Landgericht Münster:
Urteil vom 2. März 2004
Aktenzeichen: 25 O 13/04

(LG Münster: Urteil v. 02.03.2004, Az.: 25 O 13/04)

Tenor

Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wie-derholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, untersagt, im geschäftlichen Wett-bewerb wie folgt zu werben:

"Unser Geschenk für 2004: Wir übernehmen für sie den bisherigen Kassenzu-schuss!"

Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Zum Verband der Verfügungsklägers (im folgenden Kläger) gehören auch eine Vielzahl von Augenoptikerbetrieben mit Sitz in N.

Die Verfügungsbeklagte (im folgenden Beklagte) betreibt in N ein Augenoptikerfachgeschäft nebst allen damit zusammenhängenden Leistungen.

Die Beklagte wirbt auf einer Werbetafel in unmittelbarer Nähe ihres Geschäftsbetriebes wie folgt:

"Unser Geschenk für 2004: Wir übernehmen für sie den bisherigen Kassenzuschuss!"

(Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage zur Antragsschrift vom 20.01.2004, Bl. 4 d.A. verwiesen.)

Soweit bei ihr ein Kunde eine Brille als Sehhilfe kaufen will, bietet sie jeweils die zu dem einzelnen Gläsern zugehörigen Festbeträge der Krankenkassen, die bis zum Jahresende 2003 als Zuschüsse gewährt wurden, als Nachlass auf die Brille an. Bezüglich der jeweils unterschiedlichen Zuschussbeträge wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 26.02.2004 verwiesen. Die dort wiedergegebenen Zuschusspreislisten hat die Beklagte in ihrem Schaufenster ausgehängt.

Der Kläger sieht in der Werbung einen Verstoß gegen § 1 UWG. Anders als bei einem Rabatt, der in einem festen Prozentsatz angegeben ist, könne ein Kunde nicht ohne weiteres einen Preisvergleich vornehmen. Er sei vielmehr gezwungen, zunächst das Ladenlokal der Beklagten zu betreten und sich nach Auswahl für der für ihn passenden Gläser den genauen Preis der Brille nebst Kassenzuschuss, wie er bis zum Jahresende 2003 gewährt wurde, berechnen zu lassen.

Im übrigen verstoße die Werbung auch deshalb gegen § 1 UWG, weil eine Rabattierung von Sehhilfen nach § 7 Heilmittelwerbegesetz nicht zulässig sei.

Der Kläger beantragt,

es der Beklagten unter Ordnungsmittelandrohung zu untersagen, im geschäftlichen Wettbewerb wie folgt zu werben:

"Unser Geschenk für 2004: Wir übernehmen für sie den bisherigen Kassenzuschuss!"

Die Beklagte beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, ihre Werbung verstoße nicht gegen § 1 UWG. Insofern unterscheide sich die Situation für den potenziellen Kunden in keiner Weise von dem Fall, in dem mit einem Rabatt unter Angabe eines bestimmten Prozentsatzes geworben wird. Auch in diesem Falle sei ein Preisvergleich letztlich erst nach entsprechender Beratung und genauer Berechnung der Kosten für die Brille möglich.

Gründe

Die Klage ist begründet, da die Werbung der Beklagten jedenfalls in Verbindung mit § 7 Heilmittelwerbegesetz gegen § 1 UWG verstößt.

Von daher kann dahinstehen, ob die Werbeaussage ansonsten nach § 1 UWG nicht zu beanstanden wäre, weil der potentielle Kunde bei jeder Art eines Rabattangebotes für einen wirklichen Preisvergleich immer erst das genaue Angebot des Optikers berechnen lassen muss.

Nach § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz ist es unzulässig Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit nicht sodann im einzelnen zu Ziffer 1 bis 5 aufgezählte Ausnahmetatbestände dies zulassen. Aus § 7 Abs. 1 Ziffer 2 Heilmittelwerbegesetz folgt, dass die Gewährung eines Geld- oder Warenrabattes auf Arzneimittel nur im Verhältnis zu besonders qualifizierten Endverbrauchern zulässig ist. Danach ist die Rabattierung gegenüber dem Endverbraucher nach § 7 Abs. 1 ansonsten unzulässig. Lediglich im Verhältnis zwischen pharmazeutischen Unternehmen, Herstellern oder Großhändlern zu qualifizierten Endverbrauchern nach § 47 Heilmittelwerbegesetz (wie z.B. Kliniken) dürfen Rabatte gewährt werden.

Die Werbung der Beklagten richtet sich aber an sämtliche Endverbraucher.

Bei § 7 Heilmittelwerbegesetz handelt es sich auch um eine Norm mit zumindest sekundärem Wettbewerbsbezug, da insbesondere der Wettbewerb im Rahmen des Vertriebs von Heilmitteln geregelt wird. Daneben handelt es sich um eine sogenannte wertbezogene Norm, denn sie dient der Sicherung der Gesundheit der Gesamtbevölkerung. Ein Verstoß gegen diese Norm beinhaltet deshalb grundsätzlich zugleich einen Verstoß gegen § 1 UWG.

Das Heilmittelwerbegesetz ist auch auf Brillen als Sehhilfen anwendbar. Schon vor Einfügung des § 1 Ziffer 1 a Heilmittelwerbegesetz war das Heilmittelwerbegesetz auf Brillen als Sehhilfen anzuwenden. Insofern allerdings ausschließlich in Anwendung von § 1 Ziffer 2 Heilmittelwerbegesetz, da es sich bei Brillen als Sehhilfen um sogenannte sonstige Gegenstände handelte. Für diese sonstigen Gegenstände nach § 1 Ziffer 2 Heilmittelwerbegesetz galt jedoch lediglich ein eingeschränktes Werbeverbot.

Durch die Ausdehnung des Heilmittelwerbegesetzes auf sämtliche Medizinprodukte in § 1 Ziffer 1 a Heilmittelwerbegesetz fallen Brillen als Sehhilfen nunmehr nicht mehr nur unter den Auffangtatbestand des § 1 Ziffer 2 Heilmittelwerbegesetz mit den dort lediglich eingeschränkten Werbeverboten. Durch die Aufnahme von § 1 Ziffer 1 a Heilmittelwerbegesetz wird die Anwendung des Heilmittelwerbegesetzes auf sämtliche Medizinprodukte, und zwar uneingeschränkt, ausgeweitet.

Bei Brillen als Sehhilfen handelt es sich auch um Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes. Dies sind nach § 3 Ziffer 1 Medizinproduktegesetz u.a. Gegen- stände, die vom Hersteller zur Anwendung für Menschen mittels ihrer Funktion zum Zwecke der Erkennung, Verhütung, Überwachung, Behandlung oder Linderung von Krankheiten zu dienen bestimmt sind. Brillen als Sehhilfen dienen aber der Behandlung oder zumindest der Linderung von Krankheiten. Sie sind deshalb Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes (vgl. Deutsch, Medizinrecht Rdn. 1203).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei Einbeziehung der Medizinprodukte in den Schutzbereich des Heilmittelwerbegesetzes solche Produkte wie Brillen, Gehhilfen, Stützen, Bandagen und ähnliches ausnehmen wollte. Die systematische Einordnung sämtlicher Medizinprodukte, und zwar uneingeschränkt unter Ziffer 1 a, lässt eine derartige Auslegung nicht zu.

Danach sind für Brillen als Sehhilfen im Rahmen der Werbung Rabatte in jeder Form unzulässig, unabhängig davon, ob sie konkret als bestimmter Betrag oder abstrakt in einem bestimmten Prozentsatz angeboten und beworben werden. Das Anbieten und Bewerben von Rabatten stößt damit i.V.m. § 7 Heilmittelwerbegesetz gegen § 1 UWG.

Für den danach bestehenden Unterlassungsanspruch besteht auch ein Verfügungsgrund, da die Eilbedürftigkeit in Wettbewerbssachen nach § 25 UWG vermutet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 02.03.2004
Az: 25 O 13/04


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