Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. November 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 701/06

(BPatG: Beschluss v. 30.11.2006, Az.: 10 W (pat) 701/06)

Tenor

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Geschmacksmusterstelle - vom 8. März 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Auf einen Antrag vom 4. November 1998 wurde das Geschmacksmuster 498 10 714.0 in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Musterregister eingetragen. Mit Schreiben vom 4. Februar 2004 wurde der Geschmacksmusterinhaberin mitgeteilt, dass der Musterschutz ende, wenn nicht die Aufrechterhaltungsgebühr samt Verspätungszuschlag (insgesamt 140,- €) bis zum 31. Mai 2004 entrichtet würden. Nachdem die Zahlung ausgeblieben war, wurde die Eintragung des Musters gelöscht.

Am 23. September 2004 beantragte Frau A... als Inhaberin der geschäfts- führenden GmbH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl. der Zahlungsfrist. Zur Begründung gab sie an, ihr Vater als damaliger Geschäftsführer sei, nachdem er seit Anfang Januar krankheitshalber nicht mehr im Büro gewesen sei, am 2. Juli 2004 verstorben. Seine Mitarbeiterin habe die Mitteilung des DPMA fälschlicherweise abgeheftet, ohne die Zahlung zu veranlassen. Sie - Frau A... - habe das erst am Tag vor der Antragstellung (d. h. demnach am 22. September 2004) erkannt.

Mit Schreiben vom 29. Juni 2005 wurde Frau A... vom DPMA zunächst dahin gehend informiert, dass die versäumte Handlung innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses hätte nachgeholt werden müssen. Da dies nicht geschehen sei, bestehe die Möglichkeit, zusätzlich Wiedereinsetzung in diese Frist zu beantragen und die Zahlung innerhalb von zwei Monaten ab Zugang dieses Bescheids nachzuholen.

Daraufhin stellte der neue Geschäftsführer am 28. Juli 2005 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die genannte Zweimonatsfrist und zahlte am selben Tag die Aufrechterhaltungsgebühr.

Nach nochmaliger Überprüfung teilte das DPMA jedoch in einem an Frau A... ge- richteten Bescheid vom 26. August 2005 mit, dass sie zur Vertretung der Geschmacksmusterinhaberin und damit zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags vom 23. September 2004 nicht berechtigt gewesen sei. Auch sei die Jahresfrist, innerhalb derer die Wiedereinsetzung möglich gewesen wäre, bereits am 31. Mai 2005 abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung sei daher ausgeschlossen.

Nachdem auf diesen Bescheid keine schriftliche Äußerung eingegangen war, wies das DPMA den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr durch Beschluss vom 8. März 2006 zurück. Der Beschluss ist darauf gestützt, dass die versäumte Handlung nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Frist nachgeholt worden sei und die Gebührenzahlung am 28. Juli 2005 daher eine Wiedereinsetzung nicht ermöglichen könne. Die Frage der Antragsberechtigung könne dahinstehen.

Gegen den Beschluss richtet sich die Beschwerde der Geschmacksmusterinhaberin. Sinngemäß stellt sie den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr samt Verspätungszuschlag stattzugeben.

Zur Begründung gibt sie an, sie sei mit der Vorgehensweise des Patentamts nicht einverstanden. Die neue Geschäftsführung habe erst nach dem Tod des früheren Geschäftsführers nach und nach einiges aufgearbeitet. Diverse Korrespondenzen und Unterlagen seien erst später zum Vorschein gekommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Aus Gründen der Billigkeit ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

1. Die Geschmacksmusterinhaberin hat eine gesetzliche Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten, weshalb der von ihr gestellte Wiedereinsetzungsantrag statthaft ist (§ 23 Abs. 1 Satz 4 GeschmMG i. V. m. § 123 Abs. 1 PatG). Die Schutzdauer des Geschmacksmusters endete zunächst fünf Jahre nach dem Anmeldetag, d. h. am 4. November 2003 (§ 9 Abs. 2 GeschmMG in der bis zum 31. Mai 2004, d. h. bis zum Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 geltenden Fassung). Die Aufrechterhaltungsgebühr war am 30. November 2003 fällig geworden (§ 3 Abs. 2 PatKostG). Sie hätte zuschlagsfrei (in Höhe von 90,- €) bis zum 31. Januar 2004, mit Verspätungszuschlag (d. h. zzgl. 50,- €) bis zum 31. Mai 2004 gezahlt werden können (§ 7 Abs. 1 PatKostG). Die Nichteinhaltung dieser Zahlungsfristen hatte gemäß § 10 c Abs. 1 Nr. 1 GeschmMG (damalige Fassung) die Löschung des Schutzrechts zur Folge.

2. Der Wiedereinsetzungsantrag ist jedoch unzulässig.

a) Zwar ist der Antrag gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 PatG innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Hierbei kann zu Gunsten der Geschmacksmusterinhaberin angenommen werden, dass das Hindernis, das einer rechtzeitigen Gebührenzahlung entgegenstand, erst am 22. September 2004, d. h. einen Tag vor der Antragstellung, wegfiel, als Frau A... von der Gebührenmitteilung vom 4. Februar 2004 Kenntnis erhielt. Auch kann von der Wirksamkeit des Antrags ausgegangen werden. Zwar war Frau A... nicht zur Vertretung der Geschmacksmusterinhaberin befugt. Der neue Ge- schäftsführer hat aber durch die Stellung des weiteren Wiedereinsetzungsantrags vom 28. Juli 2005 die Genehmigung des von Frau A... gestellten Antrags zum Ausdruck gebracht.

b) Zur Zulässigkeit eines Antrags auf Wiedereinsetzung gehört nach § 123 Abs. 2 Satz 3 PatG aber auch die Nachholung der versäumten Handlung innerhalb der Antragsfrist. Die Aufrechterhaltungsgebühr samt Verspätungszuschlag hätte demnach bis zum 22. November 2004 entrichtet werden müssen. Tatsächlicher Zahlungseingang war aber erst der 28. Juli 2005.

c) Die Geschmacksmusterinhaberin hat ebenfalls am 28. Juli 2005 - auf entsprechenden Hinweis des DPMA - einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 123 Abs. 2 Satz 3 PatG gestellt. Diese Frist ist ihrerseits wiedereinsetzungsfähig (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 123 Rn. 53).

Jedoch hat die Geschmacksmusterinhaberin die Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr samt Verspätungszuschlag nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der gesetzlichen Zahlungsfrist nachgeholt. Nach § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG kann ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden.

Allein in Bezug auf die zweimonatige Frist zur Nachholung der versäumten Handlung wäre die genannte Jahresfrist zwar noch nicht abgelaufen. Fristablauf war bzgl. der Frist zur Nachentrichtung der Gebühr der 22. November 2004, weshalb die Jahresfrist in Bezug auf diese Frist an sich erst am 22. November 2005 abgelaufen wäre.

Nach Sinn und Zweck des § 123 Abs. 2 Satz 4 PatG ist jedoch bei der Berechnung der Jahres-Ausschlussfrist nicht vom Ablauf der Nachholungsfrist des § 123 Abs. 2 Sätze 1 und 3 PatG auszugehen, sondern vom Ablauf der ursprünglich versäumten Frist, d. h. im vorliegenden Fall der Frist zur Zahlung der Aufrechterhaltungsgebühr samt Verspätungszuschlag. Die Vorschrift dient - wie im angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist - der Rechtssicherheit. Bei ihr handelt es sich um eine "uneigentliche", nicht verlängerbare und nicht wiedereinsetzungsfähige Frist (Schulte, PatG, 7. Aufl., § 123 Rn. 31). Wenn ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist die versäumte Handlung noch nicht nachgeholt ist, ist daher - unabhängig von subjektiven Elementen wie Kenntnis oder Verschulden des Beteiligten (vgl. BPatGE 47, 151, 158) - eine Wiedereinsetzung nicht mehr möglich, auch wenn die Frist zur Nachholung der versäumten Handlung ihrerseits noch kein Jahr lang verstrichen ist.

d) Im Übrigen wäre der im Hinblick auf die Einhaltung der Nachholungsfrist gestellte Wiedereinsetzungsantrag auch nicht begründet. Dies wäre nur der Fall, wenn die Frist von der Geschmacksmusterinhaberin schuldlos versäumt worden wäre. Zur Begründung des Antrags wird im Schreiben vom 28. Juli 2005 lediglich vorgetragen, dass nach dem Tod des früheren Geschäftsführers und nach einer gewissen Aufarbeitungszeit die Korrespondenz und die Unterlagen erst zum damaligen Zeitpunkt zum Vorschein gekommen seien. Daraus wird aber nicht ersichtlich, weshalb die Geschmacksmusterinhaberin - nach Auffindung der Gebührenmitteilung vom 4. Februar 2004 - die Gebühr nicht innerhalb der dafür zur Verfügung stehenden Zweimonatsfrist nachentrichtet hat. Offenbar war sie mit den gesetzlichen Vorschriften zur Wiedereinsetzung nicht vertraut. Rechtsirrtum ist aber grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund (Benkard, a. a. O., § 123 Rn. 36). Von einem Verfahrensbeteiligten kann man in der Regel erwarten, dass er die maßgeblichen Vorschriften kennt oder sich nach ihnen erkundigt (ggf. durch Einschaltung eines Anwalts). Dies gilt erst recht, wenn es sich bei dem Beteiligten - wie hier - um ein Unternehmen handelt.

Nur in Ausnahmefällen ist der Rechtsirrtum vom Beteiligten nicht zu vertreten, etwa wenn er durch eine falsche Rechtsberatung der Behörde verursacht worden ist (Benkard, a. a. O., § 123 Rn. 38). Dies ist hier aber nicht der Fall. Die Versäumung der Frist zur Nachholung der Gebührenzahlung beruht nicht auf der durch das Schreiben des Patentamts vom 29. Juni 2005 vermittelten (rechtlich unzutreffenden) Information. Die Geschmacksmusterstelle war auch nicht verpflichtet, noch innerhalb der Zweimonatsfrist auf die Notwendigkeit einer fristgerechten Nachholung der versäumten Handlung aufmerksam zu machen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist aus Gründen der Billigkeit anzuordnen (§ 23 Abs. 2 Satz 3 GeschmMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG), weil das Patentamt der Geschmacksmusterinhaberin durch das Schreiben vom 29. Juni 2005 einen fehlerhaften Rechtsrat erteilt und diese dadurch zur Nachentrichtung der Gebühr und möglicherweise auch zur Beschwerdeeinlegung veranlasst hat.

Was die verspätet gezahlte Aufrechterhaltungsgebühr (samt Verspätungszuschlag) anbelangt, bedarf es insoweit keiner ausdrücklichen Rückzahlungsanordnung. Diese Gebühr ist auf ein bereits erloschenes Schutzrecht und somit ohne Rechtsgrund gezahlt worden, weshalb sie in entsprechender Anwendung des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückzuerstatten ist.






BPatG:
Beschluss v. 30.11.2006
Az: 10 W (pat) 701/06


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