Landgericht Dortmund:
Urteil vom 13. März 2014
Aktenzeichen: 18 O 65/13

(LG Dortmund: Urteil v. 13.03.2014, Az.: 18 O 65/13)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten - werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger sind Aufsichtsratsmitglieder der Beklagten. Die Beklagte ist als Aktiengesellschaft im Jahr 2005 aus einer formwechselnden Umwandlung der "Provinzial Holding Westfalen", Anstalt des öffentlichen Rechts hervorgegangen. Die Provinzial Holding Westfalen als Anstalt des öffentlichen Rechtes war ihrerseits aus einer Umstrukturierung im Jahr 2001/2002 hervorgegangen und war im Ergebnis rechtlich identisch mit der "Westfälischen Provinzial-Feuersozietät", Anstalt des öffentlichen Rechts. Die rechtliche Grundlage für die Umstrukturierung bildete des nordrheinwestfälische Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Westfälischen Provinzial-Versicherungsanstalten und über die Aufhebung des Gesetzes betreffend die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten vom 16. November 2001 (WPVG).

Bei der Beklagten handelt es sich um eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Aktionäre sind der Sparkassenverband Westfalen Lippe mit einem Anteil von 40 %, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe über eine Beteiligungsgesellschaft, die Westfälisch Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH, ebenfalls mit 40 %, der Sparkassen- und Giroverband für Schleswig Holstein mit 18 % sowie der Ostdeutsche Sparkassenverband mit 2 %. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 160.000.000,00 € und ist eingeteilt in 160.000.000 auf den Namen lautenden Stückaktien. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist die Beteiligung an, die Führung und Steuerung von sowie die Wahrnehmung gemeinsamer Aufnahmen von in- und ausländischen Unternehmen im Rahmen der Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes. Die Beklagte fungiert als Holding Gesellschaft für das operative Lebens- und Sachversicherungsgeschäft der Provinzial Versicherungen. Das Geschäftsgebiet beinhaltet insbesondere die Gebiete des Landes Schleswig-Holstein, der freien und Hansestadt Hamburg, des Landes Meckenburg-Vorpommern sowie das Gebiet des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe. Die Beklagte hält u. a. das alleinige Grundkapital an der Westfälischen Provinzial Versicherung AG Münster, der Provinzial Nordbrandkasse AG Kiel, der Hamburger Feuerkasse Versicherungs-AG Hamburg und der Provinzial NordWest Lebensversicherung AG.

Im Übrigen erbringt die Beklagte kein Erstversicherungsgeschäft, sondern ist ausschließlich als Rückversicherer tätig.

Am 28. Mai 2013 fand eine Hauptversammlung der Beklagten statt. Die Einladung zu der Hauptversammlung lautete auf den 29.05.2013. Als Vertreter aller vier Aktionäre nahm Herr P an der Hauptversammlung teil. Es wurde sodann mit allen Stimmen der Beschluss gefasst, dass der im Geschäftsjahr 2012 erzielte Bilanzgewinn in Höhe von 70.200.000,00 € als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet werden soll. Gemäß der Niederschrift für die ordentliche Hauptversammlung lagen für P schriftliche Vollmachten der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH vom 22.05.2013, des Sparkassenverbandes Westfalen Lippe vom 27.05.2013, des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig Holstein vom 24.05.2013 und des Ostdeutschen Sparkassenverbandes vom 23.05.2013 vor. Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 17.01.2014 hat die Beklagtenseite die entsprechenden Vollmachten zur Akte gereicht.

Die Kläger halten den Gewinnverwendungsbeschluss für nichtig bzw. für anfechtbar.

Es bestünden Zweifel an der rechtswirksamen Aktionärsstellung der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 LVerbO NW obliege dem Landschaftsverband Westfalen Lippe kraft Gesetzes die Pflicht zur unmittelbaren Beteiligung an der Beklagten, so dass eine nur mittelbare Beteiligung kraft öffentlichrechtlicher Bestimmung ausgeschlossen sei. Weiter haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2014 bestritten, dass überhaupt eine Vollmacht für P vorlag. Nachdem die Beklagte mit nachgelassenem Schriftsatz vom 17.01.2014 die Vollmachten vorgelegt hat, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 29.01.2014 insoweit ausgeführt, dass mit Erstaunen zur Kenntnis genommen würde, dass die Vollmacht der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH am 22.05.2013 für die Hauptversammlung am 28.05.2013 ausgestellt worden sei, obwohl nach Vortrag der Beklagten die Vorverlegung der Hauptversammlung erst am 23.05.2013 erfolgt sei.

Weiter meinen die Kläger, dass eine Gewinnausschüttung in der vorgenommenen Höhe keinesfalls hätte erfolgen dürfen. Die Beklagte nehme eine öffentliche Aufgabe war, es könne daher nicht reines aktiengesellschaftliches Ausschüttungsrecht gelten. Die Regelungen des Westfälischen Provinzialversicherungsgesetzes und der Satzung seinerzeitigen Anstalt des öffentlichen Rechtes würden fortwirken. Nach § 1 Abs. 1 WPVG sei die Erzielung von Gewinn nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes. Aus dem öffentlichen Auftrag und dem Umstand, dass die Gewinnerzielung nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes der Anstalt sei, folge, dass bis auf eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals aus den Jahresüberschüssen Ausschüttungen an die Gewährträger nicht vorgenommen werden dürften. Gemessen am Stammkapital von 160.000.000,00 € sei eine Ausschüttung von 70,2 Mio. € unangemessen. Soweit in § 5 WPVG keine Höhe der Verzinsung festgesetzt sei und auch im Übrigen im WPVG keine ausreichenden Regelungen enthalten seien, die sichergestellt hätten, dass nach der Umwandlung nur eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals erfolgen könne, handele es sich um ein Versäumnis des Gesetzgebers, aus dem die Gewährträger keine Vorteile für sich ziehen könnten. Die Kläger verweisen auf die Landtagsdrucksache 13/1382 zum Gesetzentwurf für das WPVG. Auf Seite 10f der Landtagsdrucksache heiße es, das Kennzeichen des öffentlichen Auftrags insbesondere sei, dass die Gewinnerzielung nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes der Anstalten sein dürfe und dass bis auf eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals aus den Jahresüberschüssen Ausschüttungen an den Gewährträger nicht vorgenommen werden dürften.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.05.2013: "entsprechend der Empfehlung des Aufsichtsrates, den verbleibenden Bilanzgewinn in Höhe von 70.200.000,00 € als Dividende an die Eigentümer auszuschütten", nichtig ist;

hilfsweise, den Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 28.05.2013 "entsprechend der Empfehlung des Aufsichtsrates, den verbleibenden Bilanzgewinn in Höhe von 70.200.000,00 € als Dividende an die Eigentümer auszuschütten", für nichtig zu erklären;

weiter,

die Beklagte zu verpflichten, eine Hauptversammlung einzuberufen, in der ein Gewinnverwendungsbeschluss zum Jahresergebnis 2012 zu fassen ist, der eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals vorsieht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Nebenintervenientin schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Sie hält die Klage, soweit eine Anfechtung in Frage komme, wegen Versäumung der Anfechtungsfrist für unwirksam. Die Klage sei zunächst bei dem unzuständigen Landgericht Münster erhoben worden. Zudem fehle es für die Anfechtungsklage an der Anfechtungsbefugnis der Aufsichtsräte nach § 245 AktG.

Für die Rechtauffassung der Kläger gebe es keine gesetzliche Grundlage. Aus dem WPVG lasse sich insoweit nichts entnehmen. Dieses sei im Übrigen auch nicht mehr anwendbar. Nach der Umwandlung gemäß §§ 301 ff. Umwandlungsgesetz in Verbindung mit § 8 Abs. 3 WPVG seien öffentlich rechtliche Normen nicht mehr anwendbar. Etwaige landesgesetzliche Regelungen könnten im Übrigen auch das Aktiengesetz als Bundesrecht nicht modifizieren. § 58 Abs. 4 AktG sehe aber gerade ausdrücklich das Vollausschüttungsprinzip vor.

Im Übrigen sei für die Frage der Angemessenheit der Verzinsung auf das gesamte Eigenkapital abzustellen. Das Eigenkapital der Beklagten habe zum 31. Dezember 2012 insgesamt 1.167.000.000,00 € betragen, wovon 160.000.000,00 € auf das Grundkapital entfielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Mit Beschluss vom 29.07.2013 hat das Landgericht Münster die zunächst bei ihm erhobene Klage unter Hinweis auf die Konzentrationsverordnung Gesellschaftsrecht vom 08.06.2010 des Landes Nordrhein Westfalen an das Landgericht Dortmund verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund für die Entscheidung ergibt sich aus der nach § 281 ZPO bindenden Verweisung durch das Landgericht Münster an das Landgericht Dortmund. Im Übrigen ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts Dortmund auch aufgrund der Konzentrationsverordnung Gesellschaftsrecht des Landes Nordrhein Westfalen.

Rechtsverstöße, die die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses vom 28.05.2013 begründen könnten, liegen nicht vor.

Der Hauptversammlungsbeschluss ist nicht wegen Verstoßes gegen § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG nichtig. Soweit §§ 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG in Verbindung mit § 121 Abs. 3 Satz 1 AktG Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses anzunehmen ist, wenn für den Zeitpunkt der Hauptversammlung keine Einladung erfolgt ist - was hier der Fall ist, da die Einladung zur Hauptversammlung auf den 29.05.2013 lautete -, ist § 121 Abs. 1 Satz 3 AktG hier aber im Hinblick auf § 121 Abs. 6 AktG nicht anwendbar. Hiernach ist der Verstoß gegen § 121 Abs. 3 AktG unschädlich, wenn alle Aktionäre an der Hauptversammlung teilgenommen haben und kein Aktionär der Beschlussfassung widersprochen hat. So liegt der Fall hier. Vollständige Präsens im Sinne von § 121 Abs. 6 AktG liegt auch dann vor, wenn die Aktionäre durch Bevollmächtigte vertreten sind (Hüffer, AktG 10. Aufl., 2012, § 121 Rn. 20). Hier ist davon auszugehen, dass die vier Namensaktionäre am 28.05.2013 anwesend waren, da sie durch P als Bevollmächtigten vertreten worden sind. Gemäß Anlage zur Niederschrift zur Hauptversammlung lagen entsprechende Vollmachten vor. Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2014 bestritten, dass entsprechende Vollmachten vorlagen. Der Beklagten ist daraufhin im Termin aufgegeben worden, die Vollmachten vorzulegen. Dies ist mit dem Schriftsatz vom 17. Januar 2014 geschehen; da eine entsprechende Auflage gemacht worden ist, handelt es sich um einen nachgelassenen Schriftsatz, das Vorbringen aus diesem Schriftsatz kann mithin der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Vorgelegt wurden die Vollmachten des Sparkassen- und Giroverbandes für Schleswig Holstein vom 24. Mai 2013, des Ostdeutschen Sparkassenverbandes vom 23. Mai 2013, des Sparkassenverbandes Westfalen Lippe vom 27. Mai 2013 und der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH vom 22.05.2013. Im Hinblick auf die nunmehr vorliegenden Vollmachten ist das Bestreiten des Vorliegens von Vollmachten als Bestreiten unsubstantiiert. Nach dem Vorliegen der Vollmachten hätten die Kläger konkret dartun müssen, ob und wieso sie die vorgelegten Vollmachten für unzureichend halten. Hierzu hatten sie Gelegenheit. In dem Schriftsatz vom 29.01.2014 haben sie eine Stellungnahme abgegeben. Diese Stellungnahme beschränkt sich aber darauf, dass das Erstaunen zum Ausdruck gebracht wird, dass die Vollmacht der Westfälisch-Lippischen Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH vom 22.05.2013 herrührt. Konkrete rechtliche und tatsächliche Einwendungen gegen die verschiedenen Vollmachten werden indes nicht vorgebracht.

Da die Vollmachten aufgrund eines nachgelassenen Schriftsatzes vorgelegt worden sind, können sie bei der Endentscheidung berücksichtigt werden, ohne dass es eines erneuten Eintritts in die mündliche Verhandlung bedarf. Ein erneuter Eintritt in die mündliche Verhandlung wäre nur notwendig gewesen, wenn die Kläger nach Vorlage der Vollmachtsurkunden konkrete Einwendungen erhoben hätten, was aber - wie soeben dargelegt - nicht der Fall ist.

Die Vollmachten sind auch nicht nach § 181 BGB unwirksam. Diese Vorschrift gilt bei Stimmrechtsvollmachten nicht, denn die in den Stimmabgaben liegende Willenserklärungen sind nicht aufeinander bezogen, sondern stehen parallel nebeneinander, weswegen es an dem von § 581 BGB vorausgesetzten Interessengegensatz fehlt (Schröer in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 3. Aufl., 2013 Bd. 3 § 134 Rn. 36). Gilt dieser Gesichtspunkt für die Stimmrechtsvollmacht, dann erst Recht, soweit es - wie bei § 121 Abs. 6 AktG - um die bloße Präsenz geht.

Inwieweit die vorgelegten Vollmachten als Stimmrechtsvollmachten ausreichend sind, kann im Übrigen dahinstehen. Beschlussrechtliche Folge wäre allenfalls die Anfechtbarkeit. Der Gesichtspunkt unzureichender Stimmrechtsvollmacht ist aber konkret gar nicht erhoben worden, bzw. allenfalls frühestens durch die Ausführungen Seite 6 des Schriftsatzes vom 16.10.2013. Dieser Gesichtspunkt hätte aber, um Berücksichtigung zu finden, bereits innerhalb der Monatsfrist des § 246 AktG vorgebracht werden müssen. Da dies nicht geschehen ist, ist er unbeachtlich.

Soweit die Kläger meinen, dass der Landschaftsverband Westfalen Lippe seine Aktionsstellung nicht mittelbar durch die Westfälisch Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH ausüben dürfe, ist dieser Einwand für den Rechtsstreit unerheblich. Die Westfälsch-Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH ist Aktionärin der Beklagten. Nach § 67 Abs. 2 AktG gelten im Verhältnis zur Aktiengesellschaft bei Namensaktien die in das Aktienregister eingetragenen Aktionäre als Aktionäre. Inwieweit der Landschaftsverband Westfalen Lippe gesetzlich seine Beteiligung an der Beklagten mittelbar ausüben darf, kann mithin dahinstehen. Entscheidend ist allein die Eintragung in das Aktienregister.

Sonstige Nichtigkeits- und Anfechtungsgründe liegen ebenfalls nicht vor. Der Gewinnverwendungsbeschluss ist nicht inhaltlich unrechtmäßig. Insbesondere gibt es keine Norm und keinen Rechtsgrundsatz, der die Ausschüttung an die Anteilseigner auf eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals beschränkt.

Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung ist insoweit § 58 Abs. 4 AktG, wonach die Aktionäre einen Anspruch auf den Bilanzgewinn haben, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung oder durch Hauptversammlungsbeschluss von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. Die Satzung der Beklagten enthält insoweit keine Regelungen. Auch aus Gesetz ergeben sich keine Einschränkungen. Soweit die Kläger auf das WPVG verweisen, gilt, dass dieses Gesetz zur Höhe der Verzinsung des Stammkapitals keine Regelung enthält. In § 5 Abs. 2 WPVG ist lediglich bestimmt, dass die Höhe des Stammkapitals und die Höhe der Verzinsung von der Satzung geregelt werden. Unabhängig hiervon findet das WPVG bereits keine Anwendung mehr. Zum einen ist es dadurch, dass die seinerzeitige Anstalt öffentlichen Rechts durch Umwandlung gemäß § 8 Abs. 3 WPVG in Verbindung mit §§ 301 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG) in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt worden ist, gegenstandslos geworden ist. Etwaige Mängel des Formwechsels lassen die Wirkungen der Eintragung des Formwechsels in das Handelsregister unberührt, § 304 Satz 2 UmwG. § 1 Abs. 2 WPVG bestimmte, dass sich die Rechtsverhältnisse der Anstalten nach diesem Gesetz und nach ihrer Satzungen bestimmen. Nach Umwandlung handelt es sich indes nicht mehr um eine Anstalt, sondern um eine Kapitalgesellschaft, so dass schon aus diesem Grunde die Vorschriften des WPVG für die Beklagte gegenstandslos geworden sind. Im Übrigen wäre es dem Landesgesetzgeber auch im Hinblick auf Artikel 31 GG verwehrt, Gesetze zu erlassen, die Bundesgesetze (hier das Aktiengesetz) modifizieren und einschränken.

Eine Gewinnausschüttungssperre ergibt sich auch nicht mittelbar daraus, dass es der Beklagten untersagt wäre, Gewinne zu erwirtschaften.

Zwar kann die Beklagte aufgrund ihrer Aktionärsstruktur als auch aufgrund des in § 2 der Satzung niedergelegten Unternehmenszweckes - Ziel der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Versicherungsschutz und der Aufrechterhaltung eines kundenorientierten, regionaldezentralisierten ausgewogenen Marktes für Versicherungsprodukte - als öffentliches Unternehmen angesehen werden. Insoweit werden Normen des Privatrechts durch Bestimmung des öffentlichen Rechtes ergänzt, überlagert und modifiziert. Insbesondere besteht insoweit eine Bindung an die Grundrechte, den Gleichheitssatz und das folgende Willkürverbot (BGH NJW 2003, 2451 ff.). Indes gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, der es öffentlichen Unternehmen verbietet, Gewinne zu erwirtschaften. Insbesondere sind das Kostendeckungsprinzip und ähnliche gebührenrechtliche Prinzipien keine Grundsätze mit verfassungsrechtlichem Rang (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.03.1998, 1 BvR 178/97 zitiert nach Juris, Rn. 65). Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 3 WPVG die Erzielung von Gewinn zwar nicht Hauptzweck der seinerzeitigen Anstalt war, gleichwohl war die Gewinnerzielung auch nicht verboten. Auch ist auf § 109 der Gemeindeordnung NW zu verweisen, wonach kommunale Unternehmen so zu führen sind, dass der öffentliche Zweck nachhaltig erfüllt wird, zudem sollen die Unternehmen einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinde abwerfen, nach § 109 Abs. 2 Gemeindeordnung NW soll der Jahresgewinn des Unternehmens mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaften. Aus all dem läßt sich entnehmen, dass es jedenfalls keinen Grundsatz gibt, dass öffentliche Unternehmen Gewinne nicht erwirtschaften dürfen.

Allein aus dem Umstand, dass es auf Seite 10 f. der Landtagsdrucksache 13/1382 zum WPVG heißt, dass bis auf eine angemessene Verzinsung des Stammkapitals aus den Jahresüberschüssen Ausschüttungen an die Gewährträger nicht vorgenommen werden dürfen, lässt sich ein einschränkendes Prinzip nicht ableiten. In den Gesetzestext als solchen haben diese Überlegungen zudem keinen Eingang gefunden.

Da es kein allgemeines Prinzip gibt, dass Gewinne nicht erwirtschaftet werden dürfen oder die Verzinsung des Stammkapitals zwingend der Höhe nach zu begrenzen ist, kann auch ein irgendwie geartetes Unterlassen des Gesetzgebers nicht festgestellt werden, aus dem die Gewährträger keine Vorteile ziehen dürften.

Nach alledem besteht kein Anlass, die Grundregel des § 58 Abs. 4 AktG, der die Ausschüttung des Bilanzgewinns an die Aktionäre vorsieht, hier zu modifizieren. Da kein inhaltlicher Verstoß erkennbar ist, scheidet eine Nichtigkeit nach § 241 Satz 1 Nr. 3 und 4 AktG bzw. eine Anfechtbarkeit gemäß § 243 AktG aus.

Sonstige inhaltliche Rechtsverstöße sind nicht vorgetragen und ersichtlich. Soweit die Kläger meinen, dass im Hinblick auf die Finanzmarktkrise und die Niedrigzinsphase Überschüsse in Rücklagen eingestellt werden müssten, um den öffentlichen Auftrag wahren zu können, so ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar. Es ist in keiner Art und Weise ersichtlich, dass die Beklagte nicht über ausreichende Rücklagen verfügt.

Da der Gewinnverwendungsbeschluss weder nichtig noch für nichtig zu erklären ist, ist auch von vornherein der Antrag zu Ziffer 3 hinfällig, die Beklagten zu verpflichten, eine neue Hauptversammlung einzuberufen, um über die Gewinnverwendung des Jahres 2012 zu befinden. Dahin stehen kann damit, ob ein entsprechender Ausspruch überhaupt möglich wäre.

Insgesamt war die Klage daher abzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 101, 709 ZPO.






LG Dortmund:
Urteil v. 13.03.2014
Az: 18 O 65/13


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