Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 26. März 2009
Aktenzeichen: 1 K 5114/07

(VG Köln: Urteil v. 26.03.2009, Az.: 1 K 5114/07)

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31. Oktober 2007 wird aufgehoben, soweit er andere Mietleitungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s betrifft.

Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 3/11 und die Beklagte zu 8/11.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost bzw. der Deutschen Bundespost Telekom und als solche Eigentümerin der von dieser aufgebauten Telekommunikationsnetze sowie der zugehörigen technischen Einrichtungen. Sie betreibt u.a. Übertragungswege, mit denen eine permanente leitungsgebundene und/oder funkgestützte Verbindung zwischen verschiedenen Standorten hergestellt wird. Diese Übertragungswege nutzt sie teils selbst, teils vermietet sie diese an Anbieter von Telekommunikationsdiensten und Endnutzer. Im hier in Rede stehenden Vorleistungsbereich erlegte die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur - BNetzA) mit vorläufiger Regulierungsverfügung vom 30. November 2004 der Klägerin eine umfassende Zugangsverpflichtung bezüglich derjenigen Übertragungswege, deren Entgelte und entgeltrelevanten Bestandteile der AGB gemäß § 25 TKG1996 der Genehmigungspflicht unterlegen hatten, auf. Dies betraf alle digitalen Standard- Festverbindungen (dSFV) sowie alle Carrier-Festverbindungen (CFV). Durch rechtskräftiges Urteil vom 04. Mai 2006 im Verfahren 1 K 9190/04 hob die erkennende Kammer diese Regulierungsverfügung - soweit von der Klägerin noch angefochten - auf. Soweit der Klägerin durch diese Regulierungsverfügung eine Zugangsverpflichtung für CFV von 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s auferlegt worden war, hatte sie die Klage zurückgenommen.

Nachdem die Europäische Kommission unter dem 29. September 2006 an einem ersten Notifizierungsentwurf hinsichtlich einer Regulierungsverfügung betreffend die Märkte 13 und 14 der Empfehlung der Kommission vom 11. Februar 2003 (ABl. EG Nr. L 114, S. 45 - Märkte-Empfehlung -) ernsthafte Zweifel geäußert hatte, entschied die BNetzA mit Bescheid vom 31. Oktober 2007 (BK 3b-07/007) zum einen, dass - aufgrund der Festlegung durch ihre Präsidentenkammer - die als "Betroffene" bezeichnete Klägerin und die mit ihr verbundenen Unternehmen auf dem bundesweiten Markt für Abschlusssegmente von Mietleitungen auf der Vorleistungsebene über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 TKG verfüge. Zum anderen beschloss die BNetzA u.a.:

" I.

R e g u l i e r u n g s v e r f ü g u n g

1. Die der Betroffenen mit der Regulierungsverfügung BK 2b-04/027 vom 30.11.2004 auferlegten Verpflichtungen werden, soweit sie den bundesweiten Markt für Abschlusssegmente von Mietleitungen auf der Vorleistungsebene betreffen und nicht rechtskräftig aufgehoben worden sind, beibehalten bzw. der Betroffenen werden folgende Verpflichtungen auferlegt, nämlich

1.1 anderen Unternehmen Zugang zu Abschlusssegmenten von Mietleitungen zu gewähren,

1.3 zum Zwecke des Zugangs gemäß Ziffer 1.1 Kollokation zu ermöglichen sowie im Rahmen dessen Nachfragern bzw. deren Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu gewähren, und

1.4 dass Vereinbarungen über Zugänge nach Ziffern 1.1 und 1.2 auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sind, einen gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen.

2. Die Entgelte für die Zugangsgewährung gemäß Ziffern 1.1 und 1.2 unterliegen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG.

3. Die Verpflichtungen nach Ziffer 1. und 2. stehen bezüglich Mietleitungen mit einer kleineren Bandbreite als 2 Mbit/s unter der auflösenden Bedingung, dass die der Betroffenen zuletzt mit Regulierungsverfügung BK 3b-06-037 und -039/R vom 15.05.2007 auferlegte Verpflichtung zur Bereitstellung eines Mindestangebots entfällt. Bei Eintritt dieser Bedingung gelten für die Betroffene folgende Verpflichtungen:

3.1 Vereinbarungen über Zugänge zu Abschlusssegmenten von Mietleitungen mit einer kleineren Bandbreite als 2Mbit/s müssen auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein, einen gleichwertigen Zugang gewähren und den Geboten der Chancengleichheit und Billigkeit genügen.

3.2 Die Entgelte für die unter Ziffer 3.1 genannten Zugangsleistungen unterliegen der nachträglichen Regulierung nach § 38 TKG.

4....

II.

Der Betroffenen wird auferlegt, ein Standardangebot für Zugangsleistungen, zu deren Angebot sie gemäß Ziffern 1.1 und 1.2 der unter I. ergangenen Regulierungsverfügung verpflichtet ist und für die eine allgemeine Nachfrage besteht, innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu veröffentlichen.

Die Angaben zu den Standorten des Zugangs bzw. der Kollokation müssen nicht veröffentlicht werden, sie müssen nur auf Nachfrage interessierten Unternehmen zugänglich gemacht werden."

Zur Begründung führte die BNetzA u.a. aus:

Auf dem regulierungsbedürftigen nationalen Markt für Abschlusssegmente von Mietleitungen für Großkunden verfüge die Klägerin über beträchtliche Marktmacht im Sinne des § 11 TKG.

Die Beibehaltung bzw. Auferlegung der Verpflichtung zur Zugangsgewährung beruhe auf §§ 9 Abs. 2, 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG. Die auferlegte Verpflichtung sei geeignet und erforderlich, die Entwicklung nachhaltig wettbewerbsorientierter Endkundenmärkte zu fördern und die Interessen der Endkunden zu wahren. Sie stehe zudem in einem angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Kriterien des § 21 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 TKG. Die Kollokationsverpflichtung erfolge auf der Grundlage von § 21 Abs. 3 Nr. 4 TKG. Sie sei geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung des Kriterienkatalogs des § 21 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 7 TKG auch angemessen. Rechtliche Grundlagen für das der Klägerin insbesondere mit Blick auf deren vertikale Integration auferlegte Diskriminierungsverbot seien die §§ 9 Abs. 2, 13 und 19 TKG.

Die Entgelte für die in Ziffern 1.1 und 1.2 auferlegten Zugangsverpflichtungen unterlägen gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG der Vorabregulierung; von den Ausnahmebestimmungen des § 30 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abs. 1 Satz 2 TKG sei kein Gebrauch zu machen gewesen.

Die Auferlegung der Verpflichtung zur Erstellung eines Standardangebotes folge aus § 23 Abs. 1 TKG.

Die Klägerin hat am 29. November 2007 Klage erhoben.

Sie trägt vor, bereits die der Regulierungsverfügung zugrunde liegende Marktabgrenzung sei fehlerhaft. Diese Fehlerhaftigkeit könne sie, die Klägerin, auch gerichtlich geltend machen; der Adressat einer Regulierungsverfügung könne nämlich im Rahmen der Anfechtungsklage rügen, dass eine ihm auferlegte Verpflichtung deshalb rechtswidrig sei, weil die Feststellungen nach §§ 10, 11 TKG materiell fehlerhaft seien. Dabei unterliege die Marktabgrenzung der vollen gerichtlichen Kontrolle; der BNetzA sei insofern nicht etwa ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Selbst bei Annahme eines Beurteilungsspielraumes seien die erfolgte Marktdefinition und -analyse jedoch rechtswidrig. Richtigerweise hätte die BNetzA - wie im ursprünglichen Konsultationsentwurf vorgesehen - keinen bundesweit einheitlichen Markt abgrenzen dürfen, sondern jeweils gesonderte Märkte für Ethernet-Mietleitungen, CSN-Systemlösungen, Mietleitungen größer 2 Mbit/s sowie Mietleitungen bis einschließlich 2Mbit/s annehmen müssen. Mietleitungen mit alternativen Schnittstellen wie Ethernet-Mietleitungen seien - gerade aus Nachfragersicht - nicht mit klassischen Mietleitungen austauschbar. Die von der BNetzA bejahte Einbeziehung von Ethernet-Mietleitungen in einen einheitlichen Markt beruhe - insbesondere hinsichtlich Austauschbarkeit, Wechselkosten und laufender Kosten - auf einer nicht hinreichenden Sachverhaltsermittlung. Insbesondere die Festlegung eines einheitlichen, nicht nach Bandbreiten differenzierenden Marktes für Mietleitungen sei fehlerhaft. Die hierfür von der Behörde angeführten Gründe verletzten allgemeingültige Maßstäbe und seien objektiv willkürlich. Zumindest hätte eine Abgrenzung zwischen Mietleitungen bis einschließlich 2 Mbit/s und solchen größer 2 Mbit/s vorgenommen werden müssen, wie von der Behörde ursprünglich beabsichtigt. Für eine solche Aufteilung spreche schon die Märkteempfehlung, die für Markt 7 eine entsprechende Abgrenzung vorgesehen habe. Aus Nachfragersicht bestehe allenfalls eine eingeschränkte Substituierbarkeit zwischen Mietleitungen bis 2 Mbit/s und solchen größer 2 Mbit/s. Dabei liege die Beweislast für das Bestehen einer Substitutionsmöglichkeit bzw. einer Substitutionskette bei der Behörde, was diese in willkürlicher Weise verkannt habe; einen entsprechenden Nachweis habe die BNetzA indes nicht geführt. Auch habe die BNetzA verkannt, dass eine ununterbrochene Substitutionskette für die Annahme eines einheitlichen Marktes nicht ausreiche, sondern zusätzlich eine wechselseitige Preisabhängigkeit an den Kettenenden bestehen müsse, an der es vorliegend fehle. Auf dem Markt für Abschlusssegmente für Mietleitungen größer 2 Mbit/s verfüge sie, die Klägerin, nicht über beträchtliche Marktmacht. Da die Zugangsverpflichtung - im angefochtenen Umfang - aufzuheben sei, seien die darauf bezogenen weiteren Verpflichtungen - Kollokations- und Zutrittsverpflichtung, Diskriminierungsverbot, exante-Genehmigungspflicht sowie die Standardangebotsverpflichtung - ebenfalls aufzuheben.

Die Auferlegung der exante-Genehmigungspflicht sei auch deshalb rechtswidrig, weil die BNetzA jedenfalls von der Vorschrift des § 30 Abs. 3 Satz 2 TKG hätte Gebrauch machen und eine nachträgliche Regulierung hätte vorsehen müssen. Zu Unrecht habe die BNetzA ihr, der Klägerin, in Ziffer I.1.1 der angefochtenen Regulierungsverfügung eine Ausbauverpflichtung in Bezug auf Mietleitungen auferlegt. Die Zugangsverpflichtung - deren Rechtmäßigkeit einmal unterstellt - schließe keine Ausbauverpflichtung ein. Eine Rechtsgrundlage zur Verpflichtung zum Kapazitätsausbau - unter welchen Voraussetzungen auch immer - enthalte das TKG nicht. Wenn die vorhandene Kapazität nicht ausreiche, bestehe keine Zugangsverpflichtung. Rechtswidrig sei die Regulierungsverfügung auch insoweit, als ihr eine Ausbauverpflichtung in Bezug auf Kollokationsflächen sowie eine Verpflichtung zur Gewährung von Zugang zu beliebigen Netzelementen auferlegt worden sei. Mit der Ausbauverpflichtung bezüglich Flächen im Netzstandortgebäude würden ihr zusätzlich andere gesetzlich zulässige Möglichkeiten der Kollokation - wie virtuelle Kollokation unter Einsatz von Outdoor-Boxen oder -kabinen bzw. Fernkollokation - verwehrt und ihre Handlungsmöglichkeiten so unverhältnismäßig beeinträchtigt. Schließlich sei auch die Verpflichtung zur Vorlage eines Standardangebotes wegen Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig. Jedenfalls dürfe es sich nicht auf Kollokation erstrecken, weil insofern keine Zugangsleistung in Rede stehe.

Soweit sich der Rechtsstreit auf die Verpflichtung zu einem Standardangebot bezieht, haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt, als die Standardangebotsverpflichtung die Bandbreite von 64 Kbit/s betrifft.

Die Klägerin beantragt im Übrigen,

1. a) den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31. Oktober 2007 (BK 3b-07/007) aufzuheben, soweit dieser andere Mietleitungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s betrifft,

b) hilfsweise zu a), den vorgenannten Beschluss aufzuheben, soweit sich die Genehmigungspflicht auf die Entgelte für andere Leistungen als für klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s bezieht, und die Beklagte zu verpflichten, die Entgelte für andere Leistungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s der nachträglichen Regulierung zu unterwerfen,

2. die Beklagte zu verpflichten, die der Klägerin mit Beschluss vom 30. November 2004 (BK 2b 04/027) auferlegte Zugangsverpflichtung zu widerrufen, soweit diese andere Mietleitungen als klassische Mitleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s erfasst,

3. den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 31. Oktober 2007 (BK 3b-07/007) aufzuheben, soweit der Klägerin darin eine Ausbauverpflichtung in Bezug auf

a) Mietleitungen

b) Kollokationsflächen in Gebäuden sowie eine Verpflichtung zur Gewährung von Zugang zu Netzelementen auferlegt wird,

4. Ziffer II. des vorgenannten Beschlusses der Bundesnetzagentur insoweit aufzuheben, als der Rechtsstreit von den Beteiligten nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Regulierungsverfügung und ist der Ansicht, soweit sich die Klägerin gegen die Marktabgrenzung wende, könne sie sich schon nicht auf ein subjektives Recht berufen, da die Marktdefinition nur im öffentlichen Interesse liege. Zudem sei die vorgenommene Marktdefinition auch rechtmäßig. Bei der Durchführung der Marktdefinition stehe ihr ein Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen sie sich gehalten habe. Insbesondere bei der Einbeziehung von Ethernet-Mietleitungen und Systemlösungen in den abzugrenzenden Markt sei ihr kein erheblicher Fehler unterlaufen; die vorgenommene Marktabgrenzung sei nicht sachwidrig, da ihr in Bezug auf das Kriterium der Austauschbarkeit auf Nachfragerseite ein gut vertretbares Modell von Angebot und Nachfrage zugrunde liege. Dass Systemlösungen keinen eigenständigen Markt darstellten, zeige sich im Übrigen auch daran, dass ein solcher in der - weitestgehend zu berücksichtigenden - Märkte- Empfehlung nicht angesprochen sei. Auch soweit bei der Marktabgrenzung nicht zwischen Mietleitungen bis 2 Mbit/s und solchen größer als 2 Mbit/s differenziert worden sei, seien keine allgemeingültigen Maßstäbe verletzt oder willkürlich gehandelt worden. Die von der Kommission geäußerten Zweifel habe man zum Anlass genommen, eine erneute und vertiefte Prüfung hinsichtlich der Marktabgrenzung vorzunehmen. Im Übrigen sei darauf zu verweisen, dass schon die Märkte-Empfehlung keine Unterscheidung nach Bandbreiten vorsehe. Die von der Klägerin behauptete Substitutionslücke zwischen 2 Mbit/s und 34 Mbit/s könne nach deren eigenen Angaben durch Ethernet-Mietleitungen geschlossen werden. Rechtens sei auch die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht. Insbesondere liege kein Fall des § 30 Abs. 3 Satz 2 TKG vor, der der Behörde einen weiten Beurteilungsspielraum einräume. Ein Beurteilungsfehler liege nicht vor. Unklar sei, wogegen sich die Klägerin mit dem Klageantrag zu 3. wende. Ein Zugangsanspruch zu beliebigen Netzelementen der Klägerin sei in der Regulierungsverfügung nicht angeordnet worden. Auch die erfolgte Anordnung bezüglich der Gewährung von Kollokation sei rechtens. Insbesondere sei zur Ermöglichung von Kollokation ggf. die Schaffung von Einrichtungen erforderlich, die für die Nutzung von Zugangsleistungen nötig sei. Hierbei handele es sich nicht um einen Kapazitätsausbau, sondern um die Ermöglichung der Nutzung der vorhandenen Kapazität. Auch die Auferlegung der Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Standardangebots sei rechtmäßigerweise erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Gründe

Das Verfahren war entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

Die noch anhängige Klage ist überwiegend begründet. Im Übrigen war sie abzuweisen.

Erfolg hat die Klage zunächst mit dem Klageantrag zu 1.a). Ziffer I. der Regulierungsverfügung vom 31. Oktober 2007 ist im angefochtenen Umfange rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Dabei konnte die Klägerin zunächst zulässigerweise ihr Anfechtungsbegehren auf andere als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s beschränken. Insbesondere ist die angefochtene Regulierungsverfügung teilbar im Rechtssinne. Ein Verwaltungsakt ist teilbar, wenn der rechtlich unbedenkliche Teil nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil steht. Der rechtswidrige Teil muss in der Weise abtrennbar sein, dass der Verwaltungsakt im Übrigen ohne Änderung seines Inhalts in sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen kann. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Behörde beim Erlass des Verwaltungsakts ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 02. Mai 2005 - 6 B 10.05 - (Seite 4 des amtl. Abdrucks), Urteile vom 16. Juli 2008 - 6 C 2.07 - Rdn. 36 und vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 - Rdn. 44.

Nach diesem Maßstab ist Teilbarkeit hier zu bejahen, da die Regulierungsverfügung vom 31. Oktober 2007 für klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s eine nach dem Konzept der BNetzA rechtmäßige und sinnvolle Regelung trifft.

Die von der BNetzA im Rahmen der Festlegung nach §§ 10 und 11 TKG in der hier maßgeblichen Fassung vom 22. Juni 2004 (BGBl. I 2004, 1190), geändert durch Art. 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften vom 18. Februar 2007 (BGBl. I 2007, 106), vorgenommene Marktabgrenzung ist im angefochtenen Umfange rechtswidrig.

Dabei ist die Rechtmäßigkeit der erfolgten Marktdefinition auf die diesbezügliche Rüge der Klägerin hin vom Gericht zu überprüfen.

Der Adressat einer belastenden Regulierungsverfügung kann nämlich zulässigerweise die Festlegungen nach §§ 10, 11 TKG im Wege der Anfechtungsklage gegen die auferlegten Regulierungsverpflichtungen angreifen,

vgl. Gurlit in: BK zum TKG, § 13 Rdn. 45; Heun in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 02. Auflage, G Rdn. 232.

Im Übrigen ergäben bei abweichender Sichtweise auch die jeweiligen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in Regulierungsverfügungen betreffenden Urteilen zur Rechtmäßigkeit der erfolgten Marktdefinition keinen Sinn; sie wären vielmehr überflüssig,

vgl. Urteile vom 02. April 2008 - 6 C 15.07 -, Rdn. 23 ff., vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 -, Rdn. 22 ff. und vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 -, Rdn. 17 ff.

Bei der gerichtlichen Überprüfung der Festlegungen nach §§ 10 und 11 TKG ist allerdings zu berücksichtigen, dass der BNetzA in Bezug auf Marktdefinition und - analyse insgesamt ein Beurteilungsspielraum zusteht,

BVerwG, Urteile vom 02. April 2008 - 6 C 15.07 -, Rdn. 15 ff., vom 29. Oktober 2008 - 6 C 38.07 -, Rdn. 16 ff. und vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 -, Rdn. 14.

Daraus folgt, dass das Gericht die Überprüfung der insoweit von der Behörde getroffenen Entscheidungen darauf zu erstrecken, aber auch zu begrenzen hat, ob

1. die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat,

2. von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffes ausgegangen ist,

3. den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt hat und sich

4. bei der eigentlichen Beurteilung an allgemeingültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat,

BVerwG, Urteile vom 02. April 2008, a.a.O., Rdn. 21 und vom 29. Oktober 2008, a.a.O., Rdn. 18.

In Anwendung dieser Grundsätze ist die BNetzA in der angegriffenen Festlegung bei der Marktabgrenzung von einem unrichtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs des sachlich relevanten Telekommunikationsmarktes (§ 10 Abs. 1 TKG) ausgegangen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Präsidentenkammer der BNetzA hat einen einheitlichen, nicht nach Bandbreiten differenzierenden Mietleitungsmarkt angenommen und ist hierbei von dem Ansatz der Kommission in deren "Ernsthafte-Zweifel"-Schreiben vom 29. September 2006 ausgegangen, demzufolge der Mietleitungsmarkt a priori aus einer kontinuierlichen Substitutionskette bestehe, deren Unterbrechung ausreichend durch verlässliche Daten belegt sein müsse (vgl. Seite 5). Denn in der Festlegung wird - nach der Wiedergabe der Ausführungen des "Ernsthafte-Zweifel"-Schreibens - ausgeführt, zwischen jedem Mietleitungs-Produkt und einer größeren Anzahl von "Nachbarprodukten" mit geringerer bzw. höherer Kapazität bestünden wettbewerbsrechtlich relevante Substitutionsbeziehungen (Festlegung, Seite 30, 3. Absatz), die von der Kommission für eine Trennung für erforderlich erachtete Unterbrechung der Substitutionskette könne nicht angenommen werden (Festlegung, Seite 30, 4. Absatz) bzw. es ergebe sich kein Nachweis, dass der relevante Produktmarkt nach Bandbreiten zu unterscheiden sei (Festlegung, Seite 32, 2. Absatz). Diese Vorgehensweise ist mit den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen: Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die im für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Zeitpunkt der Behördenentscheidung (31. Oktober 2007),

vgl. BVerwG, Urteile vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, NVwZ 2001,1399 (UA 12), vom 03. Dezember 2003 - 6 C 20.02 - (UA 13) und vom 19. September 2007 - 6 C 34.06 -, Rdn. 12ff., Urteile der Kammer vom 20. Oktober 2005 - 1 K 6724/02 - und vom 08. März 2007 - 1 K 3918/06 -,

einschlägige Märkte-Empfehlung vom 11. Februar 2003, die bei der Marktdefinition von der BNetzA weitestgehend zu berücksichtigen ist (§ 10 Abs. 2 Satz 3 TKG, Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der Rahmenrichtlinie - Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl. EG Nr. L 108, S. 33 - RRL -) den zu überprüfenden Markt 13 neutral mit "Abschluss-Segmente von Mietleitungen für Großkunden" benennt. Im explanatory memorandum der Kommission zur Märkte-Empfehlung,

(http://ec.europa.eu/information_society/topics/tel ecoms/regulatory/maindocs/documents/explanmemo de.pdf),

wird davon ausgegangen, die Mietleitungsmärkte ließen sich in Mietleitungen hoher und solche niedriger Kapazität aufgliedern (Seite 28 a.E.). Des Weiteren führen die - ebenfalls im Rahmen der Marktdefinition von der Behörde gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 RRL weitestgehend zu berücksichtigenden - Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse und Ermittlung beträchtlicher Marktmacht nach dem gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und - dienste 2002/C 165/03 (ABl. EG Nr. C 165, S. 6 - Leitlinien -) in Ziffer 62 zur hier in Rede stehenden Figur der Substitutionskette u.a. aus, es müsse nachgewiesen sein, dass zwar die Produkte A und C nicht unmittelbar austauschbar seinen, das Produkt B aber ein Substitut sowohl für das Produkt A als auch für das Produkt C sei und folglich die Produkte A und C demselben Markt zugeordnet werden können, da der Preis dieser Produkte durch die Substitutionsmöglichkeit aufgrund des Produktes B beeinflusst werden könne. Wegen der Gefahr einer zu großen Ausdehnung des relevanten Marktes sollte die Existenz von Substitutionsketten allerdings hinreichend nachgewiesen sein. Zu letzterem Punkt wird in Fußnote 50 ergänzend darauf hingewiesen, dass eine klare gegenseitige Preisabhängigkeit an den beiden Endpunkten der Kette eindeutig nachgewiesen sein müsse. Schließlich spricht die in Ziffer 62 der Leitlinien in Bezug genommene Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft 97/C 372/03 (ABl. EG Nr. C 372, S. 5) im Zusammenhang mit der Annahme einer Substitutionskette in Ziffer 57 davon, zwar seien die Produkte A und C keine direkten Nachfragesubstitute, doch könnten sie als demselben relevanten Produktmarkt zugehörig aufgefasst werden, da die Preisbildung bei ihnen jeweils durch die Substitution mit B zwingend beeinflusst werde. In der Praxis - so Ziffer 58 der genannten Bekanntmachung - müsse das Konzept der Kettensubstitution jedoch durch empirische Nachweise erhärtet werden, z.B. im Hinblick auf Preisinterdependenz zwischen Randbereichen der Substitutionsketten. Das Preisniveau an beiden Enden der Kette müsse ebenfalls in etwa gleich hoch sein.

In der hier getroffenen Festlegung finden sich indes zum einen nicht die in den Leitlinien für erforderlich erachteten Nachweise für das Vorliegen der angenommenen Substitutionskette. Als solcher kann insbesondere nicht die Überlegung, der vermehrte Einsatz von ethernetbasierten Mietleitungen erodiere die klassischen Abstufungen zwischen unterschiedlichen Bandbreitenstufen, weshalb es für sachgerecht erachtet werde, von der noch im Vorentwurf vorgesehenen Unterteilung der Mietleitungen nach Bandbreiten nunmehr abzusehen, gelten. Derartige Plausibilitätserwägungen ersetzen einen Nachweis nicht, zumal vorliegend hinzu kommt, dass nach den eigenen Ausführungen der BNetzA (Festlegung, Seite 17) von acht diesbezüglich befragten Unternehmen lediglich zwei eine Austauschbarkeit von Mietleitungen mit ethernetbasierten Schnittstellen mit traditionellen Mietleitungen generell bejaht haben.

Soweit die Beklagte darauf verweist, umfangreiche Untersuchungen bezüglich Übertragungstechnologie und Bandbreite vorgenommen zu haben, haben die etwa insoweit gefundenen Ergebnisse im angefochtenen Bescheid, dessen Begründung für die gerichtliche Überprüfung maßgeblich ist,

vgl. Urteile der Kammer vom 21. Februar 2002 - 1 K 5694/98 - und vom 31. Juli 2003 - 1 K 2182/01 - ,

jedenfalls keinen Niederschlag gefunden. Zum anderen finden sich in der Festlegung keinerlei Ausführungen (geschweige denn Nachweise) zur gegenseitigen Preisabhängigkeit an den Endpunkten der angenommenen Kette.

Damit wird das von der BNetzA bei der Marktabgrenzung gewählte Vorgehen, ohne Nachweis vom Vorliegen einer Substitutionskette auszugehen und nur bei nachgewiesener Unterbrechung der Kette eine Segmentierung der Märkte anzunehmen, mit der Methodik der Leitlinien, die den umgekehrten Ansatz verlangen, nicht gerecht. Da aber die Leitlinien, die die BNetzA - wie ausgeführt - bei der Marktdefinition weitestgehend zu berücksichtigen hatte, verbindlich sind, soweit sie nicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstoßen oder durch Fortschreiten der europäischen Rechtsprechung überholt sind,

vgl. Heun, a.a.O, G Rdn. 95,

- wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen -, führt der dargelegte Verstoß gegen ihre Methodik zur Rechtswidrigkeit der erfolgten Marktdefinition.

Eine abweichende Sichtweise ist auch nicht im Hinblick darauf angebracht, dass etwa die Märkte-Empfehlung von vornherein vom Vorliegen eines einheitlichen, alle Bandbreiten umfassenden Mietleitungsmarkt ausginge. Denn die dort verwandte Formulierung "Abschluss-Segmente von Mietleitungen für Großkunden" ist neutral. Zudem spricht die zitierte Passage des explanatory memorandum gegen die Annahme eines von vornherein einheitlichen Mietleitungsmarktes. Schließlich berechtigte auch das "Ernsthafte-Zweifel"-Schreiben kein Abgehen von der in den Leitlinien vorgesehenen Methodik. Zwar war auch dem "Ernsthafte-Zweifel"- Schreiben weitestgehend Rechnung zu tragen, § 12 Abs. 2 Nr. 2 TKG, Art. 7 Abs. 5 RRL. Jedoch entfalten solche Stellungnahmen zum einen keine strikte Bindungswirkung,

vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Februar 2007 - 6 C 28.05 -, Rdn. 34 und vom 28. Januar 2009 - 6 C 39.07 -, Rdn. 41.

Zum anderen ist die Kommission mit der im "Ernsthafte-Zweifel"-Schreiben vom 29. September 2006 geäußerten Rechtsauffassung zur Figur der Substitutionskette von ihren eigenen - auch und gerade im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit (vgl. Ziffer 12) generell Wirkung beanspruchenden - Leitlinien abgewichen, weshalb dem in dem genannten Schreiben für einen Einzelfall geäußerten methodischen Ansatz nicht zu folgen war.

Ebenso wenig ist ein anderes Ergebnis im Hinblick darauf angezeigt, dass der BNetzA bei Marktdefinition- und analyse ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Denn dieser ist ihr gerade mit Blick u.a. auf die Leitlinien eingeräumt,

vgl. BVerwG, Urteil vom 02. April 2008 - 6 C 15.07 -, Rdn. 17 und 18,

die - vergleichbar mit normkonkretisierenden oder norminterpretierenden Verwaltungsvorschriften - dem Zweck dienen, die Kriterien für die Ermittlung u.a. des im Gesetz verwendeten Begriffs des sachlich relevanten Telekommunikationsmarktes zu umschreiben und an die die BNetzA über Art. 3 GG und Art. 15 Abs. 3 RRL gebunden ist,

vgl. hierzu: Heun, a.a.O., G Rdn. 96.

Damit bedeutet der dargelegte Verstoß gegen die in den Leitlinien aufgezeigte Methodik der Marktabgrenzung zugleich eine Überschreitung der Grenzen des Beurteilungsspielraumes, da die Behörde von einem unrichtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs des sachlich relevanten Telekommunikationsmarktes ausgegangen ist.

Fehlt es demnach an einer ordnungsgemäßen Marktabgrenzung, pflanzt sich dieses Manko im Folgenden fort. Sowohl der Drei-Kriterien-Test als auch die Prüfung, ob die Klägerin über beträchtliche Marktmacht verfüge, nimmt nämlich nur den gesamten von der BNetzA angenommenen Markt in den Blick. Damit lag im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Behördenentscheidung, keine valide Feststellung zur beträchtlichen Marktmacht der Klägerin bei den streitgegenständlichen Mietleitungen (andere als klassische mit Bandbreiten bis 2Mbit/s) vor.

Da aber die Auferlegung der der Klägerin in Ziffer I. 1. und 2. der Regulierungsverfügung vom 31. Oktober 2007 auferlegten Verpflichtungen nach §§ 9 Abs. 2, 13 Abs. 1, 21 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 4, 19 und 30 Abs. 1 Satz 1 TKG jeweils die - positive - Feststellung beträchtlicher Marktmacht voraussetzt, fehlt es insoweit an einer Rechtsgrundlage. Der Bescheid war damit im angefochtenen Umfange aufzuheben.

Über den unter 1. b) gestellten Hilfsantrag war damit nicht zu befinden.

Der auf Verpflichtung zum Widerruf zielende Klageantrag zu 2. bleibt jedenfalls ohne Erfolg. Er ist bereits unzulässig, da die Klägerin - auch nicht konkludent - im Verwaltungsverfahren keinen diesem Klageantrag entsprechenden Antrag gegenüber der BNetzA gestellt hat,

vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 28. November 2007 - 6 C 42.06 - Rdn. 22 ff.

Nicht nachholbare Zugangsvoraussetzung für die hier erhobene Verpflichtungsklage ist aber eine Antragstellung an die Behörde vor Klageerhebung, wie sich aus § 68 Abs. 2, § 75 VwGO ergibt. Dies gilt auch, wenn die Behörde an sich von Amts wegen tätig werden muss. Die Klage vermag den Antrag nicht zu ersetzen,

vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke- Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 4. Auflage, § 75 Rdn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, § 75 Rdn. 7.

Auch materiell besteht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch der Klägerin auf Widerruf der vorläufigen Regulierungsverfügung vom 30. November 2004, soweit diese nicht ohnehin durch das Urteil der Kammer vom 04. Mai 2006 im Verfahren 1 K 9190/04 aufgehoben worden ist und andere Mietleitungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s erfasst. Die BNetzA ist zum Widerruf nach der lex specialis des § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG - erst verpflichtet, sobald festgestellt wird, dass eine beträchtliche Marktmacht auf einem regulierungsbedürftigen Markt nicht mehr vorliegt,

BVerwG, Urteil vom 14. Februar 2007 - 6 C 28.05 -, Rdn. 22.

Nach dem oben Gesagten ist aufgrund der fehlerhaften Marktabgrenzung, die auch die nachfolgende Marktanalyse beeinträchtigt, beträchtliche Marktmacht der Klägerin nicht positiv festgestellt worden. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass umgekehrt feststünde, dass die Klägerin auf einem mit zutreffender Begründung abgegrenzten Markt nicht über beträchtliche Marktmacht verfügt.

Der Klageantrag zu 3., mit dem sich die Klägerin gegen eine ihr ihrer Ansicht nach auferlegte Ausbauverpflichtung in Bezug auf Mietleitungen und Kollokationsflächen in Gebäuden sowie eine Verpflichtung zur Gewährung von Zugang zu Netzelementen wendet, ist mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.

Die Regulierungsverfügung vom 31. Oktober 2007 enthält derartige Verpflichtungen - auch hinsichtlich der insoweit noch allein in Rede stehenden klassischen Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s - nicht.

Dies gilt zunächst für eine Ausbauverpflichtung.

Unter der Rubrik "Verfügbare Kapazität" finden sich (ab Seite 13 unten) in der Regulierungsverfügung unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung Überlegungen dazu, dass ein Kapazitätsausbau - gegen Entgelt durch die Nachfrager - grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein solle, damit die auferlegte Zugangsverpflichtung nicht ins Leere laufe. Im Folgenden (ab Seite 15 unten) wird aber dann zum Umfang des Zugangs u.a. ausgeführt, die Zugangsverpflichtung sei nicht über den tenorierten Umfang hinaus weiter zu detaillieren gewesen. Dies ergebe sich aus dem den Einzelfall übergreifenden Charakter der Auferlegung sowie aus der Gesetzessystematik der §§ 22 und 25 TKG, nach der es auch nach der Auferlegung einer Zugangsverpflichtung sowohl für den Zugangsverpflichteten als auch für die -berechtigten einen Spielraum geben müsse, über die einzelnen konkreten Bedingungen zu verhandeln. Die einzelnen Bedingungen einschließlich der von den Wettbewerbern konkret nachgefragten Qualitätsparameter sollten Gegenstand einer zwischen den Parteien ausgehandelten Zugangsvereinbarung sein und nicht von der Regulierungsbehörde in einer detaillierten Regulierungsverfügung vorgegeben werden. Hierüber werde im Streitfall in konkreten Verfahren nach § 25 TKG oder im Rahmen des Standardangebotsverfahrens zu entscheiden sein.

Aus alledem ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die BNetzA mit der Regulierungsverfügung - noch - keine Ausbauverpflichtung regeln wollte, sodass das diesbezügliche Monitum der Klägerin ins Leere geht.

Dasselbe gilt, soweit die Klägerin befürchtet, zum Kapazitätsausbau bezüglich Kollokationsflächen in Gebäuden verpflichtet worden zu sein. Soweit sich auf Seite 16 der Regulierungsverfügung - wiederum unter Zitierung der Gesetzesbegründung - Ausführungen dazu befinden, eine Beschränkung des Kollokationsanspruches auf verfügbare Kapazitäten komme dann nicht in Betracht, wenn dadurch der Zugangsanspruch gefährdet bzw. ausgeschlossen werde, handelt es sich - noch - nicht um eine Regelung, die die Klägerin bereits jetzt zum Kapazitätsausbau verpflichten soll.

Soweit die Klägerin schließlich aus den Ausführungen in der angefochtenen Regulierungsverfügung, Sinn und Zweck der Regelung sei es, den Wettbewerbern den Zugang zu den Netzelementen des zugangsverpflichteten Betreibers mit beträchtlicher Marktmacht zu verschaffen, die Besorgnis entnimmt, mit der Regulierungsverfügung solle ein Anspruch auf Zugang zu beliebigen Netzelementen begründet werden, greift dies ebenso wenig durch. Eine entsprechende Regelung hat die BNetzA nicht getroffen. Insofern hat die Beklagte auch schriftsätzlich erläutert, diese Besorgnis der Klägerin sei unbegründet.

Der Klageantrag zu 4. betreffend das Standardangebot hat Erfolg, soweit er sich auf andere Mietleitungen als klassische Mietleitungen mit Bandbreiten bis 2 Mbit/s. bezieht. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 TKG kann die BNetzA einem Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, verpflichten, in der Regel innerhalb von drei Monaten ein Standardangebot für die Zugangsleistung zu veröffentlichen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht. Nach den obigen Ausführungen fehlt es insoweit an der in § 23 Abs. 1 Satz 1 TKG für die Auferlegung der Standardangebotsverpflichtung vorausgesetzten beträchtlichen Marktmacht der Klägerin.

Im Übrigen ist die auf Aufhebung der Standardangebotsverpflichtung gerichtete Klage - soweit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt - jedenfalls ohne Erfolg.

Die BNetzA hat ihr durch § 23 Abs. 1 Satz 1 TKG eingeräumtes Regulierungsermessen fehlerlos ausgeübt, indem sie ausgeführt hat, die Auferlegung einer Standardangebotsverpflichtung sei verhältnismäßig, um den Zugang zu vereinfachen und zu beschleunigen, und darauf verwiesen hat, mehrere Wettbewerber hätten sich für eine brancheneinheitliche Vorklärung ausgesprochen; die Vorlageverpflichtung belaste die Klägerin zudem nur gering. Soweit die Klägerin unter Verweis auf das Urteil der Kammer vom 19. Oktober 2006 - 1 K 2982/05 - rügt, jedenfalls dürfe sich die Standardangebotsverpflichtung nicht auf Kollokation beziehen, greift dies nicht durch.

Zwar spricht § 23 Abs. 1 Satz 1 TKG von einem Standardangebot für "die Zugangsleistung". Auch hat die Kammer im zitierten Urteil ausgeführt, bei der Verpflichtung zur Kollokation handele es sich - anders als etwa bei § 21 Abs. 2 Nr. 3 oder 7 TKG - nicht um Zugangsleistungen, sondern um das Zugänglichmachen von Einrichtungen.

>Jedoch hält die Kammer hieran nach nochmaliger Überprüfung ihrer Rechtsauffassung nicht fest.

Schon der mit der Standardangebotsverpflichtung verfolgte Zweck der Beschleunigung und Vereinfachung der Zugangsgewährung spricht gegen eine Herausnahme der Kollokationsleistung aus dem Standardangebot, da die Frage der Kollokation bzw. zu welchen Konditionen diese gewährt wird, eine zentrale für die Zugangsgewährung insgesamt ist.

Des Weiteren spricht § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG von "nach § 21 auferlegten Zugangsleistungen" und meint damit - anders als in § 30 Abs. 2 TKG - ersichtlich alle Verpflichtungen nach § 21 TKG, mithin auch die Kollokationsverpflichtung nach § 21 Abs. 3 Nr. 4 TKG.

Auch § 22 Abs. 1 Satz 1 TKG zeigt, dass der Begriff der Leistung sich auf - alle - Zugangsverpflichtungen nach § 21 TKG bezieht, mithin die Begriffe "Leistung/Zugangsleistung" und "Zugangsverpflichtung" als Synonyme gemeint sind. Darauf deutet auch die synonyme Verwendung der Begriffe "Zugangsvereinbarungen" in § 22 Abs. 2 TKG und "Vereinbarungen über Zugangsleistungen" in § 22 Abs. 3 TKG hin.

Schließlich fasst Art. 9 Abs. 4 der Zugangsrichtlinie (Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetze und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung, ABl. EG Nr. L 108, S. 7 - ZRL -), i.V.m. Anhang II B. Kollokationsdienste wie selbstverständlich unter die Mindestbestandteile der Standardangebotsverpflichtung.

Eine Ausuferung des Leistungsbegriffs ist mit der gefundenen Auslegung nicht zu befürchten, da Zugangsleistungen nicht auch alle über den Zugang erbrachten Leistungen umfassen. Letztere sind vielmehr "Telekommunikationsdienste" im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 155 Abs. 1 Satz 1, 161 Abs. 2 VwGO. Die Quotelung berücksichtigt das Maß des teilweisen Obsiegens und Unterliegens der Beteiligten.

Die Revision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 135 Satz 2 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 26.03.2009
Az: 1 K 5114/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dff1672e7cf3/VG-Koeln_Urteil_vom_26-Maerz-2009_Az_1-K-5114-07




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