Finanzgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 13. Oktober 2009
Aktenzeichen: 14 KO 1/07

(FG Baden-Württemberg: Beschluss v. 13.10.2009, Az.: 14 KO 1/07)

1. Auch in Finanzstreitsachen kann eine außergerichtliche Terminsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG entstehen, wenn die Besprechung mit dem im Steuerprozess entscheidungsbefugten Amtsträger geführt wird und erkennbar auf die Erledigung des Klagverfahrens gerichtet ist.

2. Liegen zwei verschiedene Angelegenheiten i.S. des § 15 RVG vor, kann die in einer Angelegenheit (hier: behördliches Antragsverfahren auf Billigkeitserlass) außergerichtlich mit dem Finanzamt geführte Besprechung eine Terminsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 3 Alt. 3 RVG in der anderen Angelegenheit (hier: gerichtliches Klagverfahren der Hauptsache) nur auslösen, wenn der Rechtsanwalt nicht ausschließlich nur in dieser, sondern zumindest auch in der anderen Angelegenheit gegenüber dem zuständigen Amtsträger nach außen hin erkennbar aufgetreten ist.

3. Nicht ausreichend ist, dass eine positive Bescheidung des Erlassantrags zu einer (automatischen) Erledigung der Anfechtungsklage geführt hätte (Abgrenzung zu OLG Stuttgart vom 09.08.2007, AGS 2007, 564 = RVG-Report 2007, 387 = MDR 2008, 353).

Tenor

Die Erinnerung wird abgewiesen.

Gründe

I.

Das Finanzamt & (im weiteren FA) erließ nach einer zuvor durchgeführten Außenprüfung am 13.05.2002 einen geänderten, endgültigen Umsatzsteuer(USt)-Bescheid 1999 der zu einer USt-Nachforderung in Höhe von 27.503,61 führte. Es folgte der Rechtsauffassung des Außenprüfers, dass die Veräußerung eines Wassernutzungsrechts an den Zweckverband & am 17.03.1999 für 390.000 DM der USt unterliege.

Der Erinnerungsgegner (Eg) ließ durch den Steuerberater E. fristgerecht Einspruch einlegen. Am 24.06.2003 teilte der Erinnerungsführer (Ef) der Behörde mit, dass er nunmehr die Interessen des Steuerpflichtigen vertrete. Im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens nahm er gegenüber dem fundiert zur Sach- und Rechtslage Stellung.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Behörde wies den Einspruch mit Entscheidung vom 24.05.2005 zurück.

Namens und in Vollmacht des Eg erhob der Ef hierauf am 27.06.2005 Klage. Mit Schreiben vom 16.01.2006 legte er jedoch gegenüber dem Eg das Mandat nieder und erklärte seine Tätigkeit für beendet. Der neu bestellte Prozessbevollmächtigte, Steuerberater G. nahm die Klage am 18.02.2007 zurück.

Mit Schreiben vom 22.09.2005 beantragte der Ef im Namen seines Mandanten, die gesamte USt-Nachforderung 1999 aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Die wirtschaftliche Existenz des Eg sei ernsthaft gefährdet.

Das FA lehnte den begehrten Erlass mit Bescheid vom 29.03.2006 ab. Den durch Steuerberater G. am 29.04.2006 eingelegten Einspruch nahm der Eg am 12.04.2007 wieder zurück.

Am 27.02.2006 ging bei Gericht ein Kostenfestsetzungsantrag des Ef ein. Er begehrte hierin, gegen den Eg gemäß § 11 Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) fällige Vergütung festzusetzen. Geltend machte er u.a. eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3202 des Vergütungsverzeichnisses (VV-RVG) in Höhe von 909,60 Euro. Als Entstehungsgrund gab er an, tel. Bspr. FA vom 08.11.05, 20.02.06.

Das FA wies das Gericht mit Schriftsatz vom 13.03.2006 darauf hin, es handele sich hierbei um Telefonate, die mit dem vorliegenden Verfahrens in keinem konkreten Zusammenhang stünden. Gegenstand sei vielmehr der Antrag des Eg auf Gewährung eines Billigkeitserlasses gewesen.

Der Eg selbst machte geltend, er stelle die Gebühren in Frage. Der Ef habe am 16.01.2006 das Mandat niedergelegt. Dieser mache daher jedenfalls für die Begründung der Klage durch Schriftsatz vom 15.02.2006 und der telefonischen Besprechung mit dem FA am 20.02.2006 zu Unrecht Gebühren geltend.

Der Ef entgegnete, die Terminsgebühr sei sehr wohl entstanden, da während des Bestehens des Mandats mindestens eine telefonische Besprechung am 08.11.2005 mit der Finanzbehörde stattgefunden habe, die auf die Erledigung des Klageverfahrens gerichtet gewesen sei. Hätte der Eg mit dem Begehren auf Erlass der festgesetzten Steuer Erfolg gehabt, wäre das Klageverfahren für erledigt erklärt worden. Dies erfülle das nach dem RVG verfolgte Ziel des Gebührengesetzgebers, jede Bemühung des Bevollmächtigten in Richtung einer Erledigung des Rechtsstreits gesondert zu honorieren. Für das Entstehen der Terminsgebühr genüge es, wenn der Angerufene bloß zuhöre. Nicht entscheidend sei, ob das Ansinnen positiv aufgenommen werde.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bat den Ef mit Schreiben vom 20.12.2006, den Inhalt des Telefonats vom 08.11.2005 mit dem FA zu erläutern und anhand von zeitnahen Aktenvermerken zu untermauern. Ihres Erachtens könne die Terminsgebühr nur gewährt werden, wenn das Gespräch wegen des Klageverfahrens als solchem geführt worden sei.

Der Ef entgegnete hierauf, für die Anerkennung der Terminsgebühr könne nicht gefordert werden, dass das Telefongespräch nur wegen des Klageverfahrens als solchem geführt worden sei. Es stelle eine vom Gesetzgeber gerade nicht gewollte und zudem unnötige Verkünstelung dar, wenn der Bevollmächtigte in dem zu führenden Gespräch lediglich der Form halber zunächst ausdrücklich auf den anhängigen Rechtsstreit und dessen angestrebte Erledigung hinweisen müsste, bevor er den Weg der Erledigung durch anschließendes Eingehen auf die Gründe für einen Billigkeitserlass beschreiten könne. Es verstehe sich von selbst, dass das nachträgliche außergerichtliche Hinwirken auf einen Erlass der selben Steuerforderung, die bereits Gegenstand eines Rechtsstreits sei, gerade auch die Erledigung dieses Rechtsstreits im Auge habe, selbst wenn es sich hierbei um ein gesondertes Verfahren handele, in dem oder durch das eine Miterledigung des Rechtsstreits bewirkt werden könne. Es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die telefonische Besprechung vom 08.11.2005 aus Sicht des Eg auf die Erledigung des Klageverfahrens gerichtet gewesen sei. Die mit der telefonischen Besprechung zunächst unmittelbar angestrebte positive Entscheidung über den Erlassantrag habe lediglich einen Zwischenschritt auf dem Weg zum eigentlichen Ziel dargestellt, nämlich der gegen den angefochtenen Steuerbescheid erhobenen Klage möglichst ohne Entscheidung des Gerichts schneller, einfacher und aussichtsreicher zum Erfolg zu verhelfen. Denn das Hauptsacheverfahren wegen Steuerfestsetzung hätte nach dem erstrebten Erlass aus Billigkeitsgründen für erledigt erklärt werden müssen. Dieses Ziel decke sich mit der Intention des Gesetzgebers des neuen RVG, dass der Rechtsanwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen solle.

Ein solcher außergerichtlicher Beitrag des Prozessbevollmächtigten zur vorzeitigen Beendigung des Klageverfahrens sei auch dann gegeben, wenn die Besprechung wie hier in einem anderen behördlichen und damit ebenfalls außergerichtlichen Verfahren und zum Zwecke dessen Förderung stattgefunden habe, wenn der angestrebte positive Ausgang dieses Verfahrens seinerseits geeignet sei, dem Ziel der vorzeitigen Erledigung des gerichtlichen Verfahrens unmittelbar zu dienen. Der Gesetzgeber habe sich keineswegs darauf beschränkt, lediglich solche, auf die Beendigung des Verfahrens gerichtete Tätigkeiten gebührenrechtlich zu fördern, die im gerichtlichen Verfahren selbst erbracht oder ausschließlich auf die Beendigung dieses Rechtsstreits gerichtet sind. Er habe sich vielmehr klar darauf festgelegt, alle solche Besprechungsvorgänge gebührenrechtlich zu privilegieren, die einen potentiellen Beitrag zur Erledigung des betreffenden gerichtlichen Verfahrens darstellen können. Die gebührenauslösende Besprechung könne daher durchaus auch bei Gelegenheit eines anderen Verfahrens, innerhalb eines anderen Rechtsstreits oder mit dem Ziel gleichzeitiger Erledigung mehrerer Verfahren geführt werden. Von einer Beschränkung auf bestimmte Anlässe, Umstände, Inhalte oder Wirkungen sei beim Gesetzgeber keine Rede, solange nur das Gespräch auch auf die Erledigung des betreffenden Verfahrens gerichtet sei.

Bei der Auslegung der gesetzgeberischen Motive komme es entscheidend darauf an, dass der Gesetzgeber durch den erweiterten Anwendungsbereich der Terminsgebühr einen Paradigmenwechsel vorgenommen habe, der gerade bezwecke, dass den Parteien ein langwieriges, kostspieliges Verfahren erspart bleibe, wenn derartige Besprechungen gebührenrechtlich honoriert werden. Aus diesem Grund sei es nicht möglich, sich für die Auslegung des RVG auf die zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ergangene Rechtsprechung zu stützen, die möglicherweise aus fiskalischen Gründen eine äußerst restriktive Auslegung von Tatbestandsvoraussetzungen vorgenommen habe. Fiskalische Interessen habe der RVG-Gesetzgeber offenbar bewusst hintangestellt, sofern nur eine Förderung des gesetzgeberischen Zieles, die Gerichtsbarkeit von Rechtsstreitigkeiten möglichst zu entlasten, vom Prozessbevollmächtigten durch seine Mitwirkung angestrebt werde. Ein Erfolg sei bei der Terminsgebühr nicht geschuldet

Es bestehe keinerlei Möglichkeit, die überholten Gedankengänge der BRAGO im Wege der Rechtsanalogie in das neue Recht herüberzuretten, da der Gesetzgeber von seiner Haltung ausdrücklich abgerückt sei. Die völlige Neustrukturierung und Neukonzipierung des anwaltlichen Gebührenrechts gestatte keine Analogie mehr zu Vorschriften des·früheren Rechts, die im neuen Recht eine·andere Bedeutung zugewiesen erhalten hätten. Insbesondere dürfe der Rechtsanwalt in Verfahren vor Finanzgerichten gebührenrechtlich nicht schlechter gestellt werden als in Verfahren der Zivilgerichtsbarkeit. Es möge dem Vergütungsgesetzgeber nachgesehen werden, dass er sich bei der Abfassung der allgemeinen Gebührentatbestände im wesentlichen an die Zivilgerichtsbarkeit gehalten und nur diese vor Augen gehabt habe, ohne die verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeiten besonders zu berücksichtigen. Die nach Wortlaut, Systematik und Zweck auszulegenden Vergütungstatbestände sprächen vielmehr dafür, dass es den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufen würde, die nicht ausdrücklich erwähnte Mitwirkungstätigkeit des Prozessbevollmächtigten in einem anderen behördlichen Verfahren, in dem die Terminsgebühr nicht anwendbar sei, vom Vergütungstatbestand auszuschließen. Die Terminsgebühr sei daher zuzusprechen.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte dessen ungeachtet im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.01.2007 keine Terminsgebühr an. In den Erläuterungen bekräftigte sie ihre Auffassung, die telefonische Besprechung am 08.11.2005 habe in einem ganz anderen Verfahren stattgefunden. Es spiele gerade keine Rolle, dass der Ausgang des Erlassverfahrens möglicherweise Auswirkungen auf das Klageverfahren hätte haben können.

Der Ef legte fristgerecht Erinnerung ein und trägt vor, der Kostenfestsetzungsbeschluss übersehe, dass die außergerichtliche Terminsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV-RVG entstanden und festzusetzen gewesen sei. Wie bereits im Kostenfestsetzungsverfahren ausführlich dargelegt, habe das RVG an zahlreichen Stellen im Sinne einer Entlastung der Justiz zusätzliche Gebührentatbestände - Einigungs-, Erledigungs-, Termins- und Verfahrensdifferenzgebühr -- geschaffen, die jedwede Tätigkeit des Rechtsanwalts, die sich auf eine Vermeidung oder vorzeitige Erledigung eines Rechtsstreits ohne gerichtliche Sachentscheidung richte, gesondert gebührenrechtlich honoriere. Insbesondere die Terminsgebühr wolle einen Anreiz für eine außergerichtliche Einigung schaffen.

Es komme auch nicht mehr darauf an, dass der Rechtsanwalt im jeweiligen Verfahren tätig gewesen sei, auf dessen Erledigung sich sein Bemühen gerichtet habe. Solange nur der Ausgang des Erlassverfahrens möglicherweise Auswirkungen auf das Klageverfahren hätte haben können, seien außergerichtliche Erledigungsbemühungen, auch wenn sie sich auf ein behördliches Verfahren bezögen, zur vorzeitigen Beendigung des anderweitig anhängigen Rechtsstreits geeignet und ausreichend. Auf die verfahrensrechtliche Trennung innerhalb der außergerichtlichen behördlichen Sphäre, die einer verwaltungsrechtlichen Sichtweise entspringe, komme es in gebührenrechtlicher Hinsicht nicht an. Selbst wenn daher in steuerverfahrensrechtlicher Hinsicht zutreffend von einer strikten Trennung der Verfahren in Steuerfestsetzung einerseits und Erlass der festgesetzten Steuer andererseits auszugehen sei, komme dieser steuerrechtlichen Sachbehandlung für gebührenrechtliche Belange keine Bedeutung zu.

Der Gebührengesetzgeber stelle allein darauf ab, ob die Tätigkeit des Anwalts in irgendeiner Weise geeignet sei und das Bemühen erkennen lasse, möglicherweise zu einer Entlastung der Justiz durch eine vorzeitige Beendigung des Rechtsstreits beizutragen. Die auch mit diesem Ziel geführte anwaltliche Besprechung mit der Gegenseite löse daher eine Terminsgebühr aus. Das Gesetz wolle allgemein die Teilnahme des Rechtsanwalts an Besprechungen honorieren, die bisher ohne Vergütung geblieben seien. Dies gelte sogar dann, wenn die Besprechung im privaten Raum, anlässlich einer zufälligen Begegnung oder innerhalb eines anderen Verfahrens stattgefunden habe, sofern nur die eine Seite die Besprechung mit einem Erledigungsziel initiiert und sich die andere Seite hierauf ohne Zurückweisung einer sachlichen Erörterung eingelassen habe. Die Besprechung müsse nicht mit den als weitere Alternativen genannten gerichtlichen Terminen vergleichbar sein und könne eine mindere Intensität aufweisen. Jede Art der Besprechung reiche aus. An das Merkmal einer - auch telefonisch durchgeführten - Besprechung seien besondere Anforderungen zu stellen. Insbesondere sei die Unterscheidung zwischen einer ein- und zweiseitigen Erörterung aufgegeben worden. Die Terminsgebühr entstehe daher auch dann, wenn der Gegner die Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei ohne Rede und Gegenrede lediglich zur Kenntnis nehme (Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 20.11.2006 II ZB 9/06).

Es reiche schon aus, wenn in einer Besprechung bestimmte Rahmenbedingungen für mehrere Parallelverfahren abgeklärt würden (BGH-Beschluss vom 27.02.2007 XI ZB 38/05). Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart (Monatsschrift für Deutsches Recht -MDR- 2008, 353) könne sogar eine einzige außergerichtliche Besprechung zwei Terminsgebühren auslösen, wenn von der Besprechung zur Erledigung des strittigen Rechtsverhältnisses automatisch sowohl die Hauptsache als auch die Nebensache betroffen sei, es sich gebührenrechtlich -wie hier- um zwei verschiedene Angelegenheiten im Sinne von § 15 RVG handele und beide Verfahren das selbe Ziel verfolgten. Diese Rechtsprechung sei unmittelbar auf den vorliegenden Streitfall übertragbar, denn auch hier würde mit dem Billigkeitsverfahren einerseits und dem Hauptsacheverfahren andererseits das selbe Ziel der Aufhebung der angefochtenen Steuerfestsetzung verfolgt. Es könne bei der unstreitigen Besprechung von vornherein nicht zwischen einer Tätigkeit in dem einen und in dem anderen Verfahren unterschieden werden, zumal auch die erfolgreiche Erledigung des Billigkeitsverfahrens zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens geführt hätte.

Auf den der Besprechung komme es an. Es genüge, wenn diese jedenfalls zum Erfolg hätte führen können. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Eine erfolgreiche Besprechung über die Herabsetzung der angefochtenen Steuer aus Gründen der Billigkeit hätte bei positivem Ergebnis dazu geführt, dass das anhängige Gerichtsverfahren ganz oder teilweise ohne richterliche Entscheidung für erledigt hätte erklärt werden können. Dies reiche nach der neuen Förderungsmotivation Des Gesetzgebers zur Entlastung der Justiz für den Ansatz der außergerichtlichen Terminsgebühr aus.

Die außergerichtliche Terminsgebühr könne selbst dann festgesetzt werden, wenn deren Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht streitig sei (BGH-Beschluss vom 10.05.2007 VII B 110/06). Auch müssten sich die maßgeblichen Tatsachen nicht ohne weiteres der Gerichtsakte ergeben (BGH-Beschluss vom 20.05.2008 VIII B 98/06). Das FA habe geführten Telefonate jedoch sogar im Schriftsatz vom 13.03.2006 ausdrücklich bestätigt. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle habe weder die Tatsache noch den Inhalt der fraglichen telefonischen Besprechungen in Zweifel gezogen. Der Ef versichere zusätzlich anwaltlich und eidesstattlich, dass er im ersten Telefonat mit der zuständigen Sachgebietsleiterin am 08.11.2005 den Billigkeitserlassantrag des Eg vom 22.09.2005 erörtert habe. Ziel des Telefonats sei es gewesen, mit dem FA über den Gesamtkomplex ins Gespräch zu kommen und eine Billigkeitsentscheidung mit Erledigungswirkung für die Klage zu erwirken. Die Beamtin des FA habe sich für Angelegenheit zuständig erklärt, das Vorbringen des Ef entgegengenommen und eine Überprüfung der Sache innerhalb kurzer Zeit zugesagt.

Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass die vom Ef geführten Telefonate das Ziel verfolgt hätten, mit Hilfe eines erfolgreichen Abhilfebescheids im Erlassverfahren eine Erledigung der im Finanzgerichtsverfahren anhängigen Klage zu erreichen; die zu dieser Zeit noch nicht begründet bzw. jedenfalls noch nicht terminiert gewesen sei. Auch die weiteren Elemente des Gebührentatbestandes seien erfüllt, wie insbesondere der Entlastungszweck, die Erfolgsunabhängigkeit, die geringe Intensitätstiefe und die Parallelverfahrenswirkung.

Unerheblich sei, dass der Ef in anderen parallel laufenden gebührenrechtlichen Angelegenheiten eigenständige Gebührentatbestände verwirklicht habe. Der Gesetzgeber des RVG habe die frühere sogenannte vertikale Einheit des Verwaltungsverfahrens nach § 119 BRAGO aufgehoben und in § 17 Nr. 1 RVG jeweils das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende Nachprüfungsverfahren und das nachfolgende gerichtliche Verfahren als verschiedene Angelegenheiten gebührenrechtlicher Art bestimmt. Die in diesen vertikalen Verfahrensabschnitten entstandenen Gebühren stünden daher dem Rechtsanwalt ebenfalls nebeneinander zu.

Der Ef beantragt sinngemäß,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25.01.2007 zu ändern und den Vergütungsbetrag auf insgesamt 2.485,18 Euro zu erhöhen.

Der Eg beantragt,

die Erinnerung abzuweisen.

Soweit eine streitfallbezogene Aussage überhaupt erkennbar ist, beschränkt sich das Vorbringen des Eg darauf, dem Ef vorzuwerfen, Forderungen für eine nichtssagende Tätigkeit zu erheben und nicht belegen zu können, berechtigt zu sein, zusätzliche Telefonate abzurechnen.

II.

Die Erinnerung ist unbegründet. Der Ef hat keinen Anspruch auf die Vergütung einer Terminsgebühr.

Nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 RVG werden fällige gesetzliche Vergütungen, die zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehören, u.a. auf Antrag des Rechtsanwalts durch das Gericht des ersten Rechtszugs festgesetzt. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, stets erstattungs- und damit auch vergütungsfähig. Da der Ef Rechtsanwalt ist und daher nach § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) unbeschränkt zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind seine Gebühren grundsätzlich zu vergüten.

Die Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten bemessen sich nach Maßgabe des RVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich dabei gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV-RVG). Nach Nr.3202 VV-RVG kann im Verfahren vor dem Finanzgericht eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 entstehen. Gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 zu Teil 3 des VV-RVG, die als allgemeine Vorschrift auch für die Terminsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, fällt die Terminsgebühr u. a. durch die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts an. Ferner gilt nach Nr. 3202 Abs. 1 VV-RVG die Anmerkung zu Nr. 3104 VV-RVG entsprechend.

Die Terminsgebühr ist durch das RVG vom 05.05.2004 (Bundesgesetzblatt -BGBI- I, 718) eingeführt worden. Die BRAGO kannte keinen entsprechenden Gebührentatbestand. Der Gesetzgeber des RVG wollte durch ihn einen Anreiz für außergerichtliche Einigungen schaffen. In der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 15/1971, S. 148) heißt es:

Die außergerichtliche Streiterledigung soll ferner dadurch gefördert werden, dass die Terminsgebühr auch dann anfallen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klagauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitwirkt.

Diese Intention des Gesetzgebers wird durch die Einzelbegründung des Regierungsentwurfs zu Absatz 3 der Vorbemerkung zu dem für das finanzgerichtliche Verfahren maßgeblichen Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 15/1871, S. 209) bestätigt. Danach soll der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beitragen.

Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Terminsgebühr das ernsthafte Bemühen des Prozessbevollmächtigten um einen Abschluss des Verfahrens ohne Beteiligung des Gerichts honorieren und damit zugleich die außergerichtliche Streitbeteiligung fördern. Sie ersetzt zwar die bisherige Verhandlungs- und Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BRAGO), erweitert jedoch deren Anwendungsbereich.

An das Merkmal einer Besprechung, die auch in einem Telefonat bestehen kann (BGH-Beschlüsse vom 20.11.2006 II ZB 6/06 Juristisches Büro -JurBüro- 2007, 26 und vom 20.05.2008 VII ZB 98/06, Juris; Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 08.06.2009 11 KO 8/09, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2009, 1412 m.w.N.), sind keine besonderen Anforderungen zu stellen (BGH-Beschluss vom 20.11.2006 II ZB 9/06, JurBüro 2007, 136). Insbesondere muss es zu keinem Erfolg der Einigungsbemühungen kommen (BGH-Beschlüsse vom 20.11.2006 II ZB 6/06, a.a.O. und vom 11.06.2008 XII ZB 11/06, JurBüro 2008, 536). Es reicht, dass sich der Gesprächspartner an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert zeigt (BGH-Beschlüsse vom 27.02.2007 XI ZB 38/05, JurBüro 2007, 303 und XI ZB 39/05 Juris). Dies ist z.B. auch dann der Fall, wenn er die Vorschläge nur zur Kenntnis nimmt, aber eine Prüfung zusagt (BGH-Beschluss vom 20.11.2006 II ZB 9/06, a.a.O.) Ein lediglich allgemeines Gespräch über die grundsätzliche Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Einigung genügt nach diesen beiden Entscheidungen nicht, eine Terminsgebühr entstehen zu lassen.

Die vom Ef am 08.11.2005 und nach der Niederlegung des Mandats am 20.02.2006 mit dem FA geführten Telefonate erfüllen die gesetzlichen Voraussetzungen für den Anfall einer Terminsgebühr nicht. Eine auf die Erledigung des Klageverfahrens gerichtete Besprechung im Sinn der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 zu Teil 3 VV-RVG fand nicht statt. Der Ef wurde vielmehr in einer anderen Angelegenheit im Sinne § 15 RVG, nämlich der Erlangung eines Billigkeitserlasses für seinen Mandanten im Verwaltungsverfahren, tätig.

Für den Senat sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Ef in einem der beiden Telefonate die Erledigung der Finanzstreitsache 14 K 124/05 angesprochen hat. Der allein zuständigen Veranlagungsstelle ging nach dem Inhalt der vom Gericht beigezogenen Erlassakte am 22.09.2005 ein Schreiben des Ef mit dem förmlichen Begehren zu, die gegenüber seinem Mandanten geltend gemachte USt-Nachforderung 1999 aus persönlichen Billigkeitsgründen zu erlassen. Die Klage findet keine Erwähnung. Es bestand für den Ef auch keine Veranlassung, mit der nur für das Erlassverfahren zuständigen Sachgebietsleiterin T. das vor dem FG anhängige Verfahren telefonisch zu besprechen.

Dies trotzdem getan zu haben, behauptet der Ef in seiner anwaltlichen und eidesstattlichen Versicherung Schriftsatz vom 17.06.2008 auch nicht. Erörtert worden sein soll die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses. Der Ef trägt selbst nicht vor, dass er bei der Gesprächspartnerin das von ihm verfolgte Ziel mit dem FA über den Gesamtkomplex ins Gespräch zu kommen und eine Billigkeitsentscheidung mit Erledigungswirkung für die Klage zu erwirken, ansprach. Offensichtlich hat er bei Frau T. nicht einmal die - für Entstehen der Terminsgebühr allerdings auch noch nicht ausreichende - grundsätzliche Bereitschaft zu einer außergerichtlichen Erledigung ventiliert.

Hinzu kommt, dass nur Besprechungen mit dem im Steuerprozess entscheidungsbefugten Amtsträger geeignet sind, die Terminsgebühr auszulösen (Stapperfend in Gräber, FGO, 6. Auflage, § 139 Rn. 66; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 92; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rn.494; Niedersächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 14.02.2006 10 KO 39/05, EFG 2006, 1012; Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 22.04.2008 12 KO 3799/06 EFG 2008, 1152). Lediglich dann ist der erforderliche, auch in den handelnden Personen zum Ausdruck kommende, konkrete Bezug zum anhängigen Rechtsstreit gegeben. Frau T. war jedoch nicht berechtigt, eine Entscheidung in der gerichtlichen Finanzstreitsache vorzubereiten oder gar zu treffen.

Unerheblich ist, dass eine positive Bescheidung des Erlassantrags zu einer Erledigung der Anfechtungsklage geführt hätte. Die Abgabenordnung (AO) unterscheidet strikt zwischen Steuerfestsetzungs- und Billigkeitsverfahren. Es stellen sich völlig unterschiedliche tatsächliche und rechtliche Fragen. Selbst wenn der Ef daher die Möglichkeit eines Steuererlasses mit dem Vorsteher oder dem zuständigen Leiter der Rechtsbehelfsstelle des FA erörtert hätte, wäre der von ihm eingeführte Beschluss des OLG Stuttgart vom 09.08.2007 8 WF 107/07, a.a.O., nicht einschlägig. Die dort gegebene enge Verzahnung von zwei Verfahren besteht vorliegend nicht. Der Ef wäre auch dann nur in der Angelegenheit Verwaltungserlassverfahren tätig geworden.

Die Rechtsansicht des Ef, jeder potentielle Beitrag zur Erledigung des Steuerprozesses und sei es auch lediglich bei Gelegenheit eines anderen Verfahrens löse die Terminsgebühr aus, widerspricht der gesetzlichen Regelung des § 15 RVG über den Abgeltungsbereich der Gebühren. Honoriert durch den Ansatz einer Terminsgebühr wird die Tätigkeit des Rechtsanwalts dann, wenn er erkennbar nach außen hin zumindest auch in dieser und nicht ausschließlich nur in der anderen Angelegenheit auftritt.

Gerichtskosten werden mangels eines entsprechenden Gebührentatbestandes im Gerichtskostengesetz (GKG) nicht erhoben (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, Beschluss vom 14.04.2008 5 KO 16/08, Juris; Stapperfend in Gräber,a.a.O., § 149 Rn. 18). Eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 11 Abs. 2 Satz 6 HS 2 RVG). Die Erinnerung im finanzgerichtlichen Verfahren entspricht der Beschwerde in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten.

Das Gericht konnte über die Erinnerung gemäß § 149 Abs. 4 FGO durch Beschluss des Berichterstatters entscheiden. Der Anwendungsbereich des § 79 a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO schließt die Kostenerinnerung nach § 149 Abs. 2 FGO ein (Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.08.2007 8 KO 1/07, EFG 2007, 1972).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§128 Abs. 4 Satz 1 FGO).






FG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 13.10.2009
Az: 14 KO 1/07


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