Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. Oktober 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 202/02

(BPatG: Beschluss v. 27.10.2004, Az.: 29 W (pat) 202/02)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die für "Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Verpackungen und Behältnisse aus Kunststoff; Kunstdärme, insbesondere zur Umhüllung von Fleisch-, Wurst- und Kochpökelwaren" eingetragene Wortmarke Nr. 300 03 616 GOLDBARREN ist Widerspruch eingelegt worden aus der älteren Wortmarke 399 60 921 Goldbarrendie für "Wurst; Wurstwaren" eingetragen ist. Der Widerspruch ist gegen alle Waren der jüngeren Marke gerichtet und auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt.

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 15. April 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, dass trotz Identität der Marken eine Verwechslungsgefahr nicht bestehe, da die einander gegenüberstehenden Waren weder identisch noch ähnlich seien. Verpackungsmaterial, wie es die jüngere Marke schütze, sei mit den Waren, die es umfasse oder in denen sie aufbewahrt würden, nicht ähnlich. Die jeweiligen Produkte würden in unterschiedlichen Betrieben und aus anderen Materialien und Rohstoffen hergestellt. Die Waren der jüngeren Marke richteten sich außerdem nicht an Endverbraucher, sondern an Betriebe, die diese Verpackungen befüllten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, dass die beiderseitigen Waren zumindest ähnlich seien. Wurstwaren würden generell in Därmen oder Kunststoffumhüllungen vertrieben. Durch diese erhielten die Wurstwaren ihre Form und würden durch sie im Hinblick auf Hygienevorschriften erst zur handelsfähigen Ware. Die Waren der jüngeren Marke seien in denen der Widerspruchsmarke enthalten. Auch seien die Abnehmerkreise - auch wenn sie sich nicht vollständig deckten - in einem maßgeblichen Umfang identisch. Die Inhaberin der jüngeren Marke liefere ihre Waren nicht nur an Hersteller von Wurstwaren, sondern auch an Endverbraucher, die Hausschlachtungen durchführten. Die Widersprechende vertreibe ihre Waren nur in geringem Umfang an Endverbraucher, sondern hauptsächlich an den Wursthandel und Metzgereien. Dort könnten sich die einander gegenüberstehenden Waren begegnen, so dass zumindest die Gefahr bestehe, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht würden.

Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 15. April 2002 aufzuheben und die Löschung der Marke 300 03 616 anzuordnen.

Die Markeninhaberin und Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Beschwerde bezüglich der von der jüngeren Marke beanspruchten Waren "Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Verpackungen und Behältnisse aus Kunststoff" schon deshalb unbegründet sei, weil sich die Argumentation der Widersprechenden nicht auf diese Waren beziehe. Hinsichtlich der Waren "Kunstdärme, insbesondere zur Umhüllung von Fleisch-, Wurst- und Kochpökelwaren" sei es nicht richtig, dass erst diese die Wurst zu einer handelsfähigen Ware machten, denn es gebe auch unverpackte oder in anderen Verpackungen angebotene Wurstwaren. Die zur Frage der Warengleichartigkeit von der Widersprechenden zitierte Entscheidung des Bundespatentgerichts betreffen Waren, die nicht mit den vorliegenden vergleichbar seien. Die entscheidenden Kriterien seien nicht erfüllt, da sich die jeweiligen Ausgangsstoffe, die Beschaffenheit, die wirtschaftliche Bedeutung und die Verwendungsweise erheblich unterschieden und auch die Herstellungsverfahren deutlich voneinander abwichen. Auch sei dem Verkehr bekannt, dass die Vergleichswaren üblicher Weise in unterschiedlichen Unternehmen hergestellt würden.

II Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen. Die Gefahr von Verwechslungen der einander gegenüberstehenden Marken besteht trotz ihrer Identität nicht, da die durch sie erfassten Waren nicht ähnlich sind.

Zwischen der Widerspruchsmarke und dem jüngeren Zeichen liegt Markenidentität vor. Die Widerspruchsmarke ist für die beanspruchten Waren uneingeschränkt kennzeichnungskräftig und besitzt daher eine normale Kennzeichnungskraft. Anhaltspunkte für eine Schwächung sind ebenso wenig vorgetragen oder ersichtlich wie für eine Steigerung.

Bei dieser Ausgangslage kann eine Verwechslungsgefahr nur verneint werden, wenn die einander gegenüberstehenden Waren untereinander unähnlich sind oder zumindest einen besonders hohen Abstand zueinander aufweisen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Benutzungsfragen sind hier nicht angesprochen, so dass für die Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen ist. Hierbei sind sämtliche Waren zu berücksichtigen, da der Widerspruch gegen alle Waren der jüngeren Marke gerichtet und auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt ist. Dass sich die Widersprechende bei der Begründung ihrer Beschwerde argumentativ nur mit den Waren "Kunstdärme, insbesondere zur Umhüllung von Fleisch-, Wurst- und Kochpökelwaren" der jüngeren Marke auseinandersetzt, führt nicht dazu, dass der Widerspruch nunmehr auf diese Waren beschränkt wäre. Denn eine solche Beschränkung müsste ausdrücklich erklärt werden, insbesondere wenn wie hier die von der jüngeren Marke beanspruchten Waren "Verpackungsmaterial aus Kunststoff" und "Verpackungen aus Kunststoff" als Oberbegriffe auch die speziellen Waren "Kunstdärme ..." umfassen.

Für die Frage der Ähnlichkeit ist auf alle erheblichen Faktoren abzustellen, die das Verhältnis der Waren zueinander kennzeichnen. Dies sind insbesondere die Beschaffenheit der Waren, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung, ihre wirtschaftliche Bedeutung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte. Wenn sie in diesen Bereichen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die angesprochenen Verkehrskreise meinen könnten, sie stammten aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, so besteht eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit (vgl. Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl. 2003).

Danach sind die von der jüngeren Marke beanspruchten "Kunstdärme, insbesondere zur Umhüllung von Fleisch-, Wurst- und Kochpökelwaren" zu den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Wurst, Wurstwaren" nicht ähnlich. Vielmehr handelt es sich insoweit um Halbfabrikate, die in anderen Betrieben hergestellt werden, als die Wurstwaren, ersichtlich unterschiedlichen Zwecken dienen und sich auch nicht an dieselben Abnehmer richten. Die Waren der jüngeren Marke wenden sich ausschließlich an Fachkreise, nicht an den allgemeinen Verbraucher als Endabnehmer von Wurstwaren. Letzterer hat nichts mit dem Herstellungsprozess zu tun. Angesprochen als maßgebliche Verkehrskreise sind vielmehr die Einkäufer von Wurstfabriken, Metzgereien und solche wenigen Abnehmer, die Hausschlachtungen durchführen. Auch soweit es sich bei den Metzgereien und den Hausschlachtern um Verkehrskreise handelt, die sowohl Wurst als auch Wursthüllen beziehen, sind diesen wegen ihrer notwendigen Fachkunde die Gegebenheiten am Markt bekannt, auf Grund derer sie nicht davon ausgehen, die Vergleichswaren stammten - auch bei identischer Kennzeichnung - aus denselben oder wirtschaftlich verbundenen Geschäftsbetrieben. Wie die Internetrecherche ergeben hat, handelt es sich bei Kunstdärmen um Produkte, die ausschließlich von hoch spezialisierten Firmen produziert werden. Die Inhaberin der jüngeren Marke hat insoweit auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die jeweiligen sehr speziellen Ausgangsstoffe, die Beschaffenheit der Waren, deren wirtschaftliche Bedeutung und Verwendungsweise und auch die jeweiligen Herstellungsverfahren erheblich voneinander unterscheiden.

Dass in diesem Marktsegment Unternehmen existieren, die sowohl Kunstdärme als auch Wurstwaren herstellen oder anbieten, hat weder die Widersprechende vorgetragen, noch konnte der Senat derartige Betriebe ermitteln.

Ebenfalls unähnlich sind die weiter beanspruchten allgemeinen Verpackungen aus Kunststoff. Die Waren der jüngeren Marke "Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit in Klasse 16 enthalten; Verpackungen und Behältnisse aus Kunststoff" haben hinsichtlich ihrer Beschaffenheit und ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft ebenso wenig Berührungspunkte mit den für die ältere Marke geschützten Wurstwaren wie hinsichtlich ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung. Es kann angesichts der unterschiedlichen Branchen und der bei der Herstellung der jeweiligen Produkte verwendeten Ausgangsmaterialien und der regelmäßig völlig verschiedenen Vertriebswege ausgeschlossen werden, dass die insoweit angesprochenen breiten Verkehrskreise, also die durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hier der Auffassung unterliegen könnten, die Vergleichswaren stammten aus denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Betrieben. Vielmehr handelt es sich insoweit um Hilfswaren, die lediglich zum Vertrieb der eigentlichen Waren eingesetzt werden, ohne dabei eine selbständige Bedeutung im Wettbewerb zu erlangen. Zwischen Haupt- und Hilfswaren besteht grundsätzlich Unähnlichkeit (Ströbele/Hacker a.a.O. Rn 103, 104 zu § 9).

Auch wenn man in einem Teilbereich davon ausgeht, dass diverse Wurstwaren je nach Vertriebsweg nur verpackt verkehrsfähig sind, beispielsweise in Regalen erhältliche aufgeschnittene Würste o.ä., führt dies nicht dazu, dass eine Ähnlichkeit unter dem Gesichtspunkt sich ergänzender Produkte anzunehmen wäre. Soweit diese Produkte, wie beispielsweise Kunststoffschalen oder -teller bzw. -folien oder Vergleichbares mit der Verpackung von Wurstwaren zu tun haben, sind dies ebenfalls nur den Vertrieb unterstützende Hilfswaren. Auch insoweit wenden sich die ausschließlich von Zulieferern kommenden Waren nur an die oben angesprochenen Fachbetriebe, die über die einschlägigen Fachkenntnisse verfügen, und die deshalb nicht davon ausgehen, dass eine gemeinsame Herkunft der Waren oder ein gemeinsamer Verantwortungsbereich vorliegen könnte.

Da die fehlende Warenähnlichkeit nicht durch andere Tatbestandsmerkmale der Verwechslungsgefahr ausgeglichen werden kann (vgl. Ströbele/Hacker a.a.O. Rn 71 zu § 9 m.w.N.), kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Grabrucker Baumgärtner Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 27.10.2004
Az: 29 W (pat) 202/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dbffed822ef6/BPatG_Beschluss_vom_27-Oktober-2004_Az_29-W-pat-202-02




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share