Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 78/00

(BPatG: Beschluss v. 02.11.2000, Az.: 25 W (pat) 78/00)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung GINKOBA ist am 31. Oktober 1995 für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Erzeugnisse und Nahrungsmittelzusätze für nichtmedizinische Zwecke (soweit in Klasse 30 enthalten)" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 26. Februar 1996.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 25. März 1986 für "pharmazeutische Erzeugnisse und chemische Erzeugnisse für Heilzwecke und Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 1 089 652 Gingiloba.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in dem angefochtenen Beschluß eine Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der nach der Registerlage möglichen Warenidentität seien strenge Anforderungen an den Zeichenabstand zu stellen, welche noch dadurch erhöht würden, daß sich die Waren auch an Laien richteten, die Verwechslungen eher unterlägen als der Fachverkehr. Bei dieser Ausgangslage müßten wegen des gemeinsamen Lautbestandes "Gink(g)--oba" und der hieraus folgenden erheblichen Übereinstimmungen der Wörter im Wortklang Hörfehler beachtlichen Ausmaßes angenommen werden. Dies gelte um so mehr, als der nur in der zusätzlichen Sprechsilbe "li" der Widerspruchsmarke bestehende Unterschied weniger zur Geltung komme, da es sich um die eingeschobene, unbetonte Zwischensilbe eines längeren Wortes handele. Die Betonung liege vielmehr auf der ersten und dritten Silbe, so dass der übereinstimmende jeweilige Vokal "o" hervorgehoben werde.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die beiden Zeichen unterschieden sich deutlich in der Anzahl der Silben sowie in der Vokalfolge, woraus sich auch ein unterschiedlicher, das Gesamtklangbild maßgebend beeinflussender Sprech- und Betonungsrhythmus ergebe. Auch das in der jeweiligen Wortmitte abweichende Konsonantengerüst führe zu einem deutlichen Unterschied im Gesamteindruck. Beide Marken seien von der lateinischen Pflanzenbezeichnung "gingko biloba" als Wirkstoffhinweis abgeleitet, was auf dem speziellen Indikationsgebiet weit verbreitet sei. Auch das Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste 2000" weise 26 Arzneimittelbezeichnungen auf, die auf diesen Wirkstoff hinwiesen. Es reichten deshalb geringe Zeichenunterschiede zum Ausschluß einer Verwechslungsgefahr, da der Verkehr gewohnt sei, auf Abweichungen in der Wortbildung zu achten.

Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG).

In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Markenstelle hat deshalb zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet (§§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 1 MarkenG).

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, auch wenn diese jedenfalls für den Fachmann erkennbar von der lateinischen Pflanzenbezeichnung "gingko biloba" abgeleitet ist und deshalb als Wirkstoffhinweis einen beschreibenden Indikationshinweis enthält. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, daß vorliegend mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen Fachkreise hinsichtlich der für die Beurteilung maßgeblichen Verkehrskreise nicht im Vordergrund stehen, sondern Laien uneingeschränkt einzubeziehen sind. Aber auch wenn insoweit unterstellt wird, daß selbst Laien in erheblichem Umfang in dem Anfangsbestandteil "Ging" der Widerspruchsmarke einen Hinweis auf "Gingko" erkennen werden und dieser wegen seiner häufigen Verwendung in Drittmarken eine gewisse Kennzeichnungsschwäche aufweist (vgl zur Bedeutung des Rollenstandes BGH GRUR 1999, 242, 243 - Lions; BGH GRUR 1967, 246, 250 und 251 - Vitapur), kann selbst hieraus nicht ohne weiteres auf die allein maßgebliche Kennzeichnungskraft des Gesamtzeichens geschlossen werden. Diese wird nämlich allein durch den Phantasiegehalt und die Eigentümlichkeit der gesamten Wortbildung bestimmt und kann deshalb selbst bei einer hinreichend eigentümlichen Veränderung einer beschreibenden Angabe oder einer Zusammenziehung mehrerer beschreibender Angaben zu einer abgewandelten Gesamtbezeichnung durchschnittlich sein. Für die danach maßgebende Eigenart der vorliegenden Wortbildung ist deshalb nicht unberücksichtigt zu lassen, daß die Wortcharakteristik der Widerspruchsmarke gegenüber dem Fachbegriff "gingko biloba" deutlich verändert ist. Zu berücksichtigen ist auch, daß es bei pharmazeutischen Erzeugnissen der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, daß einzelne Zeichenteile Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen (vgl hierzu (vgl hierzu BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Nach der maßgeblichen Warenkonstellation können sich die gegenüberstehenden Marken hinsichtlich der jeweils im Warenverzeichnis enthaltenen Waren "pharmazeutische Erzeugnisse" auf identischen Waren begegnen. Aber auch soweit die Inhaberin der jüngeren Marke verschiedene diätetische Erzeugnisse beansprucht, können diese mit pharmazeutischen Erzeugnissen engste Berührungspunkte aufweisen (vgl eingehend und mit weiteren Hinweisen BPatG MarkenR 2000, 103, 105 und 106 - Netto 62; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 30 W (pat) 029/99 VITACE ­ Mivitase; PAVIS PROMA, Kliems, BPatG 25 W (pat) 099/97 BIOGRAN = Biocarn; vgl auch zur Grauzone zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln und deren Abgrenzung VGH München NJW 1998, 845; BGH NJW-RR 1999, 1565, 1566 - Vitalkost; zur Abgrenzung "funktioneller Lebensmittel" von diätetischer Ernährung und von Arzneimitteln vgl auch Kiethe, Groeschke WRP 1999, 973, 975, 976), wobei mangels entgegenstehender Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr Laien uneingeschränkt als maßgebende Verkehrskreise einzubeziehen sind. Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).

Es sind deshalb unter Berücksichtigung dieser Umstände auch hinsichtlich der diätetischen Erzeugnisse und Nahrungsmittelzusätze für nichtmedizinische Zwecke eher noch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen, die in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten sind, so daß die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke wegen bestehender Verwechslungsgefahr angeordnet hat.

Die sich gegenüberstehenden Markenwörter weisen nicht nur mit dem gemeinsamen Lautbestand "Gink(g)--oba" eine Übereinstimmung auf, welche bereits bei formaler Betrachtung den deutlich überwiegenden Teil der Wörter ausmacht. Die identischen Wortbestandteile bestimmen vielmehr auch unter Berücksichtigung der natürlichen Silbengliederung und Sprechweise wegen des betont gesprochenen identischen Endbestandteils "oba" mit seinen deutlich nachklingenden Vokalen "o" und "a" sowie wegen der identischen Anfangssilbe "Gin" den jeweiligen Gesamteindruck der Markenwörter wesentlich. Denn die gemeinsamen Anfangsbestandteile, welche zudem erfahrungsgemäß in der Regel eher beachtet werden als die weiteren Wortbestandteile, stellen wegen des hellen Vokals "i" auch jeweils einen klanglichen Kontrast zu den eher dunklen und nachklingenden Vokalen der Endsilben "koba " bzw "loba" dar und tragen deshalb wesentlich zu einer gemeinsamen Charakteristik des jeweiligen klanglichen Gesamteindruck der Markenwörter bei, was insbesondere hinsichtlich des erfahrungsgemäß undeutlicheren Erinnerungsbildes des Verkehrs gilt (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints; Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 92). Diesen klanglichen Gemeinsamkeiten steht zwar gegenüber, daß die Widerspruchsmarke eine unterschiedliche Silbenanzahl und damit einen - wenn auch wegen der gemeinsamen Betonung der jeweiligen Eingangs- und Endsilbe nicht deutlich - abweichenden Sprechrhythmus sowie mit dem zusätzlichen, wiederholten Eingangsvokal "i" der ersten Sprechsilbe und dem sich anschließenden Konsonanten "l" einzelne Lautunterschiede aufweist. Dennoch vermögen diese kein hinreichendes Gegengewicht zu den aufgezeigten dominierenden Gemeinsamkeiten der Wörter bilden, da die gegenüberstehenden Konsonanten der jeweiligen Endsilben "k" und "l" schon für sich betrachtet klanglich nicht deutlich voneinander abweichen und vorliegend hinzukommt, daß auch in der Widerspruchsmarke wegen des in der zusätzlichen Silbe "gi" enthaltenen "g"-Lauts die Klangverwandtschaft zur jüngeren Marke verstärkt wird. Als wesentlicher Unterschied bleibt danach zwar der in der Widerspruchsmarke zusätzlich enthaltene "i"-Laut bestehen. Aber auch dieser Laut vermag angesichts der Länge der Wörter und ihrer insbesondere das Erinnerungsbild klanglich dominierenden Gemeinsamkeiten in den Eckbestandteilen keine ausreichende Differenzierung zu schaffen. Ein hinreichend sicheres Auseinanderhalten der Marken nach ihrem klanglichen Gesamteindruck ist danach unter Berücksichtigung strenger Anforderungen nicht gewährleistet.

Da sich die angegriffene Marke bereits in klanglicher Hinsicht mit der Widerspruchsmarke als verwechselbar erweist, kann dahingestellt bleiben, ob auch in schriftbildlicher Hinsicht eine Verwechslungsgefahr zu bejahen ist.

Nach alledem war die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Knoll Engels Ju






BPatG:
Beschluss v. 02.11.2000
Az: 25 W (pat) 78/00


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