Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Juni 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 209/03

(BPatG: Beschluss v. 14.06.2005, Az.: 27 W (pat) 209/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Marke Grafik der Marke 30202670.3 für die Waren und Dienstleistungen

"Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder, Knöpfe, Haken, Ösen, Nadeln, künstliche Blumen; Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel"

ist Widerspruch eingelegt worden aus der Bildmarke GM 277 632 eingetragen für die Waren und Dienstleistungen Klasse 18: Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Handtaschen, Geldbörsen, Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren;

Klasse 25: Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen:

Klasse 28: Spiele, Spielzeug; Turn- und Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Christbaumschmuck.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch Beschluss vom 25. April 2003 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die die Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei selbst bei Zugrundelegung der teilweisen Identität der beiderseits beanspruchten Waren nicht gegeben. Die angegriffene Marke halte selbst bei Berücksichtigung einer unterstellten erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und Anlegung strengster Maßstäbe einen ausreichenden Abstand zu der älteren Marke ein. Zwar wiesen beide Kennzeichnungen ein geschwungenes Bildmotiv ("swoosh") auf, jedoch werde die angegriffene Marke durch dieses Bildelement, das letztlich als Buchstabe "C" in das Markenwort "CHUCK" einbezogen erscheine, nicht maßgeblich geprägt. Das genannte Element verliere durch die konkrete Gesamtgestaltung seinen bildlichen Charakter und werde vom Publikum nur noch als Buchstabe gewertet, der Bildcharakter des "swoosh" trete hier nicht mehr in den Vordergrund und werde deshalb nicht erkannt werden. Da der Verkehr zudem beim Zusammentreffen von Wort und Bildbestandteilen in aller Regel dem Wort die prägende Bedeutung beimesse, sei damit zu rechnen, dass sich die angesprochenen Verbraucher bei dem angegriffenen Zeichen in erster Linie an dem markanten Markenwort "CHUCK" orientieren würden. Insofern ergebe sich offensichtlich auch keine begriffliche Verwechslungsgefahr. Ebenso komme eine mittelbare Verwechslungsgefahr nicht in Betracht. Zwar könne auch bei Bildmarken die Gefahr bestehen, dass ihnen eine gemeinsame gedankliche Aussage entnommen werde. Vorliegend bestehe aber nicht die Gefahr gleicher Benennung. Zudem werde die angegriffene Marke von dem genannten Bildelement auch nicht kollisionsbegründend geprägt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Warenanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten. Die Widerspruchsmarke habe laut Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GFM-GETAS aus dem Jahr 1996 einen Bekanntheitsgrad von 84,7 % und belege in der Rangliste für die weltweit wertvollsten Marken im Jahr 2004 Platz 31. Die angegriffene Marke weise als größtes und damit prägendes Element den beanstandeten Bildbestandteil auf, der quasi mit der Widerspruchsmarke identisch sei und vom Verkehr zwanglos als Marke der Widersprechenden erkannt werde. Damit werde die - von der Widersprechenden durch weitere Umfrageergebnisse belegte - außerordentliche Bekanntheit und Wertschätzung der Widerspruchsmarke ausgenutzt. Zudem bestehe eine mittelbare Verwechslungsgefahr, denn die Widersprechende habe zwischenzeitlich das Unternehmen "Converse", deren Zeichen, der fünfzackige Stern im Kreis, in der hier angegriffene Marke ebenfalls enthalten sei, übernommen, weshalb die Verbraucher zu der Annahme gelangen könnten, es handele sich bei den mit der angegriffenen Marke gekennzeichneten Waren um ein Joint-Venture-Produkt, in das alle imagebestimmenden Eigenschaften der Originalprodukte einflössen.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Den Antrag, der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, hat die Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Sie verteidigt den Beschluss der Markenstelle als auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Widersprechenden zutreffend und hält eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der zwischen den Verfahrensbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Markenstelle hat die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zutreffend verneint.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 - DONLINE; GRUR 2005, GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd).

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als außerordentlich hoch anzusehen. Das ergibt sich nicht nur aus den eingereichten Unterlagen, sondern beruht auch auf gerichtsbekannten Tatsachen, die von der Markeninhaberin nicht in Abrede gestellt werden.

Aber selbst bei starker Kennzeichnungskraft und festzustellender teilweiser Identität der die durch die Vergleichsmarken jeweils geschützten Waren und Dienstleistungen kann bei Anlegung strengster Maßstäbe wie geboten eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 2 MarkenG wegen der geringen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken nicht bejaht werden.

Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- (Sinn-)gehalt ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). Das schließt es aber nicht aus, dass einem einzelnen Zeichenbestandteil unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft beizumessen und deshalb bei Übereinstimmung von Zeichen in dem jeweils prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtbezeichnungen zu bejahen ist. Dies setzt voraus, dass die anderen Bestandteile im Rahmen des Gesamteindrucks weitgehend in den Hintergrund treten. Nicht ausreichend ist es danach, dass der übereinstimmende Bestandteil für den Gesamteindruck des Zeichens lediglich mitbestimmend ist (BGH - aaO - Ferrari-Pferd).

Nach diesen Maßgaben kann eine visuelle Verwechslungsgefahr zuverlässig ausgeschlossen werden. Die angegriffene Wort-Bildmarke hebt sich optisch in jeder Hinsicht von der Widerspruchsmarke ab, denn sie ist durch die Zusammenfügung mehrerer einzelner Bildelemente recht komplex, während die Widerspruchsmarke aus einem einzigen, allerdings äußerst markanten hakenförmigen Element besteht. Eine Verwechslungsgefahr ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Prägung der jüngeren Marke durch das in ihr enthaltene Bildelement, das der Widerspruchsmarke äußerst ähnlich ist, zu bejahen. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist die erforderliche alleinige maßgebliche Prägung der angegriffenen Marke in visueller Hinsicht durch das darin enthaltene, an die Widerspruchsmarke erinnernde Bildelement nicht feststellbar. Es ist kein Erfahrungssatz ersichtlich, nach dem sich der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung einer aus mehreren graphisch gleichgewichtigen Bestandteilen bestehenden Wortmarke an nur einem Bestandteil orientieren wird (vgl. für Wort-/Bildmarken: BGH GRUR 1999, 241, 244 Lions; GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2002, 1067, 1069 DKV/OKV). Die Widerspruchsmarke ist zwar der äußeren Formgestaltung nach in großer Ähnlichkeit in der angegriffenen Marke enthalten. Die übrigen in der angegriffenen Marke enthaltenen Bildelemente verhalten sich zu dem "Haken" jedoch grafisch gleichgewichtig. Der grafisch nicht vollflächig ausgefüllte, sondern nur mit einer Linie umrissene und daher optisch gegenüber den anderen Elementen nicht hervorgehobene "Haken" ist so in die Gesamtmarke integriert, dass er seine nach den Größenverhältnissen an sich dominante Wirkung verliert. Die Abschwächung tritt bereits dadurch ein, dass er als Anfangsbuchstabe für das Wort "Chuck" verwendet wird und daher seine eigene Aussagekraft zugunsten des daraus gebildeten Wortes einbüßt. Daneben treten außerdem optisch nahezu gleichwertig ein Sternelement und das Wort "ORIGINAL", so dass die Marke von den übrigen Elementen grafisch mitgeprägt wird.

Die zusätzlichen Elemente werden von den angesprochenen Verkehrskreisen entgegen der Auffassung der Widersprechenden auch nicht deswegen vernachlässigt, weil sie das bekannte Zeichen der Widersprechenden in der angegriffenen Marke wieder erkennen. Die angegriffene Marke besteht ersichtlich aus einer Zusammenfügung mehrerer bekannter und prestigeträchtiger Bildzeichen, nämlich dem "swoosh" der Widersprechenden, dem Wort "Chuck" , das den Vornamen des berühmten Basketballspielers Chuck Taylor und damit die von ihm kreierten bekannten Schuhe, die "Chucks" genannt werden, in Bezug nimmt, sowie den Stern des Unternehmens "Converse", das mit der Bekanntheit der "Chucks" als Sportschuhhersteller in engster Verbindung steht. Diese Zusammenhänge erkennen auch ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise mit Interesse für Markenware im Bereich der Sport- und Freizeitschuhe. Sie haben bei der Wahrnehmung einer solch willkürlichen Kombination mehrerer bedeutender Marken erst recht keine Veranlassung, das Zeichen der Widersprechenden als allein prägend anzusehen und die sich hier gegenüberstehenden Zeichen unmittelbar miteinander zu verwechseln. Selbst wenn ein nicht zu vernachlässigender Teil der angesprochenen Verkehrskreise diese Zusammenhänge nicht erkennen sollte, bleibt es bei der oben dargestellten grafischen Gleichgewichtigkeit aller Elemente, womit die visuelle Gefahr der Verwechslung ausscheidet.

Auch eine begriffliche oder klangliche Verwechslungsgefahr kommt nicht in Betracht. Die Marke der Widersprechenden mag "swoosh" oder "Haken" benannt werden, für die angegriffene Marke gilt dies jedoch nicht. Diese wird in erster Linie gemäß dem Erfahrungssatz, dass die angesprochenen Verkehrskreise sich bei Wort/Bild-Marken grundsätzlich am Wortbestandteil orientieren, nach ihrem Wortbestandteil "CHUCK" oder auch "HUCK" benannt werden, was weder klanglich noch begrifflich eine Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke aufweist.

Anders als die Widersprechende meint, kommt es jedenfalls im markenrechtlichen Registerverfahren und im Rahmen der Prüfung des § 9 MarkenG auch nicht auf die Frage der Rufausbeutung oder des Imagetransfers durch eine Benutzung der angegriffenen Marke im Wettbewerb an. Dabei handelt es sich um ggf. kollisionsbegründende Umstände, die im Zivilverfahren im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zu beurteilen sind.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr in dem Sinne, dass das Publikum die Kollisionszeichen im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung bringt, ist ebenfalls nicht gegeben. Diese Art der Verwechslungsgefahr kommt in Betracht, wenn der Verkehr zwei an sich unterschiedliche Marken wegen eines gemeinsamen charakteristischen Bestandteils derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnet. Hierzu hat der Verkehr insbesondere dann Anlass, wenn bereits eine Markenserie der Widersprechenden besteht, die einen bestimmten Bestandteil als Stammzeichen durchgängig verwendet, und in die sich das angegriffene Zeichen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs aufgrund der identischen Zeichenbildung ohne weiteres einfügt. Das kann vorliegend nicht festgestellt werden. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass bereits eine Markenserie der Widersprechenden bestehen sollte, in die die angegriffene Marke sich aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten einfügt. Hinzu kommt, dass die sich gegenüberstehenden Marken auch keinen gemeinsamen charakteristischen Bestandteil enthalten, denn der in der angegriffenen Marke enthaltene "Haken" tritt aufgrund seiner eher an eine Handzeichnung erinnernde Gestaltung, die zudem, wie bereits dargelegt, lediglich die äußere Begrenzung der Form der Widerspruchsmarke durch eine Linie nachahmt, so zurück, dass er von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht mehr als charakteristisch für die angegriffene Marke empfunden wird.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Schwarz Prietzel-Funk Na






BPatG:
Beschluss v. 14.06.2005
Az: 27 W (pat) 209/03


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