Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Oktober 2002
Aktenzeichen: 10 W (pat) 2/02

(BPatG: Beschluss v. 10.10.2002, Az.: 10 W (pat) 2/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 01 N des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Oktober 2001 insoweit aufgehoben, als der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen worden ist.

Die Rückzahlung der Gebühr für die Beschwerde vom 20. September 2001 wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Anmelderin reichte am 14. Oktober 1997 eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Aufbaustruktur für NOX-Sensoren" ein. In dem antragsgemäß erlassenen Prüfungsbescheid vom 1. Oktober 1998 erhielt sie eine Äußerungsfrist von drei Monaten. Sie beantragte daraufhin am 6. November 1998 und - nach einer weiteren Aufforderung des Patentamts, eine Stellungnahme abzugeben - am 28. Dezember 1999 Verlängerung der Äußerungsfrist bis zur Erledigung der europäischen Patentanmeldung. In beiden Fristverlängerungsanträgen teilte die Anmelderin dem Patentamt mit, dass sie von der Gewährung der Fristverlängerung ausgehe, wenn keine anderslautende Meldung erfolge. Auf beiden Verlängerungsanträgen verfügte der zuständige Prüfer Fristverlängerungen zunächst bis zum 17. November 1998, dann bis zum 11. Januar 2000. Der hierzu von ihm verwendete Stempel enthält unter "2." Wahlmöglichkeiten für die Benachrichtigung des Antragstellers, ohne dass der Prüfer hier eine dieser Möglichkeiten angekreuzt hätte. Einen Erledigungsvermerk enthalten die Verfügungen nicht.

Mit Beschluss vom 17. August 2001 wies das Patentamt die Anmeldung gemäß § 48 PatG zurück. Gegen diese Zurückweisung legte die Anmelderin rechtzeitig Beschwerde ein mit dem Antrag, das Verfahren fortzusetzen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen. Sie machte geltend, die Zurückweisung der Anmeldung sei überraschend erfolgt und dadurch das rechtliche Gehör verletzt.

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2001 half das Patentamt der Beschwerde mit der Begründung ab, die Anmelderin habe den Prüfungsbescheid nunmehr mit einer sachlichen Eingabe beantwortet. Dagegen lehnte es die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ab, weil innerhalb der bis 7. Dezember 2000 verlängerten Frist keine Eingabe zur Akte gelangt sei.

Gegen den zurückweisenden Teil dieses Beschlusses richtet sich die vorliegende Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, sie habe von einer Fristverlängerung bis 7. Dezember 2000 keine Kenntnis erlangt.

Sie beantragt, den patentamtlichen Beschluss insoweit aufzuheben und die Gebühr für die Beschwerde vom 20. September 2001 zurückzuzahlen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und den an das Patentamt gerichteten Schriftsatz der Anmelderin vom 20. September 2001 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Patentamt hat zu Unrecht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr verweigert (§ 73 Abs 4 Satz 2 PatG aF).

1. Die am 21. November 2001 eingegangene Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt (§ 73 Abs 2 Satz 1 PatG) und - da damals noch gebührenfrei (nach dem Patentkostengesetz, das aber erst seit 1. Januar 2002 gilt, wäre die Beschwerde gebührenpflichtig) - insgesamt zulässig.

2. Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss vom 16. Oktober 2001 insoweit, als die Rückzahlung der Gebühr für die Beschwerde gegen den die Anmeldung zurückweisenden Beschluss vom 17. August 2001 abgelehnt worden ist.

Nach § 73 Abs 4 Satz 2 PatG aF (nach neuem Recht § 73 Abs 3 Satz 2 PatG) kann die Stelle, deren Beschluss angefochten ist, mit der Abhilfe die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anordnen. Die Rückzahlung ist anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das ist der Fall, wenn die Beschwerde bei sachgemäßer Behandlung durch das Patentamt vermeidbar gewesen wäre. Eine Rückzahlung kommt insbesondere auch bei Vorliegen von Verfahrensmängeln in Betracht, wobei der Verfahrensmangel für die Erhebung der Beschwerde ursächlich gewesen sein muss (vgl Busse, Patentgesetz, 5. Aufl, § 73 Rn 132; § 80 Rn 95, 97 ff jeweils mit Nachweisen).

Ein derartiger Verfahrensmangel ist hier gegeben. Das Patentamt hat eine überraschende Entscheidung getroffen und damit das rechtliche Gehör der Anmelderin verletzt, da es seiner die Anmeldung zurückweisenden Entscheidung eine der Anmelderin gesetzte Frist bis 7. Dezember 2000 zugrunde gelegt hat, ohne ihr diese Fristsetzung mitgeteilt zu haben.

Die Anmelderin hatte in beiden Fristverlängerungsgesuchen angegeben, sie gehe mangels entgegenstehender Mitteilungen von der Gewährung einer stillschweigenden Fristverlängerung bis zum Abschluss des europäischen Verfahrens aus. Die Verfahrensweise der "stillschweigenden Fristverlängerung" ist üblich und entspricht der Praxis des Patentamts, wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt ist. Der Anmelderin ist auf ihre Fristverlängerungsgesuche offensichtlich kein von dieser Amtspraxis abweichender Sachverhalt, insbesondere keine konkrete Fristsetzung, mitgeteilt worden. Dazu bestand hier schon deshalb Veranlassung, weil die Anmelderin selbst kein bestimmtes Fristende genannt hatte, sondern unbestimmt die Frist bis zur Erledigung des europäischen Anmeldeverfahrens erstreckt haben wollte. Die Stempelaufdrucke auf den Fristgesuchen enthalten zwar Fristsetzungen bis 4. November 1999 bzw 7. Dezember 2000. Aus den Akten ergibt sich aber nicht, dass die Anmelderin über diese Fristsetzungen auch informiert worden wäre. Denn die zweite Zeile in der Stempel-Verfügung, die die Art der Weiterleitung der Fristsetzung betrifft, ist vom Patentamt in beiden Fällen nicht ausgefüllt bzw abgehakt worden. Mangels einer konkreten Fristsetzung durfte die Anmelderin somit darauf vertrauen, dass das Patentamt mit seiner Entscheidung entweder bis zum Abschluss des europäischen Verfahrens warten oder ihr aber eine konkrete Fristsetzung mitteilen würde. Dies gilt umso mehr, als das Patentamt die Anmelderin mit Bescheid vom 7. Dezember 1999, also etwa ein Jahr nach Eingang des ersten Fristgesuchs vom 6. November 1998, zur Beantwortung des Prüfungsbescheids aufgefordert und damit die oben genannte Amtspraxis bestätigt hat. Auch deshalb durfte die Anmelderin darauf vertrauen, dass das Patentamt sie, nachdem ihr zweites Fristverlängerungsgesuch eingegangen war, vor Zurückweisung der Anmeldung erneut zur Abgabe einer Stellungnahme auffordern würde.

Vor diesem Hintergrund ist die Zurückweisung der Anmeldung, ohne die Anmelderin über die nur amtsintern angenommene Frist zu informieren, verfrüht und wegen Überraschungswirkung verfahrensfehlerhaft. Dieser Verfahrensfehler hat ursächlich zur Einlegung der Beschwerde geführt, so dass die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist.

Schülke Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 10.10.2002
Az: 10 W (pat) 2/02


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