Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Dezember 2009
Aktenzeichen: 35 W (pat) 451/08

(BPatG: Beschluss v. 01.12.2009, Az.: 35 W (pat) 451/08)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

2.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 25. Februar 2003 beim Deutschen Patentund Markenamt angemeldeten und am 18. August 2005 unter der Bezeichnung

"Kettengetriebener Holzhäcksler, Schredder oder Häcksler/Schredderkombination"

in die Rolle eingetragenen Gebrauchsmusters, für das der Zeitrang der Anmeldung GB 0204518 vom 26. Februar 2002 in Anspruch genommen wurde. Es umfasst in der eingetragenen Fassung 13 Schutzansprüche, von denen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Holzhäcksler, Schredder für Unterholz oder kombinierter Holzhäcksler und Schredder für Unterholz (10) mit einem Körper (12), einer ersten kettenlegenden Anordnung (12) und einer zweiten kettenlegenden Anordnung (28), wobei jede kettenlegende Anordnung von einem jeweiligen Arm (32, 34) getragen ist, wobei die Arme beweglich an dem Körper befestigt sind, und Betätigungseinrichtungen (36, 36a, 38, 38a) zur Bewegung der jeweiligen Arme, um die jeweiligen kettenlegenden Anordnungen bezüglich des Körpers zu bewegen, wobei die Bewegung der Anordnungen relativ zum Körper derart ist, dass die Bodenfreiheit des Körpers und der Abstand zwischen den kettenlegenden Anordnungen einstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Arm relativ zu einer fiktiven horizontalen Ebene des Körpers in einem Winkel imBereich von 10-60 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene angeordnet ist."

Wegen des Wortlauts der auf Anspruch 1 rückbezogenen Schutzansprüche 2 bis 13 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 4. September 2006 die vollständige Löschung des Gebrauchsmusters wegen fehlender Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG beantragt.

Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat die Gebrauchsmusterinhaberin beantragt das Gebrauchsmuster im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 1 vom 25. Mai 2007, beziehungsweise im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 2 vom 25. Mai 2007 aufrechtzuerhalten. Mit Beschluss vom 26. Mai 2008 hat die Gebrauchsmusterabteilung I das Streitgebrauchsmuster gelöscht. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, dass sich der verteidigte Schutzgegenstand vom entgegengehaltenen Stand der Technik nur dadurch unterscheide, dass für die Anordnung jedes Arms ein unveränderlicher Winkel innerhalb des Bereichs von 10-60 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene vorgegeben sei. Da dem Fachmann jedoch bekannt sei, dass für eine gleichzeitige Verstellung von Bodenfreiheit und Spurweite die Arme nicht parallel zur Fahrzeuglängsachse ausgerichtet sein dürften, sondern einen Winkel mit dieser einschließen müssten, beruhe dieser Merkmalsunterschied nicht auf einem erfinderischen Schritt. Auch die teleskopische Verschiebung eines Arms sei aus dem Stand der Technik bekannt, so dass die Hinzunahme dieses Merkmals ebenfalls keinen erfinderischen Schritt zu begründen vermöge.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Gebrauchsmusterinhaberin.

Die Gebrauchsmusterinhaberin verfolgt ihr Schutzbegehren mit den mit Schriftsatz vom 25. Mai 2007 vorgelegten Hilfsanträgen 1 und 2 weiter. Der Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 lautet:

"1. Holzhäcksler, Schredder für Unterholz oder kombinierter Holzhäcksler und Schredder für Unterholz (10) mit einem Körper (12), einer ersten kettenlegenden Anordnung (12) und einer zweiten kettenlegenden Anordnung (28), wobei jede kettenlegende Anordnung von einem jeweiligen Arm (32, 34) getragen ist, wobei die Arme beweglich an dem Körper befestigt sind, und Betätigungseinrichtungen (36, 36a, 38, 38a) zur Bewegung der jeweiligen Arme, um die jeweiligen kettenlegenden Anordnungen bezüglich des Körpers zu bewegen, wobei die Bewegung der Anordnungen relativ zum Körper derart ist, dass die Bodenfreiheit des Körpers und der Abstand zwischen den kettenlegenden Anordnungen einstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Armrelativ zu einer fiktiven horizontalen Ebene des Körpers in einem Winkel im Bereich von 1060 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene angeordnet ist, wobei die Arme (32, 34) an dem Körper (12) in einer verschieblichen Art und Weise befestigt sind, um die Bewegung zu bewirken."

Anspruch 1 der verteidigten Fassung nach Hilfsantrag 2 lautet:

"1. Holzhäcksler, Schredder für Unterholz oder kombinierter Holzhäcksler und Schredder für Unterholz (10) mit einem Körper (12), einer ersten kettenlegenden Anordnung (12) und einer zweiten kettenlegenden Anordnung (28), wobei jede kettenlegende Anordnung von einem jeweiligen Arm (32, 34) getragen ist, wobei die Arme beweglich an dem Körper befestigt sind, und Betätigungseinrichtungen (36, 36a, 38, 38a) zur Bewegung der jeweiligen Arme, um die jeweiligen kettenlegenden Anordnungen bezüglich des Körpers zu bewegen, wobei die Bewegung der Anordnungen relativ zum Körper derart ist, dass die Bodenfreiheit des Körpers und der Abstand zwischen den kettenlegenden Anordnungen einstellbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass jeder Arm relativ zu einer fiktiven horizontalen Ebene des Körpers in einem Winkel im Bereich von 10-60 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene angeordnet ist, wobei die Arme (32, 34) an dem Körper (12) in einer teleskopisch verschieblichen Art und Weise befestigt sind, um die Bewegung zu bewirken."

Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 gemäß Hilfsantrag 1 sowie der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 gemäß Hilfsantrag 2 wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Beschwerde unzulässig sei, da die Beschwerde der Gebrauchsmusterinhaberin nicht gegen die Zurückweisung der von ihr im erstinstanzlichen Verfahren verteidigten Hilfsanträge 1 und 2 gerichtet sei, sondern gegen die Zurückweisung von Anträgen, die sie im erstinstanzlichen Verfahren zwar vorgelegt, aber nicht weiter verfolgt habe, so dass keine Beschwer vorliege. Ferner macht sie geltend, dass der im jeweiligen Schutzanspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 beschriebene Holzhäcksler, Schredder für Unterholz oder kombinierte Holzhäcksler und Schredder nicht schutzfähig sei. Zur Begründung beruft sie sich insbesondere auf folgende Unterlagen:

A5 WO 92/10390 A1 A6 DE 94 06 572 U1 A16 US 3 502 165 A18b JP-A-2000-335457 (Computergestützte Übersetzung)

und führt aus, dass der beanspruchte Gegenstand zum einen vom Inhalt der Druckschrift A5 neuheitsschädlich vorweggenommen werde. Zum anderen ergebe sich der Gegenstand nach Ansicht der Antragstellerin für den Fachmann aus den Angaben in der Druckschrift A18b bzw. aus einer Zusammenschau der Druckschriften A6 und A16 in naheliegender Weise. Darüber hinaus hat die Antragstellerin Beweis für eine offenkundige Vorbenutzung des im jeweiligen Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 und 2 beschriebenen Holzhäckslers durch den Bau eines Holzhäcklers mit dem in der Konstruktionszeichnung A19 gezeigten Fahrwerk, der sämtliche Merkmale des Häckslers gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 verwirkliche und vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters an die Firma M... geliefert worden sei, durch Einvernahme von Herrn H... als Zeugen angeboten. Die Offenkundigkeit der Vorbenutzung sei nach Ansicht der Antragstellerin gegeben, da Produktion und Lieferung des Holzhäckslers ohne Geheimhaltungsverpflichtung erfolgt sei.

Die Antragstellerin beantragt, 1.

Die Beschwerde zu verwerfen.

2.

Die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Gebrauchsmusterinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Löschungsantrag im Umfang des Hilfsantrags 1 bzw. des Hilfsantrags 2, jeweils eingereicht mit Schriftsatz vom 25. Mai 2007, zurückzuweisen.

Die Gebrauchsmusterinhaberin tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen. Die Zulässigkeit der Beschwerde sei ihrer Ansicht nach gegeben, da den von ihr im erstinstanzlichen Verfahren zuletzt verteidigten Ansprüchen im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I ein falsches Datum zugeordnet worden sei, welches sie in ihrem Beschwerdeschriftsatz nur deshalb übernommen habe, um Konformität mit dem Beschluss herzustellen. Ihre Beschwerdebegründung lasse jedoch keinen Zweifel daran, dass diese auf die im erstinstanzlichen Verfahren verteidigten Ansprüche, welche die Gebrauchsmusterabteilung I mangels Schutzfähigkeit abgelehnt habe, gerichtet sei. Sie bestreitet ferner die Neuheitsschädlichkeit der Entgegenhaltung A5 und das Fehlen eines erfinderischen Schritts im Hinblick auf die Entgegenhaltungen A18 bzw. A6 und A16. Darüber hinaus bestreitet sie, dass ein Holzhäcksler in der Ausbildung des jeweiligen Schutzanspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.

Zum weiteren Vorbringen der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Der Senat hat zu der von der Antragstellerin behaupteten offenkundigen Vorbenutzung gemäß Beweisbeschluss vom 1. Dezember 2009 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Herrn H.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 1. Dezember 2009 verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Gebrauchsmusterinhaberin ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet, da der geltend gemachte Löschungsgrund der fehlenden Schutzfähigkeit (§ 15 (1) Nr. 1 GebrMG) besteht. Der Löschungsantrag ist mithin begründet.

Eine Beschwer liegt vor, da die im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I zitierten Ansprüche eindeutig erkennen lassen, dass von der Gebrauchsmusterinhaberin im erstinstanzlichen Verfahren die Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 2 mit Datum vom 25. Mai 2007 verteidigt worden sind und nicht die im Beschluss irrtümlich genannten Anspruchsfassungen aus dem Schriftsatz vom 26. März 2008, die von der Gebrauchsmusterinhaberin im erstinstanzlichen Verfahren zwar vorgelegt, aber nicht weiter verfolgt wurden. Zudem nimmt die Gebrauchsmusterinhaberin in ihrer Beschwerdebegründung auf die im Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I genannte Begründung Bezug und macht damit deutlich, dass sich ihre Beschwerde gegen die Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung I richtet, von der festgestellt wurde, dass die verteidigten Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 vom 25. Mai 2007 als schutzunfähig zu erachten sind. Folglich ist die Zulässigkeit der Beschwerde anzuerkennen.

1.

Das Streitgebrauchsmuster betrifft kettengetriebene Häcksler, Schredder oder Häcksler/Schredderkombinationen, die auf ihren Ketten zur jeweiligen Schnittstelle gefahren werden können und daher kein Zugfahrzeug benötigen, wie dies bei konventionellen, hängergezogenen Häckslern/Schreddern der Fall ist. Für den Einsatz im unebenen Gelände sind die bekannten kettengetriebenen Häcksler/Schredder auf beiden Seiten des Häckslerkörpers mit kettenlegenden Anordnungen versehen, die gleitfähig auf horizontalen Schienen angeordnet sind. Befindet sich der Häcksler auf abschüssigem Terrain, drückt ein hydraulischer Stempel die Ketten relativ zum Körper nach außen, um dem Häcksler/Schredder eine zusätzliche laterale Stabilität zu verleihen. Nachteilig an diesem Häcksler/Schredder ist allerdings, dass durch die kettenlegenden Anordnungen mit den hydraulischen Stempeln sowie den horizontalen Schienen am Körper, die Bodenfreiheit des Häckslers/Schredders begrenzt und dadurch dessen Einsatz auf groben und unebenen Böden erschwert wird (vgl. Streitgebrauchsmuster, Abs. [0002] und [0003]).

2.

Davon ausgehend liegt dem Streitgebrauchsmuster die Aufgabe zugrunde, einen verbesserten Holzhäcksler, Schredder oder eine verbesserte Häcksler-Schredderkombination der eingangs genannten Art auszubilden (vgl. Streitgebrauchsmuster, Abs. [0005]).

Gelöst werden soll die Aufgabe mit einem Holzhäcksler, einem Schredder für Unterholz oder einem kombinierten Holzhäcksler und Schredder für Unterholz gemäß Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 mit folgenden Merkmalen:

1.

mit einem Körper (12), 2.

mit einer ersten kettenlegenden Anordnung (26) und einer zweiten kettenlegenden Anordnung (28), 2.1 wobei jede kettenlegende Anordnung von einem jeweiligen Arm (32, 34) getragen ist, 2.1.1 wobei die Arme beweglich an dem Körper befestigt sind, und Betätigungseinrichtungen (36, 36a, 38, 38a) zur Bewegung der jeweiligen Arme, um die jeweiligen kettenlegenden Anordnungen bezüglich des Körpers zu bewegen und 2.1.2 jeder Arm relativ zu einer fiktiven horizontalen Ebene des Körpers in einem Winkel im Bereich von 10-60 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene angeordnet ist, 2.1.3 wobei die Arme (32, 34) an dem Körper (12) in einer verschieblichen Art und Weise befestigt sind, um die Bewegungen zu bewirken und 3.

wobei die Bewegung der Anordnungen relativ zum Körper derart ist, dass die Bodenfreiheit des Körpers und der Abstand zwischen den kettenlegenden Anordnungen einstellbar ist.

Die Aufgabe wird ferner durch einen Holzhäcksler, einen Schredder für Unterholz oder einen kombinierten Holzhäcksler und Schredder für Unterholz gemäß Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 gelöst, der die Merkmale des Gegenstands nach Hilfsantrag 1 aufweist mit dem einzigen Unterschied, dass die im Merkmal 2.1.3 genannte verschiebliche Art und Weise, in der die Arme (32, 34) am Körper (12) befestigt sind, bei diesem als teleskopisch verschieblich definiert ist.

3.

Der maßgebende Fachmann ist ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger praktischer Erfahrung und speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Entwicklung von Fahrwerken für geländegängige Nutzfahrzeuge. Zudem sind ihm die Anforderungen, die an einen selbstfahrenden und für unwegsames Gelände geeigneten Holzhäcksler gestellt werden, bekannt.

4.

Die in den Schutzansprüchen 1 der Hilfsanträge 1 und 2 beschriebenen Gegenstände sind nicht schutzfähig, da sie gegenüber dem aufgrund nachgewiesener offenkundiger Vorbenutzung zu berücksichtigenden Stand der Technik nicht neu sind.

4.1 Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der von der Antragstellerin beschriebene Holzhäcksler mit dem im Dokument 19 gezeigten Fahrwerk vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Der Zeuge Herr H..., seit 1986 Mitarbeiter der Antragstellerin und im Unternehmen derzeit als Geschäftsführer der Jensen Service GmbH tätig, hat ausgesagt, dass er im Jahr 1993 an der Konstruktion des von der Firma M... in Auftrag gegebenen Holzhäckslers mit dem im Dokument 19 gezeigten Unterbau beteiligt war. Der Zeuge hat bekundet, dass ein Prototyp dieses Häckslers in der Firma J..., die zum damaligen Zeitpunkt unter dem Namen P... GmbH & Co. KG firmierte, gebaut und an die Firma M... geliefert wurde. Zur Frage, ob zwischen der Firma Jensen und der Firma M... eine Geheimhaltungsvereinbarung getroffen worden sei, konnte der Zeuge keine Aussage machen. Der Zeuge H... hat jedoch bekundet, dass ihm eine solche Geheimhaltungsvereinbarung in Verbindung mit dem für die Firma M... gebauten Häcksler nicht bekannt geworden ist, obwohl er in die Verhandlungen mit der Firma M... involviert war. Nach Aussage des Zeugen H... wurden von der Firma J... auch keinerlei Maßnahmen ergriffen, die auf eine solche Geheimhaltungsvereinbarung hingewiesen hätten. Anhand von Photographien schildert der Zeuge, dass der im Auftrag der Firma M... gebaute Häcksler zum Zwecke von Fotoaufnahmen auf dem Firmengelände der Firma J... gut sichtbar und im nicht abgedeckten Zustand vor den Produktionshallen aufgestellt wurde. Diese Aufstellung des Häckslers auf dem Firmengelände der Antragstellerin hat die nicht zu entfernte Möglichkeit eröffnet, dass beliebige Dritte, wie etwaige Kunden der Firma J... und damit auch Sachverständige eine zuverlässige und ausreichende Kenntnis über den Aufbau und die Betriebsweise des von der Firma M... in Auftrag gegebenen Häckslers erhalten haben (BGH GRUR 1963, 312, rechte Spalte -Stapelpresse; 1966, 484 Ls.-Pfenningabsatz). Zudem bestätigt der Zeuge, dass alle in der Firma J... konstruierten Maschinen, ob sie sich auf dem Gelände der Firma oder in den Hallen befinden, von Kunden eingesehen werden können, da im Unternehmen davon ausgegangen wird, dass die Besucher der Firma J... die dort angeeigneten Kenntnisse vertraulich behandeln. Eine rechtlich bindende Verpflichtung gegenüber unbeteiligten Dritten konnte diese unausgesprochen gebliebene Erwartung nicht begründen.

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme daher zu der Überzeugung gelangt, dass eine schriftliche Geheimhaltungsvereinbarung weder mit der Firma MBB, noch mit den Besuchern der Firma J... bestanden hat. Aber auch eine mündliche oder stillschweigende Verpflichtung zur vertraulichen Behandlung aller über den für die Firma M... konstruierten Häcksler erlangten Informationen ist nicht begründet worden.

Den Senat haben die Aussagen des Zeugen H... überzeugt. Der Zeuge hat sich während der gesamten Vernehmung sicher ausgedrückt und erkennbar Details aus dem Gedächtnis produziert. Seiner Aussage sind für den Senat auch keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die gegen seine persönliche Glaubwürdigkeit sprächen. Ein eigenes Interesse am Ausgang des Verfahrens, das die Wahrheit seiner Aussage hätte beeinflussen können, ist nicht zutage getreten. Das Gericht hat daher keine Veranlassung gesehen, den gehörten Zeugen zu beeidigen (§ 391 ZPO).

Der Senat ist demzufolge davon überzeugt, dass die Bereitstellung des für die Firma M... konstruierten Häckslers vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters in einer Weise erfolgte, die es einem nicht beschränkten Personenkreis ermöglichte, sich über die mit diesem Häcksler verbundene technische Lehre zu informieren. Diese Lehre ist damit vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters offenkundig geworden.

4.2 Ein Holzhäcksler mit einem Fahrwerk entsprechend der als Dokument A19 vorgelegten Konstruktionszeichnung ist vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters von der Antragstellerin gebaut und an die Firma M... geliefert worden. Dieser Häcksler stimmt in allen Merkmalen mit dem im jeweiligen Schutzanspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 genannten Gegenstand überein.

Nach Aussage des Zeugen H... handelt es sich bei dem in der Konstruktionszeichnung A19 dargestellten Fahrwerk, um das Fahrwerk eines Holzhäckslers, der mit einer Astschere zum Ernten von Baumreihen ausgestattet ist, wobei der Holzhäcksler in der Konstruktionszeichen nicht im Detail, sondern lediglich schematisch durch einen mit dem Bezugszeichen (1) versehenen rechteckigen Körper dargestellt ist. Bei seiner Vernehmung hat der Zeuge H... ferner ausgesagt, dass die im Dokument A19 gezeigten Antriebsmittel mit den Bezugszeichen (2) und (3) zwei kettenlegende Anordnungen symbolisieren. Der Zeuge untermauert seine Aussage durch die Vorlage von Fotos die er dahingehend erläutert, dass sie den von der Firma M... in Auftrag gegebenen und nach der Konstruktionszeichnung A19 gebauten Holzhäcksler mit Astschere und Raupenfahrwerk zeigen.

Der Konstruktionszeichnung A19 ist ferner zu entnehmen, dass jede der darin gezeigten kettenlegenden Anordnungen jeweils von einem Arm getragen wird, wobei den beiden Armen die Bezugszeichen (4) und (5) zugeordnet sind. Um die Längenverstellbarkeit der beiden Arme zu verdeutlichen, sind in der Konstruktionszeichnung A19 für jeden Arm Betätigungseinrichtungen in Form von unterschiedlich weit ausgefahrenen Hydraulikstempeln dargestellt (vgl. A19, Bezugszeichen (6) und (7)). Der in der Konstruktionszeichnung A19 dargestellte Holzhäcksler weist somit die Merkmale 1, 2, 2.1, 2.1.1 und 2.1.3 des Holzhäckslers nach Schutzanspruch 1 des 1. und 2. Hilfsantrags auf.

Aus der Konstruktionszeichnung A19 geht ferner hervor, dass die teleskopierbaren Arme des Fahrwerks über die Stege (8) und (9) am Körper 1 verdrehfest montiert sind und zwar derart, dass beide Arme miteinander einen Winkel von 140¡ einschließen. Bei dieser Winkelstellung schließt -nach Aussage des Zeugen H... -jeder der teleskopierbaren Arme mit einer fiktiven horizontalen Ebene einen Winkel von etwa 20¡ ein. Ein solcher Winkel lässt sich aus der Konstruktionszeichnung A19 ermitteln, auch wenn dieser darin nicht explizit angegeben wird. Demzufolge weist der entsprechend dem Dokument A19 konstruierte Holzhäcksler zudem das Merkmal 2.1.2 auf, wonach jeder Arm relativ zu einer fiktiven horizontalen Ebene des Körpers in einem Winkel im Bereich von 10-60 Grad relativ zu der fiktiven horizontalen Ebene angeordnet ist.

Der Zeuge H... hat bei seiner Vernehmung zum Dokument A19 zudem ausgeführt, dass mit dem in der Konstruktionszeichnung verwendeten Buchstaben "S" der Spurabstand der kettenlegenden Anordnungen (2) und (3) in Bezug auf die Mittelachse des Fahrwerks angegeben wird. Gemäß der Aussage des Zeugen ist der Konstruktionszeichnung A19 für die kettenlegende Anordnung (2) in horizontaler Ebene ein Spurabstand mit einem Hub von 755 und für die kettenlegende Anordnung (3) ein Spurabstand mit einem Hub von 470 zu entnehmen. Der Zeuge führte des Weiteren aus, dass mit den im Dokument A19 verwendeten Buchstaben "B" und "B`" die Bodenfreiheit des Häckslers definiert wird. In der Konstruktionszeichnung ist ein Hub von 495 in vertikaler Richtung für die kettenlegende Anordnung (2) und ein Hub von 395 in vertikaler Richtung für die kettenlegende Anordnung (3) angegeben. Der Zeuge hat auf Nachfrage bestätigt, dass allein aufgrund der Längenverstellbarkeit der teleskopisch ausgebildeten Arme (4) und (5) bei dem in der Konstruktionszeichnung A19 gezeigten Fahrwerk, sowohl die Bodenfreiheit als auch die Spurweite im darin angegebenen Umfang eingestellt werden kann. Somit erfüllt das im Dokument A19 gezeigte Fahrwerk auch das Merkmal 3 des Gegenstands nach dem jeweiligen Schutzanspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2, da auch bei diesem Fahrwerk mit einer einzigen Bewegung der Anordnung relativ zum Körper sowohl die Bodenfreiheit, als auch der Abstand zwischen den kettenlegenden Anordnungen einstellbar ist.

Der nach der Konstruktionszeichnung A19 gebaute und an die Firma M... vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters gelieferte Holzhäcksler weist demzufolge sämtliche Merkmale des Holzhäckslers nach Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 und 2 auf. Dies wird von der Gebrauchsmusterinhaberin auch nicht bestritten.

Der Holzhäcksler nach Schutzanspruch 1 des 1. und 2. Hilfsantrags ist demnach vor dem Prioritätstag des Streitgebrauchsmusters offenkundig neuheitsschädlich benutzt worden.

4.3 Die jeweils nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 12 des Hilfsantrags 1, sowie die nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 11 des Hilfsantrags 2 werden von dem Löschungsausspruch mit umfasst. Für diese Ansprüche ist ein eigenständiger schutzfähiger Gehalt nicht geltend gemacht worden und für den Senat auch nicht erkennbar.

5.

Die Kostentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.

Müllner Dr. Gerster Dr. Münzberg Pr






BPatG:
Beschluss v. 01.12.2009
Az: 35 W (pat) 451/08


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