwZ-B-37-10




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