Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 16. Dezember 2014
Aktenzeichen: 5 U 24/14

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 16.12.2014, Az.: 5 U 24/14)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.12.2013 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Dies gilt nicht für die außergerichtlichen Kosten des Streithelfers der Klägerin, die dieser selbst zu tragen hat.

Das vorliegende wie auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den jeweiligen Vollstreckungsschuldnern wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit dreier Beschlussfassungen einer Hauptversammlung der Beklagten.

Die Beklagte ist eine deutsche Großbank. Die Klägerin und ihre Streithelferin sind Aktionäre der Beklagten.

Mit Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 18.03.2013, berichtigt am 19.03.2013, lud die Beklagte zu einer ordentlichen Hauptversammlung auf den 19.04.2013 ein. Wegen der Einzelheiten der Einberufung und der Tagesordnung wird auf die Anlagen K 3 und K 4 (Anlagenband) Bezug genommen. Die Klägerin, die eine große Anzahl weiterer Aktionäre vertrat, erwirkte gem. § 122 Abs. 2 AktG eine Ergänzung der Tagesordnung um TOP 11 und 12.

In der Hauptversammlung, die um 10:13 Uhr begann und um 22:17 Uhr endete, wurde die Klägerin von ihrem Vorstand, Herrn A, sowie ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt B vertreten, die Streithelferin von ihrem jetzigen Prozessbevollmächtigten C. Nach dem Beginn der Aussprache um 11:07 Uhr hielten 51 Aktionäre oder Aktionärsvertreter Redebeiträge. Die Redezeit wurde durch den Versammlungsleiter zunächst auf 10 Minuten, dann auf 5 Minuten begrenzt. Die Rednerliste wurde um 12:30 Uhr geschlossen. Sowohl Herr A als auch Rechtsanwalt B hielten Redebeiträge für die Klägerin. Über den Verlauf der Hauptversammlung erstellte der Notar D eine Niederschrift, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K 5 (Anlagenband) Bezug genommen wird. Die Klägerin und ihre Streithelferin legten Widerspruch gegen alle Beschlussfassungen der Hauptversammlung ein. Die Aufnahme als unbeantwortet gerügter Fragen und der Widersprüche gegen die Beschlussfassungen erfolgten durch Herrn Rechtsanwalt E, der hierbei im Auftrag des Notars D tätig war. Wegen der Protokollierung der Beendigung des Redebeitrags von Rechtsanwalt B beantragte die Klägerin eine Berichtigung des Protokolls, was der Notar mit Schreiben vom 26.04.2013 (Anlage B 14, Bl. 246 d.A.) ablehnte.

Mit ihrer Nichtigkeits- und Anfechtungsklage hat sich die Klägerin, unterstützt von ihrer Streithelferin, gegen die Beschlussfassungen zu TOP 2 (Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2012), TOP 3 (Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2012) und TOP 9 (Durchführung einer Kapitalerhöhung) gewandt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Beschlussfassungen bereits wegen eines Einladungsmangels (Nichteinhaltung der Ladungsfrist gem. § 123 AktG) nichtig bzw. anfechtbar seien. Gleiches gelte wegen einer fehlerhaften Beurkundung, da die beurkundeten Tatsachen nicht vollständig der Wahrnehmung des Notars D unterlegen hätten.

Im Übrigen sei es zu Informationspflichtverletzungen gem. § 243 Abs. 4 AktG gekommen, da die Beklagte gestellte Fragen der Klägerin sowie weiterer Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter nicht bzw. nicht hinreichend beantwortet habe. Der Vertreter der Streithelferin der Klägerin habe wegen einer zu kurzfristigen bzw. nicht ausreichend angekündigten Schließung der Rednerliste von ihm vorbereitete Fragen nicht stellen können. Weiter seien die streitgegenständlichen Beschlüsse verfahrensfehlerhaft ergangen, da die Beschränkung der Redezeit zunächst auf 10 Minuten, später auf 5 Minuten nicht erforderlich und daher rechtswidrig gewesen sei. Darüber hinaus sei die Diskussion und insbesondere die Ankündigung zur Schließung der Rednerliste im Cateringbereich nicht zu verstehen gewesen. Zudem sei es angesichts des herrschenden Gedränges zur Mittagszeit nicht möglich gewesen, in der Zeit zwischen der Ankündigung und der Schließung der Rednerliste von dem Cateringbereich zum Wortmeldetisch in einem anderen Stockwerk der Messehalle zu gelangen. Jedenfalls hätte die Rednerliste angesichts des Endes der Generaldebatte um 17:55 Uhr wiedereröffnet werden müssen. Schließlich habe der Versammlungsleiter dem Vertreter der Klägerin B ungerechtfertigt das Wort entzogen. Dies habe zur Folge gehabt, dass er weitere beabsichtigte Fragen nicht mehr habe stellen können.

Hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 2 und 3 hat die Klägerin Anfechtung des Weiteren darauf gestützt, dass trotz einer Abhängigkeit der Beklagten von dem Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) kein Abhängigkeitsbericht gem. § 312 AktG erstellt worden sei. In Bezug auf die Beschlussfassung zu TOP 9 hat sie die Gewährung eines Sondervorteils an den SoFFin gerügt, der im Übrigen insgesamt einem Stimmverbot unterlegen habe.

Die Klägerin und ihre Streithelferin haben beantragt,

1.die Nichtigkeit der nachfolgenden Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 19.4.2013 festzustellen, hilfsweise für nichtig zu erklären und höchst hilfsweise die Unwirksamkeit festzustellen:a)(TOP 2:) Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands;b)(TOP 3:) Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates;c)(TOP 9:) Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals gem. § 7 FMStBG um bis zu nominal EUR 2.272.727.272,00 durch Ausgabe neuer Stückaktien gegen Bareinlagen und die teilweise Hingabe von Teilen der stillen Einlage aus der von dem Finanzmarktstabilisierungsfonds eingegangenen stillen Gesellschaft sowie den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre für einen Spitzenbetrag.Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die streitgegenständlichen Beschlussfassungen weder nichtig noch anfechtbar seien. Ein Einladungsmangel habe nicht vorgelegen, da die Einberufungsfrist der spezialgesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 1 S. 1 FMStBG entsprochen habe. Die Beschränkung der Redezeit sei angemessen, notwendig und daher von dem Ermessen des Versammlungsleiters gedeckt gewesen. Die Schließung der Wortmeldeliste sei rechtzeitig erfolgt und auch im Cateringbereich gut zu verstehen gewesen, worauf es im Übrigen nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH nicht ankomme. Rechtsanwalt B sei nicht das Wort entzogen worden. Sämtliche gestellten Fragen seien in hinreichender Weise beantwortet worden. Die Reihenfolge der Redner sei nicht zu beanstanden gewesen, da auch insoweit dem Versammlungsleiter ein Ermessen zukomme.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 319 ff.d.A.) sowie die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 20.12.2013 (Bl. 317 ff.d.A.), auf das im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

In seinen Entscheidungsgründen (Bl. 327 ff.d.A.) vertritt das Landgericht die Auffassung, dass die Klägerin und ihre Streithelferin keine Gesetzes- oder Satzungsverletzungen aufgezeigt hätten, die zu einer Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse führten. Ein Einladungsmangel habe nicht vorgelegen, da die Frist des § 7 FMStBG eingehalten worden sei. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts D für den Notar D sei nicht zu beanstanden. Der Vorlage eines Abhängigkeitsberichts gem. § 312 AktG durch die Beklagte habe es nicht bedurft. Die Beschlussfassung zu TOP 9 sei nicht anfechtbar, da der SoFFin keinem Stimmverbot unterlegen habe, wie seine Stimmen für das Ergebnis auch nicht relevant gewesen seien. Auch sei dem SoFFin kein unstatthafter Sondervorteil gewährt worden. Eine Verletzung des Informationsrechts nach § 131 AktG hat das Landgericht verneint. Die Maßnahmen des Versammlungsleiters seien nicht zu beanstanden. Eine im Sinne des § 243 Abs. 4 AktG wesentliche Verletzung von Informationsrechten der Klägerin wegen fehlerhafter Beantwortung von Fragen sei nicht feststellbar und von der Klägerin auch nicht hinreichend dargetan worden.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Rechtsschutzziel weiter. Hierzu wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

I.Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 20. Dezember 2013, Az.: 3-05 O 157/13 die Nichtigkeit der folgenden Beschlüsse der Beschlüsse Hauptversammlung der Beklagten vom 19. April 2013 festzustellen:a)(TOP 2:)Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstands;b)(TOP 3:)Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates;c)(TOP 9:)Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals gem. § 7 FMStBG um bis zu nominal EUR 2.272.727.272,00 durch Ausgabe neuer Stückaktien gegen Bareinlagen und die teilweise Hingabe von Teilen der stillen Einlage aus der von dem Finanzmarktstabilisierungsfonds eingegangenen stillen Gesellschaft sowie den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre für einen Spitzenbetrag;hilfsweise, die vorgenannten Beschlüsse zu lit. a bis c für nichtig zu erklären;

höchst hilfsweise, die Unwirksamkeit der vorgenannten Beschlüsse zu lit. a bis c festzustellen;

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Hierzu wiederholt und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einem Rechtsfehler beruht und gemäß § 529 Abs. 1 ZPO abweichend von der ersten Instanz zugrunde zu legende Tatsachen fehlen oder keine andere Beurteilung veranlassen.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen nicht. Jedoch ist die Klage unbegründet. Die streitgegenständlichen Beschlussfassungen sind weder nichtig noch anfechtbar.

Eine Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen eines Einladungsmangels ist nicht gegeben. Zwar hat die Beklagte die gem. § 123 Abs. 1, Abs. 2 AktG geltende Mindestfrist zur Einberufung der Hauptversammlung nicht eingehalten. Denn diese erfolgte genau 30 Tage vor dem Hauptversammlungstermin. Wegen einer Anmeldungsfrist bis spätestens zum 15.4.2013 verlängerte sich die Frist über diesen Zeitraum hinaus gem. § 123 Abs. 2 Satz 5 AktG. Aufgrund der spezialgesetzlichen Regelung in § 7 Abs. 1 des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) musste vorliegend die Einberufung jedoch erst spätestens am 21. Tag vor dem Tag der Hauptversammlung erfolgen, was unstreitig der Fall war. Ebenso wenig ist zwischen den Parteien im Streit, dass vorliegend die Beschlussfassungen zu TOP 8 (Beschlussfassung über die ordentliche Herabsetzung des Grundkapitals durch die Zusammenlegung von Aktien zum Zwecke der Einstellung eines Teils des Grundkapitals in die Kapitalrücklage nach §§ 222 ff. AktG i.V.m. § 7 Abs. 6 FMStBG) und TOP 9 (Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals gem. § 7 FMStBG um bis zu nominal EUR 2.272.727.272,00 durch Ausgabe neuer Stückaktien gegen Bareinlagen und teilweise gegen die Hingabe von Teilen der Stillen Einlage aus der von dem Finanzmarktstabilisierungsfonds eingegangenen Stillen Gesellschaft sowie den Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre für einen Spitzenbetrag) der Privilegierung gem. § 7 Abs. 6 FMStBG bzw. § 7 f Satz 1 Nr. 3 FMStBG unterfallen. Insoweit wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 13/14) Bezug genommen. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 FMStBG ist es unschädlich, dass auf der streitgegenständlichen Hauptversammlung außer den privilegierten Beschlüssen weitere Beschlussfassungen (wie die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) anstanden (vgl. Senat, Urteil vom 6.11.2012, AG 2013, S. 132 ff, zit. nach Juris, Rdnr. 58 - Hauptversammlung der Beklagten 2011, Nichtzulassungsbeschwerde nicht angenommen).

Soweit die Klägerin erstinstanzlich die Auffassung vertreten hat, § 1 Abs. 1 FMStBG sei mit Rücksicht auf die Rechte der Aktionäre (insbesondere zur Vorbereitung auf die Tagesordnung) teleologisch auf Fälle zu reduzieren, in denen tatsächlich eine Eilbedürftigkeit der Maßnahmen nach dem FMStBG bestehe, was vorliegend nicht der Fall gewesen sei, weswegen die €formal€ auf die Vorschriften des FMStBG gestützte Verkürzung der Einberufungsfrist rechtsmissbräuchlich sei, ist dem nicht zu folgen. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung kommt es auf eine besondere Eilbedürftigkeit als zusätzliches, ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal nicht an. Vielmehr hat der Gesetzgeber in Ausübung seines Ermessens bestimmte - hier vorliegende - Tatbestände als beschleunigungsbedürftig und damit privilegiert angesehen. Ein Raum für eine €teleologische Reduktion€, die dann im Nachhinein sämtliche Beschlussfassungen anfechtbar machte, besteht nicht. Dem entsprechend verfolgt die Klägerin diesen Punkt in ihrer Berufungsbegründung auch nicht weiter.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse sind auch nicht wegen eines Beurkundungsmangels gem. § 241 Nr. 2 i.V.m. § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 4 nichtig oder gem. § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar. Soweit die Klägerin dies im Hinblick darauf annimmt, dass die Entgegennahme der Widersprüche gegen die streitgegenständlichen Beschlussfassungen nicht von dem Notar selbst, sondern von einem durch ihn beauftragten Rechtsanwalt vorgenommen wurden, greift dies nicht durch. Eine Nichtigkeit gem. § 241 Nr. 2 AktG scheitert bereits daran, dass ein möglicher Beurkundungsmangel hinsichtlich der Aufnahme der Widersprüche und der als nicht beantwortet gerügten Fragen nicht unter die in § 130 Abs. 1 und 2 Satz 1, Abs. 4 AktG genannten Förmlichkeiten fällt. Denn die Beschlussfassung als solche gem. § 130 Abs. 1 AktG sowie die gem. § 130 Abs. 2 AktG erforderlichen Angaben (Ort und Tag der Verhandlung, Name des Notars, die Art und das Ergebnis der Abstimmung sowie die Feststellung des Vorsitzenden über die Beschlussfassung) erfolgten durch den Notar D selbst, wie er das von ihm erstellte Protokoll gem. § 130 Abs. 4 AktG auch selbst unterschrieben hat. Da der Notar D das Protokoll insgesamt selbst angefertigt hat, kommt auch keine Nichtigkeit wegen eines Verstoßes gegen den €Grundsatz der Unteilbarkeit des Hauptversammlungsprotokolls€ in Betracht. Dies wäre nur der Fall, wenn die Hauptversammlung von verschiedenen Personen, insbesondere einem Notar und einer Privatperson, protokolliert worden wäre (vgl. Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl. § 130 Rdnr. 14 c).

Eine Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse wegen einer möglicherweise nicht korrekten Beurkundung der als nicht beantwortet gerügten Fragen oder der den Beschlussfassungen nachfolgenden Widersprüche scheidet jedenfalls mangels einer Relevanz für die Beschlussfassungen aus. Denn unstreitig war die Sachverhaltsaufnahme durch Herrn Rechtsanwalt D insofern korrekt, die Widersprüche erfolgten zudem erst nach der Fassung der Beschlüsse. Ein möglicher Beurkundungsfehler kann daher auf die Abstimmungsergebnisse keine Auswirkung gehabt haben, weswegen es dahin stehen kann, ob der Notar D die Entgegennahme der Aktionärserklärungen auf Herrn D delegieren durfte und diesen hinreichend überwacht hat.

Es liegen auch keine allgemeinen Verfahrensfehler vor, die zu einer Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Beschlussfassungen führen. Dies gilt zunächst bezüglich der von dem Versammlungsleiter verfügten Beschränkung der Redezeit. Bereits zu Beginn der Generaldebatte um 11:07 Uhr beschränkte der Versammlungsleiter, der Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten F, die Redezeit pro Redner auf 10 Minuten. Nachdem um 12:30 Uhr nach Schließung der Rednerliste immer noch mehr als 45 Wortmeldungen vorlagen, begrenzte er die Frage- und Redezeit weiter auf 5 Minuten. Die Rede des letzten Redners endete um 17:55 Uhr. Nach der letzten Antwortrunde und dem Abstimmungsprozedere, der Aufnahme von Widersprüchen etc. endete die Hauptversammlung um 22:17 Uhr. Die Generaldebatte, in der 51 Redner zu Wort kamen, dauerte mehr als 6,5 Stunden.

Gemäß § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG kann die Satzung den Versammlungsleiter ermächtigen, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken. Die Satzung der Beklagten sah hierzu in § 18 Abs. 2 Satz 4 folgendes vor:

€Der Vorsitzende ist ermächtigt, das Frage- und Rederecht des Aktionärs zeitlich angemessen zu beschränken. Er kann insbesondere bereits zu Beginn oder während der Hauptversammlung den zeitlichen Rahmen für den ganzen Verlauf der Hauptversammlung, für die Aussprache zu den einzelnen Tagesordnungspunkten sowie für den einzelnen Frage- und Redebeitrag angemessen festsetzen.€

Vor diesem Hintergrund begegnet die Beschränkung der Redezeit durch den Versammlungsleiter F keinen Bedenken. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (z.B. Urteil v. 26.6.2012, 5 U 144/09, BB 2012, S. 2327 ff., zit. nach Juris, Rdnr. 32 ff; Beschluss v. 23.2.2010, 5 Sch 2/09, AG 2010, S. 596 ff; Urteil v. 5.7.2011, 5 U 104/10, AG 2011, S. 713 ff) steht dem Versammlungsleiter bei der Entscheidung über mögliche Redezeitverkürzungen ein Ermessen zu. Hierbei hat er auch dafür Sorge zu tragen, dass eine übermäßige, unangemessene Begrenzung der Redezeit der zunächst aufgerufenen Redner vermieden wird, weswegen er zunächst eine großzügigere Redezeit vergeben und diese dann im Laufe der Versammlung kürzen darf. Sein Ermessen ist nur überschritten, wenn das gewählte Vorgehen gezielt dazu missbraucht wird, z.B. zunächst der Unternehmensführung €genehme€ Aktionäre aufzurufen und befürchtete €Querulanten€ in ihrer Redezeit durch einen späteren Aufruf zu benachteiligen. Ein solches Vorgehen wird von der Klägerin nicht behauptet und ist auch nicht ersichtlich. Angesichts der insgesamt erheblichen Dauer der Hauptversammlung, welche die Regeldauer von 4 bis 6 Stunden gem. Ziff. 2.2.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex bei weitem überschritt, ist ein Ermessensfehler des Versammlungsleiters nicht zu erkennen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass bei guter Vorbereitung auch in 10 oder 5 Minuten sehr viel Stoff vorgetragen werden kann. Auch wird durch kurze, prägnante Beiträge die Diskussion lebhafter und ertragreicher (OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 8.6.2009, 23 W 3/09, NZG 2009, S. 1066 ff, zit. nach Juris, Rdnr. 19). Der Umstand, dass im Ergebnis die Hauptversammlung bereits um 22:17 Uhr und nicht erst kurz vor Mitternacht beendet werden konnte, führt nicht rückwirkend zu einer Ermessensfehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung.

Ebenso wenig liegt ein Verfahrensfehler darin, dass der Versammlungsleiter gegen 12:15 Uhr (nach dem Vortrag der Klägerin 12:20 Uhr) ankündigte, die Rednerliste um 12:30 Uhr vorläufig zu schließen und ggf. auch nicht mehr zu öffnen, was um 12:30 Uhr dann auch geschah. Insoweit trägt die Klägerin vor, dass diese Ankündigung im Cateringbereich, der sich in einem anderen Stockwerk des Messegebäudes befand, trotz dort aufgestellter 70 Lautsprecher wegen des zur Mittagszeit herrschenden Lärmpegels nicht zu vernehmen gewesen sei. Der Vertreter der Streithelferin C sowie €andere Aktionärsvertreter und Aktionäre€ seien hierdurch gehindert worden, rechtzeitig zum Wortmeldetisch in die Haupthalle zurückzukehren.

Zunächst ist kein Ermessensfehler des Versammlungsleiters darin zu erkennen, dass er die Rednerliste um 12:30 Uhr schloss. Denn er hatte dafür Sorge zu tragen, dass die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Redebeiträge ordnungsgemäß abgearbeitet werden konnten. Dementsprechend dauerte die Versammlung dann auch noch fast weitere zehn Stunden. Unerheblich ist ebenfalls, ob ggf. aufgrund des dort herrschenden Lärms trotz entsprechender Vorkehrungen im Cateringbereich die Ankündigung zur Schließung der Rednerliste nicht von allen dort anwesenden Aktionären bzw. Aktionärsvertretern gehört werden konnte. Denn wie der Bundesgerichtshof (Beschluss v. 8.10.2013, II ZR 329/12, WM 2013, S. 2225) entschieden hat, liegt in einer unzureichenden Beschallung eines Catering-Bereichs einer Hauptversammlung kein Anfechtungsgrund. Wird die Hauptversammlung in andere Räume als den eigentlichen Versammlungsraum nicht übertragen, wird das Teilnahmerecht des anwesenden Aktionärs selbst dann nicht beeinträchtigt, wenn die Übertragung in einen sogenannten Präsenzbereich angekündigt worden ist. Eine Übertragung der Hauptversammlung in Vor- oder Nebenräume wie den Cateringbereich, Raucherecken o.ä. wird aktienrechtlich nicht verlangt. Wenn eine zugesagte Übertragung in solche Räume nicht stattfindet, kann der Aktionär dies beim Verlassen des Versammlungsraums unschwer erkennen. Er kann sich dann selbst entscheiden, ob er in den Versammlungsraum zurückkehren will. Der Vertreter der Streithelferin, Rechtsanwalt C, hätte daher entweder im (Haupt-)Versammlungsraum verbleiben oder aber sich vorsorglich vor dessen Verlassen in die Rednerliste eintragen müssen.

Sofern die Klägerin behauptet, dass auch dann, wenn ein Aktionär die Ankündigung gegen 12:15 Uhr/12:20 Uhr gehört habe, er wegen des herrschenden Gedränges nicht bis 12:30 Uhr zu dem Anmeldetisch im Hauptversammlungsraum hätte gelangen können, kann nach dem Ausgeführten auch dies nicht zu einer Anfechtbarkeit der Beschlussfassungen führen. Denn bestand - wie ausgeführt - überhaupt keine Verpflichtung der Beklagten, die Hauptversammlung (und damit eine Ankündigung zur Schließung der Rednerliste) in den Cateringbereich zu übertragen, so musste der Weg von dem Cateringbereich zum Wortmeldetisch auch nicht innerhalb der für die im Hauptsaal befindlichen Aktionäre gesetzten Frist erreichbar sein. Unabhängig hiervon hat die Klägerin keinen einzigen Aktionär benannt, der die Ankündigung gehört habe, dann jedoch nicht rechtzeitig bis zu dem Wortmeldetisch gelangt wäre.

Was eine mögliche Verletzung des Rederechts des Vertreters der Streithelferin C betrifft, so war diese zudem für die streitgegenständlichen Beschlussfassungen nicht relevant. Denn ausweislich der Anlage 6 zu dem notariellen Protokoll (Anlage B 5, Anlagenband, S. 4) hat Herr C um 17:04 Uhr folgende schriftlichen Fragen zur Aufnahme in die Niederschrift über die Hauptversammlung gegeben, die wegen vorzeitiger Schließung der Rednerliste um ca. 13:00 Uhr nicht mehr hätten gestellt werden können:

1.Wie setzen sich in der GuV der AG die Erträge und Gewinnabführungen von € 3.612 Mio. zusammen€ Wieviel Erträge entfallen davon auf konzerninterne €Umhängungen€ z.B. der Bank1 in Polen€2.Was ist der Grund für diese Transaktionen auf Konzernebene€3.In welcher Höhe wurden die 9 % Vergütung auf die stillen Beteiligungen des Bundes (SoFFin) und der ... seit 2009 gezahlt€4.Wäre die Vergütung 2012 zu zahlen gewesen, wenn der AG-Ertrag aus den konzerninternen Transaktionen nicht erzielt worden wäre€Eine Relevanz für die streitgegenständlichen Beschlussfassungen ist insoweit weder zu erkennen, noch wird sie von der Klägerin dargetan. Soweit die Klägerin in ihrer Klageschrift andere Fragen, die der Aktionärsvertreter C hätte stellen wollen, vorgetragen hat, ist sein Vortrag wegen des Widerspruchs gegenüber dem notariellen Protokoll widersprüchlich und damit unsubstantiiert.

Angesichts der - wie ausgeführt - zulässigen Redezeitbegrenzung auf 5 Minuten stellt es keinen Verfahrensfehler dar, dass der Versammlungsleiter nach Ablauf dieser Zeit den Vertreter der Klägerin, Rechtsanwalt B, aufforderte, seinen Vortrag zu beenden, was dieser nach insgesamt 7 Minuten dann auch tat. Ob dies €freiwillig€ geschah oder als ein €Entzug€ seines Rederechts zu werten ist, kann insofern dahinstehen. Da Herr B die ihm zustehende Redezeit bereits überschritten hatte, wäre - nicht zuletzt im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Aktionäre gem. § 53 a AktG - auch ein Entzug des Rederechts zulässig gewesen.

Es liegen auch keine relevanten Informationspflichtverletzungen gem. § 243 Abs. 4 AktG vor, die zu einer Anfechtbarkeit der streitgegenständlichen Beschlussfassungen führen.

Dies gilt zunächst hinsichtlich der von Herrn B für die Klägerin gestellten Fragen, wegen deren Wortlauts auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 6 bis 8) Bezug genommen wird.

Die Fragen Nr. 1, 2, 3, 4 u. 6 beziehen sich auf die Einladung zu der streitgegenständlichen Hauptversammlung. Diese war - wie ausgeführt - fehlerfrei. Eine Relevanz zu den streitgegenständlichen Beschlussfassungen (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, Kapitalerhöhung) ist weder erkennbar, noch wird sie von der Klägerin vorgetragen.

Die Frage Nr. 9 betrifft die Beschlussfassung zu TOP 7. Allein relevant können vorliegend daher die Fragen zu Nr. 5, 7, 8, 10 und 11 sein. Diese wurden jedoch von der Beklagten im gebotenen Umfang beantwortet.

Auf die Frage Nr. 5 (nach der Zählung des Protokolls Nr. 200) €Weshalb konnte die Kapitalerhöhung nach TOP 9 nicht auch ohne die Kapitalherabsetzung nach TOP 8 durchgeführt werden€€ antwortete der Vorstand der Beklagten:

€Der Mindestausgabepreis für Aktien beträgt nach deutschem Aktienrecht 1 Euro. Die Kapitalherabsetzung ist daher erforderlich, um den Unterschied zwischen dem nach Durchführung der Kapitalherabsetzung erwarteten Börsenpreis der Aktien und dem geringsten anteiligen Betrag des Grundkapitals je Stückaktie im erforderlichen Umfang zu vergrößern. Erst die vorgeschlagene Kapitalherabsetzung ermöglicht damit im Hinblick auf den Mindestausgabebetrag nach § 9 Abs. 1 AktG die Übernahmeverpflichtung eines Bankenkonsortiums im Umfang von 2,5 Milliarden Euro zu marktüblichen Konditionen im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Kapitalerhöhung für einen Zeitraum ab ihrer Bekanntgabe bis zu ihrem voraussichtlichen Abschluss Anfang Juni 2013.€

Dazu, inwieweit diese Antwort nicht hinreichend gewesen sein soll, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Frage Nr. 7 (nach der Zählung des Protokolls Nr. 204) lautete:

€Frage zu TOP 9: Weshalb ist die Rückführung einer stillen Einlage an die K €gesellschaft mbH eine Maßnahme nach dem Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz€€

Der Vorstand der Beklagten hat diese Frage wie folgt beantwortet:

€Auch die Rückzahlung der bestehenden stillen Einlagen der K €gesellschaft ist eine Maßnahme, die auf Grundlage des § 7f Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz durchgeführt werden kann. Entscheidend ist dabei, dass die Mittel aus der Kapitalerhöhung überwiegend für die Rückführung des Finanzmarktstabilisierungsfonds verwendet werden.€

Dazu, inwieweit diese Antwort nicht hinreichend gewesen sein soll, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Frage Nr. 8 (= Nr. 205 des Protokolls) lautete wie folgt:

€Frage zu TOP 9: Wie kommt es, dass der Bund nicht seine Rechte vollständig ausübt, die stille Einlage in Aktien umzuwandeln, sondern nur so weit, um eine Quote von 20 % zu wahren€ Will der Bund lieber Cash als Bank2-Aktien€ Wie wurde dies Ihnen gegenüber begründet€€

Hierzu antwortete der Vorstand der Beklagten:

€Der Bund übt seine Bezugsrechte durch Wandlung eines Teils der stillen Einlage in Höhe von 625 Millionen Euro komplett aus. Dies entspricht 25 % des Gesamtvolumens der Kapitalerhöhung. Durch den gleichzeitigen Verkauf von Aktien im Wert von 625 Millionen Euro fließen dem Bund insgesamt Barmittel in Höhe von 1,624 Milliarden Euro zu. Dieser Betrag entspricht dem Volumen seiner derzeit noch ausstehenden Stillen Einlagen. Der Bund wollte sich nicht komplett verwässern lassen und andererseits Barmittel in Höhe der Einlage erhalten.€

Dazu, inwieweit diese Antwort nicht hinreichend gewesen sein soll, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Frage Nr. 10 (= Nr. 207 des Protokolls) lautete:

€Herr G, Sie sprechen vom Ausstieg des Bundes. Haben Sie Erkenntnisse dazu, dass der Bund plant, seine Beteiligung weiter dadurch abzubauen, dass er Aktienpakete auf den Markt wirft€ Droht durch den Ausstieg des Bundes eine weitere Vernichtung des Börsenwerts der Bank2-Aktie€€

Hierauf antwortete der Vorstand der Beklagten wie folgt:

€Zum künftigen Anteilsbesitz des Finanzmarktstabilisierungsfonds an der Bank2 kann ich Ihnen heute lediglich sagen, dass sich der Finanzmarktstabilisierungsfonds ebenso wie die Bank2 verpflichtet, für einen Zeitraum von 180 Tagen nach Abschluss der geplanten Kapitalmarkttransaktion keine Aktien zu veräußern. Über darüber hinausgehende mögliche Schritte kann Ihnen nur der Finanzmarktstabilisierungsfonds als Aktionär Auskunft erteilen.€

Dazu, inwieweit diese Antwort nicht hinreichend gewesen sein soll, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Frage Nr. 11 (= Nr. 209 des Protokolls) lautete:

€Zu TOP 8: Erläutern Sie bitte konkret, weshalb die Kapitalherabsetzung dazu geeignet sein soll, zur Rückführung stiller Einlagen beizutragen, oder weshalb die Kapitalherabsetzung erforderlich ist, um die nach TOP 9 erforderliche Kapitalerhöhung durchzuführen.€

Der Vorstand der Beklagten hat diese Frage wie folgt beantwortet:

€Unter Zugrundelegung des derzeitigen Börsenkurses der Bank2-Aktie von ca. 1,14 Euro könnte bei der Festlegung des Bezugspreises ohne vorherige Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien kein marktüblicher Abschlag auf den theoretischen Börsenpreis, den sogenannten TERP, festgelegt werden, ohne den geringsten Ausgabebetrag der Aktien in Höhe von 1,00 Euro zuzüglich Transaktionskosten von ca. 0,10 Euro zu unterschreiten. Die Kapitalherabsetzung ist daher erforderlich, um die Spanne zwischen dem Börsenpreis der Bank2-Aktien und dem anteiligen Nennwert je Stückaktie von 1,00 Euro zu vergrößern. Ohne die Kapitalherabsetzung könnte somit die Kapitalerhöhung nicht zu marktüblichen Konditionen durchgeführt werden.€

Dazu, inwieweit diese Antwort nicht hinreichend gewesen sein soll, hat die Klägerin nichts vorgetragen.

Des Weiteren hat die Klägerin die Nichtbeantwortung folgender Frage der Aktionärsvertreterin H gerügt:

€Ihr Aufsichtsratsmitglied Herr I hat - nachzulesen in der €€-Zeitung€ vom 18. Juni und von ihm nicht dementiert - im vergangenen Jahr gefordert, systemrelevante Banken zu zerschlagen. Die Bank2 ist systemrelevant. Ist diese Auffassung des Herrn I deckungsgleich mit denen des Vorstands und der übrigen Aufsichtsratsmitglieder€€

Insoweit ist bereits eine Relevanz zu den streitgegenständlichen Beschlussfassungen nicht erkennbar. Darüber hinaus hat der Vorstandsvorsitzende die Frage hinreichend wie folgt beantwortet:

€Herr I hat mir dazu mitgeteilt, dass seine tatsächliche Äußerung deutlich differenzierter war. Im Übrigen hat Herr I ausschließlich seine persönliche Meinung geäußert und sich nicht auf die Bank2 bezogen. Der Vorstand und der Aufsichtsrat der Bank2 stimmen überein, dass die Bank2 als Universalbank zu erhalten ist.€

Schließlich hat die Klägerin die Nichtbeantwortung folgender Fragen der Aktionärsvertreterin J gerügt.

€Herr G, erläutern Sie uns bitte mal genau, welchen Anspruch auf variable Vergütung Sie eigentlich hatten - Sie wollen ja darauf verzichten -. Ferner frage ich Sie: Wie sehen die Erfolgskriterien für eine variable Vergütung eigentlich aus€€

€Bitte erläutern Sie uns, welche Pensionsansprüche Sie, Herr G, ganz konkret und ausgedrückt in Euro haben. Welche Pensionsansprüche haben Sie gegen die Bank2 a) für den Fall, dass Sie heute Ihren Platz räumen müssen, und b) für den Fall, dass Ihnen doch das Vertrauen leider nicht entzogen wird€ Wie hoch sind Ihre Pensionsansprüche in Euro für den Fall, dass es Ihnen bedauerlicherweise gestattet werden sollte, den Rest ihrer Amtszeit hier abzusitzen€€

Insoweit ist kein Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Tagesordnungspunkten erkennbar. Auch trägt die Klägerin insoweit nichts vor.

Die streitgegenständlichen Beschlüsse sind auch nicht aus anderen Gründen anfechtbar. Dies gilt zunächst hinsichtlich der Entlastungen von Vorstand und Aufsichtsrat (TOP 2 u. 3).

Insofern vertritt die Klägerin die Auffassung, dass - was nicht geschehen ist - der Vorstand der Beklagten gem. § 312 Abs. 1 AktG verpflichtet gewesen wäre, im Hinblick auf eine Beherrschung durch den SoFFin einen Abhängigkeitsbericht aufzustellen. Gemäß § 171 Abs. 2 AktG hätte der Aufsichtsrat darauf hinweisen müssen, dass der Abhängigkeitsbericht fehlt. Im Ergebnis ist dem Landgericht (Urteil, S. 14 ff) darin zu folgen, dass in dem Unterlassen eines Abhängigkeitsberichts jedenfalls keine eindeutige und schwere Gesetzesverletzung liegt, auf die eine Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse zu TOP 2 u. 3 gestützt werden könnte.

Grundsätzlich ist der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft gem. § 312 Abs. 1 AktG verpflichtet, in den ersten drei Monaten des Geschäftsjahres einen Bericht über die Beziehungen der Gesellschaft zu verbundenen Unternehmen aufzustellen. Dies gilt, soweit kein Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag vorliegt. Voraussetzung ist zunächst die Beherrschung durch ein anderes Unternehmen gem. § 17 AktG. Insofern trägt die Klägerin eine Beherrschung der Beklagten durch den SoFFin vor. Ob dies im Ergebnis - insbesondere im Hinblick auf dessen faktischer 2/3-Mehrheit auf der Hauptversammlung - der Fall war, bedarf keiner Entscheidung. Denn auch wenn der SoFFin die Beklagte beherrschte, kann sich die Beklagte auf die gegenüber § 312 AktG speziellere Vorschrift des § 7 d FMStBG berufen, wegen deren Wortlauts auf S. 14 des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird.

Zwar weist die Klägerin hinsichtlich der Auslegung dieser - unstreitig anwendbaren - Vorschrift darauf hin, dass § 7 d FMStBG lediglich die Vorschriften des Aktiengesetzes über herrschende Unternehmen, nicht jedoch über die beherrschten Unternehmen außer Kraft setze. Dem ist zuzugeben, dass der Wortlaut insofern nicht ganz eindeutig ist. Allerdings lautet - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - die amtliche Überschrift von § 7 d FMStBG: €Ausschluss der aktienrechtlichen Vorschriften über verbundene Unternehmen€. Dies spricht dafür, dass insgesamt die Geltung des Dritten Buches des Aktiengesetzes €Verbundene Unternehmen€, mithin die §§ 291 bis 328 AktG im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem SoFFin ausgeschlossen sein sollten. Insoweit ist auch zu bedenken, dass die §§ 293 ff jeweils ein System wechselseitiger Pflichten des herrschenden und des beherrschenden Unternehmens statuieren. Eine einseitige Nichtanwendbarkeit nur der Pflichten des herrschenden Unternehmens ohne Einfluss auf die Pflichten des beherrschten Unternehmens machte daher keinen Sinn. Weiter spricht für die Auffassung der Beklagten, dass unter die €sonstigen von ihnen mittelbar oder unmittelbar abhängigen Unternehmen€ auch und gerade die Beklagte als €Zielgesellschaft€ fällt, die Rückausnahme gem. § 7 d Satz FMStBG. Denn diese erklärt die Ausnahme ausdrücklich nicht für nicht anwendbar hinsichtlich der Arbeitnehmervorschriften bzgl. des Aufsichtsrats eines vom Fonds (also dem SoFFin) beherrschten Unternehmens. Dies könnte dafür sprechen, dass mit dem €vom Fonds beherrschten Unternehmen€ eben gerade die Zielgesellschaft (vorliegend also die Beklagte) gemeint ist. Die Klägerin vertritt demgegenüber die Auffassung, dass sich die Vorschrift auf den Fall beziehe, dass es unterhalb des Fonds ein von diesem abhängiges Unternehmen gebe, welches wiederum im Verhältnis zu der Zielgesellschaft herrschendes Unternehmen sei. In diesem Zusammenhang weist die Klägerin weiter auf den Wortlaut des § 18 Abs. 1 FMStBG hin. Dieser lautet wie folgt:

€Rechtshandlungen, die im Zusammenhang mit Stabilisierungsmaßnahmen stehen, können nicht zu Lasten des Fonds, des Bundes und der von ihnen errichteten Körperschaften, Anstalten und Sondervermögen sowie der ihnen nahestehenden Personen oder sonstiger von ihnen mittelbar oder unmittelbar abhängigen Unternehmen nach den Bestimmungen der Insolvenzordnung und des Anfechtungsgesetzes angefochten werden.€

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, durch diese Formulierung sollte lediglich der Fonds bzw. das diesem nachgeordnete, die Zielgesellschaft beherrschende Unternehmen privilegiert werden, so erscheint dies nicht zwingend. Denkbar wäre auch ein Schutz des beherrschten Unternehmens (der Zielgesellschaft) gegenüber ihren Gläubigern.

Deutlich für die Auffassung der Beklagten spricht die Parallele von § 7 d FMStBG zu § 28 a EGAktG. Diese Vorschrift, die im Zusammenhang mit der Beherrschung von Unternehmen durch die ehemalige Treuhandanstalt geschaffen wurde, lautet wie folgt:

€Die Vorschriften des Aktiengesetzes über herrschende Unternehmen sind auf die Treuhandanstalt nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für die Anwendung von Vorschriften über die Vertretung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat eines von der Treuhandanstalt verwalteten Unternehmens.€

Insoweit ist in der Literatur unstreitig, dass hierdurch das Konzernrecht der §§ 293 ff AktG insgesamt (und nicht etwa nur hinsichtlich der Pflichten des herrschenden Unternehmens) ausgeschlossen wird (z.B. Hüffer/Koch, AktG, 11. Auflage, § 15 Rdnr. 17; Hüffer, AktG, 10. Auflage, § 312, Rdnr. 3; Spindler/Stilz/Müller, AktG, 2. Auflage, § 312, Rdnr. 5; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 7. Auflage, § 312, Rdnr. 8 sowie Rdnr. 21 a). Nach Emmerich/Habersack (a.a.O., Rdnr. 8) soll die Bereichsausnahme gem. § 7 d FMStBG derjenigen nach § 28 a EG AktG entsprechen.

Vor allem aber ist dem Landgericht (auf Urteil, S. 15) darin zuzustimmen, dass Sinn und Zweck des Abhängigkeitsberichts gem. § 312 AktG für eine Ausnahme gem. § 7 d Satz 1 FMStBG im vorliegenden Fall sprechen. Denn da - unstreitig - der SoFFin selbst von seinen konzernrechtlichen Pflichten, also insbesondere dem Schädigungsverbot gem. § 311 und der Ausgleichsverpflichtung gem. § 317 AktG befreit ist, ergäbe eine Verpflichtung zur Einstellung eines Abhängigkeitsberichts wenig Sinn. Denn dieser soll insbesondere der Durchsetzung von Ersatzansprüchen dienen (BGHZ 135, S. 107 ff) sowie die Stellung des Vorstands der abhängigen Gesellschaft gegenüber dem herrschenden Unternehmen stärken. Gerade dies ist im vorliegenden Fall aufgrund der Regelungen des FMStBG nicht der Fall.

Nach alledem bestand hinsichtlich einer möglichen Verpflichtung zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts gem. § 312 AktG jedenfalls keine eindeutige Rechtslage. Eine schwerwiegende und eindeutige Gesetzesverletzung, welche die mit großer Mehrheit gefassten Entlastungsbeschlüsse zu TOP 2 u. 3 anfechtbar machten, ist daher nicht gegeben (BGH NZG 2013, S. 783; NJW 2012, S. 3245; NZG 2012, S. 347). Der von der Klägerin vertretenen Auffassung, dass es auf einen eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzesverstoß des Vorstandes und des Aufsichtsrats nicht ankomme, da eine Informationspflichtverletzung vorliege, ist nicht zu folgen. Dies folgt bereits daraus, dass der Abhängigkeitsbericht nicht öffentlich gemacht und nicht den Aktionären zur Kenntnis gegeben wird (Hüffer/Koch, a.a.O., § 312, Rdnr. 38). Lediglich die Schlusserklärung gem. § 312 Abs. 3 Satz 1 AktG ist als Bestandteil des Lageberichts zu publizieren. Die Vorschrift lautet wie folgt:

€Am Schluss des Berichts hat der Vorstand zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die ihm in dem Zeitpunkt bekannt waren, in dem das Rechtsgeschäft vorgenommen oder die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, bei jedem Rechtsgeschäft eine angemessene Gegenleistung erhielt und dadurch, dass die Maßnahme getroffen oder unterlassen wurde, nicht benachteiligt wurde.€

Jedenfalls angesichts der vorliegenden Situation, in der wegen -unstreitiger- Nichtgeltung der §§ 311, 317 AktG ggf. nachteilige Maßnahmen des SoFFin nicht verhindert werden konnten, wären aus der möglichen Veröffentlichung einer Schlusserklärung keine zusätzlichen Informationen zu gewinnen gewesen, die für die zutreffende Entscheidung über eine Entlastung des Vorstandes bzw. des Aufsichtsrats hätten relevant sein können (Entsprechendes verneinte der BGH, aaO, hinsichtlich einer fehlerhaften Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Codex). Es verbleibt somit (allenfalls) der Vorwurf, durch das Unterlassen des Abhängigkeitsberichts als solches gegen das Gesetz verstoßen zu haben. Dieser Umstand als lag jedoch offen zu Tag. Wie ausgeführt stellte er angesichts der zumindest unklaren Rechtslage jedoch keinen eindeutigen und schweren Gesetzesverstoß dar.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der Beschlussfassungen zu TOP 2 u. 3 geltend macht, dass dem Vorstandsvorsitzenden keine Entlastung hätte erteilt werden dürfen, da in seiner Amtszeit 96 % des Börsenwerts der Beklagten €vernichtet worden€ sei, kann eine Anfechtung hierauf nicht gestützt werden. Wie das Landgericht (Urteil, S. 16) zutreffend ausführt, ist weder dargetan, welche schwerwiegende und eindeutige Gesetzesverletzung hierin liegen soll, noch welchen Bezug dies zum Entlastungszeitraum (Geschäftsjahr 2012) haben soll. In der Berufung verfolgt die Klägerin diesen Punkt daher auch nicht weiter.

Auch die Beschlussfassung zu TOP 9 unterliegt keiner Anfechtung wegen eines Inhaltsmangels.

Soweit die Klägerin erstinstanzlich die Auffassung vertreten hat, der SoFFin habe einem Stimmverbot unterlegen, wird auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 16/17) Bezug genommen. Eine Fallgruppe nach § 136 AktG ist vorliegend nicht gegeben. Ebenso wenig lag ein Stimmverbot gem. § 28 WpHG vor. Da der SoFFin lediglich ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes darstellt, trafen ihn selbst keine Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG. Der Rechtsträger Bundesrepublik Deutschland hat unstreitig seine Meldepflicht erfüllt. Hinzu kommt, dass angesichts der Mehrheitsverhältnisse bei der Beschlussfassung zu TOP 9 auch ohne Berücksichtigung der Stimmen des SoFFin der Beschluss in gleicher Weise gefasst worden wäre. In ihrer Berufungsbegründung greift die Klägerin diesen Punkt daher auch nicht mehr auf.

Eine Anfechtung der Beschlussfassung zu TOP 9 ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht gem. § 243 Abs. 2 AktG gegeben. Hiernach stellt es einen Anfechtungsgrund dar, wenn ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen sucht und der Beschluss geeignet ist, diesem Zweck zu dienen.

Bereits das Vorliegen eines Sondervorteils hat die Klägerin - wie dies das Landgericht (Urteil, S. 19) zutreffend ausführt - nicht dargetan. Denn durch die Beschlussfassung zu TOP 9 wurde das Grundkapital der Beklagten zu nominal 2.272.727.272,00 € durch Ausgabe neuer Stückaktien erhöht. Hieran nahm der SoFFin durch eine Hingabe von Teilen seiner stillen Einlage teil. Zwar wurde durch die Ausgabe der neuen Aktien der Wert der bestehenden Aktien verwässert. Jedoch hatten die Aktionäre die Möglichkeit, entsprechend ihrer bisherigen Beteiligung neue Aktien zu erwerben und so die Verwässerung zu verhindern. Der SoFFin erhielt die neuen Aktien keineswegs ohne Gegenleistung, sondern musste (dies war das Ziel des Beschlusses) seine zuvor gehaltene stille Einlage jedenfalls teilweise hingeben.

Unabhängig davon, ob insoweit überhaupt ein Sondervorteil vorliegt, ist der Beschluss durch § 20 Abs. 1 FMStBG gedeckt. Diese Vorschrift lautet:

€Das Unternehmen des Finanzsektors ist verpflichtet, auf Verlangen des Fonds zumutbare Maßnahmen vorzunehmen, die für die Rückführung, Veräußerung, Übertragung oder Änderung von im Zusammenhang mit einer Rekapitalisierung erworbenen Beteiligungen des Fonds zweckdienlich sind€€

§ 7 FMStBG enthält besondere Vorschriften über eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen im Zusammenhang mit Maßnahmen nach dem Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz. § 7 Abs. 4 FMStBG bestimmt folgendes:

€Eine vorherige Leistung durch den Fonds in das Vermögen der Gesellschaft kann der Einlagepflicht zugeordnet werden und befreit den Fonds von seiner Einlagepflicht. § 194 Abs. 1 Satz 2 des AktG gilt entsprechend, sofern die Ausgabe neuer Aktien gegen Hingabe von Einlagen von dem Fonds oder von Dritten nach § 15 Abs. 1 eingegangenen stillen Gesellschaften erfolgt.€

Hiernach hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Errichtung des SoFFin gerade den vorliegenden Fall einer Kapitalerhöhung und der Übernahme neuer Aktien durch den SoFFin gegen Hingabe von Einlagen aus einer stillen Gesellschaft vorgesehen und bestimmt, dass das Unternehmen des Finanzsektors (also vorliegend die Beklagte) verpflichtet ist, die entsprechende Maßnahme durchzuführen.

Die Regelungen des FMStBG gehen als zeitlich jüngere und speziellere Vorschriften § 243 Abs. 2 AktG vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 16.12.2014
Az: 5 U 24/14


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/dae0d0345d6c/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_16-Dezember-2014_Az_5-U-24-14




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