Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Mai 2009
Aktenzeichen: 29 W (pat) 15/07

(BPatG: Beschluss v. 27.05.2009, Az.: 29 W (pat) 15/07)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts vom 13. Dezember 2006 wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.

I.

Für zahlreiche Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38 und 41 ist das Wortzeichen 306 46 518.3 Lust auf Genussam 26. Juli 2006 zur Eintragung angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patentund Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 13. Dezember 2006 zurückgewiesen. In der Begründung der Zurückweisung war stets die Wortfolge "Lust am Genuss" zugrunde gelegt worden. Diese sei nicht schutzfähig, da es sich um eine nicht unterscheidungskräftige und freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG handele. Die angesprochenen Verkehrskreise verstünden die grammatikalisch korrekt gebildete, allgemein verständliche Wortverbindung ohne besonderen analytischen Aufwand dahingehend, dass die gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen der Freude am Genießen gewidmet seien. Damit komme der Zustand zum Ausdruck, dass man an etwas Gefallen finde, das einem Wohlbehagen bzw. ein gutes Gefühl bereite. Es liege ein anpreisender und werbender Hinweis auf die besondere Beschaffenheit bzw. Bestimmung und nicht eine betriebskennzeichnende Angabe vor. Dies gelte auch für den weit gefassten Oberbegriff der Dienstleistung "Geschäftsführung für andere", weil darunter auch Dienstleistungen wie Bestellannahme und -abwicklung fielen. Auch Dienstleistungen einer Multimedia-Agentur könnten sich inhaltlich mit der Vermittlung von "Lust am Genuss" befassen. Zudem sei die Wortfolge "Aus Lust am Genießen" durch das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (R 0369/04-2) zurückgewiesen worden.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass die Markenstelle ihren Ausführungen wiederholt statt der angemeldeten Wortfolge "Lust auf Genuss" die Wortfolge "Lust am Genuss" zugrunde gelegt habe. Auch sei keine nachvollziehbare Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Waren und Dienstleistungen getroffen worden (z. B. hinsichtlich Papier, Pappe, Büroartikel sowie Marktforschung). Das angemeldete Zeichen weise allenfalls einen mittelbar beschreibenden Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf. Bezüglich des Verweises auf die zurückgewiesene Marke "Aus Lust am Genießen" (HABM R 0369/04-2) sei festzustellen, dass beide Bezeichnungen keine vergleichbaren Waren und Dienstleistungen beträfen. Die vorliegende Anmeldung beziehe sich nicht auf Nahrungsmittel, sondern überwiegend auf den Medienbereich. Auch sei die Wortfolge "Lust auf Genuss" vom Bedeutungsgehalt her weniger genau als "Lust am Genuss", sondern vielmehr vage und unscharf. Das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt habe die Wortmarke "Lust auf Genuss" für Fleischund Wurstprodukte eingetragen (Nr. 001806025).

Im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat die Anmelderin auf zahlreiche Vorentscheidungen verwiesen. So seien zwar 39 Markenanmeldungen mit der Wortfolge "Lust auf" vom Deutschen Patentund Markenamt zurückgewiesen worden. Darunter seien aber nur wenige, die dem gleichen Zeichenbildungsprinzip mit vergleichbaren Waren und Dienstleistungen unterliegen würden. Seit 1999 seien keine Marken mehr zurückgewiesen worden, die andere Elemente als Ortsbzw. Waren-, Dienstleistungsoder Produktnamen enthalten hätten. Demgegenüber seien 82 Marken mit der Wortfolge "Lust auf" in verschiedensten Zusammensetzungen eingetragen worden, davon 18 Wortmarken, 59 Wort-Bild-Marken, die teilweise nur einfach gestaltete Bildbestandteile aufwiesen, so z. B. "Lust auf Holz", "Lust auf Krefeld", "Lust auf Vorpommern", "Lust auf Gemüse", "Lust auf Golf" etc.

Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle vom 13. Dezember 2006 aufzuheben.

II.

Auf die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin ist eine Zurückverweisung an das Deutsche Patentund Markenamt nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG auszusprechen. Dabei ist von folgenden Erwägungen auszugehen:

1.

Die Markenstelle hat -obwohl im Rubrum des Beschlusses die tatsächlich angemeldete Marke "Lust auf Genuss" genannt ist -der nachfolgenden Begründung der Entscheidung nicht diese angemeldete Wortfolge zugrunde gelegt, sondern die Wortfolge "Lust am Genuss". Aufgrund dieses Umstands ist davon auszugehen, dass die Markenstelle die markenrechtliche Prüfung auf absolute Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 1 und 2 MarkenG nicht hinsichtlich der tatsächlich angemeldeten Marke durchgeführt hat. Dies stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und ist nachzuholen. Darüber hinaus genügt die Markenstelle auch nicht der gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG geforderten Begründungspflicht, da die tragenden Erwägungen der Zurückweisung nicht auf das angemeldete Zeichen bezogen sind. Der Anmelder hat einen Anspruch auf Mitteilung der wesentlichen Gründe für eine Zurückweisung (§ 61 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Die dargelegten Umständerechtfertigen eine Zurückverweisung an das Deutsche Patentund Markenamt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG.

2.

Da die Anmelderin im Lauf des Beschwerdeverfahrens auf zahlreiche Vorentscheidungen verwiesen hat, die wegen des Bestandteils "Lust auf" ihrer Anmeldung vergleichbar seien, wird die Markenstelle unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Februar 2009 (C-43/08 -"Schwabenpost" und C-39/08 -"Volkshandy") diese in die erneute Prüfung der absoluten Schutzhindernisse im Rahmen einer vergleichenden Würdigung mit einbeziehen müssen.

2.1. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in Rn. 17 seines Beschlusses festgestellt, dass eine nationale Behörde bei Prüfung einer Anmeldung die zu ähnlichen Anmeldungen ergangenen früheren Entscheidungen berücksichtigen muss und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Frage richten muss, ob im gleichen Sinne zu entscheiden ist oder nicht -auch wenn insoweit keine Bindung an Vorentscheidungen besteht. Daraus folgt, dass unter dem Aspekt des allgemeinen rechtsstaatlichen Gebots, das in jeder Verfahrensordnung gilt -gleich ob Gerichtsoder Verwaltungsverfahren -, dem jeweiligen Adressaten einer ihn belastenden Entscheidung auch die wesentlichen Gründe, die die Entscheidung tragen und für sie kausal sind, mitzuteilen sind. Dieser Grundsatz gilt gem. § 61 Abs. 1 S. 1 MarkenG auch für das Markeneintragungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt. Es besteht also nicht nur die Verpflichtung zur Einbeziehung von Vorentscheidungen in die Entscheidungsfindung als solche, sondern diese Überlegungen müssen für den Adressaten auch erkennbar sein, was nur durch entsprechende Ausführungen in der die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung erfolgen kann.

2.2. Dabei darf jedoch nicht die Mitwirkungspflicht des jeweiligen Anmelders übersehen werden, handelt es sich doch bei der Entscheidung über die Registrierbarkeit eines Zeichens um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt. Die für das Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt geltende Amtsermittlungspflicht hat ihre Grenze im Maß des Zumutbaren. Das Amt muss nicht jeder noch so geringfügigen Ähnlichkeit nachgehen. Die immanente Einschränkung der Amtsermittlung liegt nämlich in der materiellen Mitwirkungslast des Anmelders in Bezug auf Tatsachen, die für seinen Anspruch auf Eintragung sprechen (vgl. Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpraxis, Band 1 Markenverfahrensrecht, Rn. 232; Kopp/Ramsauer, VerwVfG, 9. Aufl., § 24 Rn. 42). Auch er muss in seinem Vortrag auf entsprechende Vorentscheidungen hinweisen, so er sich auf Gleichbehandlung beruft, und sie belegen. Der Anmelder hat dabei zu berücksichtigen, dass nicht jede irgendwie geartete Vorentscheidung heranzuziehen ist, sondern der Vergleich mit Vorentscheidungen nur dann vernünftigerweise vom Amt angestellt werden kann, wenn sich nicht ohne weiteres und sofort die Unterschiedlichkeit der Zeichen ergibt und zwar -dies sei hervorgehoben -in Bezug auf die jeweils eingetragenen Waren und Dienstleistungen und zum Zeitpunkt der Eintragung. Der Anmelder hat daher bei der Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere hinsichtlich der Existenz vergleichbarer Voreintragungen und Zurückweisungen -einschließlich gerichtlicher Vorentscheidungen -mitzuwirken und seinen diesbezüglichen Sachvortrag entsprechend zu substantiieren (vgl. BPatG 29 W (pat) 49/07 -Traunsteiner Anzeigen-Kurier).

Dieser Mitwirkungspflicht ist die Anmelderin vorliegend -wenn auch erst im Beschwerdeverfahren -nachgekommen durch die Einreichung einer Auflistung von Anmeldungen mit den Bestandteilen "Lust auf", die im Auskunftssystem "DPINFO" des Deutschen Patentund Markenamts recherchiert wurden, sowie der Vorlage der zu den einzelnen Marken gehörenden Registerauszüge mit Markendarstellungen, aus denen sich die zur Beurteilung einer Vergleichbarkeit heranzuziehenden Kriterien wie Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen, Anmeldeund Eintragungszeitpunkt, Bildelemente etc. ersehen lassen. Im Rahmen der neuerlichen Prüfung der angemeldeten Marke wird die Markenstelle daher diese geltend gemachten Vorentscheidungen zu berücksichtigen haben, wobei dem Spannungsverhältnis zwischen der Gleichbehandlung der Wettbewerber und dem Gebot rechtmäßigen Handelns Rechnung zu tragen ist. Im Rahmen des Vergleichs der angemeldeten mit den eingetragenen vergleichbaren Marken, den das Deutsche Patentund Markenamt als zuständige nationale Behörde anstellen muss, sind gegebenenfalls die Gründe für eine differenzierte Beurteilung anzugeben. Wenn es die Voreintragungen jedoch für rechtswidrig hält, ist dies ebenfalls zum Ausdruck zu bringen. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist der Feststellung des Gerichtshofs in Rn. 18, dass "der Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang gebracht werden muss mit dem Gebot rechtstaatlichen Handelns" Genüge getan. Dies entspricht im Übrigen auch der von der Europäischen Kommission in ihrer Stellungnahme von 13. Juni 2008 in Rn. 21 vertretenen Ansicht, dass das Gericht "unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht und nicht unter demjenigen des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes dazu verpflichtet ist, konkreten Hinweisen auf eine wettbewerbsverzerrende Ungleichbehandlung nachzugehen und dabei Vorentscheidungen der Behörde in gleich gelagerten Fällen in die Prüfung einzubeziehen oder gegebenenfalls das Verbot einer festgestellten wettbewerbsverzerrenden Diskriminierung zu berücksichtigen" hat.

Grabrucker Kopacek Dr. Kortbein Hu






BPatG:
Beschluss v. 27.05.2009
Az: 29 W (pat) 15/07


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