Sozialgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 12. Juli 2013
Aktenzeichen: S 7 SF 257/13 E

(SG Frankfurt am Main: Beschluss v. 12.07.2013, Az.: S 7 SF 257/13 E)

Tenor

Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 2. August 2013 - S 13 R 8/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

Der von form- und fristgerecht erhobene, gemäß § 197 Abs. 2Sozialgerichtsgesetz (SGG) als Erinnerung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbehelf ist unbegründet.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des hiesigen Gerichts vom 2. August 2013 - S 13 R8/11 -, mit dem die außergerichtlichen Kosten auf 742,80 Euro festgesetzt worden sind, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere insoweit, als der Beschluss mit der vorliegenden Erinnerung hinsichtlich der Höhe der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV-RVG) in Verbindung mit Vorbemerkung 3 Abs. 3 des Vergütungsverzeichnisses angegriffen wurde. Dem Prozessbevollmächtigten der Erinnerungsführerin steht die von ihm geltend gemachte Höchstgebühr in dem Hauptsacheverfahren € S 13 R 8/11 - nicht zu.

Der angefochtene Beschluss der Urkundsbeamtin würdigt die Sach-und Rechtslage dabei zutreffend, was die Verfahrensgebühr (Nr. 3102VV-RVG) anbelangt. Aus diesem Grund nimmt die Kammer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die dort genannten Gründe vollinhaltlich Bezug. Dies auch zumal eine weitergehende und substantiierte Begründung von Seiten des Beschwerdeführers in dem Erinnerungsverfahren, der auf sein Vorbringen im Kostenfestsetzungsverfahren Bezug nimmt, zu diesem Punkt nicht erfolgt ist.

Ergänzend weist die Kammer auf Folgendes hin:

Die vom Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin geforderte Höchstgebühr fällt nicht nur dann an, wenn sämtliche Umstände überdurchschnittlich sind (Lutje/v.Seltmann, in: BeckOK, RVG, § 14Rn. 23). Bereits ein außergewöhnliches Merkmal kann den Ansatz der Höchstgebühr rechtfertigen, auch wenn die übrigen Umstände nur durchschnittlich sind (anders allerdings zur BRAGO: LSGSchleswig-Holstein, Beschluss vom 16. Juni 2003 - L 5 B 13/03 SF SK- juris und LSG Sachsen, Beschlüsse vom - L 1 B 32/97 RA-Ko -, juris Rn. 17 und vom 19. Mai 2006 - L 6 B 168/05 R-KO -, juris Rn. 25; zum RVG SG Stade, Beschluss vom 2. Januar 2007 - S 4 SF1/06 -, juris Rn. 17). Dabei sind sozialrechtliche Streitigkeiten über typische Dauerleistungen, die den wesentlichen Lebensunterhalt des Leistungsberechtigten sicherstellen, wegen der außergewöhnlichen (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sozialleistung grundsätzlich geeignet, eine über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr (bis zur Höchstgebühr) zu begründen (so zur Geschäftsgebühr LSGNordrhein-Westfalen, Urteil vom 5. Mai 2008 € L 3 R 84/08 -,juris Rn. 36 m.w.N.; so auch zur BRAGO: LSG Thüringen, Beschlüsse vom 12. Juli 2004 - L 6 B 41/04 SF-, juris Rn. 26 m.w.N., vom 19. Mai 2003 - L 6 B 18/03 SF -, juris Rn. 21 und vom 8. Februar 2000 - L 6 B 71/99 SF -, juris 20; LSG Sachsen, Beschluss vom 18.Juni 2004 - L 6 B 92/03 RJ-KO -, juris Rn. 20). Eine Regelvermutung für das Entstehen der Höchstgebühr in Rentenverfahren besteht dagegen nicht (so auch: SG Karlsruhe, Urteil vom 4. August 2009 - S16 633/09 -, juris Rn. 25). Vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob aus dem Umfang und der Schwierigkeit des Rechtsstreits, dem Ausmaß der anwaltlichen Tätigkeit, der überdurchschnittlichen Verfahrensdauer oder der Bedeutung der Angelegenheit die Festsetzung der Höchstgebühr gerechtfertigt ist (LSG Hessen, Beschluss vom 1. September 2011 - L 2 SF 162/10E -). Liegt dagegen kein außergewöhnliches Merkmal vor, wird die Annahme der Höchstgebühr erfordern, dass mehrere Umstände überdurchschnittlich sind (LSG Thüringen, Beschluss vom 19. Juli 2012 - L 6 SF 930/12 B -, juris Rn. 5; LSG Nordrhein-Westfalen,Beschluss vom 26. April 2007 - L 7 B 36/07 AS -, juris Rn. 14; LSGMecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29. Juli 2008 - L 6 B141/07-, juris Rn. 31).

In Anwendung dieser Grundsätze scheitert die Festsetzung der Höchstgebühr für die anwaltliche Tätigkeit in dem Ausgangsverfahren S 13 R 8/11 daran, dass die Erinnerungsführerin durch die erstrittene Erwerbsminderungsrente nicht ihren Lebensunterhalt sicherstellen musste. Damit hatte die Angelegenheit für sie sicherlich eine hohe, jedoch keine außerordentlich hohe (wirtschaftliche) Bedeutung. Die Kammer stützt sich dabei auf die Feststellungen des auf Antrag der Klägerin im Ausgangsverfahren gehörten Sachverständige DF. Dieser stellte auf Seite 29 seines Gutachtens vom 25. Juli 2011 ausdrücklich fest, die Klägerin lebe in optimalen Bedingungen, sie habe eine stabile Partnerschaft, sei finanziell versorgt, habe ein angenehmes Zuhause. Ausgehend hiervon lässt sich eine existenzielle Bedeutung der Erwerbsminderungsrente im o.g. Sinne nicht feststellen (vgl. in einem ähnlichen Fall, in dem die wirtschaftliche Existenz des Klägers durch Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Kindergeld gesichert war: LSGNordrhein-Westfalen 11. August 2004 - L 4 B 9/04 RJ - juris Rn.19). Die überdurchschnittliche Bedeutung der Rente für die Klägerin allein ist damit nicht geeignet, die Höchstgebühr zu begründen.Aber auch im Verbund mit den anderen Kriterien, die allenfalls durchschnittlich bzw. im Fall des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit leicht überdurchschnittlich zu bewerten sind, lässt sich die Höchstgebühr nicht rechtfertigen.

Die vom Bevollmächtigten der Erinnerungsführerin zitierte Entscheidung des LSG Hessen vom 26. Januar 2004 - L 12 B 90/02 RJ-, juris, gebietet keine andere Sicht der Dinge. Im Einklang mit dem vorangestellten Grundsätzen hatte der Senat in dem seiner Entscheidung zugrundeliegenden Rentenstreitverfahren die Höchstgebühr nur deswegen für angemessen gehalten, weil der Kläger,der bis dahin noch halbtags beschäftigt war und Arbeitslosenhilfe bezog, über kein weiteres Einkommen verfügte. Für ihn diente die erstrittene Erwerbsminderungsrente der Sicherung seines Lebensunterhaltes. Dies war bei der Klägerin € wie ausgeführt € nicht der Fall.

Der Entscheidung des SG Detmold vom 4. März 2008 - S 7 (2) R343/05 -, juris, die zur Begründung der Höchstgebühr feststellt,die Rentenstreitigkeit sei regelmäßig von besonderer Bedeutung für die Betroffenen und sich zur Begründung auf die Entscheidung des LSG Hessen a.a.O. bezieht, ist daher auch nicht zu folgen (so auch SG Karlruhe a.a.O.). Denn das LSG Hessen hatte sich bei seiner Entscheidung ausführlich mit den Umständen des Einzelfalles auseinandergesetzt und war keineswegs pauschal davon ausgegangen,dass in Rentenstreitigkeiten regelmäßig die Höchstgebühr anfalle.

Nach alledem war die Erinnerung zurückzuweisen.

Diese Entscheidung ist endgültig und damit unanfechtbar, vgl. §197 Abs. 2 SGG (vgl. auch LSG Hessen, Beschluss vom 13. Mai 2011 -L 2 R 54/11 B -).






SG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 12.07.2013
Az: S 7 SF 257/13 E


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