Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 10. November 2011
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 23/11

(BGH: Beschluss v. 10.11.2011, Az.: AnwZ (Brfg) 23/11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 10. November 2011 den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 1. April 2011 abgelehnt. Die Klägerin hatte zuvor die Gebühr für ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gezahlt, jedoch dagegen Widerspruch eingelegt. Die Klage der Klägerin auf Aufhebung der Bescheide und Rückzahlung der Gebühr wurde abgewiesen. Der Anwaltsgerichtshof hat daraufhin den Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die von der Beklagten festgesetzte Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu den Kosten steht, die bei der Bearbeitung der Zulassungsanträge anfallen. Daher wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 10.11.2011, Az: AnwZ (Brfg) 23/11


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Sächsischen Anwaltsgerichtshofs vom 1. April 2011 wird abgelehnt.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 225 € festgesetzt.

Gründe

1. Die Klägerin beantragte unter dem 30. September 2009 ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2009 forderte die Beklagte sie auf, die Gebühr für die Zulassung gemäß § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung der Rechtsanwaltskammer S. in Höhe von 225 € zu zahlen. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, nachdem sie zuvor das Geld auf das Konto der Beklagten überwiesen hatte. Mit Bescheid vom 19. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin erhob daraufhin Klage auf Aufhebung der Bescheide vom 9. Oktober 2009/19. Mai 2010 sowie auf 1 Rückzahlung der Gebühr. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Weder bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch beruht das angefochtene Urteil auf einem entscheidungserheblichen Verfahrensfehler (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid der Beklagten ist § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung (GO) vom 23. November 2000 in der Fassung des Beschlusses vom 9. September 2008. Diese sieht - unverändert seit dem Jahre 2000 - einen Betrag von 225 € vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Regelung nicht seit der Neufassung des § 192 BRAO im Jahre 2009 wegen Verletzung des sogenannten Kostendeckungsprinzips nichtig geworden.

Nach § 192 Satz 1 BRAO n.F. können die Rechtsanwaltskammern für die Bearbeitung von Anträgen auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft Gebühren zur Deckung des Verwaltungsaufwands erheben. Zuständig für die Festlegung der Gebührentatbestände sowie Fälligkeit und Höhe der Gebühren ist die Kammerversammlung (§ 89 Abs. 2 Nr. 2 BRAO). Hierbei findet nach § 192 Satz 2 BRAO n.F. das Verwaltungskostengesetz mit der Maßgabe Anwendung, dass die allgemeinen Grundsätze für Kostenverordnungen (§§ 2-7 VwKostG) entsprechend gelten. § 3 Satz 1 VwKostG bestimmt insoweit, dass die Gebührensätze so zu bemessen sind, dass zwischen der den Verwaltungsaufwand berücksichtigenden Höhe der Gebühr einerseits und der Bedeutung, dem wirtschaftlichen Wert oder dem sonstigen Nutzen der Amtshandlung andererseits ein angemessenes Verhältnis besteht (sogenanntes Äquivalenzprinzip). Ist ge-2 setzlich vorgesehen, dass Gebühren nur zur Deckung des Verwaltungsaufwands erhoben werden, sind nach § 3 Satz 2 VwKostG die Gebührensätze so zu bemessen, dass das geschätzte Gebührenaufkommen den auf die Amtshandlungen entfallenden durchschnittlichen Personal- und Sachaufwand für den betreffenden Verwaltungszweig nicht übersteigt (sogenanntes Kostendeckungsprinzip).

Durch die Neufassung des § 192 BRAO gemäß Art. 1 Nr. 57 des Gesetzes zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2449, 2455) ist mit Wirkung vom 1. September 2009 eine rechtliche Änderung eingetreten. Vormals bestimmte § 192 BRAO a.F. lediglich allgemein, dass die Rechtsanwaltskammern für Amtshandlungen nach der BRAO Verwaltungsgebühren erheben konnten. Insoweit war zwar auch damals bereits das Verwaltungskostengesetz anwendbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG; siehe auch BT-Drucks. 16/11385 S. 46). Allerdings war nicht ausdrücklich bestimmt, dass die Gebühren zur Deckung des Verwaltungsaufwands erhoben werden. Insoweit konnten die Kammern die Gebührensätze gegebenenfalls auch an § 3 Satz 1 VwKostG ausrichten (vgl. nur Feuerich/Weyland/Vossebürger, BRAO, 7. Aufl., § 192 a.F. Rn. 8 f.), während nunmehr § 3 Satz 2 VwKostG Prüfungsmaßstab ist (vgl. nur Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 192 n.F. Rn. 4; siehe auch BT-Drucks. aaO).

Hieraus folgt jedoch nicht, dass § 1 Abs. 1 GO seit dem 1. September 2009 nichtig geworden ist, da - wie es die Klägerin in den Raum stellt - der Betrag von 225 € nicht aufwandsangemessen sei.

Zunächst ist zu beachten, dass dem Normgeber bei der Festsetzung von Gebühren im Rahmen der §§ 2 ff. VwKostG ein Entscheidungs- und Gestal-5 tungsspielraum zusteht. Die Kontrolle der Gebührenbemessung, die ihrerseits häufig komplexe Kalkulationen, Bewertungen, Einschätzungen und Prognosen voraussetzt, darf nicht überspannt werden. Gebühren werden in der Regel in Verfahren erhoben, bei denen jede einzelne Gebühr nicht nach Kosten oder Wert und Vorteil einer real erbrachten Leistung genau berechnet, sondern vielfach nur nach Wahrscheinlichkeit und Vermutungen in gewissem Maße vergröbert bestimmt und pauschaliert werden kann. Maßgebliche Bestimmungsgrößen, wie die speziellen Kosten der gebührenpflichtigen öffentlichen Leistung, lassen sich häufig nicht exakt und im Voraus ermitteln und quantifizieren. Der Normgeber ist daher berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen (vgl. nur BVerfGE 108, 1, 19). Dementsprechend beschränkt sich die judikative Kontrolle darauf, ob die maßgeblichen Grundsätze der Gebührenbemessung gröblich verletzt worden sind (vgl. BVerfGE aaO zur gerichtlichen Kontrolldichte am Maßstab finanzverfassungsrechtlicher Rechtfertigung; BVerwGE 12, 162, 166 und v. Dreising, VwKostG, § 3 Erl. 3 S. 39 zum Kostendeckungs- und Äquivalenzprinzip des § 3 VwKostG; speziell zur Gebührenordnung von Rechtsanwaltskammern siehe auch Gaier/Wolf/ Göcken/Riedel, Anwaltliches Berufsrecht, § 192 BRAO Rn. 9 m.w.N.).

Dass die von der Beklagten in Ansatz gebrachte Gebühr in einem eindeutigen Missverhältnis zu den bei ihr anfallenden Kosten steht, ist nicht ersichtlich. Insoweit geht auch der Vorwurf der Klägerin fehl, der Anwaltsgerichtshof habe seine Aufklärungspflicht verletzt, da keine konkrete Kostenkalkulation vorgelegen habe und kein Beweis über die genauen Kosten erhoben worden sei. Die Beklagte hat in ihrer Klagerwiderung vom 11. August 2010 im Einzelnen dargelegt, wie sich ihr Verwaltungsaufwand im Rahmen der Bearbeitung von Zulassungsanträgen darstellt. Unter Berücksichtigung dieser - von der Klägerin auch nicht näher in Abrede gestellter - und im Übrigen plausibler Arbeits-8 schritte und Zeitangaben ist, auch wenn die Personal- und Sachkosten nicht näher im Einzelnen ausgerechnet worden sind, kein ausreichender Anhaltspunkt dafür gegeben, dass die Kosten in einem zu beanstandenden Verhältnis zur Höhe der streitgegenständlichen Gebühr stehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 3 GKG.

Tolksdorf König Seiters Frey Braeuer Vorinstanz:

AGH Dresden, Entscheidung vom 01.04.2011 - AGH 5/10 (I) - 9






BGH:
Beschluss v. 10.11.2011
Az: AnwZ (Brfg) 23/11


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