Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 21. Dezember 2006
Aktenzeichen: 13 U 118/06

(OLG Celle: Urteil v. 21.12.2006, Az.: 13 U 118/06)

Ein Augenarzt handelt grundsätzlich nicht unlauter, wenn er im Einzelfall einem Patienten, der nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Untersuchung ein Brille benötigt, ermöglicht, sich aus einem in der Praxis vorhandenen Bestand von Musterbrillenfassungen eines Augenoptikunternehmens ein Brillengestell auszusuchen, wenn er anschließend dem Augenoptikunternehmen die augenärztliche Verordnung sowie die Werte der Pupillendistanz, des Hornhaut-Scheitel-Abstands und des Abstands zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel mitteilt, und die Brillenlieferung des Augenoptikunternehmens an den Patienten vermittelt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilanerkenntnis- undSchlussurteil des Landgerichts Hannover vom 16. Mai 2006 geändertund die Klage abgewiesen, soweit der Beklagte verurteilt wordenist, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführtenRefraktion den Abschluss eines Liefervertrages über eine Brille derJ. und S. D. Optik GbR zu vermitteln

und/oder

die Brillenanpassung selbst oder durch eine seinerArzthelferinnen durchzuführen und die von der J. und S. D. OptikGbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger2/3 und der Beklagte 1/3 zu tragen. Die Kosten desBerufungsverfahrens hat der Kläger allein zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf dieVollstreckung der anderen Partei im Hinblick auf dieKostenentscheidung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % desvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht jeweils dievollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe desjeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren inAbänderung des Beschlusses des Landgerichts vom 30. Mai 2006 auf45.000 €, für die Berufungsinstanz auf 30.000 €festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beklagte ist niedergelassener Augenarzt. Er bietet Patienten, die nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten augenärztlichen Untersuchung eine Brille benötigen, an, sich aus einem in seiner Praxis vorhandenen Bestand von ca. 60 Musterbrillenfassungen der D. Optik GbR eine Fassung auszusuchen. Nach Auswahl der Fassung misst der Beklagte selbst oder eine Arzthelferin den Abstand zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel. Das Ergebnis der Messung teilt der Beklagte zusammen mit der augenärztlichen Verordnung sowie der von ihm ermittelten Werte der Pupillendistanz und des Hornhaut-Scheitel-Abstands der D. Optik GbR mit. Diese wählt die Brillengläser aus, fertigt die Brille an und übersendet die Brille direkt an den Patienten, auf Wunsch des Patienten auch in die Praxis des Beklagten, wo der Sitz der Brille kontrolliert und ggf. korrigiert wird.

Die Klägerin ist die Z. z. B. u. W.. Sie hat beanstandet, dass in dem Vorgehen des Beklagten eine nach § 34 Abs. 5 der Musterberufsordnung für Ärztinnen und Ärzte (MBO) unzulässiges Verweisen der Patienten an das Augenoptik-Unternehmen liege. Außerdem verstoße der Beklagte gegen § 3 Abs. 2 MBO, wonach es im Zusammenhang mit der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit untersagt ist, Waren und andere Gegenstände abzugeben oder unter Mitwirkung des Arztes abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen soweit nicht die Abgabe des Produkts wegen dessen Besonderheit notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist. Ferner führe der Beklagte, indem er die Brillenanpassung selbst durchführe und die Brille abgebe, wesentliche Tätigkeiten des Augenoptikerhandwerks aus, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein. Aufgrund dieser Verstöße handele er zugleich wettbewerbswidrig (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG). Zugleich verstoße der Beklagte gegen das Irreführungsverbot (§ 5 UWG), soweit er wesentliche Tätigkeiten des Augenoptikerhandwerks ausübe, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Der Kläger hat, soweit dies Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, beantragt,

den Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

Patienten im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion zum Abschluss eines Liefervertrages über eine Brille der J. und S. D. Optik GbR zu vermitteln

und/oder

die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen

und die von der J. und S. D. Optik GbR angefertigte Brille an den Patienten abzugeben.

Der Beklagte ist diesen Klageanträgen entgegengetreten. Er hat erwidert: Er unterbreite das Angebot, eine Brillenlieferung durch die D. Optik GbR zu vermitteln, nur in Fällen, in denen er es im Sinne der bestmöglichen und gesicherten Versorgung für sinnvoll halte. Vornehmlich richte er das Angebot an Patienten, bei denen es in der Vergangenheit zu einer Asthenopie (Sehstörungen und Beschwerden, die auf nicht oder falsch korrigierten Refraktionsanomalien beruhen) oder vergleichbaren Schwierigkeiten bei der Brillenversorgung gekommen sei, oder an Patienten, die unter Erkrankungen litten, bei denen es erfahrungsgemäß überdurchschnittlich oft zu Asthenopien komme. Zudem biete er die streitbefangene Versorgungsmöglichkeit Patienten an, bei denen der €verkürzte Versorgungsweg€ wegen ihres Alters oder wegen Gehbehinderungen Unannehmlichkeiten vermeiden könne, oder die schlechte Erfahrungen mit ortsansässigen Optikern gehabt hätten.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf das erstinstanzliche Urteil wird Bezug genommen. Der Beklagte will mit der Berufung die Abweisung der Klage im Hinblick auf die genannten Anträge erreichen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise beantragt er, dem Unterlassungsantrag zu § 3 Abs. 2 NdsBOÄ mit der Einschränkung stattzugeben, €soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind€ und dem Antrag entsprechend § 34 Abs. 5 NdsBOÄ mit der Einschränkung €ohne hinreichenden Grund€.

II.

Die Berufung ist begründet. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

1. Der Hauptantrag, der darauf gerichtet ist, dem Beklagten zu verbieten, im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Refraktion den Abschluss eines Liefervertrages über eine Brille des Optikunternehmens zu vermitteln, ist, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, schon deshalb unbegründet, weil die Vermittlung nur dann gegen ärztliches Berufsrecht verstoßen kann, wenn dafür ein hinreichender Grund fehlt (§ 34 Abs. 5 MBO und § 34 Nr. 5 NdsBOÄ) oder wenn es sich bei der Vermittlung um eine gewerbliche Dienstleistung handelt, die nicht notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie ist (§ 3 Abs. 2 MBO und § 3 Abs. 2 NdsBOÄ). Nach dem Hauptantrag der Klage soll dem Beklagten die Vermittlung des Brillenliefervertrags jedoch allgemein verboten werden. Ein solches generelles Verbot wäre nur denkbar, wenn es für die Vermittlung unter keinen Umständen einen hinreichenden Grund i. S. der §§ 34 Abs. 5 MBO, 34 Abs. 5 NdsBOÄ geben könnte oder wenn es sich bei der Vermittlung um eine gewerbliche Dienstleistung im Sinn der §§ 3 Abs. 2 MBO, 3 Abs. 2 NdsBOÄ handeln würde und diese unter keinen Umständen notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sein könnte. Beides ist nicht der Fall (siehe unten 2 b).

Entsprechendes gilt, was ebenfalls in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, für den zweiten Hauptantrag, nach dem der Beklagte es unterlassen soll, die Brillenanpassung selbst oder durch eine seiner Arzthelferinnen durchzuführen und die von dem Optikunternehmen angefertigte Brille abzugeben. Insoweit wäre ein allgemeines Gebot allerdings gerechtfertigt, wenn die Brillenanpassung durch den Beklagten bzw. einer seiner Arzthelferinnen gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 1 HandwO verstoßen würde. Das ist indes nicht der Fall. Der Kläger hält einen Verstoß deshalb für gegeben, weil das Messen des Pupillenabstandes und des Hornhaut-Scheitel-Abstandes dem Augenoptikerhandwerk zuzurechnen sei und auch die Auswahl von Brillengläsern und die Korrektur des Brillensitzes zum Augenoptikerhandwerk gehöre. Damit hat der Kläger keinen Erfolg. Zwar ist es richtig, dass diese Leistungen Teil des Augenoptikerhandwerks sind. Bei dem Messen des Pupillenabstandes und des Hornhaut-Scheitel-Abstandes, der Brillenglasberatung und der Korrektur des Brillensitzes handelt es sich um Leistungen, die auch zum beruflichen Bereich eines Augenarztes gehören (zur Zulässigkeit der Vornahme einzelner zum Handwerk eines Hörgeräteakustikers gehörenden Leistungen durch einen HNO-Arzt: BGH, Urteil vom 29. Juni 2000 - I ZR 59/98 €Verkürzter Versorgungsweg€). Sowohl der Pupillenabstand als auch der Hornhaut-Scheitel-Abstand werden, wie der Beklagte unbestritten vorgetragen hat, im Rahmen der subjektiven Refraktion bestimmt. Die Feststellung des Wertes der subjektiven Refraktion ist zweifellos ein wesentlicher Bestandteil der augenärztlichen Tätigkeit. Der Augenarzt stellt bei einer Fehlsichtigkeit des Patienten regelmäßig neben den Ursachen auch das Ausmaß der Fehlsichtigkeit und damit die Stärke der benötigten Sehhilfe fest. Dazu bestimmt er regelmäßig die subjektive Refraktion. Dafür, dass diese Leistung zum Berufsbild des Augenarztes gehört, spricht, dass für sie in den Nrn. 1200 ff. GOÄ eine Vergütung des Augenarztes vorgesehen ist. Auch die Brillenglasberatung gehört ohne weiteres in den Tätigkeitsbereich des Augenarztes. Der Patient erwartet von einem Augenarzt, der ihm eine Brille verordnet, dass er ihn über das Material (Glas oder Kunststoff), die Eigenschaften (z.B. hochbrechende Linsen), die Tönung und Entspiegelung der Brillengläser u.s.w. beraten kann. Bei der Messung des Abstands zwischen Brillenscharnier und Ohrmuschel sowie der Korrektur des Brillensitzes handelt es sich zumindest um eine Leistung, die mit dem Bereich eines Augenarztes in engem Zusammenhang steht.

2. Der Kläger hat hilfsweise beantragt, seinen in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen mit der Einschränkung stattzugeben, €soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheiten notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind€ (§ 3 Abs. 2 NdsBOÄ) bzw. mit der Einschränkung €ohne hinreichenden Grund€ (§ 34 Abs. 5 NdsBOÄ). Auch mit diesen Anträgen hat der Kläger keinen Erfolg.

15a) Ein Verstoß des Beklagten gegen § 34 Abs. 5 MBO bzw. den gleichlautenden 34 Abs. 5 NdsBOÄ liegt nicht vor.

16Nach dieser Vorschrift ist es Ärzten u. a. nicht gestattet, Patienten ohne hinreichenden Grund an bestimmte Anbieter von gesundheitlichen Leistungen zu verweisen. Das Verbot der Verweisung des Patienten entfällt nicht nur dann, wenn hierfür unmittelbar auf dem Gebiet der Medizin liegende Vorteile sprechen. Vielmehr können den Arzt auch andere sachliche Gründe zu Verweisungen an bestimmte Leistungserbringer berechtigen. Sachliche Gründe können die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten oder schlechte Erfahrungen mit anderen Anbietern sein (BGH, Urteil vom 28. September 2000 - I ZR 141/98 €Augenarztanschreiben€; Urteil vom 29. Juni 2000 - I ZR 59/98 - €Verkürzter Versorgungsweg€). Ein sachlicher Grund kann auch in einem fachlich oder wirtschaftlich besseren Angebot des nicht ortsansässigen Anbieters oder bereits in Vorteilen liegen, die sich aus einer größeren Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungsweges ergeben (BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 275/99 -€Hörgeräteversorgung€).

17Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte ohne hinreichenden Grund Patienten an die D. Optik GbR verwiesen hat. Der Beklagte hat vorgetragen: Häufig führe nicht nur der Augenarzt, sondern auch der vom Patienten aufgesuchte Optiker eine eigene subjektive Refraktion durch, auf deren Basis dann die Brille angefertigt werde; in diesen Fällen bestehe die Gefahr, dass der Augenoptiker ein Brillenglas auswähle, das in medizinischer Hinsicht hinter der für den Patienten optimalen Therapie der Fehlsichtigkeit zurückbleibe, was zu vermeidbaren Komplikationen führen könne. Der Vortrag des Beklagten, häufig führe der Optiker, auch wenn der Augenarzt bereits eine €Verordnung€ für die Brillengläser ausgestellt habe, eine neue subjektive Refraktion durch, trifft zu. Einer Beweisaufnahme darüber bedarf es nicht, weil es sich um eine allgemeinkundige Tatsache im Sinn des § 291 ZPO handelt. Der Mehrheit der Senatsmitglieder ist die Richtigkeit des Vortrags, wie in der mündlichen Verhandlung offengelegt worden ist, auch aus eigener Erfahrung bekannt. Mit der vom Beklagten angebotenen Versorgungsmöglichkeit lässt sich sicherstellen, dass mit großer Sicherheit die vom Augenarzt vorgenommene Sehschärfenbestimmung bei der Anfertigung der Brille zugrunde gelegt wird. Darin liegt ein hinreichender Grund im Sinn der §§ 34 Abs. 5 MDO bzw. 34 Abs. 5 NdsBOÄ. Die Beklagte kann dagegen nicht mit Erfolg einwenden, dass ein Optiker, der eine neue Sehschärfenbestimmung anbiete, in der Regel seinerseits wettbewerbswidrig handele, weil ein Optiker hierzu nach dem in GRUR 1995, 819 veröffentlichen Urteil des OLG Oldenburg nur dann berechtigt sei, wenn der Kunde von sich aus eine erneute Sehschärfenbestimmung wünsche oder wenn die vorgelegte augenärztliche Verordnung offensichtlich aus sich heraus fehlerhaft sei. Der Senat lässt offen, ob er der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Oldenburg folgt. Entscheidungserheblich ist allein, dass in vielen Fällen Augenoptiker von sich aus anbieten, die Sehschärfenbestimmung des Augenarztes zu wiederholen, und zwar auch dann, wenn die augenärztliche Verordnung nicht offensichtlich aus sich heraus fehlerhaft ist.

Da der Beklagte sich somit bereits aus den genannten Gründen auf einen sachlichen Grund für die angebotene Versorgungsmöglichkeit berufen kann, muss nicht Beweis darüber erhoben zu werden, ob die vom Beklagten vorgelegten 11 Bescheinigungen von Patienten mit Angabe der Gründe für ihre Entscheidung für den vom Beklagten angebotenen Versorgungsweg (Unzufriedenheit mit dem Optiker, Bequemlichkeit der Versorgung €aus einer Hand€, kompetentere Beratung, medizinische Besonderheiten bei der Bestimmung der subjektiven Refraktion) zutreffend sind, was der Klägerin bestreitet. Aus eigenen Erkenntnissen trägt der - insoweit darlegungs- und beweispflichtige (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2001 - I ZR 275/99 - €Hörgeräteversorgung€) - Kläger nichts dazu vor, dass der Beklagte die Brillenlieferungen ohne sachlichen Grund i. S. der §§ 34 Abs. 5 MBO, 34 Abs. 5 NdsBOÄ vermittelt hat.

19b) Auch ein Verstoß gegen § 3 Abs. 2 MBO bzw. § 3 Abs. 2 NdsBOÄ liegt nicht vor.

20Nach dieser Vorschrift ist es Ärzten u. a. untersagt, im Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ärztlichen Tätigkeit Waren abzugeben oder unter ihrer Mitwirkung abgeben zu lassen sowie gewerbliche Dienstleistungen zu erbringen oder erbringen zu lassen, soweit nicht die Abgabe des Produkts oder die Dienstleistung wegen ihrer Besonderheit notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind. Das Verbot dient der Trennung merkantiler Gesichtspunkte vom Heilauftrag des Arztes (BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - I ZR 317/02 - €Diabetesteststreifen€). Es begegnet nicht unmittelbar bestehenden Gesundheitsgefahren, sondern soll lediglich langfristig negative Rückwirkungen auf die medizinische Versorgung durch eine Kommerzialisierung des Arztberufes verhindern. Dementsprechend ist der Begriff der Produkte, die notwendiger Bestandteil der ärztlichen Therapie sind und daher von Ärzten zulässigerweise abgegeben werden dürfen, weit auszulegen. Es reicht u. a. aus, dass der Arzt Anpassungs- oder Kontrollleistungen für erforderlich erachtet und die Abgabe der Ware in direktem Zusammenhang damit vornimmt oder veranlasst (BGH a. a. O.).

21Auch im Hinblick auf diese Vorschrift ist das beanstandete Verhalten des Beklagten - Vermittlung eines Liefervertrags über eine Brille, Brillenanpassung durch den Beklagten oder einer Arzthelferin sowie Abgabe der Brille - zulässig, wobei dahinstehen kann, ob in der Vermittlung einer Brillenlieferung die Abgabe oder das Abgebenlassen einer Brille gesehen werden kann. Durch die vom Beklagten angebotene Versorgungsmöglichkeit lässt sich, wie ausgeführt, verhindern, dass ein Optiker die in der ärztlichen Verordnung angegebenen Werte nach erneuter, von ihm selbst durchgeführter Bestimmung der subjektiven Refraktion verändert. Die Argumentation des Beklagten, dass er zur besseren Versorgung von Patienten, insbesondere wenn bereits Beschwerden bei der Brillenbenutzung aufgetreten sind, eine größere Kontrolle hinsichtlich der Übereinstimmung der Brillengläser mit der Verordnung erreichen will, ist zu akzeptieren. Die Entscheidung des Beklagten liegt im Rahmen seiner Kompetenz zur umfassenden medizinischen Versorgung des Patienten (vgl. BGH a. a. O.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich auf der Grundlage der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entscheiden.






OLG Celle:
Urteil v. 21.12.2006
Az: 13 U 118/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/de8ea7a11ffe/OLG-Celle_Urteil_vom_21-Dezember-2006_Az_13-U-118-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share