Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Juni 2002
Aktenzeichen: 32 W (pat) 232/01

(BPatG: Beschluss v. 26.06.2002, Az.: 32 W (pat) 232/01)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. August 2001 aufgehoben und die Marke 399 80 780 gelöscht.

Gründe

I.

Gegen die für Webstoffe und Textilwaren, nämlich Textilstoffe, Gardinen, Rollos, Haushaltswäsche, Tisch- und Bettwäscheam 1. Februar 2000 eingetragene Wortmarke 399 80 780 Kortexist Widerspruch erhoben aus der Wortmarke 1 072 562 CORATEX die seit 18. Januar 1985 u. a. fürtextile Möbel- und Dekorationsstoffe; Gardinen, Fußbodenbeläge aus textilem Materialeingetragen ist.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende verschiedene Mittel zur Glaubhaftmachung der Verwendung für textile Möbel- und Dekorationsstoffe sowie Gardinen vorgelegt, ferner Umsatzzahlen für die Jahre 1998 und 1999 aufgeschlüsselt nach Möbel- und Dekorationsstoffen sowie Gardinen - jeweils ca. ... DM - durch eidesstattliche Versicherung belegt. Außerdem hat sie "Stoffbücher" mit der Marke CORATEX vorgelegt, auf die die eidesstattliche Versicherung Bezug zum Nachweis der Benutzung nimmt.

Die Markenstelle für Klasse 24 hat den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr mit Beschluss vom 22. August 2001 zurückgewiesen. Zur Begründung ist unter anderem ausgeführt, die Endung "-tex" sei kennzeichnungsschwach, weil sie beschreibend auf Textilien hinweise. Auf dem einschlägigen Warensektor gebe es mehr als 750 Marken mit dieser Endung. Das zusätzliche A in CORATEX verändere die Silbenzahl und den Klangeindruck insgesamt ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.

Gegen diese Entscheidung hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, zu deren Begründung sie vor allem darauf abstellt, die Waren seien identisch. Auch Rollos könnten aus Stoff gefertigt sein. Die Widerspruchsmarke habe eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die Zeichenanfänge und -endungen seien klanglich identisch.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke zu beschließen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich dem Beschluss der Markenstelle angeschlossen und sich nicht weiter geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg Die Widerspruchsmarke war am Tag der Bekanntmachung der angegriffenen Marke länger als fünf Jahre im Register eingetragen. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke im patentamtlichen Verfahren daher in zulässiger Weise nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG bestritten. In Verbindung mit Satz 2 der genannten Vorschrift hatte die Widersprechende die Benutzung im Rahmen der Glaubhaftmachung für den Zeitraum von 1996 bis 2000 bzw. von 1997 bis 2002 (vgl. BGH GRUR 1998, 938 - DRAGON) nach darzustellen.

Die Umsatzzahlen für die Jahre 1998 und 1999 decken beide Zeiträume und zeigen eine nachhaltige Benutzung jedenfalls für Gardinenstoffe.

Dass die Widersprechende ihre Marke nicht auf der Ware selbst benutzt hat, schadet nicht, weil die Zeichenverwendung in Katalogen oder Musterbüchern rechtserhaltend ist; die Markierung der Ware selbst ist weitgehend unmöglich, weil dies auf Dekorationsstoffen störend wäre (vgl. BGH GRUR 1995, 347, 348 - TETRASIL; 1996, 267 - AQUA).

Die Waren der angegriffenen Marke sind identisch und ähnlich zu den als benutzt angesehenen Gardinenstoffen. Waren sind dann ähnlich, wenn sie so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise (hier die breite Masse der Verbraucher) der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben, oder gegebenenfalls wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet sind.

Beschaffenheit, regelmäßige Vertriebsart, Verwendungszweck und Eigenart als einander ergänzende Produkte sprechen hier für eine Warenähnlichkeit (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 23 - Canon; BGH GRUR 1999, 245, 246 - LIBERO; 1999, 496, 497- TIFFANY; 2000, 886, 887 - Bayer/BeiChem). Der Handel präsentiert Stoffe oft nebeneinander, weil Stoffe für Möbel, Kissen, Rollos, Haushalts-, Tisch- und Bettwäsche sowie Gardinenstoffe aufeinander abgestimmt werden. Auch beim Verbraucher treten diese Stoffe häufig nebeneinander in Erscheinung. In Hotels gibt es Räume, in denen alle Dekorationen gleich oder aufeinander abgestimmt sind, z.B. "Laura-Ashly-Zimmer" im Hotel Bayerischer Hof, München. Dies kann aber auch in Privathaushalten der Fall sein.

Die Gleichheit der regelmäßigen Vertriebsstätten spielt zwar eine eher untergeordnete Rolle, weil der Verkehr daran gewöhnt ist, in vielen Bereichen (insbesondere Großkaufhäusern) mit einer Vielzahl völlig unterschiedlicher Waren konfrontiert zu werden. In diesem Zusammenhang ist aber eine differenzierte Betrachtungsweise angezeigt. So kann nicht nur der gemeinsame Vertrieb in eigenständigen Spezialgeschäften, bei Polsterern und Dekorateuren etc. als Indiz für die Warenähnlichkeit bewertet werden, sondern auch das Angebot in räumlich und funktional begrenzten Spezialabteilungen von Möbelkaufhäusern, weil in solchen Abteilungen eine wesentlich stärkere Spezialisierung und Konzentration auf eine einzige Branche herrscht als in sonstigen Verkaufsstätten.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist in ihrer Gesamtheit durchschnittlich; der beschreibende Anklang von -tex schlägt nicht auf die gesamte Marke durch.

Der mittleren Silbe des Widerspruchszeichens kommt bei der Beurteilung einer Zeichenähnlichkeit in klanglicher Hinsicht keine entscheidende Bedeutung zu. Der Einfluss von Silben in der Wortmitte auf den klanglichen Gesamteindruck ist eine Frage des Einzelfalls. Hier steht das A an unauffälliger Stelle; ohne Betonung prägt es den klanglichen Gesamteindruck nicht. Die Vokalfolgen der Kollisionszeichen, denen bei der Beurteilung des klanglichen Gesamteindrucks eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. BGH, GRUR 1962, 522, 523 - Ribana), weichen auch deshalb nicht deutlich voneinander ab, weil sich das R in "Kortex" bei ungenauer Aussprache einem A annähert. Durch die zusätzliche Silbe in "Coratex" verändert sich die Betonung gegenüber "Kortex" kaum.

Klanglich sind sich "Kortex" und "Coratex" damit ähnlich.

Zu einer Kostenauferlegung besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Winkler Sekretaruk Dr. Albrecht Hu






BPatG:
Beschluss v. 26.06.2002
Az: 32 W (pat) 232/01


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