Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Februar 2008
Aktenzeichen: 15 W (pat) 22/04

(BPatG: Beschluss v. 28.02.2008, Az.: 15 W (pat) 22/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 9. Oktober 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung 198 46 640.4-24 ist das Patent 198 46 640 mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung eines Guß- oder Preßteils " erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 4. Mai 2000 erfolgt.

Die erteilten Patentansprüche 1 lauten:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Guß- oder Preßteiles bei welchem funktionsrelevante Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen vorgegeben sind, die durch Verbindungsflächen miteinander verbunden werden, dadurch gekennzeichnet, daß eine Hilfskonstruktion, welche im wesentlichen nur aus den funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen besteht, erstellt wird, zu der Hilfskonstruktion anschließend die Guß- oder Preßformen oder Teile davon konstruiert werden, wobei die Verbindung der funktiosrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen in der Konstruktion der Guß- oder Preßformen sowohl die Guß- oder Preßformen als auch das zu erstellende Guß- oder Preßteil selbst ergibt und anschließend das Guß- oder Preßteil mit Hilfe der so erhaltenen Guß- oder Preßformen als Positiv geformt wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindungen im Hinblick auf gute Entformbarkeit des Guß- oder Preßteiles gestaltet werden.

3. Verfahren nach einem oder mehreren der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindungen im Hinblick auf geringen Materialbedarf des Guß- oder Preßteiles gestaltet werden.

4. Verfahren nach einem oder mehreren der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen mittels Algorithmen miteinander verknüpft werden, so daß die Hilfskonstruktion für die Konstruktion einer Größenvariante formelmäßig abgeändert werden kann.

5. Verfahren nach einem oder mehreren der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Guß- oder Preßformen mehrteilig gestaltet werden zur Entformbarkeit des Guß- oder Preßteiles.

6. Verfahren nach einem oder mehreren der vorherigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Guß- oder Preßformen derartig gestaltet werden, dass das Guß- bzw. Preßteil gut gießbar bzw. preßbar ist."

Gegen die Erteilung des Patents ist Einspruch erhoben worden von:

Halberg Guss GmbH, Kirchstraße 16, 66130 Saarbrücken (Einsprechende 1);

Parametric Technology GmbH, Edisonstr. 8, 85716 Unterschleißheim (Einsprechende 2);

NET AG, Buxtehuder Str. 112, 21073 Hamburg

(Einsprechende 3).

Alle Einsprechenden beantragten, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, da der Patentgegenstand nicht neu sei und auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die Einsprechenden 2 und 3 machten ferner mangelnde Ausführbarkeit geltend.

Zur Begründung der Einsprüche wurden u.a. folgende Dokumente in Betracht gezogen:

(D1) DÖLLNER, G. u. a.: "Schnelles Erstellen von versuchstauglichen Zylinderkopf-Prototypen im Direct Croning-Verfahren", in: MTZ Motortechnische Zeitschrift, 1998, Bd. 59, Nr. 5, S. 306-310

(D11) DETERING, K.: "Herstellung von Dauerformen", in: SPUR, G., Hrsg.: Handbuch der Fertigungstechnik, Band , Urformen, 1981, Carl Hanser Verlag, München, Wien, S. 581-595

(D13) AMBOS, E.: "Urformtechnik metallischer Werkstoffe, 1990, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig, S. 234-256 Nach Prüfung der Einsprüche wurde das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 24 vom 1. Oktober 2003 in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Einsprechenden 1 und 2. Die Einsprechende 3 hat keine Beschwerde eingelegt.

Die Vertreter der Einsprechenden tragen vor, der neue Antrag der Patentinhaber sei zwar ursprünglich offenbart, es fehle jedoch die Klarheit, denn es seien keine Materialien usw. genannt, und mit den Angaben "im Zuge" und "Abfallprodukt" wisse der Fachmann nichts anzufangen. Jedenfalls fehle die erfinderische Tätigkeit. So belege die D1 insbesondere auf S. 307, mittlere Sp. Abs. 2, allgemeines Fachwissen. Demnach werde zuerst eine Form gemacht, das fertige Teil bekomme man dann beim anschließenden Gießen automatisch. Auch sei man beim Konstruieren nicht auf CAD-Systeme beschränkt, sondern man könne auch auf dem Zeichenbrett konstruieren, wobei jede Skizze bereits eine Hilfskonstruktion darstelle, in die man selbstverständlich von vornherein gießereitechnische Anforderungen einfließen lasse. Die von den Patentinhabern geltend gemachte Arbeitsaufteilung beim Erstellen der Konstruktion zwischen dem Konstrukteur, der die Hilfskonstruktion aufstelle, und dem Gießereitechniker, der die Hilfskonstruktion entsprechend den Anforderungen beim späteren Guss des Endprodukts für den Bau der Form abändere bzw. ergänze, sei lediglich eine Angelegenheit der internen Firmenkommunikation und stelle nichts anderes dar, als eine Anweisung an den menschlichen Verstand.

Die Vertreter der Einsprechenden 1 und 2 stellen den Antrag, das Patent auch auf der Grundlage des neuen Hauptantrages zu widerrufen.

Der Vertreter der Patentinhaber stellt demgegenüber den Antrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf der Grundlage des neuen Anspruchs 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie der Ansprüche 2 bis 6 gemäß der Patentschrift.

Dieser neue Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Guß- oder Preßteiles bei welchem funktionsrelevante Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen vorgegeben sind, die durch Verbindungsflächen miteinander verbunden werden, dadurch gekennzeichnet, daß eine Hilfskonstruktion, welche im wesentlichen nur aus den funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen besteht, erstellt wird, im Anschluß an die Hilfskonstruktion nun bereits die Guß- oder Preßformen oder Teile davon konstruiert werden und die Guß- oder Preßform dabei an die Hilfskonstruktion angelehnt wird und die entsprechenden funktionsrelevanten Elemente übernimmt, wobei die Verbindung der funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen in der Konstruktion der Guß- oder Preßformen sowohl die Guß- oder Preßformen als auch das zu erstellende Guß- oder Preßteil selbst ergibt und im Zuge der Gestaltung des aus mehreren Werkzeugteilen bestehenden Werkzeuges durch ein Zusammensetzen der einzelnen Werkzeugteile bewirkt wird, daß als Abfallprodukt das spätere komplette Positivteil sowohl mit den funktionsrelevanten Elementen als auch mit den Verbindungsflächen geschaffen worden ist und anschließend das Guß- oder Preßteil mit Hilfe der so erhaltenen Guß- oder Preßformen als Positiv geformt wird."

Der Vertreter der Patentinhaber führt aus, anders als im Stand der Technik, etwa wie in der D1 beschrieben, werde gemäß dem Streitpatent nicht das Positivteil, also das Produkt, fertigungsgerecht konstruiert, sondern es erfolge lediglich ausgehend von einer Hilfskonstruktion die Konstruktion der Form. Beispielsweise zeige die D1 auf S. 307, li. Sp. Mitte, Einzelbereiche des Gesamtteils, wohingegen eine Definition der Konturen bei sonst freier Wahl der Verbindungsflächen wie beim Patent dort nicht zu sehen sei. Beim Patent konstruiere der Konstrukteur lediglich die Hilfskonstruktion. Diese werde zum Gießereitechniker weiter geleitet, der die Hilfskonstruktion gemäß den gießereispezifischen Anforderungen fertig konstruiere und anschließend anhand dieser vervollständigten Konstruktion die Form für das Guss- oder Pressteil erstelle. Die Konstruktion komme dabei an keiner Stelle der Entwicklung zum Konstrukteur der ursprünglichen Hilfskonstruktion zurück und laufe somit vorteilhafter Weise nur in eine Richtung. Im Stand der Technik sei diese Vorgehensweise bisher nicht vorhanden. Die Vorgabe funktionsrelevanter Elemente sei dabei schließlich selbstverständlich, daher seien diese Elemente bereits im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegeben. Der Erfinder stellt in seinen ergänzenden Ausführungen heraus, dass beim patentgemäßen Verfahren der Gießer unabhängig vom Konstrukteur sei, wodurch er in die Lage versetzt werde, die Form so machen zu können, dass die Produktion möglichst kostengünstig werde. Das Endprodukt selbst werde überhaupt nicht betrachtet und ergebe sich von selbst. Beim Patent gebe es einen einzigen Datensatz, der vom Konstrukteur stamme und anschließend nur noch vom Gießereitechniker für die Erstellung der Form ergänzt werde.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist begründet (PatG § 79 Abs. 1). Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 1. Oktober 2003 war aufzuheben, und das Patent war zu widerrufen, weil der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentfähig ist (PatG § 21 Abs. 1 S. 1 i. V. m. PatG § 61).

1. Mit Gliederungspunkten versehen lautet der neue Patentanspruch 1 folgendermaßen:

Verfahren zur Herstellung eines Guss- oder Pressteiles, bei welchem funktionsrelevante Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen vorgegeben sind, die durch Verbindungsflächen miteinander verbunden werden, dadurch gekennzeichnet, A) dass eine Hilfskonstruktion, welche im Wesentlichen nur aus den funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen besteht, erstellt wird, B) im Anschluss an die Hilfskonstruktion nun bereits die Guss- oder Pressformen oder Teile davon konstruiert werden und C) die Guss- oder Pressform dabei an die Hilfskonstruktion angelehnt wird und die entsprechenden funktionsrelevanten Elemente übernimmt, D) wobei die Verbindung der funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen in der Konstruktion der Guss- oder Pressformen sowohl die Guss- oder Pressformen als auch das zu erstellende Guss- oder Pressteil selbst ergibt und E) im Zuge der Gestaltung des aus mehreren Werkzeugteilen bestehenden Werkzeuges durch ein Zusammensetzen der einzelnen Werkzeugteile bewirkt wird, dass als Abfallprodukt das spätere komplette Positivteil sowohl mit den funktionsrelevanten Elementen als auch mit den Verbindungsflächen geschaffen worden ist F) und anschließend das Guss- oder Pressteil mit Hilfe der so erhaltenen Guss- oder Pressformen als Positiv geformt wird.

2. Der Patentanspruch 1 und auch die übrigen, auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 sind formal zulässig, da sie ihre Grundlage sowohl in der Patentschrift als auch in den am Anmeldetag eingereichten Unterlagen finden. So ergibt sich der Patentanspruch 1 aus dem erteilten Anspruch 1 i. V. m. den in der Patentschrift in Sp. 2 Zn. 2 bis 7 und Zn. 11 bis 17 als zur Erfindung gehörig offenbarten Merkmalen. In den ursprünglichen Unterlagen finden sich die im neuen Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale im Anspruch 1 und der Beschreibung S. 3 Abs. 2. Die übrigen, rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6, die die erteilten Ansprüchen 2 bis 6 sind, entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen gleicher Nummerierung.

3. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, im Stand der Technik vorhandene Nachteile, wie ungünstige Entformbarkeit, die komplizierte Guss- oder Pressformen oder eine Änderung oder Neukonstruktion des Positivteiles bzw. der Werkzeuge erforderlich macht, zu vermeiden (DE 198 46 C1, Sp. 1 Zn. 44 bis 50 i. V. m. Sp. 1 Zn. 8 bis 43).

4. Der hier zuständige Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der in der Konstruktion von Guss- oder Pressteilen tätig ist.

5. Die Erfindung ist in dem Patent so deutlich und vollständig beschrieben, dass der Fachmann sie ausführen kann. Insbesondere handelt es sich bei der Erfindung um ein Arbeitsverfahren, zu dessen Ausführbarkeit - entgegen der Auffassung der Einsprechenden und im Gegensatz zu einem Herstellungsverfahren - keine stofflichen Einzelheiten, wie etwa die zu verwendenden Materialien, angegeben zu sein brauchen. Darüber hinaus lässt sich entgegen der weiteren Auffassung der Einsprechenden der Fachmann schließlich auch nicht durch die ihrer Meinung nach unklaren Angaben "im Zuge" und "als Abfallprodukt" in dem unter dem Gliederungspunkt E) angegebenen Merkmal, wonach im Zuge der Gestaltung des aus mehreren Werkzeugteilen bestehenden Werkzeuges durch ein Zusammensetzen der einzelnen Werkzeugteile bewirkt wird, dass als Abfallprodukt das spätere komplette Positivteil sowohl mit den funktionsrelevanten Elementen als auch mit den Verbindungsflächen geschaffen worden ist, von der Ausführung des patentgemäßen Verfahrens abhalten. Denn aus der Beschreibung in der Patentschrift, Sp. 2 Zn. 2 bis 26 i. V. m. Sp. 1 Zn. 53 bis 67 geht hervor, dass als Werkzeug eine aus mehreren Formteilen ("Werkzeugteilen") bestehende Guss- oder Pressform verwendet wird, wobei diese Werkzeugzeile so zusammengesetzt werden, dass die funktionsrelevanten Elemente schließlich in der fertigen Form durch verbindende Flächen ("Verbindungsflächen") miteinander verbunden sind, so dass ein Hohlraum zwischen den einzelnen Formteilen entsteht, welcher dem späteren Gussteil entspricht (Figur 2 i. V. m. Sp. 4 Zn. 31 bis 44 und 64 bis 67). Komplementär zu diesem gemäß den Merkmalen A bis E konstruierten Formhohlraum ergibt sich beim anschließenden Gießen oder Pressen das angestrebte Guss- oder Pressteil als komplettes Positivteil von selbst (Figur 3 i. V. m. Sp. 4 Zn. 48, 49). Infolgedessen versteht der Fachmann insbesondere den Ausdruck "Abfallprodukt" im Zusammenhang mit der patentgemäß auf die Erstellung einer Gieß- oder Pressform gerichteten Konstruktion lediglich als sprachlichen Fehlgriff.

Die deutliche und vollständige Offenbarung braucht in allen Einzelheiten jedoch genauso wenig erörtert zu werden, wie die Frage der Neuheit, denn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht, wie nachfolgend festgestellt, zumindest nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (BGH GRUR 1991, 120 - Elastische Bandage).

6. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig, weil sich dieser aus dem in der D1 beschriebenen Stand der Technik für den Fachmann, dessen einschlägiges Wissen u. a. beispielsweise durch D11 und D13 belegt ist, in nahe liegender Weise ergibt.

Die D1 befasst sich mit einem Rapid-Prototyping-Verfahren zur Erstellung der Bauteile für Zylinderkopf-Prototypen (Zusammenfassung), wobei diese Bauteile durch Abguss gefertigt werden (S. 309 Bild 5 i. V. m. Abschnitt 2.5). Dabei ist es dem Fachmann klar, dass in einem solchen Verfahren die Angabe der funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen für die Konstruktion eines Guss- oder Pressteils als Ausgangselemente zwingend erforderlich ist, wie die Patentinhaber im Übrigen selbst einräumen, und dass diese Elemente zur Bildung einer Gussform bzw. eines Gussteiles notwendigerweise durch geschlossene Flächen miteinander verbunden werden müssen. Diese Verbindungsflächen zwischen den funktionsrelevanten Konturen, Wandflächen und Wandstärken oder Volumen wird der Fachmann dabei gemäß den Grundlagen der Konstruktionslehre für den Maschinenbau fertigungsgerecht ausführen. Dabei wird unter fertigungsgerechtem Konstruieren das Bestreben verstanden, die Gestalt eines Bauteils nach fachüblichen Richtlinien, wie sie dem Fachmann z. B. aus D11, Abschnitt 2.6.1.2 - "Anforderungen an Gußteile", S. 581 bis 586, bekannt sind, so festzulegen, dass dieses mit den Möglichkeiten des vorgesehenen Fertigungsverfahrens kostengünstig und problemlos in guter Qualität, beispielsweise hinsichtlich des Öffnens der Form (D11 S. 587 Abs. 2), also der Entformbarkeit, hergestellt werden kann (vgl. auch D13 Abschnitt 11.2., S. 242 und 243). Es handelt sich bei der in D1 beschriebenen Vorgehensweise somit um ein Verfahren zur Herstellung eines Guss- oder Pressteiles, wie es im Oberbegriff des Patentanspruchs 1 teilweise angegeben ist.

Des Weiteren ist in der D1 beispielsweise auf S. 307 in der mittleren Sp. im le. Abs. beschrieben, dass es bei dem in D1 dargestellten Verfahren möglich ist, entgegen den Anforderungen des Werkzeugbaus bei der Konstruktion der Volumen- oder Flächenmodelle des zu bauenden Objektes auf Abzugschrägen und teilweise auch auf Radien zu verzichten, wodurch eine deutliche Reduzierung des Aufwandes für die Modellierung erreicht wird. Das fasst der Fachmann nicht anderes auf, als dass eine Hilfskonstruktion vorliegt, bei welcher im Status der Konstruktion nicht erforderliche Elemente fehlen, und diese Hilfskonstruktion somit im Wesentlichen nur aus den funktionsrelevanten Elementen besteht. Bis auf die Angabe, dass in der Hilfskonstruktion im Wesentlichen nur funktionsrelevante Elemente wie Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen vorhanden sein sollen, ist somit A) aus der D1 bekannt.

Aus dem unmittelbar auf die zum Merkmal A) herangezogene Textstelle folgenden Absatz der rechten Spalte der Seite 307 geht hervor, dass nach der Übernahme des Datensatzes von der Entwicklung dieser Datensatz auf die Erfüllung gießtechnischer Anforderungen hin untersucht und das auf der selben Seite dargestellte Anguss- und Steigersystem sowie die segmentierte Form konstruiert werden. Wie am Ende dieser Textstelle ausgeführt ist, erfolgt abschließend eine Konvertierung der Daten in ein Format, das von einer Lasersinter-Anlage gelesen werden kann, um die einzelnen Formsegmente bauen zu können. Insgesamt erschließt sich daraus nichts anderes, als dass im Anschluss an die Übernahme der als Datensatz von der Entwicklung stammenden Hilfskonstruktion bereits die Gussformen oder Teile davon konstruiert werden (B)), wobei die Gussform selbstverständlich an diese Hilfskonstruktion angelehnt wird und die Form insoweit zwangsläufig die entsprechenden funktionsrelevanten Elemente daraus übernimmt (C)). Aufgrund geometrischer Gesetzmäßigkeiten ergibt sich dabei durch die konstruktionsnotwendige Verbindung der funktionsrelevanten Elemente bei der Konstruktion der Gussform diese Gussform als auch das zu erstellende, zur Form komplementäre Gussteil zwangsläufig, also von selbst, so dass auch das Teilmerkmal D) zum Inhalt der D1 gehört.

In dem vorstehend herangezogenen ersten Absatz der rechten Spalte auf Seite 307 ist darüber hinaus beschrieben, dass bei der Konstruktion der Form sowie bei der Festlegung der Kernmarken und Kernlager, also des Werkzeuges, die Formteilung so gelegt werden muss, damit später die einzelnen Segmente und Kerne, somit die Werkzeugteile, ohne Beschädigung zusammengesetzt werden können. Das bedeutet nichts anderes, als dass die Gestaltung des aus mehreren Werkzeugteilen bestehenden Werkzeuges durch ein Zusammensetzen der einzelnen Werkzeugteile erfolgt. Durch die auf diese Weise gestaltete Form ergibt sich das später zu gießende komplette Positivteil mit seinen in der Konstruktion festgelegten funktionsrelevanten Elementen und Verbindungsflächen aufgrund der geometrischen Komplementarität von Gussform und Gussteil von selbst, quasi als "Abfallprodukt". Somit ist auch E) in der D1 verwirklicht.

Dass im Anschluss an das Zusammensetzen der einzelnen Form- bzw. Werkzeugteile mit Hilfe der so erhaltenen Gussform am Ende eines industriellen Gießprozesses das angestrebte Gussteil als Positiv geformt wird, wie es im Merkmal F) angegeben ist, ist ohnehin selbstverständlich und wird im Übrigen auch in der D1, S. 309, Bild 5 i. V. m. Abschnitt 2.5 dargestellt.

Insoweit unterscheidet sich das Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1 von diesem in der D1 beschriebenen Stand der Technik lediglich dadurch, dass in dieser Entgegenhaltung nicht ausdrücklich davon die Rede ist, dass die dort erstellte Hilfskonstruktion im Wesentlichen nur aus den funktionsrelevanten Konturen, Flächen, Wandstärken oder Volumen besteht, wie es ergänzend im Gliederungspunkt A) des Patentanspruchs beschrieben ist.

Darin besteht jedoch keine Grundlage für die Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens. Denn im Rahmen der zielgerichteten, fertigungsgerechten Vorgehensweise bei der Konstruktion eines Gussteiles ist es unumgänglich, dass der Fachmann bei der Erstellung einer Guss- oder Pressform zunächst die gestaltungsbestimmenden technischen Grundanforderungen eines Bauteils erkennt und die räumlichen Grundbedingungen für die Funktion des Bauteils klärt. Diese grundlegende Analyse führt zwangsläufig zu einer ersten Konstruktionszeichnung - nichts anderes als eine Hilfskonstruktion - die die funktionsnotwendigen Elemente umfasst, zu denen im Fall der in D1 beschriebenen Konstruktion eines Zylinderkopfes selbstverständlich u. a. Umrisskonturen, Wandflächen und Volumen des Brennraumes, der Ein- und Auslasskanäle, des Wasser- bzw. Ölkerns und der Außengeometrie (D1 S. 307 li Sp. Abs. 2) sowie Wandstärken, die hinsichtlich des Gussvorganges (D1 S. 307 re. Sp. Abs. 1) und weiterer Leistungsziele erforderlich sind, gehören.

Somit ergibt sich das im Patentanspruch 1 angegebene Verfahren in nahe liegender Weise.

An dieser Feststellung ändert auch die Auffassung der Patentinhaber nichts, wonach beim Patent der Konstrukteur lediglich die Hilfskonstruktion erstelle, diese zum Gießereitechniker weiter geleitet werde, der die Hilfskonstruktion gemäß den gießereispezifischen Anforderungen fertig konstruiere, so dass unter dieser aus dem Stand der Technik nicht bekannten Arbeitsteilung die Konstruktion an keiner Stelle der Entwicklung zum Konstrukteur der ursprünglichen Hilfskonstruktion zurückkehren müsse. Denn, abgesehen davon, dass es schon fraglich wäre, ob eine solche betriebsspezifische Anweisung zur Arbeitsteilung, sofern sie im Patentanspruch 1 zum Ausdruck kommen würde, noch zu einem insgesamt technischen Verfahren führen könnte, ist eine solche Maßnahme ebenfalls aus der D1 bekannt. Dort ist nämlich auf S. 307, re. Sp. Zn. 1 bis 8, - wie bereits vorausgehend zu den Merkmalen A) und B) ausgeführt - dargestellt, dass nach der Übernahme des der Hilfskonstruktion entsprechenden Datensatzes von der Entwicklung diese Hilfskonstruktion auf die Erfüllung gießtechnischer Anforderungen hin untersucht und die Form auf dieser Grundlage konstruiert wird, was nichts anderes bedeutet, als die von den Patentinhabern hervorgehobene Arbeitsteilung.

7. Die Patentinhaber haben in der mündlichen Verhandlung nach ausführlicher Erörterung der Sachlage abschließend einen einzigen Antrag eingereicht. Weitere Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer weiter beschränkten Fassung haben sich nicht ergeben. Infolgedessen haben die Patentinhaber die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der einen nicht rechtsbeständigen Hauptanspruch enthält. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen. Auf die rückbezogenen Patentansprüche brauchte bei dieser Sachlage ohnehin nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät). Im Übrigen könnten die darin beschriebenen Ausgestaltungen die Patentfähigkeit des beanspruchten Verfahrens auch nicht begründen, denn diese Maßnahmen erschließen sich teilweise ebenfalls aus dem in der D1 beschriebenen Stand der Technik, wie die im Anspruch 3 genannten Algorithmen, auf denen bekanntlich jedes CAD-Verfahren (D1 S. 307 mittlere Spalte unterer Abs. Zn. 1 bis 3) beruht, und die Mehrteiligkeit der Form gemäß Anspruch 5 (D1 S. 307 re. Sp. Abs. 1 ab etwa Mitte). Die Verbindung der funktionsrelevanten Elemente im Hinblick auf gute Entformbarkeit und geringen Materialbedarf (Ansprüche 2 und 3) sowie die Gestaltung der Form derart, dass das Gussteil gut gießbar ist (Anspruch 6) muss der Fachmann schließlich im Rahmen seiner auf eine wirtschaftliche Herstellung von Gussteilen ausgerichteten Konstruktionsrichtlinien ohnehin im Auge behalten.

Feuerlein Schwarz-Angele Maksymiw Zettler Na






BPatG:
Beschluss v. 28.02.2008
Az: 15 W (pat) 22/04


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