Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 16. Oktober 2007
Aktenzeichen: 1 L 1427/07

(VG Köln: Beschluss v. 16.10.2007, Az.: 1 L 1427/07)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage (1 K 3043/07 VG Köln) wird angeordnet, soweit sich diese gegen die Entgeltgenehmigung unter Ziffer 1 b) c des Tenors des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 29.06.2007 richtet.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Gründe I.

Unter dem 20.04.2007 beantragte die E. (Antragstellerin) die Anschlussgenehmigung der Entgelte für die Leistung „Gemeinsamer Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung (CLS)". In der Leistungsbeschreibung heißt es, mit CLS (Carrier Line Sharing) überlasse die Antragstellerin dem Kunden einen hochbitratigen Übertragungsweg, der über eine Kupferdoppelader realisiert werde. Mittels zweier Splitter (Frequenzweichen) werde die Teilnehmeranschlussleitung (TAL) in zwei unabhängig nutzbare Übertragungswege mit unterschiedlicher Bandbreite geteilt. Der niederbitratige Übertragungsweg diene dem Telefondienst/ISDN; der hochbitratige Übertragungsweg stelle die Nutzung für ADSL über ISDN sicher. In der dem Antrag zugrunde liegenden Preisliste sind neben verschiedenen Positionen für Übernahme, Neuschaltung und Überlassung auch folgende Entgeltvarianten für Kündigung aufgeführt: Kündigung, ohne gleichzeitige Umschaltung des Endkunden 70,80 EUR, Kündigung, mit gleichzeitiger Umschaltung des Endkunden 48,36 EUR.

Mit Beschluss vom 29.06.2007 (00-00-000/0 00.000.00) genehmigte die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Bundesnetzagentur) unter Ziffer 1 b) u.a. folgende CLS-Entgelte: „Kündigung a. mit gleichzeitiger Umschaltung des Endkunden 7,67 EUR b. ohne gleichzeitige Umschaltung des Endkunden 48,65 EUR c. mit gleichzeitiger Übernahme der betroffenen TAL 37,26 EUR". Zur letzteren Entgeltvariante führt die Bundesnetzagentur aus, dieses besondere Kündigungsentgelt stelle kein sog. Migrationsentgelt dar, sondern bilde lediglich Effizienzen ab, die infolge der gleichzeitigen Kündigung von Line Sharing und der Bestellung der kompletten TAL durch einen Nachfrager entstünden. Denn hierdurch würden ein sonst vom Kündigungsentgelt umfasster Schaltvorgang sowie Fahrzeiten überflüssig. Es sei auch unbeachtlich, dass die Auftragsbearbeitung und Bestandsführung von TAL und CLS in getrennten IV-Systemen erfolgten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass bei einer effizienten Leistungsbereitstellung zwei zeitgleich eingehende Aufträge desselben Wettbewerbers für Schaltmaßnahmen an einem identischen Ort zusammengefasst werden könnten. Gegen eine weitere Differenzierung spreche auch nicht die Regelung des § 31 Abs. 6 TKG. Sinn und Zweck dieser Vorschrift bestünden darin, der Bundesnetzagentur die Einleitung eines Entgeltgenehmigungsverfahrens von Amts wegen zu gestatten, wenn das der Genehmigungspflicht unterworfene Unternehmen überhaupt keinen Genehmigungsantrag stelle, nicht aber die Regulierungsbehörde daran zu hindern, nach dem Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung gebotene Entgeltdifferenzierungen vorzunehmen.

Die Antragstellerin hat am 30.07.2007 -einem Montag- Klage gegen den Bescheid vom 29.06.2007 erhoben (1 K 3043/07).

Am 28.09.2007 hat sie zudem den vorliegenden Aussetzungsantrag gestellt, mit dem sie sich gegen die Regelung unter Ziffer 1 b) c der vorgenannten Entgeltgenehmigung wendet und zur Begründung im Wesentlichen geltend macht: Die Entgeltgenehmigung verstoße gegen § 31 Abs. 6 TKG. Sie -die Antragstellerin- habe die Genehmigung der umstrittenen Entgeltvariante nicht beantragt und die Voraussetzungen für ein Amtsverfahren seien nicht erfüllt. Zur Leistung „Kündigung mit gleichzeitiger Übernahme der betroffenen TAL" sei sie auch weder vertraglich noch aus sonstigen Gründen verpflichtet. Sie biete ein derartiges Migrationsprodukt nicht an. Der Vertrag über den Gemeinsamen Zugang zur TAL (CLS-Vertrag) sehe für den Fall, dass der Wettbewerber anstelle des Line Sharing den Zugang zur TAL wünsche, in Anlage 3 Ziffer 2.6.1 ausdrücklich vor, dass außer der CLS-Kündigung der TAL-Zugang neu beauftragt werden müsse. Für die letztgenannte Leistung gelte der TAL-Standardvertrag, so dass auch das entsprechende volle Bereitstellungsentgelt anfalle. In dem das CSL-Standardangebot betreffenden Prüfungsbescheid vom 27.04.2007 habe die Bundesnetzagentur die vorerwähnte Vertragsregelung nicht beanstandet. Zudem sei die Bundesnetzagentur in diesem Bescheid der Forderung eines Wettbewerbers auf Einführung einer besonderen Entgeltregelung für zeitgleiche Umschaltung in Migrationsfällen entgegengetreten. Dadurch, dass die Bundesnetzagentur nunmehr in der angegriffenen Regelung ein Migrationsentgelt genehmige, modifiziere sie den CLS-Vertrag. Dazu sei sie aber im Entgeltgenehmigungsverfahren nicht berechtigt. Dies sei -wie die Bundesnetzagentur selbst im Vorgängerbeschluss vom 03.08.2005 festgestellt habe- vielmehr den Verfahren nach § 23 TKG oder nach § 25 TKG vorbehalten. Schließlich stehe der angegriffenen Regelung entgegen, dass die Einrichtung des angenommenen Prozesses „Kündigung mit gleichzeitiger Übernahme der betroffenen TAL" angesichts der geringen Anzahl möglicher Anwendungsfälle letztlich ineffizient wäre.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der Klage (1 K 3043/07 VG Köln) insoweit anzuordnen, als sie sich gegen die Entgeltgenehmigung unter Ziffer 1 b) c des Tenors des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 29.06.2007 richtet.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

den Antrag abzulehnen.

Sie tritt dem Vorbringen der Antragstellern unter Wiederholung und Vertiefung der Begründung des angegriffenen Teils des Beschlusses entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte 1 K 3043/07 sowie der in jenem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Der Aussetzungsantrag ist begründet.

Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit (§ 137 Abs. 2 TKG) der im Streit befindlichen Entgeltmaßnahme und dem Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Denn es ist selbst bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Betrachtung offensichtlich, dass die angegriffene Maßnahme rechtswidrig ist und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt wird.

Das folgt bereits daraus, dass die Antragstellerin die der angegriffenen Regelung zugrunde liegende Leistung (Beendigung von CLS und gleichzeitige Übernahme der betroffenen TAL) gar nicht anbietet und somit das entsprechende Entgelt nicht der Genehmigung unterliegt.

Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG unterliegen Entgelte eines Betreibers eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, für nach § 21 TKG auferlegte Zugangsleistungen einer Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG. Schon der Wortlaut dieser Regelung („Entgelte eines Betreibers für Zugangsleistungen") deutet darauf hin, dass sich eine Genehmigung nur auf durch den Betreiber verlangte finanzielle Gegenleistungen für tatsächlich erbrachte Zugangsleistungen beziehen kann. Dies wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Denn in Fällen, in denen trotz -grundsätzlicher- Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG keine Zugangsvereinbarung nach § 22 TKG zustande kommt, ermächtigt § 25 TKG die Regulierungsbehörde dazu, anstelle der fehlenden Vereinbarung eine Zugangsanordnung zu erlassen. Gegenstand einer solchen „Anordnung" können alle Bedingungen einer Zugangsvereinbarung sowie die Entgelte sein (§ 25 Abs. 5 Satz 1 TKG). Daraus sowie aus dem Umstand, dass § 25 Abs. 5 Satz 3 TKG insoweit - abweichend von der Terminologie in den §§ 30 bis 37 TKG- von „festzulegenden" Entgelten spricht, folgt, dass eine Entgeltgenehmigung für nicht angebotene Leistungen nicht in Betracht kommt. Einer solchen „Genehmigung" fehlt die (Leistungs)Grundlage.

Selbst wenn man hier jedoch von einem grundsätzlich genehmigungsfähigen Entgelt ausginge, wäre die in Rede stehende Genehmigung auch deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil kein entsprechender Genehmigungsantrag vorliegt und die Voraussetzungen für eine Genehmigung von Amts wegen nicht gegeben sind.

Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 TKG sind genehmigungsbedürftige Entgelte eines beträchtlich marktmächtigen Betreibers für Zugangsleistungen der Regulierungsbehörde vorzulegen. Die Vorlage wird in §§ 31 Abs. 6 und 33 Abs. 1 TKG als Entgeltgenehmigungsantrag bzw. als Entgeltantrag bezeichnet. Das Antragserfordernis beschränkt sich nicht auf die Einleitung des Genehmigungsverfahrens als solches, sondern es betrifft alle genehmigungsbedürftigen Entgelte. Das ergibt sich daraus, dass sich die materielle Entgeltprüfung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 TKG auf „jedes einzelne Entgelt" bezieht und demnach auch die mit dem Entgeltantrag vorzulegenden Kostenunterlagen prüfungsfähige Angaben über jedes Entgelt enthalten müssen. Dementsprechend werden beispielsweise die in § 33 Abs. 1 Nr. 3 TKG genannten Angaben über Umsatz, Absatzmengen und Entwicklung der Nachfragerstrukturen ausdrücklich für die „beantragte(n) Dienstleistung" gefordert. Abgesehen davon soll mit dem Antragserfordernis erreicht werden, dass der Leistungserbringer soweit wie möglich Einfluss auf die Entscheidung über die Höhe der genehmigten Entgelte behält,

so zur vergleichbaren Regelung des § 28 TKG a.F.: BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 -6 C 6.00-, NVwZ 2001, 1399.

Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Regulierungsbehörde ohne weiteres von Amts wegen eine Entgeltgenehmigung aussprechen könnte. Daran ändert auch nichts die Annahme der Bundesnetzagentur, das umstrittene Entgelt beruhe lediglich auf einer Differenzierung, welche nach dem Maßstab des § 31 Abs. 2 TKG (Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung) geboten sei. Denn auch ein mit dieser Begründung genehmigtes Entgelt ist gleichsam antragslos und wird dem Betreiber gegen dessen Willen unzulässigerweise aufgedrängt. Eine Genehmigung von Amts wegen ist daher nach § 31 Abs. 6 Satz 2 TKG nur möglich, wenn die Regulierungsbehörde vorher zur Antragstellung aufgefordert hat und der Antragspflichtige dieser Aufforderung nicht innerhalb eines Monats Folge leistet. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt.

Die angegriffene Entgeltgenehmigung kann auch nicht in eine Entgeltanordnung nach § 25 Abs. 5 TKG oder in eine Standardangebotsverfügung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 TKG umgedeutet werden.

Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Diese Anforderungen sind nicht gegeben.

Ein Verwaltungsakt nach § 25 Abs. 5 TKG, der sowohl die Verpflichtung zur Erbringung der Leistung (Beendigung von CLS und gleichzeitige Übernahme der betroffenen TAL) als auch das entsprechende Entgelt anordnen würde, setzte gemäß § 25 Abs. 2 TKG das Scheitern einer Zugangsvereinbarung zwischen der Antragstellerin und einem Wettbewerber sowie nach § 25 Abs. 3 TKG eine bestimmten formellen Anforderungen entsprechende vorherige Anrufung der Regulierungsbehörde voraus. Beides ist hier vor Erlass der umstrittenen Regelung nicht erfolgt.

Eine Verfügung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 TKG -etwa- mit der Aufforderung, der Regulierungsbehörde innerhalb einer bestimmten Frist ein um die in Rede stehende Leistung und ein entsprechendes Entgelt ergänztes Standardangebot vorzulegen, wäre nicht auf das gleiche Ziel wie die umstrittene Entgeltgenehmigung gerichtet. Sie ginge einer Entgeltgenehmigung voraus. Das ergibt sich aus § 23 Abs. 4 Satz 5 TKG, wonach für die Regulierung der im Standardangebot enthaltenen Entgelte die §§ 27 bis 37 TKG gelten. Das bedeutet, dass die Regulierung eines Entgelts nach dieser Vorschrift erst dann stattfinden kann, wenn das Entgelt und die diesem zugrunde liegende Leistung nach Durchführung eines zweistufigen Prüfungsverfahrens (§ 23 Abs. 3 und 4 TKG) vom Betreiber in sein Standardangebot verbindlich aufgenommen worden sind. Erst die Entgeltregulierung nach § 23 Abs. 4 Satz 5 TKG wäre auf das gleiche Ziel wie die angegriffene Genehmigung gerichtet. Abgesehen davon scheiterte eine derartige Umdeutung auch daran, dass es an der vorherigen Durchführung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 2 TKG zur Feststellung einer allgemeinen Nachfrage fehlt.

Unter diesen Umständen kann auf sich beruhen, ob die umstrittene Entgeltgenehmigung auch wegen Ineffizienz der von der Bundesnetzagentur zugrunde gelegten Leistung rechtswidrig ist.

Schließlich liegt auch offensichtlich eine Rechtsverletzung der Antragstellerin vor. Zwar ist sie aufgrund der Entgeltgenehmigung rechtlich nicht verpflichtet, die entsprechende Leistung (Beendigung von CLS und gleichzeitige Übernahme der betroffenen TAL) zu erbringen. Denn dazu fehlt es -wie bereits ausgeführt- an einer verbindlichen Leistungsanordnung nach § 25 Abs. 5 TKG oder einem gemäß § 23 Abs. 7 TKG in die AGB der Antragstellerin aufzunehmenden Standardangebot. Doch hat sie für die Antragstellerin gleichwohl belastende Wirkung, da sie trotz ihrer Rechtswidrigkeit von der Regulierungsbehörde nach § 35 Abs. 6 TKG zu veröffentlichen ist und somit nicht nur bezüglich des Preises, sondern auch hinsichtlich der entsprechenden Kündigungsleistung verbindlichen Charakter suggeriert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestssetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG, wobei die Hälfte des nach der Rechtsprechung der Kammer in vergleichbaren Hauptsacheverfahren anzusetzenden Wertes von 50.000,- EUR zugrunde gelegt wird.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 137 Abs. 3 Satz 1 TKG).






VG Köln:
Beschluss v. 16.10.2007
Az: 1 L 1427/07


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