Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Januar 2003
Aktenzeichen: 15 W (pat) 9/01

(BPatG: Beschluss v. 27.01.2003, Az.: 15 W (pat) 9/01)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Restpatent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1-4 und Beschreibung S. 2-20, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung. Die Bezeichnung wird geändert in: Mischsystem zur Herstellung wasserverdünnbarer Überzugsmittel.

Gründe

I Auf die am 30. März 1991 eingereichte Patentanmeldung P 41 10 520.6-43 der B... AG hat das Deutsche Patentamt ein Patent mit der Bezeichnung

"Mischsystem zur Herstellung wasserverdünnbarer Überzugsmittel und Verwendung des Mischsystems"

erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 12. Dezember 1996. Inhaberin des Patents ist inzwischen die B... Coatings AG.

Nach Prüfung des erhobenen Einspruchs hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 18. Dezember 2000 widerrufen.

Diesem Beschluss lagen 5 Sach- und 3 Verfahrens- bzw Verwendungsansprüche in der Anspruchsfassung gemäß Schriftsatz vom 31. August 1998 bei folgendem Wortlaut des Anspruchs 1 zugrunde:

"1. Mischsystem zur Herstellung von wasserverdünnbaren Überzugsmitteln mit genau festgelegter Tönung aus verschiedenen Basisfarben A dadurch gekennzeichnet, daß das Mischsystem A1) wenigstens eine Effektpigmente enthaltende Basisfarbe, A2) mindestens eine anorganische Farbpigmente enthaltende Basisfarbe und/oder A3) mindestens eine organische Farbpigmente enthaltende Basisfarbe enthält unddie Basisfarben A weniger als 5 % Wassersowie Aa) 0,5 bis 70 Gew.-% mindestens eines Effektpigments, und/oder mindestens eines farbgebenden Pigments, Ab) 10 bis 80 Gew.-% mindestens eines wasserverdünnbaren oder wasserdispergierbaren Bindemittels, das sich in Form organischer Lösungen darstellen läßt und Ac) ein oder mehrere organische Lösemittel sowie ggf. Hilfs- und Zusatzstoffeenthalten, wobei die Summe der Gewichtsanteile der Komponenten Aa) bis Ac) jeweils 100 Gew.-% beträgt und das Mischsystem weiterhin eine wasserenthaltende, pigmentfreie Komponente B, die mindestens ein rheologiesteuerndes Additiv sowie mindestens ein wasserverdünnbares oder wasserdispergierbares Bindemittel, ausgenommen Acrylatices, sowie ggf. weitere Hilfs- und Zusatzstoffe enthält."

Der Beschluss war damit begründet, dass der Gegenstand des vorliegenden Patents im Hinblick auf den aus der Druckschrift EP 0 052 224 A2 (4) iVm DE 38 41 541 A1 (5) und DIN 55 944, Stand April 1990 (6) bekannten Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (Die Nummerierung der Druckschriften entspricht hier und im folgenden dem Einspruchsschriftsatz und nicht dem Abteilungsbeschluss bzw der Beschwerdebegründung - dort stehen für die vorstehend genannten Druckschriften jeweils die Ziffern (1) bis (3)).

Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen diesen Beschluss.

Die Patentinhaberin hat mit ihrer Eingabe vom 20. Dezember 2002, eingegangen im Bundespatentgericht per Fax am 21. Januar 2003, die Teilung des Patents erklärt und für das Restpatent in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche 1 bis 4 überreicht, die wie folgt lauten:

"1. Mischsystem zur Herstellung von wasserverdünnbaren Überzugsmitteln mit genau festgelegter Tönung aus verschiedenen Basisfarben, dadurch gekennzeichnet, dass das Mischsystem A) aus 15 bis 60 verschiedenen Basisfarben A, die weniger als 5 Gew.-% Wasser, Aa) 0,5 bis 70 Gew.-% mindestens eines farb- und/oder effektgebenden Pigments, Ab) 10 bis 80 Gew.-% mindestens eines wasserverdünnbaren oder wasserdispergierbaren Polyurethanharzes und gegebenenfalls eines Aminoplastharzes, die sich in Form organischer Lösungen darstellen lassen, und Ac) ein oder mehrere organische Lösemittel sowie gegebenenfalls Hilfs- und Zusatzstoffe, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus Entschäumern, Dispergierhilfsmitteln, Emulgatoren und Verlaufsmitteln, enthalten, wobei die Summe der Gewichtsteile der Komponenten Aa) bis Ac) jeweils 100 Gew.-% beträgt und wobei als Basisfarben A A 1) mindestens eine Effektpigmente enthaltende Basisfarbe und A 2) mindestens eine anorganische Farbpigmente enthaltende Basisfarbe und/oder A 3) mindestens eine organische Farbpigmente enthaltende Basisfarbeenthalten sind, und B) mindestens aus einer wasserenthaltenden, pigmentfreien Komponente B besteht, die aus mindestens einem rheologiesteuernden Additiv, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus vernetzten polymeren Mikroteilchen, anorganischen Schichtsilikaten und synthetischen Polymeren mit ionischen und/oder assoziativ wirkenden Gruppen, sowie mindestens einem wasserverdünnbaren oder wasserdispergierbaren Polyurethanharz und ggf. Aminoplastharzen und gegebenenfalls weiteren Hilfs- und Zusatzstoffen besteht.

2. Mischsystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen Basisfarben A wasserfrei sind.

3. Mischsystem nach der Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen Basisfarben A das gleiche Bindemittel oder bei Bindemittelmischungen die gleichen Bindemittel im gleichen Mischungsverhältnis zueinander enthalten.

4. Mischsystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die verschiedenen Basisfarben A das gleiche Verhältnis von festem Bindemittel zu organischem Lösemittel aufweisen."

Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin vorgetragen, die im Verfahren genannten Druckschriften stünden dem antragsgemäßen Gegenstand deswegen nicht patenthindernd entgegen, weil ein Mischsystem mit den nunmehr beanspruchten Merkmalen, insbesondere dem Einsatz von Polyurethanbindemittel sowohl in der organischen Basisfarbe als auch in der Wasser enthaltenden, pigmentfreien Komponente B und der Zusatz eines rheologiesteuernden Additivs allein zu Komponente B weder vorbeschrieben sei noch nahegelegen habe.

Die Einsprechende hat zuletzt in ihrem Schriftsatz vom 20. Januar 2003 dem zu jenem Zeitpunkt bekannten Vorbringen der Patentinhaberin widersprochen und sinngemäß im wesentlichen geltend gemacht, dass es den Gegenständen der mit Eingabe vom 20. Dezember 2002 geltenden Anspruchsfassungen (Haupt- und Hilfsanträge) an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit fehle. Im übrigen wolle sie an der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2003 nicht teilnehmen, mache aber den Beschluss der Patentabteilung vom 18. Dezember 2000 sowie ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren zum Gegenstand ihrer Argumentation.

Die Patentinhaberin erklärt:

"Für den Fall der Unwirksamkeit der Teilungserklärung verzichte ich auf den abgetrennten Teil im Verfahren über das Patent auch für den Fall des Eintritts der Fiktion des § 39 Abs. 3 PatG."

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Restpatent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1-4 und Beschreibung S. 2-20, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende hat an der mündlichen Verhandlung wie angekündigt nicht teilgenommen und zuletzt mit Eingabe vom 20. Januar 2003 den Antrag gestellt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73). Sie ist nach Teilung des Patentgegenstands und Beschränkung des Gegenstands des Restpatents auch begründet.

Bezüglich der Offenbarung des Gegenstands der geltenden Patentansprüche 1 bis 4 bestehen keine Bedenken, da dessen Merkmale sowohl aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen (vgl die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 8 iVm S 31 Z 7-10, S 12 Z 3-5, S 22 Z 13-15, S 32 Z 1 bis S 33 Z 15, S 23 Abs 3, S 23 Z 29 bis S 24 Z 15, S 24 Z 29-34) als auch aus der deutschen Patentschrift DE 41 10 520 C2 (vgl die Ansprüche 1 bis 6 iVm S 9 Z 44, S 4 Z 60-62, S 7 Z 34-35, S 9 Z 58 bis S 10 Z 16, S 7 Z 56 bis S 8 Z 3, S 8 Z 4-6) zu entnehmen bzw daraus herleitbar sind.

Die Neuheit des Mischsystems nach geltendem Patentanspruch 1 ist anzuerkennen:

In EP 0 052 224 A2 (4) wird zwar ebenfalls ein Mischsystem zur Herstellung von Autolacken vorgestellt, das A auf mehreren, auf organischen Lösungsmitteln gründenden Pigmentpasten beruht (entspricht Basisfarben im patentgemäßen Sinn) (vgl (4) Patentanspruch 1 iVm S 1 Z 30 bis S 2 Z 5) und B ua wässrige, Bindemittel enthaltende Auflacksysteme umfasst (vgl (4) Patentanspruch 6 iVm S 8 Z 8-13), jedoch ist dort der Einsatz eines Thixotropiermittels als rheologiesteuerndes Additiv nur im Zusammenhang mit der pigmentierten Komponente genannt (vgl (4) S 7 Z 4-8) und ein Polyurethanbindemittel wird lediglich in der ggf wässrigen Auflackkomponente eingesetzt (vgl (4) S 8 Z 1-8 iVm S 3 Z 11-18).

In DE 38 41 541 A1 (5) wird kein Mischsystem beschrieben, das mehrere, insbesondere 15 bis 60 Basisfarben im Sinn des Streitpatents, also verschieden pigmentierte Komponenten auf Basis organischer Lösungsmittel, zur Herstellung eines wässrigen Überzugsmittels umfasst (Das fertige Überzugsmittel entspricht dabei dem "Basislack", der Gegenstand von (5) ist; vgl dazu den Patentanspruch 1 von (5) iVm S 8 Z 3-16). Darüber hinaus enthält, exemplarisch für die Lehre von (5), die unter dem Gliederungspunkt C. beschriebene, wasserfreie und pigmentierte "Mischung 1", die als Analogon zu einer streitpatentgemäßen Basisfarbe A anzusehen ist, im Gegensatz dazu kein Polyurethanbindemittel (vgl (5) S 8 Z 5-8).

Die im Einspruchsschriftsatz genannte Druckschrift US 5 003 034 (1) beschreibt lediglich Pigmente und polymere Bindemittel in organischen Lösungsmitteln (vgl (1) Sp 2 Z 6-23), die mit Wasser zum fertigen Überzugsmittel verdünnt werden sollen (vgl (1) Sp 5 Z 42-52). Weder sind dort mehrere Basisfarben im streitpatentgemäßen Sinn genannt, noch enthält die pigmentierte Komponente Polyurethan und Aminoplastharz als Bindemittel (vgl (1) Sp 2 Z 6-11). Auch das Versetzen der pigmentierten Komponente mit Wasser zur Herstellung des Überzugsmittels steht im Gegensatz zum Einsatz des streitpatentgemäßen wässrigen Systems mit polyurethanhaltigem Bindemittel und rheologiesteuerndem Additiv.

Der Gegenstand von Druckschrift EP 0 399 427 A1 (2) aus dem Einspruchsschriftsatz umfasst an Stelle der streitpatentgemäßen Komponenten A und B mindestens fünf Komponenten A) bis E) (vgl (2) S 3 Z 5-33). Zwei davon sind pigmentiert, Komponente A) auf Basis organischer Lösungsmittel mit Acryl-, Polyester- oder Alkydbindemittel (vgl (2) S 3 Z 49-50) und D) auf Basis von Acryllatex mit bis zu 60% Festkörpergehalt und bis zu 20% organischem Lösungsmittel (vgl (2) S 5 Z 21-23 und Tabelle), also jeweils ohne Polyurethanbindemittel.

Auch ansonsten sind keine Druckschriften eingeführt worden, die Gegenstände mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 enthalten.

Das Mischsystem gemäß Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Aufgabe ist die Bereitstellung eines Mischsystems zu betrachten, bei dem aus verschiedenen, lagerstabilen Basisfarben wasserverdünnte Überzugsmittel mit oder ohne Metallic-Effekte in definierten Farbtönen sehr flexibel und mit hoher Qualität hergestellt werden können (vgl Streitpatent S 3 Z 43-52). Zu lösen hat sie ein Chemiker mit Erfahrung auf dem Gebiet der Lacke und Überzugsmittel.

Gelöst wird die Aufgabe durch die Bereitstellung von Mischsystemen mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1.

Weder in (4) alleine noch in Zusammenschau mit anderen Druckschriften findet der Fachmann dabei eine Anregung, pigmentierte Basisfarben mit oder ohne Effektpigmente, aber mit Polyurethanen als Bindemittel in organischen Lösungsmitteln bereitzustellen und dann mit pigmentfreien, aber ebenfalls Polyurethan enthaltenden, durch rheologiesteuernde Additive ergänzten, wässrigen Systemen zu vermischen.

So ist zum Beispiel, wie vorstehend unter dem Gesichtspunkt der Neuheit dargestellt, in allen zitierten Druckschriften die pigmentierte Komponente polyurethanfrei und ein systematischer Ansatz, die wässrige, pigmentfreie Komponente mit rheologiesteuerndem Additiv zu versetzen ist nicht zu finden.

Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 patentfähig.

Das gleiche gilt für die weiteren, auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche, welche bevorzugte, nicht selbstverständliche Ausführungsformen des Patentgegenstands betreffen.

Dr. Kahr Dr. Jordan Klante Dr. Kellner Pü/Fa






BPatG:
Beschluss v. 27.01.2003
Az: 15 W (pat) 9/01


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