Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: 34 Wx 489/11

(OLG München: Beschluss v. 19.01.2012, Az.: 34 Wx 489/11)

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamts - Wolfratshausen vom 13. Oktober 2011 (Geschäftswertfestsetzung) dahingehend abgeändert, dass der Geschäftswert für die Eintragung der Eigentumsvormerkung auf 2.875.000 € festgesetzt wird. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 ist eine Gesellschaft, die gebrauchte Gegenstände und Immobilien verwertet. Die Gemeinde K. betreibt bislang auf mehreren Grundstücken ein Hallenschwimmbad. Mit Urkunde vom 26.4.2011 schlossen die Beteiligte und die Gemeinde einen Vertrag über eine Bau- und Betriebskonzession betreffend Planung, Bau, Betrieb und Finanzierung des Tourismus- und Freizeitbades im Rahmen einer Öffentlich-Privaten Partnerschaft (PPP-Vertrag). Danach sollen die Grundstücke und das Hallenbad für den Zeitraum von 25 Jahren an die Beteiligte zu 1 verpachtet werden, die in dieser Zeit etwa 12.000.000 €, die zu ½ von der Beteiligten zu 1 und zu ½ von der Gemeinde und dem Freistaat aufgebracht werden sollen, in die Gebäude investieren soll. Nach Ablauf der Pachtzeit soll die Beteiligte zu 1 das Bad sodann erwerben.

In dem genannten Vertrag samt einem Nachtrag vom 2.5.2011 bot die Gemeinde der Beteiligten zu 1 daher den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages an. Das Angebot kann frühestens zum 1.12.2035 angenommen werden. Der Angebotsempfänger, die Beteiligte zu 1, verpflichtet sich, das Angebot in dem Zeitraum vom 1.12.2035 bis 31.12.2035 anzunehmen. Der Kaufpreis ist in dem Vertrag nicht festgelegt, sondern nach § 4 wie folgt zu ermitteln:

1. Zunächst gehen die Parteien davon aus, dass Ausgangspunkt für die Kaufpreisermittlung für die vertragsgegenständlichen Grundstücke der zum Stichtag im Sinne dieses Grundstückskaufvertrags (...) zu ermittelnde Marktwert der Grundstücke ist, der auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards durch eine unabhängige Bewertung durch einen unabhängigen Sachverständigen für Wertermittlung zu ermitteln wäre.

2. Umgekehrt gehen die Parteien davon aus, dass der Verkäufer dem Käufer aufgrund von den Investitionen, die der Käufer oder ein mit ihm gemäß den §§ 15 ff. AktG verbundenes Unternehmen während der Vertragslaufzeit des PPP-Vertrages in die vertragsgegenständlichen Grundstücke einschließlich der aufstehenden Bauwerke und Wirtschaftsbetriebe getätigt hatte (und zwar sowohl die Erstinvestition nach PPP-Vertrag als auch sonstige innerhalb der Laufzeit des PPP-Vertrags zusätzlich getätigte Investitionen), sowie aufgrund von der Bewirtschaftung der vertragsgegenständlichen Grundstücke über die Laufzeit des PPP-Vertrags zum Ende des PPP-Vertrags den zum Stichtag im Sinne dieses Grundstückskaufvertrags (...) zu ermittelnden, auf diesen Investitionen und Bewirtschaftung basierenden, Marktwert der Grundstücke, der auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards durch eine unabhängige Bewertung durch einen unabhängigen Sachverständigen für Wertermittlung zu ermitteln wäre, abzulösen hätte, wobei von dieser Ablöse folgende Positionen abzuziehen wären:

2.1 der nach gleichen Maßstäben wie den vorstehenden zu ermittelnde Marktwert der vertragsgegenständlichen Grundstücke zum Zeitpunkt des Stichtags im Sinne des PPP-Vertrags (...), also zum Zeitpunkt des Wirksamwerden des PPP-Vertrags, soweit unter Pkt. 1. nicht bereits angerechnet, sowie

2.2. der Anteil am Marktwert der vertragsgegenständlichen Grundstücke zum Stichtag im Sinne dieses Grundstücksvertrags (...), der auf die nach dem PPP-Vertrag geleistete Zuzahlung des Verkäufers zur Erstinvestition (...) entfällt. Dieser Marktwert ist unter Berücksichtigung von Abschreibungen etc. auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards durch eine unabhängige Bewertung durch einen unabhängigen Sachverständigen für Wertermittlung zu ermitteln.

3. Die Parteien vereinbaren, die wechselseitigen Zahlungen zu verrechnen, so dass als geschuldeter Kaufpreis die in Ziffer 2.1 und 2.2 genannten Positionen verbleiben. Die Parteien stellen klar, dass der nach vorstehender Ermittlung festzulegende und vom Käufer zu zahlende Kaufpreis als Minimum 1 € beträgt, also nicht negativ sein kann.

Zur Sicherung des Anspruchs des Angebotsempfängers auf Übertragung des Eigentums an den Grundstücken bewilligte die Gemeinde in der Urkunde die Eintragung einer Vormerkung gemäß § 883 BGB. Zudem vereinbarten die Vertragsparteien die Eintragung von Dienstbarkeiten, unter anderem einer Nutzungsdienstbarkeit mit folgendem Inhalt:

Der jeweilige Eigentümer des dienenden Grundstücks ist verpflichtet, die Benutzung des Hallenbades durch die Öffentlichkeit zu dulden.

Die Bestellung und Ausübung der Dienstbarkeit erfolgt ohne vom Verkäufer zu entrichtendes Entgelt und ohne Entschädigung.

Allerdings ist die Beteiligte zu 1 als zukünftige Betreiberin des Hallenbades nach dem Vertrag nicht gehindert, von den Nutzern des Hallenbades Eintritt zu verlangen. Für die künftige Nutzung durch Schulen haben die Gemeinde und die Beteiligte zu 1 schon einen Pauschalbetrag von 100.000 € pro Jahr als Entgelt vereinbart.

Gemäß der Vereinbarung der Vertragsparteien nahm das Grundbuchamt die Eintragung der Eigentumsvormerkung für die Beteiligte zu 1 am 19.7.2011 vor. Mit selbem Datum stellte das Grundbuchamt den Kostenansatz, bei dem für die Vormerkung ein Satz von 0,5 und ein Geschäftswert von 14.515.000 € zu Grunde gelegt wurden. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1 als Schuldnerin die gerichtliche Wertfestsetzung beantragt. Sie trägt dabei vor, der Marktwert der Grundstücke sei derzeit minus 2.000.000 €. Aus einem mit dem Antrag vorgelegten Sachverständigengutachten ergibt sich eine Bewertung eines Teils der angebotenen Gründstücke mit 1.175.000 €.

Nach Anhörung des Bezirksrevisors als Vertreter der Beteiligten zu 2 wurde der Geschäftswert der Auflassungsvormerkung mit Beschluss vom 13.10.2011 auf 12.387.500 € festgesetzt. Dabei wurde der Bodenwert mit 1.175.000 € zuzüglich eines Betrags von 500.000 € hinsichtlich der mit Nachtrag vom 2.5.2011 zusätzlich angebotenen Flächen angesetzt, somit insgesamt 1.675.000 €. In Anbetracht der durch den Käufer zusätzlich übernommenen Leistung, nämlich geplanter Investitionen von 12 Mio. € in die bestehenden Gebäude wurde ein zusätzlicher Wert von 10 % dieses Betrags angesetzt, somit 1,2 Mio. €. Nach Meinung des Bezirksrevisors stellt auch die Verpflichtung des Käufers, die Benutzung des Hallenbades durch die Öffentlichkeit zu dulden, eine weitere Gegenleistung dar, für die nach § 24 Abs. 1 KostO der 25-fache Jahreswert anzusetzen sei, der in dem laut Gutachten zu erwartenden Jahresreinertrag von 876.000 € liege. Somit sei dem Bodenwert und den übernommenen Leistungen ein weiterer Betrag von 21,9 Mio. € hinzuzurechnen. Die vereinbarte Gegenleistung liege daher bei 24.775.000 €; für die Eigentumsvormerkung als bedingter Anspruch sei die Hälfte dieses Werts anzusetzen.

Gegen diesen so bestimmten Geschäftswert hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Geschäftswert auf 1.437.500 €, höchstens jedoch auf 2.587.500 € festzusetzen. So sei laut Vertrag nur die Nutzung bis 2035, also von voraussichtlich 23 Jahren vorgesehen. Die Gemeinde habe sich vor allem aber nicht die komplette Nutzung des Bades vorbehalten, sondern lediglich die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge für das Schulschwimmen. Daher könne - allenfalls - nur ein Betrag von 2,3 Mio. € hinzugerechnet werden, wenn denn diese Nutzung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz KostO tatsächlich hinzuzurechnen sei.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Das OLG hat den Bezirksrevisor zur Beschwerde angehört.

II.

Die Beschwerde ist statthaft, § 31 Abs. 3 KostO, und auch im übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert von 200 € überschritten.

Die Beschwerde ist auch im wesentlichen begründet.

Ein Verfahrensfehler ist nicht festzustellen. Insbesondere hat das Amtsgericht zu Recht die Beschwerde gegen den Kostenansatz umgedeutet in einen Antrag auf Geschäftswertfestsetzung. Richtigerweise hat darüber auch nicht der Kostenbeamte, sondern der Rechtspfleger des Grundbuchamts entschieden (siehe BayObLGZ 1974, 329/333).

Allerdings ist der Geschäftswert im Beschluss des Amtsgerichts vom 13.10.2011 zu hoch angesetzt, so dass die Beschwerde jedenfalls teilweise begründet ist.

1. Nachdem ein konkreter Kaufpreis nicht vereinbart ist (vgl. § 4 des Vertrags), sondern nur eine Berechnungsmethode hierfür, ist der Geschäftswert auch für die Eigentumsvormerkung unter Berücksichtigung dieser Vorgaben zur Berechnung nach den Grundsätzen von § 20 Abs. 1 KostO zu bemessen.

Nach dem Vertrag bestimmt sich der Kaufpreis nach dem Wert des bebauten Grundstücks bei Abschluss des Kaufvertrags im Jahr 2035. Die Vertragsparteien gehen dabei davon aus, dass außer dem reinen Bodenwert auch der Wert der Gebäude abzüglich der schon vorab aufgewandten werterhöhenden Investitionen in die Gebäude durch die Käuferin zu berücksichtigen ist.

Richtig und von der Beschwerde unbeanstandet geht das Amtsgericht - Grundbuchamt - daher bei der Bemessung des Geschäftswertes vom derzeitigen Bodenwert von 1.675.000 € aus, der auch nach dem Vertrag für die Ermittlung des Kaufpreises relevant ist. Auch ist - wie von der Beschwerde nicht beanstandet - der Wert von Leistungen, die der Käufer übernommen hat, hinzuzurechnen. Bei übernommenen Investitionen ist der Wert im Regelfall entsprechend § 30 Abs. 1 KostO zu einem gewissen Prozentsatz der Investitionssumme, üblicherweise 20 %, zu schätzen (vgl. Rohs in Rohs/Wedewer KostO Stand Nov. 2011 § 20 Rn. 9a). Nachdem die Beteiligte zu 1 selbst nach dem PPP-Vertrag 6 Mio. € investieren soll, geht das Amtsgericht zutreffend von einem dem Geschäftswert hinzuzurechnenden Betrag von 1.200.000 € aus.

2. Zur Ermittlung des Geschäftswertes kann vorliegend nicht nach § 20 Abs. 1 KostO noch ein Betrag für vorbehaltene Nutzungen hinzugerechnet werden.

Nutzungen sind dann vorbehalten im Sinne von § 20 Abs. 1 KostO, wenn sie nach der Veräußerung an sich dem Käufer zustehen, sie der Verkäufer aber weiter für sich selbst oder für Dritte bedingt (Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann KostO 18. Aufl. § 20 Rn. 16; Assenmacher/Mathias KostO 16. Aufl. Stichwort Grundstückskaufvertrag 2.4.1). Von einer solchen Nutzung ist aber nur auszugehen, wenn sie dem Verkäufer ohne entsprechende Entschädigung, also unentgeltlich oder minderentgeltlich zustehen soll (vgl. Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann § 20 Rn. 16; Rohs in Rohs/Wedewer § 20 Rn. 5).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Für die Nutzung des Hallenbades für den Schulsport zahlt die Gemeinde an die Beteiligte zu 1 jährlich 100.000 €. Eine Unentgeltlichkeit liegt daher nicht vor. Anhaltspunkte dafür, dass der Betrag €minderentgeltlich€ wäre, sind ebenfalls nicht gegeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 1 als Wirtschaftsunternehmen kostendeckend arbeiten muss und daher die Gegenleistung entsprechend vereinbaren wird.

Zwar steht der Verpflichtung der Beteiligten zu 1, die Nutzung des Hallenbades durch die Öffentlichkeit zu dulden, kein entsprechendes Entgelt durch die Verkäuferin entgegen. Andererseits ist hier zu berücksichtigen, dass die Beteiligte zu 1 für die Nutzung des Hallenbades Eintritt verlangen kann und wird. Von einer vorbehaltenen Nutzung im Sinne von § 20 Abs. 1 KostO wäre allenfalls dann auszugehen, wenn das Entgelt für die Eintritte - wie nicht - der Verkäuferin zustehen sollte.

3. Der nach § 20 Abs 1 KostO für den Vertrag vom 26.4.2011 zugrundezulegende Kaufpreis beträgt daher 2.875.000 €.

Ein Ansatz von nur 50 % dieses Geschäftswertes ist für die Eigentumsvormerkung vom Gesetz nicht vorgesehen (Hartmann Kostengesetze 41. Aufl. § 66 KostO Rn. 6). Der Abzug von 50 % ist nach § 66 KostO erst - wie auch geschehen - im Kostenansatz veranlasst.

Es hat daher bei dem vollen Wert des Grundstücks als Geschäftswert zu verbleiben, so dass die Beschwerde insofern erfolglos bleibt, als eine Geschäftswertbemessung von höchstens 2.587.000 € das Ziel war.

III.

Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 31 Abs. 5 KostO). Auslagen werden nicht erstattet.






OLG München:
Beschluss v. 19.01.2012
Az: 34 Wx 489/11


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