Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 211/04

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 32 W (pat) 211/04)

Tenor

1. Die Beschwerde des Widersprechenden wird zurückgewiesen.

2. Der Kostenantrag der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die nach dem Madrider Markenabkommen am 29. Januar 2001 für die Waren 30 Confiserie, à savoir sucreries (friandises) à base de fructose, contenant de l'extrait de cannabis et des huiles essentielles de la plante de cannbisunter der Nr. 759 630 international registrierte Marke CANNABÄR

(mit Priorität in der Schweiz vom 9. November 2000)

sucht um Schutz in Deutschland nach.

Widerspruch erhoben ist aus der prioritätsälteren deutschen Marke 395 02 134 (angemeldet am 20. Januar 1995, eingetragen am 19. Juni 1995)

CANNA die u. a. für Mehle und Getreidepräparate, feine Backwaren und Konditorwaren Schutz genießt. Der Widerspruch stützt sich auf die vorgenannten Waren und richtet sich gegen sämtliche Waren der jüngeren IR-Marke.

Die Widerspruchsmarke war ihrerseits mit mehreren Widersprüchen angegriffen. Das letzte Widerspruchsverfahren ist durch Beschluss des Bundespatentgerichts vom 14. Mai 2003 (28 W (pat) 44/02), der am 15. Juli 2003 rechtskräftig geworden ist, abgeschlossen worden.

Die Markeninhaberin hat mit einem am 29. Juli 2002 eingegangenen Schriftsatz die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Der Widersprechende hat daraufhin zur Glaubhaftmachung einer Benutzung verschiedene Unterlagen, u. a. eine von ihm notariell abgegebene eidesstattliche Versicherung, vorgelegt.

Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts - Beamter des gehobenen Dienstes - vom 23. Juni 2003 ist der Widerspruch zurückgewiesen worden, weil vom Umfang her keine ausreichende Benutzung glaubhaft gemacht sei. Die Erinnerung des Widersprechenden, gestützt u. a. auf eine weitere eidesstattliche Versicherung, hat die mit einer Regierungsangestellten im höheren Dienst besetzte Markenstelle durch Beschluss vom 28. Juli 2004, der die Argumente des Erstbeschlusses aufgreift und vertieft, zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Widersprechenden. Er ergänzt die Angaben zur Benutzung seiner Marke bezüglich der Jahre 2000 bis 2003.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und dem Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Sie ist der Ansicht, der Widersprechende habe eine Benutzung seiner Marke nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Zudem weise die Widerspruchsmarke nur einen engen Schutzbereich auf.

An der mündlichen Verhandlung haben der Widersprechende und die Markeninhaberin - letztere nach entsprechender Ankündigung - nicht teilgenommen.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Widersprechenden, mit der dieser bei sach- und interessengerechter Auslegung die Aufhebung der Beschlüsse der Markenstelle sowie die Verweigerung der Schutzerstreckung der IR-Marke 759 630 auf Deutschland erstrebt, bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

1. Allerdings sind die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle in rechtlicher Hinsicht unzutreffend (und auch die Ausführungen der Beteiligten ganz weitgehend neben der Sache liegend), weil die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin (gem. § 43 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 114 MarkenG), welche diese in ihrem am 29. Juli 2002 eingegangenen Schriftsatz erhoben hat, unzulässig war. Die sogenannte Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke hatte zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu laufen begonnen - und war somit erst Recht nicht abgelaufen -, weil gemäß der Regelung des § 26 Abs. 5 MarkenG bei Widerspruchsmarken, die ihrerseits mit Widerspruch angegriffen sind, der Abschluss des Widerspruchsverfahrens (hier der 15. Juli 2003, wie auch im Register vermerkt) für den Beginn der Fünf-Jahres-Frist maßgeblich ist. Den Widersprechenden traf (und trifft) somit keine Glaubhaftmachungslast, was die Markenstelle und auch die Verfahrensbeteiligten verkannt haben.

2. Die sich gegenüberstehenden Marken unterliegen aber nicht der Gefahr einer Verwechslung im Verkehr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 112, § 114 MarkenG. Nach diesen Bestimmungen ist einer IR-Marke im Falle eines Widerspruchs die Schutzerstreckung auf Deutschland zu verweigern (§ 114 Abs. 3 MarkenG), wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (vgl. z. B. EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSOHN LIFE; BGH GRUR 2005, 326 - Il Padrone/Il Portone), wobei eine Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Zeichenähnlichkeit sowie der Aufmerksamkeit des beteiligten Verkehrs zu berücksichtigen ist.

Zwar sind die (speziellen) Konditorwaren, für welche die IR-Marke registriert ist, mit den Konditorwaren der Widerspruchsmarke identisch und mit den für diese registrierten feinen Backwaren ähnlich, jedoch ist der Schutzumfang der Bezeichnung "CANNA" gering. Diesem mit der Sachbezeichnung "Cannabis" (= Hanf, Haschisch) in den Anfangssilben übereinstimmenden Wort haftet ein deutlich beschreibender Anklang - als Hinweis auf Cannabishaltige Erzeugnisse - an. Dass "Canna" auch der Name einer tropischen Pflanze ist, wird in breiten Publikumskreisen weniger bekannt sein. Angesichts der verminderten Kennzeichnungskraft der älteren Marke (entsprechendes gilt für den Anfangsteil der jüngeren IR-Marke) reichen aus Rechtsgründen bereits geringe Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken aus, um eine Zeichenähnlichkeit und somit eine (unmittelbare) Verwechslungsgefahr ausschließen zu können (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 9 Rdn. 182 m. w. Nachw.). Einen derartigen Unterschied weist die jüngere Marke durch ihre dritte Silbe "BÄR" auf, selbst wenn dieses Wort in Alleinstellung als naheliegender Hinweis auf Confiseriewaren in Bärenform schutzunfähig ist. Als bei Waren der vorliegenden Art kennzeichnungsschwacher Bezeichnung kommt "CANNA" auch nicht die Eignung zu, als Stamm einer Zeichenserie aufgefasst zu werden; mithin unterliegen die sich gegenüberstehenden Marken nicht der Gefahr, gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und unter diesem Gesichtspunkt verwechselt zu werden (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9 Rdn. 327).

3. Der Kostenantrag der Markeninhaberin, der mit den angeblichen Versäumnissen des Widersprechenden bei der Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung seiner Marke begründet worden ist, kann unter diesem Aspekt keinen Erfolg haben, da den Widersprechenden - wie oben dargelegt - überhaupt keine Glaubhaftmachungslast traf. Sonstige Billigkeitsgründe im Sinne von § 71 Abs. 1 MarkenG, die Anlass für eine Kostenauferlegung sein könnten, sind nicht ersichtlich.






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 32 W (pat) 211/04


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