Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2006
Aktenzeichen: 20 W (pat) 305/05

(BPatG: Beschluss v. 12.04.2006, Az.: 20 W (pat) 305/05)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I Die Einsprechende hat fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht und beruft sich dabei u. a. auf die Druckschriften

(E3) WO 97 10 115 A1,

(E4) DE 34 10 082 A1, sowie auf die in der Patentschrift genannte und in der mündlichen Verhandlung diskutierte Druckschrift

(P1) DE 100 05 445 A1.

Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 5. April 2006 - eingegangen am 10. April 2006 - lediglich mitgeteilt, sie habe auf das Patent verzichtet.

Die Einsprechende macht daraufhin vorsorglich ihr Rechtsschutzinteresse an der rückwirkenden Beseitigung des Patents geltend. Sie trägt vor, sie könne - nachdem sie die Mitteilung der Patentinhaberin erst zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung erreicht habe - in der Kürze der Zeit nicht ausschließen, von der Patentinhaberin für Benutzungshandlungen in der Vergangenheit noch in Anspruch genommen zu werden.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Der Patentanspruch 1 lautet:

1. Verfahren zur Anpassung von Sensorzellen einer Sitzmatte (3) an eine mechanische Vorspannung, die durch einen Einbau der Sitzmatte (3) in einen Fahrzeugsitz verursacht wird, dadurch gekennzeichnet, daß ein Diagnosetester (1) an ein Steuergerät (2) für die Sitzmatte (3) angeschlossen wird, daß über das Steuergerät (2) Sensorwerte der Sensorzellen von dem Diagnosetester (1) ausgelesen werden, daß die Sensorwerte von dem Diagnosetester (1) mit Sollwerten verglichen werden und daß dem Steuergerät (2) zur Anpassung der Sensorzellen Korrekturwerte für die Sensorwerte in Abhängigkeit von dem Vergleich übertragen werden.

Die Einsprechende ist der Auffassung, gegenüber dem durch die Druckschriften (E3) und (P1) belegten Stand der Technik beruhe der Gegenstand des Patentanspruches 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

II Der zulässige Einspruch führt zum Widerruf des Patentes. Die bloße Mitteilung der Patentinhaberin, sie habe auf das Patent verzichtet, führt vorliegend nicht zur Erledigung des Einspruchsverfahrens in der Hauptsache. Der Verzicht hat nach § 20 Abs. 1 Ziffer 1 PatG durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Patentamt zu erfolgen. Ob der Verzicht wirksam erklärt wurde und somit das Patent tatsächlich erloschen ist, konnte der Senat jedoch wegen der Kürze der Zeit seit Eingang der Mitteilung der Patentinhaberin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mit Sicherheit feststellen, so dass von der Rechtsbeständigkeit des Patents auszugehen und in der Sache zu entscheiden war. Das ebenfalls wegen der Kürze der Zeit vorsorglich geltend gemachte Rechtsschutzinteresse der Einsprechenden konnte somit dahingestellt bleiben.

Der Gegenstand des geltenden Patentanspruches 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als Fachmann ist ein Diplomingenieur für Elektrotechnik mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von Diagnose- und Messsystemen für Kraftfahrzeuge anzusetzen.

Die Druckschrift (P1) beschreibt ein Verfahren zur Anpassung von Lastsensoren (Sensorzellen) eines Sitzträgerelementes an eine mechanische Vorspannung, die durch den Einbau der Lastsensoren in das Sitzträgerelement und den Einbau eines Fahrzeugsitzes verursacht wird (Sp. 5 Z. 32-49). Figur 1 zeigt ein Ausführungsbeispiel einer Sitzlastmessvorrichtung zur Durchführung des Verfahrens. Über ein Steuergerät (Multiplexer MPX 3, Differentialverstärker 4) werden von der Mikroprozessoreinheit MPU 6 Sensorwerte der Sensorzellen (Lastsensoren) 1R, 1L ausgelesen (Sp. 3 Z. 55 - Sp. 4 Z. 17). Wird von einer externen Eingangsschaltung 8 eine Leergewichtskalibrierungsanweisung angefordert, berechnet die MPU 6 für jede Sensorzelle Offsetkorrekturgrößen (Sp. 4 Z. 27-31), wobei dem Differentialverstärker 4 (Steuergerät) zur Anpassung der Sensorzellen die Offsetkorrekturgrößen (Offsetkorrekturwerte) für die Sensorwerte übertragen werden (Sp. 4 Z. 32-43). Die Offsetkorrekturgrößen werden in einem Speicher 7 abgespeichert (Sp. 4 Z. 32-33). Die Berechnung der Offsetkorrekturgrößen durch die MPU 6 erfolgt dabei derart, dass die Ausgangsspannungen ("die Ausgänge") des Differentialverstärkers 4 in vorbestimmte Bereiche fallen (Sp. 4 Z. 27-31). Als vorbestimmter Bereich des Differentialverstärkers 4 ist in der (P1) beispielsweise die Ausgangsspannung Null ("Kompensation auf Null") offenbart (Sp. 3 Z. 27-30). Für die in (P1) genannte Offsetkorrektur des Ausgangssignals des Differentialverstärkers 4 auf die Spannung Null ist es unerlässlich, dass die ausgelesenen Sensorwerte der einzelnen Sensoren mit dem Wert Null als vorbestimmtem Sollwert (zur Nullpunktkorrektur bzw Offsetkorrektur) verglichen werden.

Der Fachmann zielt allgemein ab auf wirtschaftlich konkurrenzfähige Produkte. Er achtet somit auf eine möglichst universelle Anwendung des Verfahrens nach der Druckschrift (P1) und hat daher Veranlassung, das Verfahren nach der (P1) auch bei Fahrzeugsitzen mit anderen Sensorzellen einzusetzen. Aus der Druckschrift (E3) kennt er einen Fahrzeugsitz, bei dem eine Sitzmatte, die offensichtlich von einem flexiblen Substrat mit integrierten Sensorzellen gebildet wird, in die Polsterung des Fahrzeugsitzes eingelassen ist (S. 5 Abs. 1). Es liegt für den Fachmann nahe, mit dem aus der (P1) bekannten Verfahren die Sensorzellen einer Fahrzeug-Sitzmatte an eine durch einen mechanischen Einbau der Sitzmatte entstehende Vorspannung anzupassen.

In der Sitzlastmessvorrichtung gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 der (P1) ist offensichtlich neben dem Steuergerät (Multiplexer MPX 3, Differentialverstärker 4) auch ein Diagnosetester vorhanden, wobei der Diagnosetester durch die Mikroprozessoreinheit MPU 6 und den Speicher 7 realisiert ist. Gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Figur 1 teilen sich Diagnosetester und das Steuergerät (Multiplexer MPX 3, Differentialverstärker 4) die Mikroprozessoreinheit MPU 6 und den Speicher 7 (Sp. 4 Z. 27-46 i. V. m. Fig. 1). Der Fachmann kennt jedoch aufgrund seines Fachwissens, belegt beispielsweise durch die Druckschrift (E4) (Figur: Programmiergerät bzw. Diagnosetester 1 u. Steuergerät 2), auch eine gerätemäßige Trennung von Diagnosefunktion und Steuergerätfunktion bei kraftfahrzeugspezifischen Steuer- und Programmiergeräten bzw. Diagnosetestern. Ein solcherart steuergerätunabhängiger Diagnosetester trägt wesentlich zur Kostenreduzierung bei, da er an Steuergeräte unterschiedlicher Fahrzeugsitztypen anschließbar ist. Der stets kostenbewusst arbeitende Fachmann sieht sich daher veranlasst, auch beim Gegenstand der (P1) einen separaten Diagnosetester vorzusehen, der an das Steuergerät angeschlossen werden kann.






BPatG:
Beschluss v. 12.04.2006
Az: 20 W (pat) 305/05


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