Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Oktober 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 110/01

(BPatG: Beschluss v. 07.10.2002, Az.: 25 W (pat) 110/01)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die am 9. Oktober 1999 angemeldete Bezeichnung AgroWIN soll für

"Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Softwareprodukte"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke mit Beschluss vom 25. Mai 2000 durch einen Beamten des höheren Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft und des Bestehens eines Freihaltungsbedürfnisses verneint. Zur Begründung werde auf die im Amtsbescheid vom 16. Februar 2000 dargelegten Gründe verwiesen, zu denen sich die Anmelderin nicht geäußert habe. In dem Beanstandungsbescheid ist ausgeführt, dass die aus "Agro" (landwirtschaftlich) und "WIN" (Fachabkürzung für das Betriebssystem "Windows") zusammengesetzte angemeldete Bezeichnung sich in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als ein beschreibender Hinweis darstelle.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem sinngemäßen Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2000 aufzuheben und die angemeldete Marke in das Markenregister einzutragen.

Das Produkt "AgroWIN" werde seit Juli 1998 vertrieben, die Kennzeichnung von den Wettbewerbern im Bereich der landwirtschaftlichen Branchensoftware respektiert und das unter dieser Bezeichnung vertriebene Programmpaket mit der Anmelderin in Verbindung gebracht. Im übrigen sei die ähnliche Wortmarke "AgroGIS" für die Anmelderin eingetragen worden.

Mit Bescheid vom 19. August 2002 hat der Senat der Anmelderin verschiedene Unterlagen zu Recherchen im Internet, in Fachlexika sowie Auszüge aus der "PA-VIS CD-ROM Markenentscheidungen" übersandt. Die Anmelderin hat sich hierzu nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg.

Der Eintragung der angemeldeten Marke stehen die Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegen.

Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion der Marke, den betrieblichen Ursprung der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl zur st BGH GRUR 2002, 64 - INDI-VIDUELLE; BGH WRP 2002, 455 - OMEPRAZOK; EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22 - Bravo). Deshalb kann die Frage, ob ein Zeichen eine solche Unterscheidungskraft besitzt, nicht abstrakt ohne Berücksichtigung der Waren oder Dienstleistungen, die sie unterscheiden sollen, beurteilt werden (EuGH GRUR 2001, 1148, 1149 Tz 22, 29 - Bravo). Nicht unterscheidungskräftig sind Ausdrücke, bei denen ein auf die Ware oder Dienstleistung bezogener Sinngehalt so stark im Vordergrund steht, dass der Gedanke fern liegt, es könnte sich um einen Herkunftshinweis handeln.

Diese Voraussetzungen liegen hier auch bei Zugrundelegung geringer Anforderungen an die Unterscheidungskraft für die Waren "Softwareprodukte" und die Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" vor. Die Markenstelle hat die Eintragung der Anmeldung damit zu Recht versagt.

Die Bezeichnung "AgroWIN" ist erkennbar aus den Bestandteilen "Agro" und "WIN" zusammengesetzt, was durch die angemeldete Schreibweise noch hervorgehoben wird. Wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt und der Senat auch durch die übersandten Ergebnisse einer Internet-Recherche belegt hat, weist "Agro" auf den Bereich "Agrar, Landwirtschaft" hin und wird der Ausdruck "WIN" als Kurzbezeichnung für das Betriebssystem bzw die Benutzeroberfläche "Windows" in Alleinstellung wie auch in Verbindung mit anderen Sachangaben (vgl zB "GEOLOG-WIN", "HWP-WIN" für ein Handwerkerprogramm) verwendet. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher auch aufgrund dieser Praxis bei Wortbildungen mit "WIN" auf verschiedenen Gebieten die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit ohne weiteres als beschreibenden Hinweis auf eine für das Betriebssystem "Windows" geeignete Software bzw ein Software-Paket für den landwirtschaftlichen Bereich verstehen, wofür die Kennzeichnung nach dem Vortrag der Anmelderin auch tatsächlich eingesetzt wird. Wegen dieses im Vordergrund stehenden Aussagegehalts liegt die Annahme, dass es sich um einen betrieblichen Herkunftshinweis handelt, eher fern.

Selbst wenn die durch eine Internet-Recherche nach "AgroWIN" ermittelten Fundstellen der Anmelderin zuzurechnen sein sollten, würde der Umstand, dass es sich dabei um einen von ihr selbst geschaffenen Begriff handelt, dessen beschreibende Verwendung durch Dritte bislang nicht belegbar ist, für sich allein weder zwangsläufig die Bejahung der Unterscheidungskraft rechtfertigen noch der Annahme einer im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG freizuhaltenden Angabe entgegenstehen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, Rdn 21 und 143). Zur Zurückweisung der Anmeldung bedarf es des Nachweises einer bereits erfolgten beschreibenden Verwendung der angemeldeten Marke nämlich dann nicht, wenn deren Sinngehalt feststeht oder eine Wortverbindung eine verständliche beschreibende Gesamtaussage vermittelt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 74 mwN). Das ist hier - wie dargelegt - der Fall.

Dabei ist zu beachten, dass es nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an der erforderlichen Unterscheidungskraft bereits dann fehlt, wenn sich die angemeldete Bezeichnung auch bei Anlegung des gebotenen großzügigen Maßstabes wegen des thematischen Bezugs zur den beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf eine verständliche Beschreibung von deren Inhalt, Gegenstand oder Thema beschränkt (vgl MarkenR 2001, 368, 370 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten sowie MarkenR 2001, 2001, 363, 365 "REICH UND SCHOEN"). Ein solcher thematischer Bezug der angemeldeten Marke besteht ohne weiteres auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden "Softwareprodukte", da diese Programme - wie dies tatsächlich der Fall ist - für EDV-Anwendungen im Zusammenhang mit der Verwaltung, Bewirtschaftung etc von landwirtschaftlichen Betrieben bestimmt sein können und die Dienstleistung "Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" eben auf solche Softwareprodukte gerichtet sein kann.

Dabei würde auch eine aus der Bezeichnung "AgroWIN" resultierende gewisse begriffliche Unbestimmtheit des Aussagegehalts in Bezug auf die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen einem Verständnis der angemeldeten Marke als beschreibende Sachaussage nicht entgegenstehen, da ein angemeldetes Zeichen bereits dann für die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis enthaltenen Oberbegriffe ausgeschlossen ist, wenn sich auch nur für eine spezielle, hierunter fallende Ware oder Dienstleistung ein Eintragungshindernis ergibt (vgl BGH WRP 2002, 91 "AC"). Andernfalls wäre es nämlich möglich, ein für bestimmte Waren oder Dienstleistungen bestehendes Eintragungshindernis dadurch zu umgehen, dass in das Verzeichnis ein entsprechend weit gefasster Waren-/Dienstleistungsbegriff aufgenommen wird.

Schließlich führt der Umstand, dass die Abkürzung "WIN" nicht nur in der genannten Bedeutung ("Windows") verwendet wird, sondern auch als Abkürzung für "Wissenschaftsnetz" sowie "Worldwide Intelligent Network" nachweisbar ist (vgl zB Voss, Das große PC Lexikon 2000, Seite 321) nicht zu einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit der angemeldeten Marke. Denn zum einen führen auch diese weiteren Sinngehalte von "WIN" zu einem Verständnis der Bezeichnung "AgroWIN" als Sachhinweis in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen, zum anderen reicht es nach der Rechtsprechung des EuG für die Annahme einer beschreibenden und somit vom Markenschutz ausgeschlossenen Angabe aus, wenn zumindest einer der möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betroffenen Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl EuG MarkenR 2002, 92 - STREAMSERVE).

Da sich die angemeldete Marke wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG als nicht schutzfähig erweist, bedarf es für die Entscheidung keiner abschließenden Erörterung, ob sie auch als beschreibende, freihaltungsbedürftige Angabe zusätzlich dem weiteren Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG unterliegt, was nach Ansicht des Senats jedoch angesichts des oben dargelegten deutlichen Aussagegehalts der Bezeichnung "AgroWIN" durchaus nahe liegt.

Die Anmelderin kann sich zur Eintragbarkeit ihrer Anmeldung auch nicht mit Erfolg auf die von ihr genannte Eintragung der Bezeichnung "AgroGIS" berufen. Es ist schon zweifelhaft, ob der Abkürzung "GIS" (GIS = Geo-Informationssysteme) in Bezug auf die relevanten Waren und Dienstleistungen eine der Bezeichnung "WIN" für den angesprochenen Verkehr ebenso ohne weiteres verständliche und beschreibende Bedeutung zukommt. Jedenfalls ist anerkannt, dass Voreintragungen selbst identischer Marken weder unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung noch nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes einen Anspruch auf Eintragung begründen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 85 mwN). Wie der Anmelderin aufgrund der ihr mit Schreiben des Senats vom 19. August 2002 übersandten Unterlagen bekannt ist, steht dieser Eintragung jedoch auch eine die Schutzfähigkeit einer mit "Agro" gebildeten Bezeichnung, nämlich "Agro Ware" ua für "Saatgut", mangels Unterscheidungskraft verneinende Entscheidung des BPatG (vgl PAVIS PROMA, Kliems 30 W (pat) 195/95) entgegen. Dabei fällt noch besonders die stärkere (negative) Indizwirkung der Zurückweisungsentscheidung des BPatG gegenüber der nicht mit Gründen versehenen Eintragung der von der Anmelderin genannten Marke ins Gewicht (vgl hierzu auch Althammer/Ströbele, aaO, Rdn 88 mwN).

Soweit schließlich die Anmelderin vorträgt, das Produkt "AgroWIN" werde seit Juli 1998 vertrieben und die Kennzeichnung von den Wettbewerbern im Bereich der landwirtschaftlichen Branchensoftware respektiert und das unter dieser Bezeichnung vertriebene Programmpaket mit der Anmelderin in Verbindung gebracht, reicht dies unter keinen Umständen aus, um darin eine schlüssige Behauptung oder gar Anfangsglaubhaftmachung der wesentlichen Voraussetzungen einer Verkehrsdurchsetzung zu sehen (vgl dazu Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 211).

Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.

Kliems Engels Brandt Pü






BPatG:
Beschluss v. 07.10.2002
Az: 25 W (pat) 110/01


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