Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. September 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 14/00

(BPatG: Beschluss v. 25.09.2000, Az.: 10 W (pat) 14/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen das am 27. Januar 1992 angemeldete Patent P 42 24 660 dessen Erteilung am 17. März 1994 veröffentlicht worden ist und das ein Drehzahlüberwachungsgerät für Drehfeldmaschinen betrifft, ist am 15. Juni 1994 Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende hat sich zur Begründung ihres Antrags auf Widerruf des Patents wegen mangelnder Patentfähigkeit gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG auf die bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten Druckschriften DE 38 18 994 A1 (1) und EP 0 247 994 (2) gestützt und als weiteren Stand der Technik die Druckschriften DE 28 54 779 A1 (3) und DE 41 07 668 A1 (4) genannt. Sie hat ferner eine Merkmalsanlyse des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents vorgelegt, die wie folgt lautet:

1. Überwachungsgerätzur Erkennung einer Über- oder Unterschreitung eines vorgegebenen Drehzahlgrenzwerteseiner vom Netz getrennten, auslaufenden Drehfeldmaschine, deren Wicklung wenigstens zwei mit insgesamt drei Leitern verbundene Stränge aufweist, so daß an den Leitern die jeweilige Drehzahl der auslaufenden Drehfeldmaschine kennzeichnende Signale anliegen.

2. Das Überwachungsgerät besitzt eine zweikanalige Auswerteschaltung mit einem ersten und einem zweiten Kanal.

2.1. Die Kanäle besitzen jeweils zwei erdfreie Eingänge.

2.2. Die Kanäle besitzen jeweils einen Kanalausgang.

3. Die Eingänge des ersten und zweiten Kanals sind jeweils mit zwei Leitern verbunden.

4. Der betreffende Kanalausgang gibt ein Binärsignal ab, das dann einen Arbeitswert annimmt, wenn das an dem entsprechenden Eingang anliegende von der auslaufenden Drehfeldmaschine erzeugte Signal einen vorgegebenen Grenzwert unterschreitet und das ansonsten einen Ruhewert annimmt.

5.1. Es ist eine zweikanalige Verknüpfungsschaltung vorgesehen, welche die Binärsignale verknüpft und deren zwei Eingänge an die Kanalausgänge angeschlossen sind.

5.2. Die Verknüpfungsschaltung gibt ein das Über- bzw. Unterschreiten der Grenzdrehzahl kennzeichnendes Ausgangssignal ab, wenn die Binärsignale innerhalb eines Zeitfensters von ihrem Ruhe- auf ihren Arbeitswert gewechselt sind.

Der Beginn des Zeitfensters ist durch den Wechsel des Binärsignales in einem der Kanäle von dem Ruhe- auf den Arbbeitswert festgelegt.

Die Einsprechende hat ausgeführt, daß ein Überwachungsgerät mit einer zweikanaligen Auswerteschaltung gemäß den Merkmalen 1 und 2 aus der in der Beschreibungseinleitung Sp 1 Z 1-16 des angegriffenen Patents genannten Druckschrift (1) bekannt sei. Auch die dem angegriffenen Patent zugrundeliegende und durch die Merkmale 3, 4 und 5.1 der Merkmalsanalyse verwirklichte Idee, die in den Kanälen zu verarbeitenden Signale unmittelbar aus der durch den Remanzenzmagnetismus in der auslauenden Drehfeldmaschine erzeugten Spannung abzuleiten, sei bereits aus der Druckschrift (2) bekannt. Dies habe das Patentamt bereits in seinem Prüfungsbescheid vom 11. Februar 1993 ausgeführt und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 im Hinblick auf die beiden Druckschriften verneint. Die in einer Anhörung hiergegen vorgebrachten Einwände der Patentinhaberin und damaligen Anmelderin gingen aus dem Protokoll zwar nicht hervor. Nach der patentamtlichen Beurteilung in dem Prüfungsbescheid sei aber jedenfalls davon auszugehen, daß die Patentfähigkeit nur in der Kombination der Merkmale 1 bis 5.1 mit dem Zeitfenster gemäß Merkmal 5.2. liegen könne. Dieses Merkmal sei jedoch der bisher nicht berücksichtigten DE 28 54 779 A1 (3) zu entnehmen, die in dem Oberbegriff des Anspruchs 1 eine elektronische Schaltungsordnung zum Auswerten von wenigstens zwei innerhalb einer vorgegebenen Zeit wechselnder Signale und damit ebenfalls ein Zeitfenster betreffe. Die Übernahme dieses Merkmals in ein Überwachungsgerät mit den Merkmalen 1 bis 5.1. stelle keine erfinderische Leistung dar. Darüberhinaus sei der Gegenstand des angegriffenen Patents durch die nachveröffentlichte ältere Anmeldung DE 41 07 668 A1 (4) neuheitsschädlich vorweggenommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Einsprechenden wird auf den Inhalt der Einspruchsschrift verwiesen.

Die Patentinhaberin hat demgegenüber vorgetragen, daß der Einspruch wegen mangelnder Substantiierung unzulässig sei.

Durch Beschluß vom 8. Dezember 1999 hat das Patentamt - Patentabteilung 32 - den Einspruch als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, daß die Einsprechende in bezug auf das Zeitfenstermerkmal lediglich auf den Oberbegriff des Anspruchs 1 der Druckschrift (3) verwiesen habe. Diese Textstelle enthalte jedoch nur Angaben allgemeiner Art. Die Einsprechende habe es daher der Patentabteilung überlassen, den technischen Zusammenhang zwischen den Einzelheiten des patentgemäßen Zeitfenstermerkmals nach Ziff 5.2 und der von ihr genannten sehr umfangreichen Druckschrift herzustellen. Auch zur fehlenden Neuheit gegenüber der Druckschrift (4) enthalte der Einspruch keine Angaben darüber, wo die einzelnen Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 in dieser komplexen Entgegenhaltung zu finden seien.

Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde macht die Einsprechende geltend, daß sie hinsichtlich der Merkmale 1 bis 5.1. auf die sowohl für die Patentinhaberin als auch die Patentabteilung nachvollziehbaren Ausführungen in dem Prüfungsbescheid des Patentamts vom 11. Februar 1993 habe Bezug nehmen dürfen. Es sei daher nur auf das bisher druckschriftlich nicht nachgewiesene Zeitfenstermerkmal gemäß Ziff. 5.2 der Merkmalsanalyse einzugehen gewesen. Insoweit habe sie im einzelnen dargelegt, daß dieses Merkmal bereits durch die in dem Oberbegriff der Druckschrift (3) genannte Schaltungsanordnung verwirklicht sei. Ebenso habe sie die mangelnde Neuheit gegenüber der Druckschrift (4) durch Einzelvergleich der Merkmale in nachvollziehbarer Weise begründet.

Die Einprechende beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Sie regt die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, daß die Einsprechende nicht aufgezeigt habe, wo die einzelnen Merkmale des Gegenstandes des Anspruchs 1 in den von ihr genannten Entgegenhaltungen zu finden seien. Insbesondere habe die Patentabteilung hinsichtlich des Zeitfenstermerkmals 5.2. den pauschalen, sich nicht mit den einzelnen Elementen dieses Merkmals befassenden Verweis der Einsprechenden auf den Oberbegriff der Druckschrift (4) als unzureichend erachtet.

II Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Patentabteilung hat den Einspruch im Ergebnis zu Recht als unzulässig erachtet, weil er nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden ist.

Nach § 59 Abs. 1 Satz 4 und 5 PatG sind die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im einzelnen anzugeben. Diese Voraussetzung ist nur dann erfüllt, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, daß der Patentinhaber und das Patentamt aus dieser Darlegung abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (BGH GRUR 1972, 592 "Sortiergerät"; 1987, 513 "Streichgarn"; 1988, 364 "Epoxidationsverfahren").

Diesen Anforderungen an die Begründungspflicht wird der Einspruch nicht gerecht. Die Ausführungen der Einsprechenden zur fehlenden erfinderischen Tätigkeit des in der Merkmalsanalyse zutreffend wiedergegebenen Gegenstandes des Anspruchs 1 stellen allenfalls hinsichtlich eines Teils der Anspruchsmerkmale einen nachvollziehbaren Zusammenhang zu den Druckschriften DE 38 18 994 A1 (1), EP 0 247 994 (2) und DE 28 54 779 A1 (3) her. Sie lassen weder erkennen, welche in den Entgegenhaltungen offenbarten Elemente der Funktion der patentgemäßen Merkmale entsprechen sollen noch worin die Übereinstimmung mit diesen Merkmalen in ihrer Gesamtheit gesehen wird (vgl auch BGH BlPMZ 1988, 289 "Meßdatenregistrierung").

Der Vortrag der Einsprechenden, daß die in dem Oberbegriff des Anspruchs 1 der Druckschrift (3) offenbarte Schaltungsanordnung zum Auswerten von zwei innerhalb einer vorgegebenen Zeit wechselnden Signalen ihrer Ansicht nach einem Zeitfenster mit Binärsignalen gemäß der Definition des Merkmals 5.2. des Patentgegenstandes entspricht, mag zwar als noch ausreichend substantiiert anzusehen sein. Ob diese Ansicht tatsächlich zutrifft, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Einspruchs (vgl BGH GRUR 1978, 99 "Gleichstromfernspeisung"; 1985, 371 "Sicherheitsvorrichtung"). Nach Ansicht des Senats ist die Patentabteilung mit ihren detaillierten Ausführungen, weshalb der von der Einsprechenden genannten Textstelle ein Zeitfenster mit den Funktionen des Merkmals 5. 2 des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents nicht zu entnehmen ist, bereits in die Prüfung der Begründetheit des Einspruchs eingetreten.

Ungeachtet dieser Frage läßt der Vortrag der Einsprechenden aber jedenfalls hinsichtlich der übrigen Merkmale 1 bis 5.1 - die von der Patentabteilung aus ihrer Sicht nicht mehr zu erörtern waren - eine Auseinandersetzung mit dem Stand der Technik im einzelnen vermissen. Die Einsprechende hat sich insoweit die Ausführungen des Patentamts in dem Prüfungsbescheid vom 11. Februar 1993 zu eigen gemacht. Die Bezugnahme auf einen Prüfungsbescheid kann die zur Begründung des Einspruchs erforderliche Angabe von Tatsachen jedoch nur dann ersetzen, wenn in dem Bescheid seinerseits der technische Zusammenhang zwischen den ermittelten Veröffentlichungen und dem Gegenstand des angegriffenen Patents insgesamt dargelegt worden ist. Die vorläufige pauschale Bewertung von Druckschriften durch die Prüfungsstelle und der hieraus gezogene Schluß auf die mangelnde Patentfähigkeit der Anmeldung versetzen für sich betrachtet - ohne Kenntnis der in einer Anhörung des Anmelders vor der Prüfungsstelle erörterten Gesichtspunkte - den Patentinhaber und die Patentabteilung nicht in die Lage, die behauptete Schutzunfähigkeit ohne weitere eigene Ermittlungen zu überprüfen.

Diese Beurteilung steht entgegen der Ansicht der Einsprechenden nicht in Widerspruch zu den Grundsätzen der "Sicherheitsvorrichtung"-Entscheidung (BGH GRUR 1985, 372). Der Bundesgerichtshof hat dort lediglich zum Ausdruck gebracht, daß den Einsprechenden bezüglich einer Druckschrift, die im Prüfungsverfahren als patenthindernd berücksichtigt worden ist, keine erhöhten, in den Bereich der Schlüssigkeit reichenden Anforderungen an die Begründungspflicht treffen. Damit ist der Einsprechende jedoch nicht seiner Verpflichtung enthoben worden, zu einem von der Prüfungsstelle ermittelten Stand der Technik im einzelnen Stellung zu nehmen, sofern dies nicht bereits in dem Prüfungsbescheid geschehen ist.

Ausgehend hiervon kann der Inhalt des Prüfungsbescheides den behaupteten Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Patentanspruchs 1 nicht durch ausreichende Tatsachen stützen. Es ist dort insbesondere nicht zu den Merkmalen 2.1, 4 und 5.1 Stellung genommen und angegeben, wo diese Merkmale in den Druckschriften (1) und (2) verwirklicht sind. Die Prüfungsstelle hat sich lediglich mit den diesen Druckschriften zugrundeliegenden Lösungsprinzipien befaßt und ausgeführt, daß es naheliegend sei, die aus Druckschrift (2) bekannte Einrichtung, bei der das Signal zur Feststellung des Stillstandes eines Elektromotors unmittelbar aus der durch den Remanzmagnetismus des Motors erzeugten Spannung abgeleitet werde, redundant mit einer zweikanaligen Auswerteschaltung auszugestalten. Sie hat jedoch nicht im einzelnen angegeben, wo die in zahlreiche Untermerkmale gegliederten Merkmale des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents in ihrer patentgemäßen Funktion in den Druckschriften (1) und (2) verwirklicht sind. Damit bleibt es der Patentinhaberin und der Patentabteilung überlassen, diese Merkmale selbst aus den Druckschriften zusammenzusuchen, um sich auf diese Weise die erforderliche Grundlage für die Beurteilung zu schaffen, ob der behauptete Mangel der erfinderischen Tätigkeit vorliegt. Die Einsprechende hat auch nicht dargelegt, daß und gegebenenfalls weshalb die Merkmale, die in dem Prüfungsbescheid nicht im einzelnen erörtert worden sind, für den Fachmann selbstverständlich auf der Hand liegen und daher auch ohne Bezug auf konkrete Textstellen im Stand der Technik als bekannt vorausgesetzt werden können.

Auch die mangelnde Neuheit des angegriffenen Patents gegenüber der gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 PatG als Stand der Technik zu berücksichtigenden nachveröffentlichten DE 41 07 668 A1 (4) hat die Einsprechende nicht durch eine ausreichende Gegenüberstellung der Merkmale dargelegt. Sie hat zwar - ungeachtet der Richtigkeit ihres Vortrags - nachvollziehbar ausgeführt, daß das Sicherheitsschaltgerät nach der Druckschrift (4) dem patentgemäßen Überwachungsgerät entspreche und daß die signalerzeugenden Sensoren des Sicherheitsschaltgeräts gemäß (4) den Signale erzeugenden Wicklungen des Patentgegenstandes gleichstünden. Im übrigen hat sie sich jedoch auf eine Aufzählung von Merkmalen mit Bezugszeichen aus der Druckschrift (4) beschränkt, die den Merkmalen des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents entsprechen sollen, ohne aufzuzeigen, wo in der umfangreichen Druckschrift (4) diese Merkmale zu finden sind, insbesondere wo eine zweikanalige Auswerteschaltung 3, 3' verwirklicht ist, an deren Ausgängen sich Sensoren, dh Leiter im Sinne der Ziff. 3 der Merkmalsanalyse, befinden und durch welche Textstelle oder in welcher der komplexen Figuren das Merkmal 5.1. offenbart ist. Auch insoweit durfte es die Einsprechende nicht der Patentabteilung und der Patentinhaberin überlassen, die Druckschrift (4) daraufhin zu untersuchen, ob die Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs 1 des angegriffenen Patents dort verwirklicht ist. Der Einspruch erweist sich daher als formal unvollständig.

Für die Zulassung der von der Einsprechenden angeregten Rechtsbeschwerde bestand kein Anlaß, weil die Entscheidung in Einklang mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den Anforderungen an die Begründung von Einsprüchen ergangen ist und die Voraussetzungen des § 100 Abs. 2 PatG daher nicht vorliegen.

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BPatG:
Beschluss v. 25.09.2000
Az: 10 W (pat) 14/00


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