Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 19. September 2003
Aktenzeichen: AnwZ (B) 74/02

(BGH: Beschluss v. 19.09.2003, Az.: AnwZ (B) 74/02)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 20. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 esetzt.

Gründe

A.

Der Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger. Er bestand am 17. Februar 1994 die erste juristische Staatsprüfung. Anschließend absolvierte er ein Postgraduiertenstudium an einer US-amerikanischen Universität. Aus dem am 2. Oktober 1995 im Inland begonnenen Vorbereitungsdienst wurde er auf eigenen Wunsch am 1. Oktober 1996 entlassen. Zum 18. November 1997 wurde er im US-Bundesstaat New York als Attorneyat-Law zugelassen. Auf seinen Antrag nahm ihn die Antragsgegnerin zum 30. April 2001 gemäß § 206 Abs. 1 BRAO in der Fassung des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182) als Mitglied in die Rechtsanwaltskammer auf. Die Aufnahme wurde zwischenzeitlich wegen Verletzung der Kanzleipflicht -noch nicht bestandskräftig -widerrufen. Dieser Widerruf ist Gegenstand eines anderen Verfahrens.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, der nach seinen Angaben inzwischen eine berufliche Niederlassung in London (Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland) begründet hat, jedoch weder als Barrister noch als Solicitor noch als Advocate zugelassen ist, die allgemeine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Landgericht B.

Die Antragsgegnerin hat den Antrag mit Bescheid vom 28. März 2001 abgelehnt. Dagegen hat der Antragsteller um gerichtliche Entscheidung nachgesucht, mit der er seinen Antrag weiterverfolgt und zwei Hilfsanträge gestellt hat. Mit dem ersten Hilfsantrag hat er beantragt, die Antragsgegnerin unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verpflichten, das von ihm vorgelegte Diplom als Attorneyat-Law unter Berücksichtigung der weiter nachgewiesenen Kenntnisse und Fähigkeiten vergleichend mit den Anforderungen, die an einen ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland ausgebildeten Juristen gestellt werden, zu prüfen und seinen Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Landgericht B. neu zu verbescheiden. Mit dem zweiten Hilfsantrag hat er darum nachgesucht, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn mit den Rechten und Pflichten entsprechend § 2 Abs. 1 EuRAG als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in die Rechtsanwaltskammer B. aufzunehmen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und die Hilfsanträge zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

B.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO); sie hat indes keinen Erfolg. Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof sowohl den Hauptantrag als auch die beiden Hilfsanträge zurückgewiesen.

I. Zum Hauptantrag Die Antragsgegnerin ist nicht verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheids vom 28. März 2001 den Antragsteller ohne weiteres -insbesondere ohne Prüfung seiner Qualifikation -zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt beim Landgericht B. zuzulassen.

1. Ein derartiger unmittelbarer Anspruch des Antragstellers ergibt sich nicht aus dem innerstaatlichen Recht (§ 4 BRAO).

a) Der Antragsteller verfügt nicht über die Befähigung zum Richteramt nach dem deutschen Richtergesetz (§ 5 Abs. 1 DRiG). Ebensowenig erfüllt er die Eingliederungsvoraussetzungen nach dem am 14. März 2000 in Kraft getretenen Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) vom 9. März 2000 (BGBl. I S. 182). Eine mindestens dreijährige "effektive und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland" (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG) kann er nicht nachweisen. Auch eine Eignungsprüfung nach dem bis zum 13. März 2000 geltenden Gesetz über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (EigPrG) vom 6. Juli 1990 (BGBl. I S. 1349) oder nach dem jetzt anzuwendenden § 16 Abs. 1 EuRAG hat er nicht abgelegt.

b) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in analoger Anwendung des § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAG nicht möglich. Dem steht schon § 16 Abs. 2 EuRAG entgegen. Danach berechtigt eine Berufsausbildung, die nicht überwiegend in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum stattgefunden hat, zur Ablegung der Eignungsprüfung nur, wenn der Bewerber den Beruf eines europäischen Rechtsanwalts tatsächlich und rechtmäßig mindestens drei Jahre ausgeübt hat und dies von dem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat bescheinigt wird, der die Ausbildung anerkannt hat. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antragsteller nicht. Seine Berufsausbildung hat nicht "überwiegend" in Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum stattgefunden. Daß die Juristenausbildung, die der Antragsteller im Inland durchlaufen hat, für den in den USA erworbenen berufsqualifizierenden Abschluß von wesentlicher Bedeutung war, macht er selbst nicht geltend. Nach seinem eigenen Vorbringen fehlt es an der Zulassung als Barrister, Solicitor oder Advocate. Im übrigen hat er den Beruf eines "europäischen Rechtsanwalts" bisher nicht ausgeübt. Da er somit derzeit nicht einmal zur Ablegung der Eignungsprüfung gemäß § 16 EuRAG berechtigt wäre, kann ihm das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland um so weniger den direkten Zugang zur Rechtsanwaltschaft im Inland eröffnen.

c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist unerheblich, daß aufgrund der Verordnung des Bundesministeriums der Justiz vom 29. Januar 1995 zur Durchführung des § 206 Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BGBl. I S. 142) § 206 Abs. 2 Satz 1 BRAO a.F. auf den amerikanischen Attorneyat-Law anzuwenden war. Damit wurde lediglich bewirkt, daß ein Attorneyat-Law, falls er in die für den Ort seiner Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer aufgenommen war, sich unter seiner Berufsbezeichnung mit der Befugnis zur Rechtsberatung auf dem Gebiet des Rechts des Herkunftsstaates (USA) und des Völkerrechts im Geltungsbereich der Bundesrechtsanwaltsordnung niederlassen durfte. Diese Erlaubnis war dem Antragsteller erteilt worden; sie hat ihm nur nicht genügt.

2. Die von dem Antragsteller in Anspruch genommenen Rechte ergeben sich auch nicht aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht.

a) Allerdings ist dieses auf den vorliegenden Fall anwendbar, falls der Antragsteller, wie er behauptet, in London niedergelassen ist und dort umfassend Beratungsleistungen erbringen darf. Dies unterstellt der Senat zugunsten des Antragstellers. Da er mit den gleichen Befugnissen eine Niederlassung im Inland anstrebt, geht es -obwohl er deutscher Staatsangehöriger ist -um einen die Binnengrenzen der Europäischen Gemeinschaft überschreitenden Verkehr.

b) Indes ist das sekundäre Gemeinschaftsrecht im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Sowohl die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie, Amtsbl. L 19, S. 16), noch die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworden wurde (Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte, Amtsbl. L 77, S. 36) gelten nur für Diplome, die in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden. Fälle, in denen die Berufsqualifikation in einem Drittstaat erworben wurde, werden nicht erfaßt.

Das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) hat somit die EG-Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte jedenfalls insoweit, als es Berufsbewerber mit Drittstaatendiplomen angeht, vollständig umgesetzt.

c) Auch auf das primäre Gemeinschaftsrecht (Art. 43, 81, 82, 86 EG) kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen.

aa) Die durch Art. 43 EG garantierte Niederlassungsfreiheit verpflichtet keinen der Mitgliedstaaten, einen Bürger des eigenen oder eines anderen Mitgliedstaates, der nur einen berufsqualifizierenden Abschluß eines Drittstaates aufzuweisen hat, ohne weiteres -insbesondere ohne Prüfung der Qualifikation -zu einem qualifizierten Beruf zuzulassen.

Nach § 43 Abs. 2 EG umfaßt die Niederlassungsfreiheit die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten "nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen". Deswegen steht es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes jedem Mitgliedstaat in Ermangelung besonderer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften grundsätzlich frei, die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs für sein Hoheitsgebiet zu regeln (EuGH. Urt. v. 12. Juli 1984 -Rs. 107/83 -Klopp, NJW 1985, 1275, 1276 Rz. 17; v. 30. November 1995 -Rs. C-55/94 -Gebhard, NJW 1996, 579 Rz. 36;

v.

19. Februar 2002 -Rs. C-309/99 -Wouters, NJW 2002, 877, 881 Rz. 99). Nationale Regelungen, welche die Ausübung der gemeinschaftsrechtlichen Freiheiten behindern oder weniger attraktiv erscheinen lassen, müssen allerdings vier Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (EuGH, Urt. v. 30. November 1995 -Rs. C-55/94 -Gebhard, NJW 1996, 579 Rz. 37; vgl. ferner BGH, Beschl.

v.

18. November 1996 -AnwZ (B) 28/96, EuZW 1997, 282, 283 m.w.N.).

Die Sicherung einer geordneten Rechtspflege und der Schutz der Mandanten gebieten es, nicht hinreichend qualifizierte Personen von deren Beratung und Vertretung fernzuhalten. Nationale Normen, die für die Ausübung des Anwaltsberufs einen Eignungsnachweis verlangen (§ 4 BRAO; § 11 EuRAG) und solche Personen, die diesen nicht erbringen, in ihren Handlungsmöglichkeiten einschränken (§ 206 BRAO), dienen damit zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. Sie sind überdies geeignet, das mit ihnen verfolgte Ziel zu erreichen. Über das, was zu dem beschriebenen Zweck notwendig ist, gehen sie nicht hinaus. Diskriminierend wirken sie nicht, weil alle Gemeinschaftsangehörigen gleich behandelt werden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist davon auszugehen, daß die Behörden eines Mitgliedstaates, die mit einem Antrag eines Gemeinschaftsangehörigen auf Zulassung zu einem Beruf befaßt sind, dessen Aufnahme nach nationalem Recht vom Besitz eines Diploms oder einer beruflichen Qualifikation oder von Zeiten praktischer Erfahrung abhängt, einen in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Befähigungsnachweis sowie die dort erworbenen einschlägigen Erfahrungen berücksichtigen und mit den nach nationalem Recht vorgeschriebenen Kenntnissen und Fähigkeit vergleichen müssen (EuGH, Urt. v. 7. Mai 1991 -Rs. C-340/89 -Vlassopoulou, NJW 1991, 2073 f Rz. 16, 19, 20; v. 9. Februar 1994 -Rs. C-319/92 -Haim, NJW 1994, 2409, 2410 Rz. 27 und 28; v. 30. November 1995 -Rs. C-55/94 -Gebhard, NJW 1996, 579 Rz. 38; v. 14. September 2000 -Rs. C-238/98 -Hocsman, Slg. 2000, I-6623 Rz. 23; v. 22. Januar 2002 -Rs. C-31/00 -Dreessen, EuZw 2002, 247 Rz. 24). Die gebotene Berücksichtigung der Qualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen, die der Berufsbewerber bereits in einem anderen Mitgliedstaat erworben hat, wird jedoch durch die §§ 2, 11 EuRAG sichergestellt (vgl. dazu oben I 1 a, b).

Zwar hat ein Berufsbewerber nach Gemeinschaftsrecht unter Umständen einen Anspruch darauf, daß auch Qualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen, die in einem Drittstaat erworben wurden, berücksichtigt werden (EuGH, Urt. v. 22. Januar 2002 -Rs. C-31/00 -Dreessen, aaO Rz. 27). Wenn aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs selbst Diplome, die von Mitgliedstaaten ausgestellt wurden, nur ausnahmsweise - nämlich unter den Voraussetzungen des Art. 10 der Richtlinie 98/5/EG und des die Richtlinie umsetzenden Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) -ohne weiteres das Recht begründen, in jedem anderen Mitgliedstaat als Rechtsanwalt tätig zu sein, ansonsten aber lediglich Anlaß zur "Prüfung" geben, können Drittstaatendiplome keine weitergehenden Wirkungen entfalten.

bb) Die Bestimmungen über die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 ff EG) sind nicht einschlägig. Sie setzen zwar nicht voraus, daß der Erbringer und der Empfänger der Dienstleistungen in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind (EuGH, Urt. v. 28. November 1999 -Rs. C 55/98 -Vestergaard, Slg. 1999 I 7641 Rz. 19; damit ist BGH, Beschl. v. 19. November 1996 -AnwZ (B) 28/96, EuZW 1997, 282, 284 überholt). Vielmehr sind sie auch anwendbar, wenn sich derjenige, der die Dienste leistet, zu diesem Zweck in einen anderen Mitgliedstaat als dem seiner Niederlassung begibt. Der Antragsteller will jedoch seine anwaltlichen Dienste nicht von London aus im Inland anbieten, sondern sich auf Dauer in B. niederlassen.

cc) Da es zulässig ist, einen Bewerber, der nur über ein Drittstaatendiplom verfügt, den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf im Inland zu verwehren (EuGH, Urt. v. 19. Februar 2002 -Rs. C-309/99 -Wouters, NJW 2002, 877, 881 Rz. 99, 109), liegt darin keine Verhaltensweise, die eine gemäß Art. 81 EG unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (vgl. EuGH, Urt. v. 19. Februar 2002 -Rs. 35/99 -Arduino, Slg. 2002, I 1529 Rz. 34, 43 f).

II. Zum ersten Hilfsantrag Der Bescheid vom 28. März 2001 ist auch nicht deshalb aufzuheben, damit die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut verbescheidet und dabei seine individuelle Qualifikation berücksichtigt.

Allerdings hat der Antragsteller, wie bereits dargelegt, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Anspruch darauf, daß bei der Entscheidung über die Berufszulassung auch die Qualifikationen, Kenntnisse und Erfahrungen, die er in einem Drittstaat erworben hat, berücksichtigt werden. Diesem Anspruch wird jedoch durch § 16 Abs. 2 EuRAG Rechnung getragen. Wie ebenfalls bereits ausgeführt, erfüllt der Antragsteller die dort normierten Voraussetzungen nicht. Er kann nicht besser gestellt werden als ein europäischer Rechtsanwalt im Sinne des § 16 Abs. 2 EuRAG.

Selbst dann, wenn Art. 43 Abs. 2 EG weitergehende Ansprüche verschaffen könnte, hätte der Antragsteller nicht dargetan, daß seine individuelle Qualifikation Veranlassung gibt, ihn im Inland zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen. Die hier absolvierte Ausbildung in Verbindung mit dem Postgraduiertenstudium an der US-amerikanischen Universität und dem dort erworbenen Abschluß als Attorneyat-Law kann der Befähigung zum Richteramt im Sinne von § 4 BRAO nicht gleich geachtet werden. Denn die beiden Ausbildungen waren grundsätzlich verschieden angelegt und in keiner Weise aufeinander bezogen. Die amerikanische Ausbildung konnte die Defizite der nicht abgeschlossenen Ausbildung im Inland somit nicht ausgleichen. Daran ändert nichts wesentliches, daß der Antragsteller nach seinem Vorbringen inzwischen außerdem an einem fünftägigen Seminar des Deutschen Anwaltsinstitutes über anwaltliches Berufsrecht teilgenommen hat. Entsprechendes gilt für die Ablegung der Prüfungen "Professional Conduct & Accounts" und "Ligitation" im Vereinigten Königreich. Die erste hatte lediglich zum Gegenstand "Anwaltliches Berufsrecht und Praxis, Spezielle Buchführung und Anwendung des 'Finanzial Services and Markets Act' in der Rechtspraxis", die zweite "Prozeßführung, Praxis als Zivilanwalt und Strafverteidiger". Die durch diese Kurse vermittelten Kenntnisse sind nicht vergleichbar mit denen, welche Rechtsreferendare im Vorbereitungsdienst zu erwerben haben, um die Zweite juristische Staatsprüfung zu bestehen.

III. Zum zweiten Hilfsantrag Schließlich ist die Antragsgegnerin auch nicht verpflichtet, den Antragsteller entsprechend § 2 Abs. 1 EuRAG -dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil der Antragsteller nach seinem eigenen Bekunden nicht Mitglied der für London zuständigen Rechtsanwaltskammer ist -mit den Rechten und Pflichten eines niedergelassenen europäischen Rechtsanwalts in die Rechtsanwaltskammer aufzunehmen.

Eine derartige Verpflichtung ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 43 EG in Verbindung mit dem vom Antragsteller angeführten Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (BGBl. II S. 810), das am 1. Juni 2002 in Kraft getreten ist (BGBl. II S. 1692). Das Abkommen ermöglicht Rechtsanwälten aus der Schweiz und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union den wechselseitigen Zugang zum jeweiligen Markt für anwaltliche Dienstleistungen, weil im Anhang III unter anderem auf die Hochschuldiplomrichtlinie, die Dienstleistungsrichtlinie und die Niederlassungsrichtlinie Bezug genommen wird. Das Bundesministerium der Justiz bereitet derzeit eine Änderung des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) vor, durch die schweizerische Anwälte in den Geltungsbereich der nationalen Regelung einbezogen werden (NJW 2002, Heft 42 S. X, XII).

Entgegen der Ansicht des Antragstellers verpflichtet das europäische Gemeinschaftsrecht die Mitgliedstaaten nicht dazu, nun auch mit Anwälten aus sonstigen Drittländern entsprechend zu verfahren. Das hat vielmehr den Abschluß weiterer Abkommen zur Voraussetzung, und hinsichtlich des Abschlusses solcher Abkommen sind die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten frei. Aus der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (Urt. v. 27. September 1988 -Rs. 235/87 -Matteucci, Slg. 1988, 5589 Rz. 16; v. 21. September 1999 -Rs. C-307/97 -Saint Gobain ZN, Slg. 1999, I-6161 Rz. 57 ff) ergibt sich nichts anderes. Wenn eine Vergünstigung, wie sie nunmehr schweizerischen Anwälten zuteil wird, amerikanischen Anwälten (noch) vorenthalten wird, ist dies schon deshalb keine gemeinschaftswidrige Diskriminierung, weil durch das fragliche Abkommen die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten gleich behandelt werden. Im übrigen wird der Beratungsmarkt der Europäischen Gemeinschaft nur für schweizerische Rechtsanwälte (Advokat, Rechtsanwalt, Anwalt, Fürsprecher, Fürsprech/ Avocat/Avvocato) eröffnet und nicht für solche, die aufgrund eines (weder von der Schweiz noch einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ausgestellten) Drittstaatendiploms in der Schweiz niedergelassen sind.

C.

Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EG bedarf es nicht. Die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, insbesondere zur Berücksichtigung von Drittstaatendiplomen, ist, soweit sie hier entscheidungserheblich ist, durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ausreichend geklärt. Die Frage, ob das deutsche Recht mit dem durch den Gerichtshof autonom ausgelegten primären und sekundären Gemeinschaftsrechtübereinstimmt, fällt ausschließlich in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte (EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982 -283/81 -CILFIT, NJW 1983, 1257, 1258; v.

30. November 1995 -Rs. C-55/94 -Gebhard, NJW 1996, 579 Rz. 19).

Deppert Ganter Otten Frellesen Wüllrich Frey Hauger






BGH:
Beschluss v. 19.09.2003
Az: AnwZ (B) 74/02


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