Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 13. Januar 2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 19/02

(BGH: Beschluss v. 13.01.2003, Az.: AnwZ (B) 19/02)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des 2. Senates des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 2. November 2001 aufgehoben.

Es wird festgestellt, daß die gegenstandslos gewordene Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2001 rechtswidrig war.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen und dem Antragsteller die ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 festgesetzt.

Gründe

Die Rechtsanwaltsgesellschaft "D. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH" wurde am 19. Februar 2001 unter dieser Firma in das Handelsregister (HRB Amtsgericht D. ) eingetragen und am 11. April 2001 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Der Antragsteller war Gesellschafter und Geschäftsführer der Rechtsanwaltsgesellschaft. Mit Verfügung vom 29. Juni 2001 wurde ihm von der Antragsgegnerin aufgegeben, es zu unterlassen, in der Firmierung der Rechtsanwaltsgesellschaft die Buchstabenfolge "DWP" zu verwenden, und bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides nachzuweisen, daß die Firmierung im vorbezeichneten Sinne geändert worden ist.

Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, die Firmierung der Rechtsanwaltsgesellschaft verstoße gegen § 59 k Abs. 1 Satz 3 BRAO, weil der Firmenbestandteil "DWP" gesetzlich nicht vorgesehen und daher unzulässig sei.

Der Antragsteller hat im eigenen Namen als Gesellschafter und im Namen der Rechtsanwaltsgesellschaft als deren Geschäftsführer gerichtliche Entscheidung beantragt. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die -zugelassene -sofortige Beschwerde des Antragstellers. Während des Beschwerdeverfahrens wurde am 14. Februar 2002 die durch Umwandlung im Wege des Formwechsels der Gesellschaft entstandene "DWP D. Rechtsanwaltsaktiengesellschaft" unter dieser Firma in das Handelsregister (HRB Amtsgericht D. ) eingetragen. Der Antragsteller hat einer Erledigung der Hauptsache mit der Begründung widersprochen, daß die Gesellschaft jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Klärung habe, ob die Verfügung der Antragsgegnerin rechtmäßig ist.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 223 Abs. 3, Abs. 4, § 42 Abs. 4 BRAO) und begründet. Die gegenstandslos gewordene Verfügung der Antragstellerin vom 29. Juni 2001 war rechtswidrig.

1. Eine Erledigung der Hauptsache ist zwar nicht dadurch eingetreten, daß die Antragsgegnerin nach erfolgtem Formwechsel mit Bescheid vom 18. Juni 2002 die Zulassung der Rechtsanwaltsgesellschaft zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 59 h BRAO widerrufen hat. Dieser Bescheid ist bislang nicht bestandskräftig. Die mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung verfolgte Hauptsache hat sich jedoch durch den Formwechsel der Gesellschaft erledigt, weil die von der Antragsgegnerin in der angegriffenen Verfügung beanstandete Firma nicht mehr geführt wird. Durch Umwandlung der Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Rechtsanwaltsaktiengesellschaft hat sich die Firma der Gesellschaft entsprechend geändert. Die auf die Firma einer Rechtsanwaltsgesellschaft bezogene Verfügung vom 29. Juni 2001 und der dagegen gerichtete Antrag auf gerichtliche Entscheidung sind damit gegenstandslos geworden.

Der vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren trotz eingetretener Erledigung der Hauptsache aufrechterhaltene Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht -wie im Regelfall anzunehmen ist (vgl. Senatsbeschluß vom 13. Januar 2002 -AnwZ (B) 59/01, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2 b m.w.Nachw.) -mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Im Beschwerdeverfahren begehrt der Antragsteller bei verständiger Würdigung seines Vorbringens nicht mehr die Aufhebung der gegenstandslos gewordenen Verfügung, sondern nur noch die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit. Über dieses Begehren ist hier ausnahmsweise eine Sachentscheidung zu treffen.

Ein der Fortsetzungsfeststellungsklage des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO entsprechendes Feststellungsbegehren sieht die Bundesrechtsanwaltsordnung zwar nicht vor, so daß ein solches Feststellungsbegehren nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in der Regel unzulässig ist (BGH, Beschluß vom 1. März 1993, AnwZ (B) 29/92, aaO, unter II 2 b; BGH, Beschluß vom 11. Juli 1994 -AnwZ (B) 4/94, BRAK-Mitt. 1995, 73 unter II 2; BGH, Beschluß vom 24. November 1997 -AnwZ (B) 38/97, BRAK-Mitt. 1998, 40 = NJW 1998, 1078 unter II 2 a). Ausnahmsweise kann es jedoch statthaft sein, vom Anfechtungsantrag zum Feststellungsbegehren überzugehen, wenn sich -wie hier -die auf Beseitigung des Bescheids gerichtete Hauptsache während des gerichtlichen Verfahrens erledigt hat. Dies setzt aber voraus, daß der Antragsteller anderenfalls ohne effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) bliebe, obwohl er in seinen Rechten beeinträchtigt ist und die begehrte Feststellung eine Rechtsfrage klären hilft, die sich der Justizverwaltung und dem Antragsteller bei künftigen Gelegenheiten ebenso stellen wird (BGH, Beschluß vom 1. März 1993, aaO; BGH, Beschluß vom 11. Juli 1994, aaO; BGH, Beschluß vom 24. November 1997, aaO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Eine fortwirkende Beeinträchtigung der Rechte des Antragstellers durch die angefochtene Verfügung besteht darin, daß diese wieder Geltung erlangen oder neu erlassen werden könnte, wenn die Rechtsanwaltsaktiengesellschaft im Wege des Formwechsels wieder in eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung umgewandelt würde. Ein solcher Schritt liegt nicht fern, nachdem die Antragsgegnerin der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft mit weiterem und gleichfalls noch nicht bestandskräftigem Bescheid vom 18. Juni 2002 versagt und einen erneuten Formwechsel von der Aktiengesellschaft hin zu einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung angeregt hat.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Antragsgegnerin berechtigt war, die Firmierung der Rechtsanwaltsgesellschaft im Wege einer Unterlassungsverfügung zu beanstanden, aber auch dann in gleicher Weise, wenn der Antragsteller berechtigt sein sollte, seinem Beruf als Rechtsanwalt auch in der im Handelsregister eingetragenen Rechtsanwaltsaktiengesellschaft nachzugehen (vgl. dazu BayObLG, NJW 2000, 1647) und deshalb eine Rückumwandlung der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft in eine Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung nicht erfolgen würde. In diesem Fall ist damit zu rechnen, daß die Antragsgegnerin die Firma der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft in gleicher Weise mit einer Unterlassungsverfügung beanstanden wird. Der Antragsteller hat deshalb ein fortbestehendes berechtigtes Interesse an einer Sachentscheidung über die Rechtswidrigkeit der gegenstandslos gewordenen Unterlassungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2001.

2. Das Feststellungsbegehren hat Erfolg. Die Verfügung der Antragsgegnerin vom 29. Juni 2001 war rechtswidrig, weil die Bundesrechtsanwaltsordnung dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht die Befugnis verleiht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen (Senatsbeschluß vom 25. November 2002 -AnwZ (B) 41/02, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, unter II 1). Auch § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO bieten hierfür keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (Senatsbeschluß vom 25. November 2002 aaO; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 -I ZR 29/99, NJW 2002, 2039 unter II 1). Diese Bestimmungen verleihen dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nur die Befugnis, den Rechtsanwalt in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren (§ 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO) und ihm bei Verstößen gegen Berufspflichten eine Rüge zu erteilen (§ 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO). Dagegen enthält die Bundesrechtsanwaltsordnung keine Rechtsgrundlage dafür, daß der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Pflichtverletzungen eines Rechtsanwalts durch den Erlaß mit Verwaltungszwang durchsetzbarer Geund Verbote begegnet (Senatsbeschluß vom 25. November 2002, aaO unter II 1 c).

Die Erklärung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, sie wolle ihren Bescheid lediglich im Sinne einer Ausübung der ihr zukommenden Belehrungsund Rügefunktion verstanden wissen, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Wortlaut der Verfügung ist auf ein selbständiges Unterlassungsgebot und nicht lediglich eine mißbilligende Belehrung gerichtet.

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Beschluss v. 13.01.2003
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