Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juni 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 46/03

(BPatG: Beschluss v. 01.06.2005, Az.: 29 W (pat) 46/03)

Tenor

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 wird aufgehoben. Die Löschung der Marke 399 31 581 wird angeordnet für die Waren und Dienstleistungen: "Datenträger, soweit in Klasse 9 enthalten; Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Telefondienste, Nachrichtenübermittlung per Telefax, Mobilfunkdienste, Internetdienst-Leistungen; Leistungen eines Internetproviders, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen und Datenbanken; Erstellung von Webseiten für Dritte".

Gründe

I.

Gegen die am 20.01.2000 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 399 31 581 AWIC für die Waren und Dienstleistungen Datenträger, soweit in Klasse 9 enthalten; Dienstleistungen eines Electronic-Commerce-Abwicklers, nämlich Bestellannahme- und Lieferauftragsservice sowie Rechnungsabwicklung für elektronische Bestellsysteme; Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Telefondienste, Nachrichtenübermittlung per Telefax, Mobilfunkdienste, Internetdienstleistungen, Leistungen eines Internetproviders, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen und Datenbanken; Erstellung von Webseiten für Dritte; Werbung für Dritte in allen Medienist Widerspruch eingelegt worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 2 083 005 ABIT eingetragen am 28.10.1994 für die Waren und Dienstleistungen Datenverarbeitungsgeräte und Computer sowie Zubehör hierzu, nämlich mit Programmen versehene, maschinenlesbare Datenträger aller Art; Druckereierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) für die EDV-Schulung; Beratung über EDV-gestützte Organisation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitungwobei der Widerspruch sich nur mehr gegen die Waren und Dienstleistungen "Datenträger, soweit in Klasse 9 enthalten; Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich Telefondienste, Nachrichtenübermittlung per Telefax, Mobilfunkdienste, Internetdienstleistungen; Leistungen eines Internetproviders, nämlich Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeiten zu Datennetzen und Datenbanken;

Erstellung von Webseiten für Dritte" richtet.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluß vom 10. Dezember 2002 den Widerspruch zurückgewiesen. Es bestehe zwar teilweise Identität bzw. hochgradige Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Waren und Dienstleistungen, weshalb erhöhte Anforderung an den von den Zeichen einzuhaltenden Abstand zu stellen seien. Dieser sei aber gegeben, da es sich bei beiden Zeichen um Kurzzeichen handele, bei denen Unterschiede stärker ins Gewicht fielen als bei langen Zeichen. Der Unterschied in zwei der vier Buchstaben werde vom Verkehr weder übersehen noch überhört. Die Konsonanten unterschieden sich im übrigen hinsichtlich Artikulationsart bzw. -ort. Diese Abweichungen genügten bei Kurzwörtern, um auch unter ungünstigen Bedingungen oder bei undeutlicher Artikulation eine sichere Unterscheidbarkeit zu gewährleisten.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 20.01.2003, da aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen die Zeichen einen großen Abstand aufweisen müssten, was nicht der Fall sei. Es bestehe eine klangliche Ähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken, woran auch die Kürze der Zeichen nichts ändere. Auch bei Kurzzeichen müssten die Abweichungen deutlich in Erscheinung treten. Die Vokalfolge sei identisch und beherrsche den Klang der Marken. Die Konsonanten B/T und W/C seien dagegen sehr dunkle Vordergaumen- bzw. Lippenkonsonanten, die im Vergleich zu den Vokalen unbeachtet blieben. Eine Gefahr von Verwechslungen könne unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen werden.

Die Widersprechende beantragt (Bl. 29 d. A.), den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. Dezember 2002 aufzuheben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (Bl. 22 d. A.), die Beschwerde vom 20.01.2003 zurückzuweisen.

Sie hat sich nicht zur Sache geäußert.

II.

1. Die gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Soweit die Waren und Dienstleistungen aufgrund der Einschränkung des Widerspruchs identisch bzw. hochgradig ähnlich sind, besteht nach Auffassung des Senats bei den sich gegenüberstehenden Marken die Gefahr von Verwechslungen gem. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

2. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgebender Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und - abhängig davon - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in Betracht zu ziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR Int. 2000, 899 - Adidas/Marca Moda; BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHE/TISSERAND; GRUR 2002, 167 - Bit/Bud m. w. N; GRUR 2004, 598, 599 - Kleiner Feigling; GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/ Zweibrüder).

2. 1. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind die Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen kennzeichnen. Zu den maßgeblichen Kriterien gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit liegt dann vor, wenn das Publikum aufgrund der Branchenübung im maßgeblichen Waren- und Dienstleistungssektor annimmt, dass die Waren oder Dienstleistungen aus demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen (st. Rsp; vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rn. 23 - Canon; BGH WRP 2004, 357, 359 - Ge-DIOS; GRUR 1999, 731, 732 - Canon II; GRUR 1999, 586, 587 - White Lion). Vorliegend ist von der Registerlage auszugehen, da der Einwand der Nichtbenutzung von der Markeninhaberin nicht erhoben wurde. Damit liegt für die jeweils der Klasse 9 zugehörenden "Datenträger" Identität vor. Zwischen den "Datenverarbeitungsgeräten und Computern, sowie Zubehör hierzu, nämlich ..." der älteren Marke und den "Telekommunikationsdienstleistungen, nämlich ..." der jüngeren Marke besteht Ähnlichkeit, da sich das Leistungsangebot von Providern und Festnetzanbietern auf dem Gebiet der Telekommunikation ergänzt. Geräte und Softwareprogramme werden häufig als Zusatzleistung angeboten, so dass der Verkehr davon ausgeht, dass Ware und Dienstleistung einer einheitlichen Qualitätskontrolle unterliegen (BPatG 29 W (pat) 147/02 - vtron/cytron). Eine hohe Ähnlichkeit besteht außerdem zwischen dem "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" der Widerspruchsmarke mit der "Erstellung von Webseiten für Dritte" der jüngeren Marke, da auch auf Webseiten ein programmähnlicher Code in Form von Skripten und ActiveX-Code enthalten sein kann, der für die Verarbeitung von Daten erforderlich ist.

2. 2. Unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der festgestellten Waren- und Dienstleistungsidentität bzw. -ähnlichkeit ist daher ein großer Abstand zwischen den Marken einzuhalten.

2. 3. Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist nach Klang, Schriftbild und Sinngehalt anhand des Gesamteindrucks der Marken zu beurteilen, wobei insbesondere die übereinstimmenden Elemente zu berücksichtigen sind. Das angesprochene Publikum nimmt Marken regelmäßig in der Form auf, in der sie ihm entgegentreten ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 843 Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 1999, 735, 736 - MONOFLAM/POLYFLAM; GRUR 2004, 783, 784 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Für Kurzwörter gelten dabei keine Sonderregeln, wobei selbstverständlich in einem kürzeren Wort Abweichungen einzelner Buchstaben quantitativ ein größeres Gewicht haben als dies bei einer langen Wortkombination der Fall ist (BGH GRUR 2002, 167, 171 - Bit/ Bud).

Die Vergleichszeichen bestehen aus jeweils vier Buchstaben, aufgeteilt in zwei Silben, und stellen in beiden Fällen Phantasie- bzw. Kunstwörter mit der identischen Vokalfolge "A- i -" dar. Sie beginnen beide mit dem übereinstimmenden Anfangslaut "A" und werden nach den Regeln der deutschen Phonetik in beiden Fällen auf der ersten Silbe betont. In der unbetonten Silbe sind die Konsonanten, bei einem wiederum gleichen Vokal unterschiedlich. Das "W" ist ein stimmhafter Frikativ (Reibelaut), wohingegen das "B" ein stimmhafter bilabialer Plosiv ist und nicht lang gesprochen werden kann. "C" ist ein stimmloser - am hinteren Zungenrücken gebildeter - palataler Plosiv, das "T" ein stimmloser - am oberen Zahnkamm gebildeter - alveolarer Plosiv. Da die Buchstaben "W" und "B" jedoch beide mit den Lippen geformt werden, klingen sie beim Sprechen ähnlich. Bei "C" und "T" handelt es sich ohnehin jeweils um stimmlose Plosive, die nur an unterschiedlichen Stellen (hinterer Zungenrücken bzw. oberer Zahnkamm) gebildet werden. Die Konsonantenfolge ist daher zumindest vom phonetischen Gesamteindruck sehr ähnlich. Insgesamt wird der Klang durch die beiden hellen Vokale geprägt. Die aus den o. g. Gründen bestehende klangliche Verwechslungsgefahr wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die angesprochenen Verkehrskreise zugleich mit der akustischen Aufnahme des Wortes reflexartig eine ihnen bekannte leicht fassbare Sinnbedeutung des Zeichens in Verbindung bringen und dadurch die Gefahr von Verwechslungen minimiert wird (BGH GRUR 1995, 50, 52 - Indorektal/Indohexal). Da es sich um Phantasiewörter handelt, fehlt es an einem "deutlich ausgeprägten, für jedermann verständlichen Sinngehalt" (a. a. O.), der vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird.

Unter Berücksichtigung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Erwägungen zur klanglichen Verwechslungsgefahr hält die jüngere Marke den erforderlichen weiten Abstand zur Widerspruchsmarke nicht mehr ein. Die Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichszeichen ist gegeben.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG).

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 01.06.2005
Az: 29 W (pat) 46/03


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