Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Februar 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 57/99

(BPatG: Beschluss v. 23.02.2000, Az.: 20 W (pat) 57/99)

Tenor

1. Der Beschluß des Patentamts vom 11. Februar 1999 wird aufgehoben.

2. Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 bis 8, Beschreibung Spalten 1 bis 7, 1 Blatt Zeichnung, Figur 6, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, 5 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 5, nach Patentschrift.

Gründe

I.

1. Gegen das Patent (Streitpatent) haben die B... GmbH in B... (Einsprechende I) und die B1... GmbH in N... (Einsprechende II) mit im wesentlichen gleichlautenden Begründungen Einspruch erhoben, wonach der Gegenstand des Patents nicht neu, nicht erfinderisch und im übrigen widerrechtlich entnommen sei. Die Patentabteilung 52 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 8. April 1997 die Einsprüche als unzulässig verworfen. Auf die hiergegen erhobene Beschwerde der Einsprechenden hat der 4. Senat des BPatG mit Beschluß vom 10. September 1998 die Einsprüche als zulässig erachtet und den Beschluß der Patentabteilung aufgehoben.

In der Folge hat die Patentabteilung mit Beschluß vom 11. Februar 1999 das Patent mangels Neuheit seines Gegenstandes widerrufen. Gegen diesen Beschluß richtet sich die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das Patent im eingeschränkten Umfang der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Fourierspektrometer mit einer breitbandigen Lichtquelle (1), einem einarmigen Polarisations-Interferometer und einem Detektor (14), dem ein Rechner zur Bildung der Fouriertransformierten des im Interferometer erzeugten Interferogramms nachgeschaltet ist, wobei das einarmige Polarisations-Interferometer folgende Komponenten aufweist:

eine Polarisator-Einrichtung (3) zum linearen Polarisieren eines in das Interferometer eintretenden parallelen Lichtstrahles aus einer Lichtquelle (1);

ein doppelbrechendes Verzögerungsglied (4) zum Aufspalten des linear polarisierten Lichtstrahles in einen ordentlichen und einen außerordentlichen Strahl mit jeweils der gleichen Ausbreitungsrichtung wie der des linear polarisierten Lichtstrahles;

eine Keilanordnung (5) aus doppelbrechendem Material, bestehend aus zwei gegeneinander beweglichen Keilen (6, 7), wobei die beiden Keile (6, 7) so angeordnet sind, daß ihre Hypotenusenflächen (8', 8'') unmittelbar aneinander angrenzen, ihre langen Kathetenflächen (9', 9) planparallel sind und zur Ausbreitungsrichtung des Lichts im Interferometer senkrecht stehen, wobei mindestens einer der Keile (6, 7) parallel zu seiner Hypotenusenfläche (8) derart verschiebbar ist, daß der gegenseitige Abstand der planparallelen Kathetenflächen (9', 9'') variiert werden kann, wobei die optischen Achsen zumindest eines beweglichen Keiles (6, 7) gegenüber den optischen Achsen des Verzögerungsgliedes (4) um 90¡ gedreht orientiert sind; und wobei die Keilanordnung derart ausgebildet ist, daß ein Gangunterschied von mehreren tausend Wellenlängen erzeugbar ist; undeine Analysatoreinrichtung (10) mit um einen vorgegebenen Winkel gegenüber der Polarisator-Einrichtung (3) um die Richtung des die Keilanordnung (5) verlassenden Lichtstrahles gedrehter Polarisationsebene, wobei in Ausbreitungsrichtung des erstmals durch die Keilanordnung (5) tretenden Lichtstrahles gesehen nach der Keilanordnung (5) ein Retroreflektor (15) vorgesehen ist, der den Lichtstrahl derart zurückwirft, daß der Lichtstrahl die Keilanordnung mindestens zweimal durchläuft, und wobei der Retroreflektor (15) eine Würfelecke (corner cube) ist."

Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 8 wird auf die Akte Bezug genommen.

2. Die beschwerdeführende Patentinhaberin ist der Auffassung, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 sei im Hinblick auf den nachgewiesenen Stand der Technik sowohl neu als auch erfinderisch, und stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, und das Patent mit den im Beschlußtenor genannten Unterlagen aufrecht zu erhalten.

Die Einsprechenden I und II stellen den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, das beanspruchte Fourierspektrometer sei nicht patentfähig. Außerdem erklären beide Einsprechenden übereinstimmend, der Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme werde nicht länger aufrechterhalten.

Wegen weiteren Einzelheiten zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

3. In der mündlichen Verhandlung werden folgende Druckschriften in Betracht gezogen:

[1] WO 90/10191

[2] Naumann/Schröder "Bauelemente der Optik, Taschenbuch der technischen Optik", Carl Hanser Verlag München/Wien, 5. Auflage, 1987, S 173-175, 298-303

[3] US 4 585 345.

[4] D.E. Jennings: "Passive tilt compensation in an FTS using a double- sided flat retroreflector", Applied Optics Vol. 27, No. 22, S. 4605 - 4606, Nov. 1988

[5] P. Hariharan et al: "Accurate measurements of phase differences with the Babinet compensator", J. Sci. Instr. Vol 37, August 1960, S. 278 - 281

[6] EP 0 281 906 A2 II.

Die erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie führt im eingeschränkten Umfang des gestellten Antrags auch zum Erfolg.

1. Der geltende Patentanspruch 1 geht zurück auf die Ansprüche 1 und 7 der erteilten Fassung und ist ebenso durch die ursprünglichen Unterlagen, Ansprüche 1 und 7 in Verbindung mit Seite 12 Abs 1 Z 6 gedeckt. Weder der Schutzbereich noch der Gegenstand des angegriffenen Patents werden durch diesen Patentanspruch erweitert. Die geltenden Unteransprüche, die den erteilten Ansprüchen 2 bis 6, 10 und 11 entsprechen, und die Beschreibung wurden im Rahmen des Patents und der ursprünglichen Offenbarung an den geltenden Anspruch 1 angepaßt.

2. Der Fachmann, ein Diplomphysiker mit Hochschulabschluß und Berufserfahrung in der Entwicklung von Spektrometern, der somit vertiefte Kenntnisse in Optik besitzt, entnimmt dem geltenden Patentanspruch 1 ein Fourierspektrometer, das zur Spektralanalyse, typischerweise im nahen Infrarotbereich, verwendet wird. Zentraler Teil der Vorrichtung ist ein sog. Polarisationsinterferometer, dh ein polarisationsoptischer Kompensator, in dem das einfallende polychromatische Licht linear polarisiert und durch Doppelbrechung in einem Verzögerungsglied in zwei Teilbündel gleicher Ausbreitungsrichtung aufgespalten wird, die aufgrund unterschiedlicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten einen Phasenversatz erleiden und zusammen entsprechend elliptisch polarisiertes Licht ergeben. Der Phasenunterschied kann durch eine bewegliche Keilanordnung variiert und jeweils dann kompensiert werden, wenn der Phasenhub ein ganzzahliges Vielfaches von 2¹ beträgt. Für diejenige Wellenlänge, bei der diese Bedingung gerade erfüllt ist, entsteht wieder linear polarisiertes Licht, das von einem nachgeschalteten, entsprechend orientierten Analysator ausgelöscht wird. Bei kontinuierlicher Keilbewegung ergibt sich dementsprechend für jede Wellenlänge ein periodisch intensitätsmoduliertes Signal. Das aus der Überlagerung aller Wellenzüge resultierende Meßlicht durchsetzt eine Probe und wird von einem Detektor aufgenommen; dessen Signal nach einer Fouriertransformation die spektrale Verteilung des durch die Probe gefilterten Lichts ergibt.

Nach der Lehre des Patentanspruchs 1 ist bei dem vorgenannten Fourierspektrometer ein Retroreflektor in Form eines Tripelspiegels "Würtelecke" vorgesehen, der das aus der Keilanordnung austretende Licht wieder auf sie zurückwirft, so daß sie mindestens zweimal durchlaufen wird. Hieraus resultieren eine vergleichsweise kompakte Bauform, bei der Analysator und Detektor eingangsseitig des Fourierspektrometers angeordnet sind, sowie eine höhere Auflösung aufgrund des zweimaligen Durchlaufs.

3. Zu den im Verfahren vor dem Patentamt behaupteten Vorführungen und Verkäufen von Fourierspektrometern der T... AG betonen die Einspre- chenden in der mündlichen Verhandlung, sie könnten dazu nicht mehr vortragen, als schriftsätzlich bereits geschehen. Danach bleibt offen, von welcher Beschaffenheit im einzelnen die den Kaufinteressenten des einschlägigen Unternehmensbereichs der T... AG gezeigten und von anderen später be- stellten - stets als "TECAN FT-NIR 4010" bezeichneten - Geräte besaßen. Jedenfalls entsprach der vom 6. bis 10. März 1989 auf der Pittsburgh Conference in Atlanta (USA) ausgestellte Prototyp nach der glaubhaften eidesstattlichen Erklärung vom 8. November 1996 des Miterfinders jenes Geräts, Dr. L..., "etwa einer Anordnung nach Fig. 3" von Druckschrift [1], also wie im Streitpatent als bekannt vorausgesetzt.

Gemäß dem weiteren schriftsätzlichen Vortrag allein der Einsprechenden 2 im Einspruch hat diese im Rahmen der Gespräche über den Kauf der "Aktivitäten auf dem Gebiete der Spektroskopie" von der T... AG den Anmeldungstext zu [1] erhalten. Nach der Lebenserfahrung ist davon auszugehen, daß ein Interessent für den Kauf eines Unternehmensbereichs einer Firma die in Vorgesprächen erhaltenen Informationen vertraulich behandelt, was insbesondere für eine noch nicht offengelegte Patentanmeldung zu gelten hat. Demnach ist der Senat davon überzeugt, daß die Kenntnis eines Spektrometers nach Fig. 2 der Patentanmeldung zu [1] nicht vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

4. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu; im Stand der Technik ist kein Fourierspektrometer mit allen Merkmalen dieses Anspruchs identisch vorbeschrieben. Dies gilt auch für die ältere Anmeldung gemäß [1], die als Stand der Technik nach § 3 Abs 2 Ziff 3 PatG zu berücksichtigen ist. Sie beschreibt zwar anhand der Figur 2 ebenfalls ein kompakt gebautes Fourierspektrometer mit Polarisator 3, doppelbrechendem Verzögerungsglied 4 und einer Keilanordnung 5, 6, die zweimal vom Licht durchlaufen wird; dies wird aber nicht durch einen Tripelspiegel wie beim Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1, sondern durch einen Planspiegel 14 erreicht, der "senkrecht zur Bewegungsrichtung des Lichtstrahls, diesen in sich selbst zurückreflektiert", vgl. Druckschrift [1] S 8 Abs 2. Demnach wird die ankommende Wellenfront in sich selbst derart zurückreflektiert, daß jeder "Lichtstrahl", dh jede Normale auf die Wellenfront die Keilanordnung in Gegenrichtung wieder an der gleichen Stelle passiert wie zuvor. Gerade diese Wirkung hat der streitpatentgemäße Tripelspiegel jedoch nicht, der zwar das Licht ebenfalls in die Ausgangsrichtung zurückreflektiert, dabei aber den Strahl parallel versetzt und die Wellenfront invertiert. Das streitpatentgemäße Merkmal, wonach hinter der Keilanordnung ein Tripelspiegel angeordnet ist, wird von der Druckschrift [1] somit weder identisch vorweggenommen, noch wird es der Fachmann dort als äquivalent und gleichwirkend austauschbar mitlesen. Ob ein Planspiegel durch einen Tripelspiegel ersetzbar ist, erfordert vielmehr Ñ insbesondere bei Verwendung von polarisiertem Licht Ñ weitergehende fachmännische Überlegungen. Dies ist aber dann eine Frage der erfinderischen Tätigkeit, die sich bei der älteren Anmeldung nach [1] nicht stellt.

5. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ergibt sich für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem vorveröffentlichten Stand der Technik und beruht somit auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, daß vor dem Anmeldetag des Streitpatents ein Fourierspektrometer vom Typ TECAN FT-NIR 4010 auf dem Markt angeboten und verkauft worden ist, das der gestreckten Bauart nach Figur 1 des Streitpatents bzw. der Figur 3 der Druckschrift [1] entspricht, und von dem das Streitpatent gemäß der Beschreibung in Sp 1 Z 3 bis 45 iVm Sp 5 Z 5 bis Sp 6 Z 11 ausdrücklich ausgeht. Aufgrund der diesbezüglich in sich schlüssigen und übereinstimmenden Ausführungen der Beteiligten kann es für den Senat keinen vernünftigen Zweifel geben, daß ein solches Gerät am Anmeldetag vorbekannter Stand der Technik war. Es weist einen Polarisator 3 (Bezifferung gemäß Fig 1 der Streitpatentschrift), ein Verzögerungsglied 4, eine Keilanordnung 5 aus doppelbrechendem Material mit einem feststehenden 6 und einem beweglichen Keil 7 sowie einen Analysator 10 in dieser Reihenfolge auf. Das Licht wird weiter durch eine Probe 12 geleitet und auf dem Detektor 14 gesammelt, dessen Signal nach einer Fouriertransformation das Spektrum liefert. Verzögerungsglied 4 und Keilanordnung 5 bilden dabei einen dem Fachmann geläufigen sog. Soleil-Kompensator, in dem der durch die doppelbrechende Planplatte 4 bedingte Phasenversatz durch die zweite Planplatte mit um 90¡ gedrehter optischer Achse und variabler Dicke kompensiert werden kann. Die Platte mit einstellbarer Dicke wird dabei aus zwei optisch gleichsinnig orientierten, gegeneinander verschiebbaren Keilen gebildet.

Von diesem bekannten Fourierspektrometer unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 dadurch, daß hinter der Keilanordnung der erwähnte Tripelspiegel vorgesehen ist, und das Licht die Keilanordnung mindestens zweimal durchsetzt.

Der Fachmann, der bei der Entwicklung einschlägiger Fourierspektrometer von vorneherein gehalten ist, immer eine möglichst kompakte Bauform und hohe Auflösung anzustreben, hat zwar gerade bei der bekannten langgestreckten und somit mechanisch empfindlichen Anordnung Veranlassung, in dieser Richtung Überlegungen anzustellen. Der nachgewiesene Stand der Technik gibt ihm aber keinen Hinweis, der ihn zum Streitpatentgegenstand führen würde. Zwar sind dem Fachmann selbstredend auch Retroreflektoren als solche bekannt. So beschreibt bspw. das Fachbuch [2] auf S 173 letzter Abs bis S 175 Abs 1 verschiedene Ausführungsformen, wobei aber lediglich der bekannte Vorteil herausgestellt wird, daß insbesondere Tripelspiegel keiner besonderen Ausrichtung und Justierung bedürfen, weil sie jeden einfallenden Strahl in die Einfallsrichtung zurückreflektieren; eine Anregung, sie für einen zweimaligen Durchsatz durch den Kompensator eines polarisationsoptischen Fourierspektrometers einzusetzen, entsteht hieraus aber ebensowenig wie aus S 301 mittlerer Abs der gleichen Druckschrift, wo ausgeführt ist, daß Tripelspiegel als Interferometerspiegel verwendet werden können; denn bei dem einarmigen polarisationsoptischen System nach dem Streitpatent sind keine Spiegel erforderlich. Die Intensitätsmodulation erfolgt dort durch Auslöschung mittels eines Polarisationsfilters und nicht mitttels zweier interferierender Wellenfronten eines Interferometers.

Auch die Druckschrift [3] geht nicht über diesen Stand der Technik hinaus. Die dort offenbarte Lehre betrifft ein Fourierspektrometer mit einem zweiarmigen Michelson-Interferometer. Interferometer(plan)spiegel können bei einer solchen Anordnung beidseitig durch Tripelspiegel ersetzt werden, die den Vorteil aufweisen, bezüglich ihrer Ausrichtung keiner besonderen Justierung zu bedürfen. Anstelle einer Relativbewegung der Spiegel kann außerdem der Gangunterschied im Interferometer auch dadurch verändert werden, daß ein optisches Medium variabler Dicke in Gestalt eines zweiteiligen Keiles, der gleichzeitig den Strahlteiler des Interferometers bildet, im Strahlengang eingesetzt ist. Wie anhand der Figuren 1 und 2 dargelegt, hat eine solche Anordnung den Nachteil, daß durch Dispersion unvermeidlich chromatische Fehler auftreten. Deshalb wird vorgeschlagen statt des Keiles je eine Planplatte in beiden Interferometerarmen zu verwenden, von denen eine als Doppelkeil ausgebildet ist. Im Zusammenwirken mit den beiden Tripelspiegeln ergibt sich eine automatische Kompensation der durch Dispersion in den Keilen, rsp. Planplatten verursachten Farbfehler, vgl. Figuren 3 und 9 und deren Beschreibung, insbesondere Sp 8 Z 18-32. Diese Lehre führt den Fachmann somit in eine ganz andere Richtung und liefert keinen Ansatzpunkt für eine Übertragung singulärer Merkmale auf das nach einem anderen Prinzip arbeitende polarisationsoptische Fourierspektrometer.

Nichts anderes gilt auch für das aus Druckschrift [4] bekannte Gerät, das ebenfalls auf einem zweiarmigen Inteferometer basiert, wobei der Gangunterschied zwischen den Teilstrahlen hier in üblicher Weise durch Verschieben eines Interferometerspiegels variiert wird. Um Ungenauigkeiten bei dieser mechanischen Bewegung zu vermeiden, wird vorgeschlagen, als beweglichen Spiegel eine beidseitig verspiegelten Platte ("moving doublesided flat mirror" in Fig. 1) zu verwenden, der im ersten Interferometerarm ein Tripelspiegel und im zweiten Arm eine Mehrfachspiegelanordnung nachgeschaltet sind. Verkippungen des Doppel-Spiegels während seiner Verschiebung wirken sich in beiden Teilstrahlengängen in gleicher Weise aus und kompensieren sich im Interferogramm. Wie die schon zuvor genannten, auf klassischen Interferometern basierenden Geräte, weist auch die Vorrichtung nach Druckschrift [4] keine über das Grundprinzip eines Fourierspektrometers hinausgehende Gemeinsamkeiten mit der streitpatentgemäßen Lehre auf.

Die Veröffentlichung [5] befaßt sich mit Messungen an einem Babinet-Kompensator, einer polarisationsoptischen Einrichtung mit Polarisator und Analysator, zwischen denen zwei gegeneinander verschiebliche Keile aus doppelbrechendem Material mit um 90¡ gegeneinander gedrehten optischen Achsen angeordnet sind. Im Gegensatz zu dem (beim bekannten TECAN FT-NIR 4010 vorliegenden) Kompensator nach "Soleil" liegen beim Babinet-Kompensator ausgangsseitig des Keilpaares quer zur Ausbreitungsrichtung des Lichts unterschiedliche, linear über das Meßfeld zunehmende Phasenunterschiede vor, so daß der Gangunterschied der durch Doppelbrechung aufgespaltenen Teilbündel nur stellenweise kompensiert wird, das deshalb eine Anzahl heller und dunkler Streifen aufweist, deren Verschiebung als Maß für die Doppelbrechung einer in den Strahlengang eingebrachten Probe dient. Um die Ablesegenauigkeit der Streifenverschiebung zu verbessern, erfolgt gemäß Druckschrift [5] eine invertierte Rückabbildung der Keil-Austrittsfläche auf sich selbst, wodurch ein zweites Streifenmuster mit der Periode ungeradzahliger Vielfacher von ¹/2 entsteht, das eine genauere Lokalisierung der Streifenextrema erlaubt. Diese anhand der Figuren 1 und 2 beschriebene Anordnung enthält zwar ua einen Retroreflektor in Form einer Linse L2 mit in deren Fokus stehendem Spiegel M1. Abgesehen davon, daß die Rückabbildung erst erfolgt, nachdem das Licht den Analysator passiert hat, wird der Fachmann diese Lehre schon deshalb nicht aufgreifen, weil sie für die Zwecke eines Fourierspektrometers von vorneherein unbrauchbar ist. Die über das Gesichtsfeld verteilten Streifen, die sich beim Durchstimmen der Keile lediglich verschieben, würden die beim Spektrometer erforderliche Modulation des die Probe durchsetzenden auf dem Detektor gesammelten Meßlichts zunichte machen.

Allerdings beschreibt die Druckschrift [5] unter der Überschrift "uniform compensator" anhand der Figur 4 noch eine weitere Anordnung, mit der auch bei einem Babinet-Kompensator eine vollflächige Modulation erzeugbar ist. Dies geschieht dadurch, daß die Keilaustrittsfläche wiederum mit einer Linse L2 und in derem Fokus stehendem Planspiegel M1 invertiert auf sich selbst abgebildet wird. In diesem Falle schließt die retroreflektierende Anordnung L2 + M1 unmittelbar an den Kompensator-Keil an. Das Licht durchläuft dann die Keilanordnung zum zweitenmal und trifft erst danach auf den eingangsseitig angeordneten Analysator P2 . Dem entnimmt der Fachmann, daß durch invertierte Rückabbildung auf diese Weise ein Soleil-Kompensator durch einen einfacheren Babinet-Kompensator ersetzt werden kann. Angewendet auf das TECAN FT-NIR 4010 Fourierspektrometer würde dies jedoch zu einer Abbildung der Keil-Austrittsfläche auf sich selbst und somit zu einer Ñ nach Maßgabe der Linsenbrennweite f Ñ langgestreckten 2f-Anordnung hinter dem Keil, nicht aber zu einem Tripelspiegel führen, der unmittelbar an der Keilrückfläche angeordnet werden kann und ohne Abbildung das Licht durch die Keilanordnung zurückreflektiert.

Die Druckschrift [6] liegt deutlich weiter ab. Sie betrifft ein Fizeau-Interferometer zur Prüfung der Konturtreue optischer Oberflächen. Dabei werden Interferenzstreifen als Maß der Abweichung zwischen der Prüf- und einer Referenzfläche ausgewertet. Dies setzt eine kohärente, monochromatische Lichtquelle voraus, mit der entsprechende Interferenzstreifen erzeugbar sind. Durch eine Verzögerungseinrichtung sollen zu große Wegunterschiede zwischen den interferierenden Teilstrahlen, die größer als die Kohärenzlänge des verwendeten Lichts sind, ausgeglichen werden. Mit dem Gegenstand des Streitpatents hat dies nichts zu tun.

6. Die übrigen in den bisherigen Verfahren in Betracht gezogenen Druckschriften sind nach der Überzeugung des Senats ebensowenig geeignet, den Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nahezulegen. Gegenteiliges haben auch die Einsprechenden nicht mehr geltend gemacht.

7. Es kann dahinstehen, ob trotz des Untersuchungsgrundsatzes des § 87 Abs 1 PatG und der im Einspruchsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwendenden Regelung des § 61 Abs 1 Satz 2 PatG, die zwischen den einzelnen Widerrufsgründen nicht unterscheidet, sich eine sachliche Prüfung des zurückgenommenen Einspruchsgrunds der widerrechtlichen Entnahme analog BPatGE 36, 213 für den Senat auch bei der vorliegenden Konstellation grundsätzlich verbietet, nachdem die Einsprüche in zulässiger Weise zusätzlich auf mangelnde Patentfähigkeit gestützt waren und lediglich der Einwand der widerrechtlichen Entnahme zurückgenommen worden ist; denn es fehlt bezüglich der geltend gemachten widerrechtlichen Entnahme schon an der ausreichenden Substantiierung des Vorbringens. Die Einsprechenden haben hierzu nicht die Tatsachen im einzelnen genannt, die den Senat in die Lage versetzen würden, diesen Widerrufsgrund ohne eigene Nachforschungen zu überprüfen. Sie haben lediglich pauschal darauf verwiesen, daß es "noch deutlich vor dem Anmeldezeitpunkt des Streitpatents" zu einem Besuch von Vetretern der Patentinhaberin bei den Erfindern der Patentanmeldung gemäß Druckschrift [1] gekommen sei, wobei "die Neuentwicklung nebst allen Unterlagen" erläutert worden seien. Mit der erfolgten Rücknahme haben die Einsprechenden zum Ausdruck gebracht, daß sie an einer Sachaufklärung nicht weiter mitzuwirken gedenken. Damit sind der Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen aber Grenzen gesetzt, denn gerade im Falle einer widerrechtlichen Entnahme kommt es ganz entscheidend auf Tatsachen an, die weitgehend auf dem Insider-Wissen der Beteiligten, insbesondere der nach eigenen Angaben Verletzten beruhen. Der Senat sieht deshalb weder eine Veranlassung noch überhaupt die Möglichkeit für eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen.

8. Mit dem geltenden Patentanspruch 1 haben auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 Bestand, die sinnvolle, nichttriviale Weiterbildungen des im Anspruch 1 ausgewiesenen Gegenstandes betreffen.

Anders Obermayer Greis Engelsprö






BPatG:
Beschluss v. 23.02.2000
Az: 20 W (pat) 57/99


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