Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Dezember 2006
Aktenzeichen: 21 W (pat) 14/05

(BPatG: Beschluss v. 12.12.2006, Az.: 21 W (pat) 14/05)

Tenor

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Anmelder begehrt nach Erledigung des Beschwerdeverfahrens Rückzahlung der mit der Beschwerdeeinlegung vom 17. Februar 2005 entrichteten Beschwerdegebühr. Der Anmelder hatte unter der Bezeichnung "Injektionsgerät zur s.c. Injektion von Medikamenten" am 20. März 1998 Antrag auf Erteilung eines Patents gestellt, der durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 M des Deutschen Patent- und Markenamts am 10. Dezember 2004 mit der Begründung zurückgewiesen wurde, dass der am 4. Januar 2002 eingereichte geänderte Patentanspruch 1 unzulässig erweitert sei. Wie dem Anmelder bereits durch den Zwischenbescheid vom 2. Juli 2001 ausführlich dargelegt worden sei, enthielten die mit Eingabe vom 6. Februar 2001 vorgelegten Unterlagen im Beschreibungsteil und dem geänderten Anspruch 1 zuvor nicht beschriebene Merkmale in Wortform und seien deshalb unzulässig erweitert. Auch in dem am 4. Januar 2002 eingereichten und erneut geänderten Hauptanspruch seien die genannten Offenbarungsmängel nicht beseitigt. Nachdem der Offenbarungsmangel mehrfach gerügt worden sei und dem Anmelder ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Mängelbeseitigung gegeben worden sei, sei auch die Durchführung der vom Anmelder beantragten Anhörung nicht erfolgversprechend, da dieser weder während des schriftlichen Verfahrens den Vorgaben der Prüfungsstelle haben folgen wollen noch in irgendeiner Weise seine Bereitschaft habe erkennen lassen, die gerügten Mängel zu beseitigen. Die hiergegen am 17. Februar 2005 eingelegte Beschwerde hat sich erledigt, weil der Anmelder die fällige 6. Jahresgebühr nicht gezahlt hat und deshalb die Patentanmeldung infolge Nichtzahlung als zurückgenommen gilt (§ 6 Abs. 2 PatKostG).

Der Antragsteller hat seinen bereits in der Beschwerdeschrift gestellten Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufrecht erhalten, um eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gebeten und zur Begründung seines Antrages angeführt, im angefochtenen Beschluss sei "lapidar" behauptet worden, dass eine Anhörung wegen mangelnder Bereitschaft zur Überarbeitung der Unterlagen abzulehnen sei. Hierzu habe aber Anlass bestanden, selbst wenn der Inhalt der neuen Unterlagen ursprünglich nicht offenbart gewesen sei. Denn im Hinblick auf die angezeigte Bereitschaft des Anmelders zur weiteren Überarbeitung der Anmeldung hätte sich eine Anhörung als sachdienlich erwiesen.

II.

1) Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zulässig, obwohl sich das Beschwerdeverfahren infolge der sich aus § 6 Abs. 2 PatKostG ergebenden Rücknahmefiktion der Anmeldung und damit des Wegfalls eines anhängigen Anmeldeverfahren erledigt hat. Denn § 80 Abs. 5 PatG bestimmt auch für diesen Fall die Anwendbarkeit der nach § 80 Abs. 3 PatG eröffneten Möglichkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn diese dem billigen Ermessen entspricht.

2) Der Antrag ist jedoch unbegründet, da eine Rückzahlung unter Beachtung des insoweit maßgeblichen billigen Ermessens im Hinblick auf den behaupteten Verfahrensverstoß nicht angezeigt ist. Denn es fehlt bereits an einem erkennbaren Verfahrensfehler der Prüfungsstelle.

a) Wie in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt wurde, bestand unter Berücksichtigung des Verfahrensablaufs, insbesondere der eindeutigen und berechtigten Hinweise des Prüfers in den Zwischenbescheiden vom 4. Dezember 1998 und vom 2. Juli 2001 kein Anlass, trotz des vorsorglich gestellten Antrages auf Anhörung eine solche durchzuführen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG ist der Anmelder zu hören, wenn es sachdienlich ist. Das ist der Fall, wenn die Anhörung das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn eine mündliche Erörterung eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht, wobei im Erteilungsverfahren eine Ablehnung der grundsätzlich einmal sachdienlichen Anhörung nur ausnahmsweise in Betracht kommen soll (vgl. Schulte PatG, 7. Aufl., § 46 Rdn. 9-10). So wird eine Sachdienlichkeit verneint, wenn die Anhörung zu einer unnötigen Verfahrensverzögerung führen würde, wenn sie zu einer sachgerechten Entscheidung nichts mehr beitragen kann oder wenn keine weitere Klärung entscheidungserheblicher Sach- und Rechtsfragen und auch kein neuer, den Einwendungen der Prüfungsstelle entgegenkommender Antrag erwartet werden kann (vgl. Schwendy in Busse PatG, 6. Aufl., § 46 Rdn. 19 m. w. H.). Auch die Prüfungsrichtlinien (vgl PrüfungsRL vom 1. März 2004, Ziff. 3.6.1., abgedruckt als Anh. 3 in Benkard, PatG, 10. Aufl.) führen deshalb aus, dass eine Anhörung nicht sachdienlich ist, wenn nicht erkennbar ist, welche entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen in der Anhörung noch geklärt werden können.

b) So ist es auch vorliegend. Wie bereits die Beschwerdebegründung vom 10. März 2005 zeigt, vertritt der patentanwaltlich vertretene Anmelder nach wie vor uneingeschränkt seine bisherige Rechtsauffassung und hat die gerügten Anmeldeunterlagen und Patentansprüche ohne jegliche Änderung aufrecht erhalten. Er trägt damit in keinerlei Hinsicht den mehrfach geäußerten und ausführlich begründeten Bedenken der Prüfungsstelle Rechnung und vertritt nach wie vor die rechtlich unzutreffende Auffassung, dass die vorgenommen zahlreichen Änderungen der Anmeldeunterlagen zulässig seien. Der Anmelder wiederholt insbesondere in der Beschwerdebegründung seine bereits in der Erwiderung auf den Zwischenbescheid vom 2. Juli 2001 geäußerte Auffassung, dass auch die umfangreiche Erweiterung des Beschreibungsteils von ursprünglich drei Seiten auf über sieben Seiten keine unzulässige Erweiterung des ursprünglichen Offenbarungsinhaltes sei, obwohl er den Figuren 1 bis 4 - welche mit Ausnahme von Figur 1 ursprünglich keinerlei Bezugszeichen enthielten - nicht nur eine Vielzahl weiterer Bezugszeichen hinzugefügt hat, und insbesondere auch den Beschreibungsteil um die dazugehörigen Merkmale nebst konstruktiver und funktioneller Erläuterungen ergänzt hat, während in den ursprünglichen Unterlagen weder diese Merkmale noch die umfangreichen Erläuterungen zu entnehmen sind.

Zum Beispiel finden sich allein auf Seite 4 der am 6. Februar 2001 eingereichten Beschreibung zu Figur 4 die ursprünglich nicht offenbarten Bezugszeichen 5a, 6a, 17a, 25, 26, 27 und 28 mit den gleichfalls in den ursprünglichen Unterlagen nicht enthaltenen Merkmalen "vorderen Außengehäuseteil", "Aufnahmebehälterteil", "Drehsicherungsvorrichtung", "Kopfschraube", "radiales Gewindeloch", "Längsschlitz" sowie einer hinzugefügten konstruktiven Beschreibung. Der Anmelder hat hierzu - wie auch zu den zahlreichen weiteren entsprechenden Ergänzungen - in seiner Erwiderung auf den Zwischenbescheid vom 2. Juli 2001 die Auffassung vertreten, dass es sich um eine zulässige Anpassung der Beschreibung handele, weil der Durchschnittsfachmann dies der ursprünglichen Zeichnung ohne weiteres entnehme und so in Worten beschreiben würde, auch wenn "die ausführliche Erläuterung nicht zwingend erforderlich (sei), da der Durchschnittsfachmann bei der Ausführung der Lehre der Erfindung eine solche übliche Maßnahme ohne weiteres Nachdenken vorsehen würde". Ebenso rechtfertigt der Anmelder den auf Seite 4 Zeilen 33-37 hinzugefügten Beschreibungstext " ist der "Belüftungskanal 8a ein Winkelkanal, in dessen radialem Kanalabschnitt in der Kanalerweiterung ein Luftfilter 9a angeordnet und lagegesichert ist" mit dem Bemerken, dass die Erwähnung des Winkelkanals überflüssig sei und der Hinweis auf den Luftfilter genüge, obwohl weder das aufgenommene Merkmal "Winkelkanal" wie auch "radialem Kanalabschnitt" und "Kanalerweiterung" noch eine Lagesicherung des Luftfilters ursprünglich in der Beschreibung erwähnt ist - wie im Übrigen auch nicht den Zeichnungen zu entnehmen sind.

3) Derartige Hinzufügungen stellen - wie die Prüfungsstelle bereits im Zwischenbescheid vom 2. Juli 2001 ausführlich und zutreffend ausgeführt hat - eine unzulässige Änderung der Anmeldung im Sinne von § 38 Satz 1 PatG dar, da sie deren Gegenstand erweitern. Zu diesem gehört zwar der gesamte Offenbarungsgehalt, dh alles was sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen (Ansprüche, Beschreibung, Zeichnungen) am Anmeldetag erschließt (Schulte, a. a. O., § 34 Rdn. 341; § 38 Rdn. 22). Die Aufnahme neuer Merkmale, selbst wenn diese den Schutzgegenstand einschränken oder wie hier auch nach Auffassung des Anmelders überflüssig sind, stellt jedoch ebenso eine unzulässige Änderung dar (vgl. BGH BlPMZ 2000, 282 - Streuverfahren; Schulte, a. a. O., § 38 Rdn. 36), wie auch die Einfügung eines lediglich der Zeichnung zu entnehmenden Merkmals eine unzulässige Erweiterung begründet, sofern diesem Merkmal keine eigene Zeichnung gewidmet ist oder das hinzugefügte Merkmal auch nicht aus sonstigen Gründen für den Fachmann als ursprünglich zur Erfindung gehörend anzusehen ist (vgl. Schulte, a. a. O. § 38 Rdn. 13). So hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung "Flanschverbindung" (GRUR 1990, 114, 115) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung (BGH GRUR 1967, 476 - Dampferzeuger) ausgeführt, es möge zwar sein, dass das in der ursprünglichen Beschreibung nicht expressis verbis enthaltene Merkmal ("wobei Schraubenköpfe mit seitlichem Spiel in der Kalottenvertiefung sitzen") der ursprünglichen Zeichnung zu entnehmen sei, jedoch genüge nach allgemeiner Rechtsauffassung allein die zeichnerische Darstellung nicht, um ein Merkmal als zur Erfindung gehörend anerkennen zu können. Vielmehr bedürfe es hierzu weiterer Anzeichen, da diesem Merkmal keine eigene Zeichenfigur gewidmet sei und auch die Ansprüche oder Beschreibung keine Stütze böten. Das Merkmal sei nämlich mangels Notwendigkeit weder für den Fachmann beim Lesen der ursprünglichen Unterlagen ohne weiteres ersichtlich noch sei es selbstverständlich.

4) Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass die Prüfungsstelle eine sachdienliche Anhörung abgelehnt habe mit der "lapidaren" Begründung, dass dem Anmelder eine Bereitschaft zur Überarbeitung seiner Unterlagen fehle, was "im offenen Gegensatz zur tatsächlichen Handlung des Anmelders" stehe. Der patentanwaltlich vertretene Anmelder ist vielmehr ohne jegliche Auseinandersetzung mit der von der Prüfungsstelle zitierten Literatur und der dort nachzulesenden Rechtsprechung von seinem rechtlichen Standpunkt selbst im Beschwerdeverfahren nicht abgerückt und hat damit bestätigt, dass eine weitere Erörterung auch aus der Sicht der Prüfungsstelle zu Recht als nicht sachdienlich angesehen wurde. Das hat auch für die vorsorglich beantragte Anhörung zu gelten, da § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG der Aufklärung und Verfahrensökonomie dient (vgl. Benkard, PatG, 10. Aufl., § 46 Rdn. 2) und es "Ziel der Anhörung ist, ohne weiteren Bescheid zu einer abschließenden Beurteilung des Anmeldegegenstandes zu kommen" (vgl. PrüfungsRL vom 1. März 2004, Ziff. 3.6.1.). Ziel der Anhörung ist es aber nicht, mittels eines persönlichen Einwirkens auf Verfahrensbeteiligte diese - auch wenn sie uneinsichtig sind - von der Richtigkeit einer bereits geäußerten Rechtsauffassung und der bereits geleisteten Hinweise zu überzeugen. Dies hat in besonderem Maße zu gelten, wenn die Prüfungsstelle aufgrund einer patentanwaltlichen Vertretung des Anmelders von der Mitwirkung und dem Verständnis fachkundiger Beteiligter ausgehen darf.

Es besteht danach bereits mangels eines Verfahrensverstoßes der Prüfungsstelle kein Anlass zur Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach billigem Ermessen, so dass es auf die weiteren in der Rechtsprechung entwickelten Mindestvoraussetzungen einer ursächlichen und aus der Sicht eines verständigen Beschwerdeführers veranlassten Beschwerdeeinlegung nicht mehr ankommt (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 28. Dezember 2005, Az. 21 W (pat) 63/05, - Tragbares Gerät - zur Veröffentlichung bestimmt).






BPatG:
Beschluss v. 12.12.2006
Az: 21 W (pat) 14/05


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