Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Februar 2011
Aktenzeichen: 27 W (pat) 282/09

(BPatG: Beschluss v. 01.02.2011, Az.: 27 W (pat) 282/09)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. September 2009 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der für "Schuhwaren" als Bildmarke beanspruchten Darstellungwegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, einer Bildmarke fehle die Unterscheidungskraft, wenn sie lediglich typische Merkmale der konkreten Ware wiedergebe und keine über die übliche Gestaltung hinausreichenden Elemente aufweise. Sie werde dann nur als Hinweis auf Art und Gattung der Waren aufgefasst, nicht aber als Hinweis auf deren Unternehmensherkunft.

Das angemeldete Zeichen stelle Streifen dar, die zu einem X gestaltet seien. Die grauen Streifen hätten außen Zickzack-Ränder und jeweils zwei gestrichelte schwarze Nahtlinien. Außerdem sei beiderseits des "X" eine gepunktete Linie abgebildet; DIE DER Form des Buchstabens folge. Die äußere Linie der Graphik verjünge sich von links nach rechts deutlich wie die zweidimensionale Abbildung der äußeren Form der Flächen auf den Schuhaußenseiten von Sportschuhen, die üblicherweise schmückend gestaltet seien und in der Regel die für die betreffenden Schuhe maßgeblichen Designelemente enthielten. Die gestrichelten Nahtlinien, der Zackenrand der Streifen und die Punkt-/Lochmuster seien übliche Elemente bei der Ausgestaltung von Schuhen. Insgesamt halte sich die Gestaltung ganz im Rahmen dessen, was als schmückendes Design auf dem Markt auf den Schuhaußenseiten üblich sei.

Trete das angemeldete Bild dem Verbraucher in Verbindung mit Schuhen -etwa auf einem Schuhkarton oder in einem Prospekt -entgegen, werde dieser darin keinen Herkunftshinweis erkennen, sondern lediglich einen Hinweis auf das Aussehen der zu verkaufenden Schuhe. Insbesondere auf Schuhkartons seien derartige Hinweise zur besseren Orientierung von Käufern und Verkaufspersonal üblich, wie sich aus einer dem Beschluss beigefügten Anlage ergebe. Wie die Photos dieser Anlage zeigten, seien auf Schuhkartons häufig Zeichnungen der angebotenen Schuhe abgebildet, manchmal seien sogar die ganzen Kartons entsprechend den Schuhen gemustert.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt sie weiterhin die Auffassung, die Marke sei unterscheidungskräftig. Die angesprochenen Verkehrskreise seien aufgrund einer entsprechenden Branchenübung im Bereich der Schuhwaren daran gewöhnt, auf Schuhaußenseiten angebrachte Streifenkombinationen als Herkunftshinweis anstatt als bloße Verzierung aufzufassen. Dies müsse umso mehr gelten, wenn das betreffende graphische Element wie hier sogar über einen bestimmten begrifflichen Inhalt, nämlich denjenigen des Buchstabens "X" bzw. der römischen Zahl zehn verfüge. Bei derartigen Angaben handle es sich gerade nicht um ein typisches Merkmal von Schuhwaren. Aufgrund seiner kompakten, in sich abgeschlossenen Form sei das schutzsuchende Zeichen überdies zu markant, um lediglich als ornamentales Muster verstanden zu werden.

Letztlich komme es darauf aber gar nicht an, da es sich bei der angemeldeten Marke nicht um eine Positionsmarke handle, die auf die Anbringung an einer bestimmten Stelle der betreffenden Ware festgelegt und entsprechend beschränkt sei. Das schutzsuchende Zeichen könne daher nicht ausschließlich auf der Außenseite von Schuhen wiedergegeben werden, sondern ebenso gut auf deren Sohlen, auf Kartons, Verpackungsmaterial, Etiketten etc.

Die dem Beschluss beigefügten Photographien seien nicht geeignet, die Ansicht des Deutschen Patentund Markenamts zu stützen. Bei der Markenanmeldung handle es sich weder um eine Positionsmarke noch um eine Bildmarke, die einen Schuh mit einem Streifen wiedergebe.

Dieses lasse -im Gegensatz zu der Abbildung auf dem Karton im ersten Bild der Beschlussanlage -gerade nicht einen Schuh erkennen, sondern vielmehr dessen Marke. Wie das erste Bild der Anlage weiterhin zeige, sei es üblich, die Marke -in jenem Fall "GEOX" -auf dem Verkaufskarton anzubringen. Von der Abbildung des Schuhs in gekennzeichneter Form sei dies jedoch zu unterscheiden.

Im Gegensatz zum zweiten Bild der Anlage sei nicht ein großflächiges (Stoff-)Muster aus ornamentalen Ranken Gegenstand der Markenanmeldung, sondern ein in sich abgeschlossenes, konkretes Zeichen. Zur kennzeichenmäßigen Verwendung des schutzsuchenden Zeichens auf Schuhsohlen, Etiketten, Verpackungsmaterial, Katalogen etc. äußere sich die angefochtene Entscheidung im Übrigen nicht.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, weil entgegen der Auffassung der Markenstelle der angemeldeten zweidimensionalen Darstellung das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden kann.

1. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH MarkenR 2003, 187, 190, Rn. 41 -Gabelstapler) und des BGH (vgl. BGH GRUR 2000, 502, 503 -St. Pauli Girl) die Eignung einer Marke, vom durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 -Libertel) als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden.

Einer Kennzeichnung fehlt die Unterscheidungskraft, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in ihr keinen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen sehen, was etwa bei einem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 -marktfrisch) oder bei Werbeaussagen allgemeiner Art der Fall ist.

Diese Grundsätze gelten auch für ein als Marke angemeldetes Bildzeichen, das nur dann nicht unterscheidungskräftig ist, wenn es die im Warenverzeichnis genannten Waren naturgetreu bildlich wiedergibt (BGH WRP 1999, 526 -Etiketten) oder wenn es sich bei ihm um eine einfache geometrische Form oder ein sonstiges einfaches graphisches Element handelt, und eine solche Gestaltung -wie den Verbrauchern aus Erfahrung bekannt ist -in der Werbung, auf der Ware, ihrer Verpackung oder auf Geschäftsbriefen üblicherweise in bloß ornamentaler, schmückender Form verwendet wird (vgl. BGH GRUR 2001, 734, 735 -Jeanshosentasche).

Hierbei ist allerdings kein strenger Maßstab anzulegen; vielmehr kann nur geläufigen graphischen Mitteln, die üblicherweise in bloß dekorativer oder ornamentaler Form verwendet werden, die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Soweit dagegen -insbesondere durch die Verbindung mehrerer (auch einfacher) Figuren -eine charakteristische, zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignete Gestaltung erreicht ist, besteht für eine Schutzversagung kein Anlass mehr, zumal für die Bejahung der Unterscheidungskraft kein weiterer Phantasieüberschuss erforderlich ist.

Ausstattungen, wie Musterungen, Ornamente, Umrahmungen, Etiketten usw., sind nicht unterscheidungskräftig, wenn sich ihre Bildwirkung darauf beschränkt, lediglich als ornamentales oder dekoratives Hervorhebungsmittel zu dienen. Dabei ist auf die Besonderheiten der jeweiligen Branche und der darauf beruhenden speziellen Verkehrsauffassung abzustellen, welche unter besonderen Voraussetzungen möglicherweise auch einer einfachen Form einen ausreichenden Herkunftshinweis entnehmen kann.

Entsprechende Grundsätze sind bei der Beurteilung von Zierstreifen und Steppnähten (insbesondere auf Schuhen und Bekleidungsstücken) heranzuziehen, wobei die insoweit maßgebliche Frage, ob die jeweilige Gestaltung nur als schmückendes Detail oder als betrieblicher Herkunftshinweis aufzufassen ist, im Einzelfall durchaus unterschiedlich beantwortet werden kann (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rn. 166 -168).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hält der Senat -auch unter Berücksichtigung der bisherigen Senatsrechtsprechung in vergleichbaren Fällen und der Rechtsprechung des EuGH -die als Bildzeichen angemeldete Marke abweichend von der Auffassung der Markenstelle für unterscheidungskräftig. Die angesprochenen breiten Verbraucherkreise werden die angemeldete Gestaltung nicht nur als schmückendes Detail, sondern als betrieblichen Herkunftshinweis auffassen.

Gerade auf dem Gebiet der Schuhwaren verwenden die Unternehmen häufig graphische Elemente, denen der Verbraucher einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller entnimmt. Die Anmelderin hat hierzu im Amtsverfahren zutreffend auf entsprechende Bildmarken der Firmen Puma, Nike, Reebok, asics, adidas, K-Swiss und einer eigenen Marke hingewiesen sowie in ihrer Beschwerdebegründung weitere Beispiele genannt. Der Anmelderin ist auch insoweit zuzustimmen, als sich die Verwendung entsprechender Bildmarken nicht etwa darauf beschränkt, dass diese nur auf der Außenseite von Schuhen angebracht werden. Da es sich hier nicht um eine Positionsmarke handelt, kann die Darstellung überall angebracht werden.

Dass der Verbraucher bei Schuhwaren daran gewöhnt ist, Bildelementen einen Herkunftshinweis zu entnehmen, spricht dafür, auf diesem Gebiet die Unterscheidungskraft auch dann zu bejahen, wenn es sich um eine einfache graphische Form handelt.

Bei der hier zu beurteilenden Bildmarke handelt es sich aber nicht lediglich um eine einfache graphische Gestaltung. Wie die Anmelderin zutreffend ausgeführt hat, verfügt das graphische Element über einen begrifflichen Inhalt, nämlich den Buchstaben "X" bzw. die römische Zahl zehn. Damit ist die angemeldete Marke nicht lediglich ein schmückendes Detail, sondern vermittelt einen darüber hinausgehenden Gesamteindruck, der für einen betrieblichen Herkunftshinweis ausreicht.

Dass bereits ein einzelner Buchstabe einer Marke Unterscheidungskraft verleihen kann, hat auch der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung vom 9. September 2010 in dem Verfahren C-265/09 P festgestellt, in der er im Ergebnis die Unterscheidungskraft des als Bildmarke angemeldeten griechischen Buchstabens "Alpha" bejaht hat.

Diese Beurteilung entspricht der Entscheidung des Senats in dem vergleichbaren Verfahren 27 W (pat) 112/05, in dem der Senat die Unterscheidungskraft der Bildmarkeu. a. für Schuhwaren bejaht hat. Zur Begründung ist in dieser Entscheidung ausgeführt:

"Der Gesamteindruck der angemeldeten Darstellung beschränkt sich aber nicht auf diese einfache und übliche Gestaltung einer typischen Kleidungsnaht. Denn dabei bliebe unbeachtet, dass die Linienführung, auch wenn sie für sich selbst betrachtet einfach erscheint, sich zu einem Bild zusammenfügt, das sehr stark an die Wiedergabe der Ziffer "7" erinnert. Diese Anlehnung an die Wiedergabe einer Zahl vermittelt aber dem Gesamtbild einen über die bloße Nahtführung hinausgehenden Gesamteindruck, der den Verkehr von dem Gedanken wegführt, in ihr die bloße bildliche Wiedergabe eines Ziermusters oder einer Ziernaht und damit eine rein beschreibende Darstellung von Teilen der beanspruchten Waren zu erkennen. Gerade infolge dieses "überschießenden" Gesamteindrucks wird es für den Verkehr daher naheliegen, in ihr nicht nur ein übliches Gestaltungsmerkmal, sondern vielmehr einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Waren aus einem bestimmten Unternehmen zu sehen."

Bei der hier zu beurteilenden Bildmarke kann aufgrund ihres aufgezeigten Sinngehalts nichts anderes gelten.

Für die Schutzfähigkeit der Marke sprechen auch die Entscheidungen des Senats in den Verfahren 27 W (pat) 19/06 und 27 W (pat) 67/06, in denen der Senat die Unterscheidungskraft einer Bildmarke u. a. für Schuhe bejaht hat. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung in dem Verfahren 27 W (pat) 502/09, in der der Senat die Unterscheidungskraft der Bilddarstellung einer Naht für "Bekleidungsstücke" verneint hatte. Wie sich aus dem Sachverhalt dieser Entscheidung ergibt, hatte die Markenstelle, die in diesem Verfahren streitgegenständliche Marke nämlich nur für "Bekleidungsstücke", nicht aber für "Schuhwaren" versagt.

Nach den vom BGH zu Marlene Dietrich und Tooor aufgezeigten Grundsätzen darf auch nicht unterstellt werden, dass das angemeldete Kennzeichen in einer Art und Weise verwendet werden wird, bei der es nicht als Marke wirkt. Ebenso darf keine Festlegung auf eine Positionierung verlangt werden, wenn mehrere davon in Frage kamen und dabei jeweils eine markenmäßige Verwendung gegeben sein kann (BGH GRUR 2010, 1100 -Tooor!; GRUR 2010, 825 -Marlene Dietrich-Bildnis II).

3. Da nach alledem auch nicht erkennbar ist, dass die Anmeldemarke zugunsten von Mitbewerbern i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freizuhalten wäre, war der die Eintragung versagende Beschluss der Markenstelle auf die Beschwerde der Anmelderin hin aufzuheben.

Dr. Albrecht Kruppa Wernerbr/Pr






BPatG:
Beschluss v. 01.02.2011
Az: 27 W (pat) 282/09


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