Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. November 2009
Aktenzeichen: 19 W (pat) 137/09

(BPatG: Beschluss v. 17.11.2009, Az.: 19 W (pat) 137/09)

Tenor

1 Dem Anmelder wird Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gewährt.

2. Dem Anmelder wird Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht bewilligt und Herr Rechtsanwalt Dr. U..., in H..., beigeordnet.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 15. Juni 2009 hat die Prüfungsstelle für Klasse H01R des Deutschen Patentund Markenamts (DPMA) die von dem Anmelder am 8. Dezember 2004 eingereichte Patentanmeldung ... (Doppelfassung II) zurückgewiesen, weil der Anmelder den mit Prüfungsbescheid vom 1. Oktober 2008 gerügten Mangel der unzulässigen Erweiterung der geltenden geänderten Ansprüche gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht beseitigt hat (§§ 38, 45, 48 PatG).

Im Verfahren vor dem Patentamt ist dem Anmelder auf seinen Antrag Verfahrenkostenhilfe für das Patenterteilungsverfahren und die im Erteilungsverfahren fällig werdenden Jahresgebühren bewilligt worden, zuletzt mit Beschluss der Patentabteilung 22 vom 8. Mai 2007.

Gegen den am 27. Juni 2009 mit Einschreiben zugestellten Zurückweisungsbeschluss vom 15. Juni 2009 hat der Anmelder mit am 21. Juli 2009 beim DPMA eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr ist bisher nicht gezahlt worden. Mit Schriftsatz vom 29. September 2009, eingegangen beim Gericht am selben Tag, hat sich Rechtsanwalt Dr. U... in H..., als mit der Interessenswahrnehmung des Anmelders Beauftragter gemeldet und beantragt,

- dem Anmelder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugewähren, sowie - dem Anmelder im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen undihm Rechtsanwalt Dr. Uwe Richter beizuordnen.

Er trägt im Wesentlichen vor, der 1933 in K... geborene Anmelder, der nur sehr schlecht die deutsche Sprache spreche, sei seit ca. eineinhalb Jahren gesundheitlich nicht mehr in der Lage, ständig seine Alltagsangelegenheiten und seine geschäftlichen Aktivitäten kontinuierlich auszuüben. Er leide an Altersdiabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Nierenleiden und Depressionen und sei in ständiger ärztlicher Behandlung. Nach der fristgerechten Beschwerdeeinlegung sei der Anmelder wiederum krankheitsbedingt erst am 28. September 2009 in der Lage gewesen, Rechtsanwalt Dr. R... mit der Wahrnehmung seiner Interessen anwaltlich zu beauftragen. Dem Schriftsatz beigefügt ist eine Erklärung des Anmelders über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ergänzende Belege.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Dem Anmelder war Wiedereinsetzung in die Frist zu Zahlung der Beschwerdegebühr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG i. V. m. § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG und Nr. 401 300 GebVerz. zu § 2 Abs. 1 PatKostG) zu gewähren, da er nach Überzeugung des Senats ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war (§ 123 Abs. 1 PatG).

Der Anmelder befand sich offensichtlich in einem Rechtsirrtum darüber, dass die ihm vom DPMA durch Beschluss vom 10. Januar 2006 bewilligte Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsverfahren seiner Patentanmeldung nicht auch die Kosten eines Beschwerdeverfahrens vor dem Bundespatentgericht mit umfasst (§ 136 Satz 1 PatG i. V. m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BPatGE 32, 128) und er deshalb nicht von der Zahlung der Beschwerdegebühr befreit ist. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass er zwar fristgerecht Beschwerde eingelegt, aber nicht gleichzeitig Antrag auf Verfahrenskostenhilfe gestellt hat. Dieser Irrtum hat sich allem Anschein nach erst mit Aufsuchen des jetzt seine Interessen wahrnehmenden Rechtsanwalts am 28. September 2009 aufgeklärt, wie sich aus der unverzüglichen Stellung des Wiedereinsetzungsund des Verfahrenskostenhilfeantrags durch den Anwalt am 29. September 2009 ergibt.

Zwar ist ein Rechtsirrtum bzw. mangelnde Rechtskenntnis grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Denn an sich ist jeder Beteiligte verpflichtet, sich die notwendigen Kenntnisse über das jeweils geltende Recht zu verschaffen und sich ggf. sachkundigen Rat einzuholen (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl., § 123 Rn. 136 m. w. N.). Vorliegend erachtet der Senat die irrige Rechtsauffassung des Anmelders aber ausnahmsweise für entschuldbar. Grund hierfür ist insbesondere, dass der Beschluss des DPMA, mit dem für das Patenterteilungsverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, nicht hinreichend deutlich erkennen lässt, dass die Bewilligung nur für das - erstinstanzliche - Verfahren vor dem DPMA gilt, nicht jedoch für ein etwaig daran anschließendes Rechtsmittelverfahren. Ein dahingehender aufklärender Hinweis ist dem Beschluss an keiner Stelle zu entnehmen, so dass die darin ausgesprochene Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe "für das Erteilungsverfahren" ohne weiteres auch dahin aufgefasst werden kann, dass diese bis zum rechtskräftigen Abschluss des Erteilungsverfahrens, also ggf. auch noch für das Prüfungs-Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht, Geltung besitzt. Nachdem die Rechtsmittelbelehrung zu dem die Patentanmeldung zurückweisenden Beschluss vom 15. Juni 2009 ebenfalls einen Hinweis auf die Notwendigkeit der gesonderten Beantragung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vermissen lässt, und der zur fraglichen Zeit nicht anwaltlich vertretene Anmelder zudem aufgrund seines Alters, seiner geringen Deutschkenntnisse sowie seines glaubhaft dargelegten schlechten Gesundheitszustandes in seinem allgemeinen Handlungsspielraum nicht unwesentlich beeinträchtigt war, beruht hier die mangelnde Kenntnis der Rechtslage ausnahmsweise nicht auf seinem Verschulden.

Die versäumte Handlung, hier die Stellung des Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren (anstelle der Zahlung der Beschwerdegebühr), wurde am 29. September 2009, also innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses am 28. September 2009 nachgeholt (§ 123 Abs. 2 Satz 3 PatG).

Aufgrund der zu gewährenden Wiedereinsetzung ist der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe innerhalb der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gestellt und infolgedessen der Lauf dieser Frist gemäß § 134 PatG gehemmt.

2. Dem statthaften und zulässigen Antrag des Anmelders auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Patentgericht (§§ 129, 130, 136 Satz PatG, § 119 Abs. 1 ZPO) war stattzugeben.

Der Senat hält es aufgrund der bereits beim DPMA zu dem dortigen Verfahrenkostenhilfeantrag eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Anmelders vom 11. Oktober 2004 einschließlich der zugehörigen Belege sowie der weiteren, dem Gericht vorgelegten aktuellen Erklärung des Anmelders vom 28. September 2009 und der hierzu beigefügten Belege aus dem Jahr 2009 für hinreichend glaubhaft, dass der Anmelder nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufbringen kann.

Es besteht auch hinreichende Aussicht für einen Erfolg der Beschwerde, weil eine Änderung der im Verfahren vor der Prüfungsstelle geltenden Patentansprüche zur Patentfähigkeit der Anmeldung führen kann (vgl. Schulte, a. a. O., § 130 Rn. 41 und 42 m. w. N.).

3. Auf seinen Antrag war dem Anmelder weiterhin Rechtsanwalt Dr. U..., in H..., beizuordnen (§ 133 PatG). Die Vertretung erscheint zur sachdienlichen Erledigung des Verfahrens erforderlich. Seine Bereitschaft zur Vertretung hat der Rechtsanwalt durch die Wahrnehmung der anwaltlichen Interessen des Anmelders zu erkennen gegeben Bertl Kirschneck Groß J. Müllerprö






BPatG:
Beschluss v. 17.11.2009
Az: 19 W (pat) 137/09


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