Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Mai 2001
Aktenzeichen: 15 W (pat) 16/99

(BPatG: Beschluss v. 30.05.2001, Az.: 15 W (pat) 16/99)

Tenor

Der Patentanmelderin wird wegen der Versäumung der Beschwerdefrist und der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe

I.

Die Anmelderin hat am 20. Juni 1997 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Oxidations- und Bleichsystem mit enzymatisch hergestellten Oxidationsmitteln"

beim Deutschen Patentamt eingereicht. Aus der beigefügten Erfinderbenennung ergibt sich, daß das Recht auf das Patent auf die Anmelderin übergegangen ist durch Kaufvertrag vom 1. Juni 1996.

Mit Beschluß vom 29. Dezember 1998 hat die Prüfungsstelle für Klasse C 07 B des Deutschen Patentamts die Patentanmeldung aus den Gründen ihres nicht beantworteten Bescheids vom 8. April 1998 gemäß § 48 des Patentgesetzes zurückgewiesen.

Dieser Beschluß wurde ausweislich der Akten am 7. Januar 1999 mit Einschreiben von der Postabfertigungs-Stelle abgesandt. Gemäß zutreffender Rechtsmittelbelehrung ist die Anmelderin darauf hingewiesen worden, daß bei der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes dieser als mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder nur zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post war somit der 10. Januar 1999.

Am 12. Februar 1999 ging beim Deutschen Patentamt mit Telefax die von der Bevollmächtigten unterzeichnete Beschwerde ein. Die mit Datum vom 8. Februar 1999 von der Anmelderin unterzeichnete Bevollmächtigung zur Beschwerdeeinlegung ist von der Bevollmächtigten inzwischen zu den Akten nachgereicht worden.

Im Beschwerdeschreiben heißt es im Betreff:

"Ihr Schreiben vom 29. Dezember 1998 (erhalten am 13. Januar 1999) ..."

Im Beschwerdeschreiben wird ua zur Begründung angeführt, daß der Erfinder, Herr Dr. C..., wegen Krankheit (Bezugnahme auf beiliegendes Attest ab 10. Juli 1998), die über den heutigen Tag hinweg andauere (Bezugnahme auf ebenfalls beiliegendes Attest auf Krankentagegeld-Zahlschein vom 6. Januar 1999), nicht in der Lage gewesen sei, den Bescheid vom 8. April 1998 fristgerecht zu erwidern. Im letztgenannten Attest wird eine stationäre Behandlung vom 7. Januar 1999 bis 4. Februar 1999 in einer Fachklinik und weitere Arbeitsunfähigkeit "bis auf weiteres" bescheinigt. Weiter heißt es in dieser Beschwerdeschrift: "Anbei ein Verrechnungsscheck (Gebühr) über DM 300,Ñ". Dieser Verrechnungsscheck ist beim Deutschen Patentamt erst am 15. Februar 1999 mit dem Original der Beschwerdeschrift eingegangen.

Dementsprechend ist die Anmelderin mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juli 1999 darauf hingewiesen worden, daß die tarifmäßige Gebühr nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 1 Monat nach der am 10. Januar 1999 bewirkten Zustellung eingezahlt worden ist.

Daraufhin hat die Anmelderin mit Telefax ihrer Bevollmächtigten vom 12. Februar 1999 folgendes geltend gemacht:

Den Beschluß des Deutschen Patentamts vom 29. Dezember 1998 habe der Erfinder krankheitsbedingt erst nach seiner Rückkehr von einem stationären Krankenhausaufenthalt Anfang Februar 1999 vorgefunden. Sie (die Bevollmächtigte) sei Postbevollmächtigte der Anmelderin, ihrer Mutter, die 77 Jahre alt sei und mit ihr im gleichen Haushalt wohne. Da sie als Studienrätin während des Eingangs der Post nie anwesend sei, und ihr wie auch dem Erfinder durch ihre Mutter, der zudem der Briefumschlag abhanden gekommen sei, als Zustelltag der 15. Januar genannt worden sei, sei sie der Meinung gewesen, daß die Beschwerde und Scheckzahlung fristgerecht erfolgt seien.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Das per Telefax am 12. Februar 1999 eingegangene Schreiben ist als Wiedereinsetzungsgesuch zu werten.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde und Zahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig und begründet.

Nach § 123 PatG ist auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen, wer ohne Verschulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlichen Vorschriften einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Der mit der Beschwerde angegriffene Beschluß ist an die Anmelderin als Einschreiben am 7. Januar 1999 abgesandt worden. Er gilt somit ausweislich der Rechtsmittelbelehrung mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, daß das zuzustellende Schriftstück nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist (§ 127 PatG, § 4 VwZG).

Im vorliegenden Fall ist von einer am 10. Januar 1999 bewirkten Zustellung auszugehen, denn es ist der Anmelderin nicht gelungen, einen tatsächlich späteren Zugang glaubhaft zu machen. Ihre Angaben über den tatsächlichen Zugang sind wechselhaft und unsicher (Beschwerdeschrift: Zugang am 13. Januar 1999, Wiedereinsetzungsgesuch: Zugang am 15. Januar 1999 und "Briefumschlag abhandengekommen"). Sie lassen den Schluß zu, daß für die Anmelderin der Tag des tatsächlichen Zugangs nicht mehr rekonstruierbar ist.

Demnach sind sowohl Beschwerdeschrift als auch Zahlung der Beschwerdegebühr nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 1 Monat nach der am 10. Januar 1999 bewirkten Zustellung eingegangen.

Nach den gesamten Umständen des Falles war diese Fristversäumung im Ergebnis jedoch unverschuldet im Sinne von § 123 PatG.

Aus dem Gesamtzusammenhang ihres Vortrags ergibt sich im Hinblick auf Alter der Anmelderin, häusliche Umstände und damaliger Arbeitsverteilung zwischen der Anmelderin, ihrer Bevollmächtigten und dem Erfinder, daß der Erfinder für die damals 77-jährige Anmelderin die Rolle eines Sachbearbeiters innehatte. Ferner erscheint nach den geschilderten Umständen seine glaubhaft gemachte Erkrankung gerade während des Laufs der Beschwerdefrist als die wesentliche Ursache für die Fristversäumung. Insoweit kann zwar nicht die Dauererkrankung als solche als Entschuldigung anerkannt werden. Denn im Falle einer Dauererkrankung gehört es zur Obliegenheit, wenigstens für die Einhaltung von Fristen geeignete Vorsorge zu treffen. Im vorliegenden Falle führte die Erkrankung jedoch zu einem stationären Krankenhausaufenthalt. Die damit nach der Lebenserfahrung verbundene Ausnahmesituation kann unter den gegebenen Umständen als Entschuldigung für die geringfügige Fristüberschreitung anerkannt werden.

Kahr Deiß

Niklas Schroeter Pü






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Az: 15 W (pat) 16/99


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