Landgericht Bonn:
Urteil vom 30. Juni 2003
Aktenzeichen: 11 O 59/03

(LG Bonn: Urteil v. 30.06.2003, Az.: 11 O 59/03)

Tenor

Das Versäumnisurteil vom 27. Mai 2003 wird aufrecht erhalten, die einstweilige Verfügung wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Antragstellerin die ihr von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten U2-Cards rechtmäßig verwendet.

Die Antragstellerin bietet Telekommunikationsdienstleistungen an. Sie leitet Telefongespräche, die von ihren Kunden an sie übermittelt werden und für Kunden in einem Mobilfunknetz in Deutschland bestimmt sind, an die Zielteilnehmer weiter. Hierzu wandelt sie die Gespräche mit Hilfe eines sogenannten "GSM-Wandlers" in mobilfunkgeeignete Gespräche um. Für Gespräche, die für Teilnehmer im von der Antragsgegnerin betriebenen F Netz bestimmt sind, verwendet sie U2-Cards (Prepaid-Cards), mit denen sie die Wandler bestückt. Die Antragstellerin hat vier Wandler (zwei aufgestellt in C, zwei in G) mit jeweils 32 Cards seit etwa Dezember 2002 in Betrieb.

Am 16. April 2003 hat die Antragsgegnerin 128 U3-Cards mit der Begründung, die Antragstellerin verstoße durch ihre Tätigkeit gegen ihre, der Antragsgegnerin AGB, deaktiviert.

Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2003 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Aktivierung der Karten beantragt.

In der daraufhin anberaumten mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2003 ist gegen die Antragsgegnerin ein Versäumnisurteil ergangen, in dem ihr im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben worden ist,

die von ihr der Antragstellerin überlassenen 128 U3-Karten, deren Rufnummern (MSISDN) aus der beigefügten Aufstellung (Anlage AS1) ersichtlich sind, für sechs Monate wieder zu aktivieren, der Antragstellerin auf diese Weise zu ermöglichen, die auf die Karten jeweils aufgeladenen Guthabenbeträge zur Herstellung von Mobilfunkverbindungen zu verwenden und die Neuaufladung der Karten zuzulassen.

Gegen das ihr am 31. Mai 2003 zugestellte Versäumnisurteil hat die Antragsgegnerin am 11. Juni 2003 Einspruch eingelegt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Antragstellerin missbrauche die ihr überlassenen U2-Cards. Diese seien nur zum mobilen Telefonieren mit Handys ausgegeben worden. Durch den Einsatz der Karten in GSM-Wandlern, sogenanntes Simboxing, zur Weiterleitung von Gesprächen aus dem Festnetz in ihr Mobilfunknetz umgehe die Antragstellerin die im Regelfall bei einer Weiterleitung bei der U AG und bei dem Mobilfunknetzbetreiber, d.h. bei ihr anfallenden lnterconnection-Gebühren. Sie erhalte bei Weiterleitung der Gespräche durch den Wandler nur noch die Gebühren des Gesprächstarifs.

Durch den Einsatz der Wandler mit einem erheblichen Gesprächsaufkommen werde ihre Netzintegrität erheblich beeinträchtigt. Es komme zu Überlastungen, die dazu führten, daß "normale" Mobilfunkgespräche und selbst Notrufe nicht oder nur noch eingeschränkt geführt werden könnten.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Antragstellerin dürfe die Tätigkeit nur als Mobilfunkdiensteanbieter (Service-Provider) betreiben. Als solcher sei sie nicht zugelassen.

Die Antragsgegnerin verstoße zudem gegen Ziffern 15.1 und 16.1 ihrer AGB, da sie ohne ihre Zustimmung ihren Mobilfunkanschluß Dritten zur gewerblichen Nutzung überlasse und auf Dritte die ihr in dem U3-Vertrag eingeräumten Rechte übertrage.

Darüber hinaus werde durch das Simboxing das Auskunftsrecht der Ermittlungsbehörde beeinträchtigt, da die Person des Anrufers nicht mehr ermittelt werden könne.

Das Simboxing erleichtere das sogenannte Durchleiten vom Festnetzverkehr durch das Mobilfunknetz, das verboten sei.

Die Antragsgegnerin hält die Tätigkeit der Antragstellerin für lizenzpflichtig.

Bei der Vielzahl der Verstöße der Antragstellerin habe sie ohne Vorankündigung mit sofortiger Wirkung die Karten sperren dürfen.

Die Antragstellerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten und die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Nach ihrer Ansicht verstößt der Einsatz der Karten in den GSM-Wandlern nicht gegen die mit der Antragsgegnerin geschlossenen Kartenverträge und deren AGB. Der Einsatz von Karten in Wandlern sei seit Jahren geschäfts- und branchenüblich und der Antragsgegnerin auch bekannt. Sie trete weder als Verbindungsnetzbetreiber noch als Reseller von Mobilfunkleistungen auf und unterliege auch nicht einer Lizenzpflicht.

Die Antragstellerin bestreitet, daß durch den Einsatz ihrer Wandler technische Störungen im Netz der Antragsgegnerin aufgetreten seien. Anfragen von Strafverfolgungsbehörden habe sie stets umgehend beantwortet. Die Interconnection über die U AG sei nicht zwingend vorgeschrieben.

Ergänzend wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ist begründet.

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin aufgrund der mit ihr geschlossenen Verträge über 128 U2-Cards einen Anspruch auf Aktivierung dieser Karten, um der Antragstellerin zu ermöglichen, die Guthabenbeträge auf den Karten zur Herstellung von Mobilfunkverbindungen zu verwenden sowie auf Neuaufladung der Karten. Dieser Anspruch besteht, da es sich um eine einstweilige Verfügung handelt, auf die Dauer von sechs Monaten.

Die Verwendung der Karten in GSM-Wandlern zur Weitervermittlung von Gesprächen in das Mobilfunknetz der Antragsgegnerin stellt keinen Missbrauch der der Antragstellerin in den U2-Card-Verträgen eingeräumten Rechte dar. In Ziffer 3.1 der AGB der Antragsgegnerin heißt es: "U4 überlässt dem Kunden im Rahmen der bestehenden technischen und betrieblichen Möglichkeiten einen U2-Mobilfunkanschluß und stellt ihm eine Rufnummer im GSM-Mobilfunknetz U3 zur Verfügung. Sie überlässt dem Kunden hierfür eine mit der zugeteilten Rufnummer codierte U3-Karte (U2-Card). Diese enthält die Zugangsberechtigung zum Mobilfunkdienst U2 und ermöglicht die Speicherung individueller Verzeichnisse. U4 bietet dem Kunden die Nutzung des GSM-Mobilfunknetzes ... an." Ziffer 3.2 der AGB lautet: "Der Kunde kann mit Hilfe von Mobilfunkendeinrichtungen im Inland Mobilfunkverbindungen (Mobilfunkgespräche, SMS) entgegennehmen oder zu anderen Anschlüssen herstellen... ."

Daß die Karten nur zum Einsatz in einem Handy zum mobilen Telefonieren gebraucht werden dürfen, ergibt sich aus diesen Regelungen nicht und ist auch sonst nicht vorgeschrieben. Es kann unterstellt werden, daß dieser Einsatz von der Mehrzahl der Kunden der Antragsgegnerin wahrgenommen wird. Unbestritten hat die Antragstellerin jedoch vorgetragen, daß die Karten auch in PC' s und Notebooks eingesetzt werden. Sie hat ferner vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung des Zeugen N glaubhaft gemacht, daß auch der Einsatz in GSM-Wandlern seit Jahren geschäfts- und branchenüblich sei.

Daß durch den Einsatz von Wandlern bei der Weiterleitung von Gesprächen in das Mobilfunknetz der Antragsgegnerin Interconnection-Gebühren gespart werden, macht diese Art der Weiterleitung nicht rechtswidrig. Die Antragsgegnerin behauptet selbst nicht, daß die Weiterleitung zwingend die Einschaltung der UAG voraussetzt, sondern spricht insoweit nur von "im Regelfall".

Soweit die Antragsgegnerin behauptet hat, ihre Netzintegrität werde durch den Einsatz der Wandler erheblich beeinträchtigt, ist ihr Vortrag derart allgemein und pauschal, daß ihm eine Vertragsverletzung der Antragstellerin nicht entnommen werden kann. Im übrigen ist schwer vorstellbar, wie ein Wandler mit 128 Karten, der in einer Großstadt mit dem allgemein bekannten erheblichen Mobilfunkverkehr aufgestellt ist, zu einer Überlastung des Netzes führen kann, selbst wenn die Karten alle zur gleichen Zeit genutzt werden.

Unbestritten ist die Antragsgegnerin kein Dienste-Anbieter (Service-Provider) und kein Reseller von Mobilfunkleistungen. Sie vertreibt keine Mobilfunkdienste, sondern vermittelt lediglich die Weiterleitung von Gesprächen. Daß sie als Dienste-Anbieter nicht zugelassen ist, ist deshalb ohne Belang. Die Antragstellerin ist auch kein Verbindungsnetzbetreiber, sie hat kein eigenes Netz. Schließlich bedarf ihre Tätigkeit keiner Lizenz gemäß § 6 TKG.

Die Tätigkeit der Antragstellerin verstößt auch nicht gegen Ziffern 15.1 und 16.1 der AGB der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin überlässt ihren Mobilfunkanschluß nicht einem Dritten und erst recht nicht zur ständigen Alleinbenutzung oder zur gewerblichen Nutzung, sondern verwendet ihn zur Weiterleitung von Gesprächen. Sie bleibt dabei selbst Inhaber und Nutzer des Anschlusses.

Desgleichen überträgt sie mit ihrer Tätigkeit nicht ihre Rechte gemäß Ziffer 3.2 der AGB der Antragsgegnerin (Entgegennahme von Mobilfunkverbindungen und Herstellung zu anderen Anschlüssen) auf Dritte. Die Kunden der Antragstellerin, deren Gespräche diese weiterleitet, erhalten dadurch kein eigenes Recht gegen die Antragsgegnerin.

Daß das Auskunftsrecht der Strafverfolgungsbehörde gemäß § 90 Abs. 3 TKG durch die Tätigkeit der Antragstellerin beeinträchtigt werde, ist weder konkret vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Die glaubhaft gemachte Darstellung der Antragstellerin steht dem entgegen.

Schließlich fehlt auch der Vortrag eines konkreten Verstoßes gegen das Verbot des Durchleitens von Festnetzgesprächen durch das Mobilfunknetz der Antragsgegnerin.

Da keiner der behaupteten Verstöße hinreichend vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht worden ist, war die Deaktivierung der Karten nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Das Versäumnisurteil ist ohne ausdrücklichen Ausspruch sofort vollstreckbar. Es verbleibt bei der Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung, die nur wiederholt wird.

Wert: 101.676,00 €






LG Bonn:
Urteil v. 30.06.2003
Az: 11 O 59/03


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