Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 5. November 1985
Aktenzeichen: 5 TE 2142/85

(Hessischer VGH: Beschluss v. 05.11.1985, Az.: 5 TE 2142/85)

Gründe

I.

Die Klägerin erhob am 14. März 1983 gegen einen Bescheid des Regierungspräsidenten in Darmstadt, der die Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1981 festsetzte und für das Veranlagungsjahr 1982 eine Abwasserabgabenvorauszahlung anforderte, Klage, die beim Verwaltungsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen IV/1 E 485/83 registriert wurde. Im Verlauf des Klageverfahrens erließ der Regierungspräsident in Darmstadt einen Bescheid mit der endgültigen Festsetzung der Abwasserabgabe für das Veranlagungsjahr 1982. Die Beteiligten erklärten daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, soweit er die Anforderung einer Vorauszahlung für das Veranlagungsjahr 1982 betraf. Mit Beschluß vom 30. September 1985 trennte das Verwaltungsgericht das Verfahren bezüglich des erledigten Teils des Rechtsstreits ab. In dem abgetrennten Verfahren, welches das neue Aktenzeichen IV/1 E 1789/85 erhielt, traf das Verwaltungsgericht sodann am 8. Oktober 1985 folgende Kosten- und Streitwertentscheidung:

"1. Nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache werden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

2. Der Streitwert wird auf 388.574,-- DM festgesetzt."

Die Klägerin hat gegen diesen Beschluß am 22. Oktober 1985 Beschwerde eingelegt, mit der sie sinngemäß die Aufhebung des Beschlusses begehrt. Zur Begründung trägt sie vor, daß das Verfahren, auf das sich der angefochtene Beschluß beziehe, nicht wirksam abgetrennt worden sei. Der Trennungsbeschluß des Verwaltungsgerichts vom 30. September 1985 sei nichtig, weil sich die Hauptsache des abgetrennten Verfahrens schon vorher durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen erledigt habe. Ein nach § 93 Satz 2 VwGO abtrennbarer "Anspruch" habe somit nicht mehr bestanden. Für die für erledigt erklärte und folglich nicht mehr anhängige Hauptsache könne auch kein Streitwert festgesetzt werden. Eine Streitwertfestsetzung komme nur im Hinblick auf die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens in Frage; dies wiederum scheitere aber daran, daß die Bestimmung der Kosten ohne Streitwertfestsetzung nicht möglich sei. Die Tatsache, daß sich in diesem Punkt ein unlösbares Problem ergebe, bestätige die Richtigkeit der Auffassung, daß nach Teilerledigung einer Sache eine Abtrennung bezüglich des erledigten Teils nicht mehr erfolgen könne.

II.

Die Beschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben.

Soweit die Beschwerde die Kostenentscheidung in Ziffer 1) des angefochtenen Beschlusses betrifft, ist sie bereits unzulässig. Beschlüsse, mit denen gem. § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten eines in der Hauptsache erledigten Verfahrens entschieden wird, sind nach Art. 2 § 8 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (Entlastungsgesetz) vom 31. März 1978, BGBl. I 5.446, zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Juli 1985, BGBl. I 5.1274, unanfechtbar. Der Beschwerdeausschluß nach dieser Bestimmung greift nur dann nicht ein, wenn die Voraussetzungen für eine Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO in Wahrheit nicht vorlagen. Dies hat der Senat für den Fall entschieden, daß lediglich ein Beteiligter eine Erledigungserklärung abgegeben hat (Senatsbeschluß vom 8. November 1983 - V TH 46/83 - , ESVGH 34 S. 232 -L-;). Ein Fall dieser Art lieft aber auch dann vor, wenn sich die Kostenentscheidung auf ein gar nicht existentes Verfahren bezieht. Letzteres macht die Klägerin geltend, indem sie vorträgt, daß der Trennungsbeschluß vom 30. September 1985 als Grundlage des neuen Verfahrens VG Darmstadt VI/1 E 1789/85 nichtig gewesen sei. Der Klägerin kann jedoch in diesem Punkt nicht gefolgt werden. Die Abtrennung des die Vorauszahlung für das Veranlagungsjahr 1982 betreffenden Teils des Rechtsstreits war nach § 93 Satz 2 VwGO zulässig. Ein einzelner Anspruch, der zusammen mit anderen Ansprüchen Gegenstand einer Klage ist, läßt sich auch dann noch im Wege der Trennung verfahrensmäßig verselbständigen, wenn der Rechtsstreit bezüglich dieses Anspruchs übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. Es ist zwar richtig, daß mit Eingang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen die Anhängigkeit des um die Hauptsache geführten Streits entfällt. Ein Einstellungsbeschluß hat daher in diesem Fall lediglich deklaratorische Bedeutung. Zu entscheiden ist aber noch über die Kosten des Verfahrens. Solange diese Entscheidung aussteht, kann im Interesse einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung durchaus eine Abtrennung erfolgen. Dem steht der Wortlaut des § 93 Satz 2 VwGO nicht entgegen. Die dort ermöglichte getrennte "Verhandlung und Entscheidung" kann auch "erhobene" Ansprüche betreffen, bezüglich derer - nach zwischenzeitlicher Erledigung der Hauptsache - nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden ist. Im vorliegenden Fall hatte das Verwaltungsgericht die erforderliche Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO im Zeitpunkt der Abtrennung noch nicht getroffen. Das die Vorauszahlungsanforderung betreffende Verfahren war in diesem Punkt noch nicht "erledigt"; es konnte folglich abgetrennt werden. Der Argumentation der Klägerin ist im übrigen auch entgegenzuhalten, daß das Verwaltungsgericht ebensogut den noch streitigen Anspruch auf Aufhebung des Abwasserabgabenbescheides für 1981 hätte abtrennen können; dann wäre der in der Hauptsache erledigte Anspruch im alten Verfahren verblieben. Wie insoweit das Verwaltungsgericht verfährt, ist eine Frage der Technik und kann für die Zulässigkeit der Trennung keinen Unterschied ausmachen. Die von der Klägerin angegriffene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO bezieht sich nach allem auf ein wirksam abgetrenntes Verfahren. Damit greift der in Art. 2 § 8 des Entlastungsgesetzes vorgesehene Beschwerdeausschluß für Kostenentscheidungen nach § 161 Abs. 2 VwGO ein.

Sollte das Verwaltungsgericht die von der Klägerin beanstandete Trennung ohne verständigen Grund und ohne Rücksicht auf die kostenmäßigen Konsequenzen vorgenommen haben, könnte dies allenfalls als "unrichtige Sachbehandlung" anzusehen sein, die gem. § 8 GKG die Nichterhebung von Kosten zur Folge hätte. (vgl. OVG Münster, Beschluß vom 13. September 1977 - X B 1415/77 - , NJW 1978 S. 720 -L-;). Ein derartiger Fall liegt aber nach Auffassung des Senats - dies sei nur vorsorglich angemerkt - nicht vor. Für die Klägerin ergeben sich letztlich dadurch kostenmäßige Nachteile, daß sie selbst das Verfahren hinsichtlich der Vorauszahlungsanforderung für 1982 für erledigt erklärt und gegen die endgültig Festsetzung der Abwasserabgabe ein besonderes Rechtsmittelverfahren anhängig gemacht hat, anstatt die endgültige Festsetzung durch Klageänderung zum Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens zu machen (zu dieser Möglichkeit, die solange besteht, als die zur Erledigung der Vorauszahlungsanforderung führende endgültige Heranziehung nicht bestandskräftig ist: Senatsbeschluß vom 6. Dezember 1983 - V OE 51/80 - , HSGZ 1984 S. 101 ff. = Gemeindehaushalt 1984 S. 181 ff.) -. Für die kostenmäßigen Auswirkungen dieser von der Klägerin selbst gewählten Verfahrensweise kann nicht der Trennungsbeschluß des Verwaltungsgerichts verantwortlich gemacht werden.

Soweit sich die Beschwerde der Klägerin auf die Streitwertfestsetzung in Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses bezieht, ist sie nach § 25 Abs. 2 GKG zwar zulässig, aber nicht begründet. Da gemäß den obigen Ausführungen die Abtrennung des gegen die Vorauszahlungsanforderung gerichteten Anfechtungsbegehrens wirksam war, konnte für das abgetrennte Verfahren ein Streitwert festgesetzt werden. Der Höhe nach ist der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert nicht zu beanstanden. Die von der Beklagten geforderte Vorauszahlung für das Veranlagungsjahr 1982 belief sich auf 800.000,-- DM. Hiergegen hatte die Klägerin Klage erhoben, soweit die Forderung 411.426,-- DM überstieg. Streitig war damit ein Betrag in Höhe von 388.574,-- DM. Diesen Betrag hat das Verwaltungsgericht gem. § 13 Abs. 1 GKG zu Recht als Streitwert festgesetzt. Die ausgesprochene Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO Die getroffene Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG in entsprechender Anwendung. Ein Streitwert war nur für die Beschwerde gegen die Kostenentscheidung in Ziffer 1) des angefochtenen Beschlusses festzusetzen, da nur insoweit Gerichtsgebühren anfallen; das Verfahren ist dagegen gebührenfrei und löst auch Kostenerstattungsansprüche nicht aus, soweit sich die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung richtet (§.25 Abs. 3 GKG). Bei der Streitwertbemessung ist der Senat vor den Kosten ausgegangen, mit denen die Klägerin durch die vom Verwaltungsgericht getroffene Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO belastet wird. Diese Kosten stellen die derzeitige Beschwer dar, gegen die sich die Klägerin wendet. Die Möglichkeit, daß das Verwaltungsgericht später eine ebenso nachteilige oder gar noch ungünstigere Kostenentscheidung für die Klägerin getroffen haben könnte, wenn es den erledigten Teil im alten Verfahren belassen hätte, rechtfertigt nicht etwa eine Minderung des Streitwerts. Denn die Klägerin selbst strebt auf Grund des von ihr vertretenen Rechtstandpunkts ein stattgebendes Urteil in dem noch streitigen Verfahren IV/1 E 485/83 beim Verwaltungsgericht Darmstadt an. Wäre im Rahmen eines solchen Urteils noch über die Kosten des zuvor erledigten Teiles des Verfahrens zu entscheiden, so würde wohl auch diese Entscheidung bei Anlegung der Maßstäbe des § 161 Abs. 2 VwGO zu Gunsten der Klägerin ausfallen. So gesehen entspricht es der von der Klägerin geltend gemachten Beschwer, daß s ä m t l i c h e Kosten, die sie nach der angegriffenen Kostenentscheidung zu tragen hat, als Streitwert für das vorliegende Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt werden. Diese Kosten belaufen sich auf 5.181,80 DM. Sie setzen sich aus den gesamten außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Hälfte der Gerichtskosten zusammen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin betragen unter Zugrundelegung des von dem Verwaltungsgericht zutreffend auf 388.574,-- DM festgesetzten Streitwerts für das abgetrennte Verfahren 3.841,80 DM (eine Prozeßgebühr nach § 31 BRAGO = 3.330,-- DM, Auslagenpauschale nach § 26 BRAGO = 40,-- DM sowie 14 96 Umsatzsteuer = 471,80 DM). An Gerichtskosten fallen in dem abgetrennten Verfahren eine Verfahrensgebühr nach Ziff. 1201 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) und eine Beschlußgebühr nach Ziff. 1208 der Anlage 1 zum GKG an. Die Verfahrensgebühr richtet sich nach dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert und beträgt somit - unter Zugrundelegung der Tabelle der Anlage 2 zum GKG - 2.552,-- DM. Die Beschlußgebühr nach Ziff. 1208 der Anlage 1 zum GKG bestimmt sich nach dem Wert, der noch Gegenstand der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO ist, somit nach der Summe der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten, die bis zur Erledigung der Hauptsache entstanden sind (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluß vom 10. Juli 1978 - IV TH 14/77 - , HessVGRspr. 1979 5.17); sie ist damit im vorliegenden Fall nach einem Wert in Höhe von 6.393,80 DM (2.552,-- DM Gerichtskosten + 3.841,80 DM außergerichtliche Kosten) zu ermitteln und beläuft sich - nach der genannten Tabelle - auf 140,- DM. An Gerichtskosten ergibt sich so ein Gesamtbetrag in Höhe von 2.692,-- DM. Die Hälfte hiervon - 1.346,- DM - entfällt auf die Klägerin. Insgesamt wird diese daher durch den angegriffenen Kostenbeschluß mit Kosten in Höhe von 5.18 7,80 DM (3.841,80 DM + 1.34 6,-- DM) belastet. Dieser Betrag ist als Streitwert für die Beschwerde der Klägerin gegen die Kostenentscheidung in Ziff. 1 des angefochtenen Beschlusses festzusetzen.

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 25 Abs. 2 GKG).






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