Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. März 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 11/02

(BPatG: Beschluss v. 18.03.2003, Az.: 14 W (pat) 11/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent 197 13 696 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2003 Beschreibung Seite 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2003 Beschreibung Seiten 3 bis 8, gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 15. November 2001 hat die Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent 197 13 696 mit der Bezeichnung

"Verfahren zum gleichzeitigen Tönen und Waschen von menschlichen Haaren"

widerrufen.

Dem Beschluß liegen die erteilten Patentansprüche 1 und 2 zugrunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

"Verfahren zum gleichzeitigen Waschen und Tönen von menschlichen Haaren, dadurch gekennzeichnet, dass ein Haarwaschmittel auf wäßriger Grundlage, enthaltend mindestens ein Tensid, mit einer wasserlöslichen bzw wasserdispergierbaren pulverförmigen Zusammensetzung, enthaltend mindestens einen wasserlöslichen, direktziehenden Haarfarbstoff, zu einer homogenen Zusammensetzung vermischt und anschließend auf das Haar aufgebracht wird."

Wegen des Wortlautes des Anspruches 2 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Der Widerruf ist im wesentlichen damit begründet, daß dem gemäß Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahren in Hinblick auf die Entgegenhaltung

(1) DE 556 338 C die Neuheit fehle, weil dort ein pulverförmiger Pflanzenfarbstoff verwendet werde und der Fachmann bei dem in (1) genannten Begriff "Seifenwasser" ohne weiteres Haarwaschmittel, die mindestens ein Tensid enthielten, mitlese. Seifenwasser könnten nämlich gleichfalls als Haarwaschmittel eingesetzt werden und enthielten, wie den Dokumenten

(2) K. H. Schrader "Grundlagen und Rezepturen der Kosmetika", 2. Auflage, 1989, S 683/684 und

(3) Römpps Chemie Lexikon, 9. Auflage, 1992, S 1681 zu entnehmen sei, anionische Tenside.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie ihr Patentbegehren unter Zugrundelegung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag und einer hieran angepassten Beschreibung weiterverfolgt. Diese Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zum gleichzeitigen Waschen und Tönen von menschlichen Haaren, bei Verwendung einer wasserlöslichen bzw wasserdispergierbaren pulverförmigen Zusammensetzung, enthaltend mindestens einen wasserlöslichen, direktziehenden Haarfarbstoff und eines Haarwaschmittels auf wässriger Grundlage in Form eines üblichen Shampoos, enthaltend mindestens ein Tensid, dadurch gekennzeichnet, dass die pulverförmige Zusammensetzung, die mindestens einen direktziehenden kationischen Haarfarbstoff enthält, mit der Haarwaschmittelzusammensetzung auf wässriger Grundlage, enthaltend mindestens ein Tensid, vor der Anwendung zu einer homogenen Zusammensetzung vermischt und anschließend auf das Haar aufgebracht wird.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die wasserlösliche und wasserdispergierbare pulverförmige Zusammensetzung zusätzlich mindestens ein Polyethylenglykol mit einem Molekulargewicht von 10.000 enthält.

3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Haarwaschmittel auf wässriger Grundlage mindestens ein Alkylpolyglycosid der allgemeinen Formel R - O - (R1O)n-Zx, worin R eine Alkylgruppe mit 8 bis 18 Kohlenstoffatomen, R1 eine Ethylen- oder Propylengruppe, Z einen Saccharidrest mit 5 bis 6 Kohlenstoffatomen, n eine Zahl von 0 bis 10 und x eine Zahl zwischen 1 und 2,5 bedeuten, enthält.

4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass bei der Mischung des Haarwaschmittels mit der pulverförmigen Zusammensetzung zusätzlich Wasser zugesetzt wird."

Hilfsweise verfolgt sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Patentansprüche 1 und 2 gemäß 1. Hilfsantrag. Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zum gleichzeitigen Waschen und Tönen von menschlichen Haaren, bei Verwendung einer wasserlöslichen bzw wasserdispergierbaren pulverförmigen Zusammensetzung, enthaltend mindestens einen wasserlöslichen, direktziehenden Haarfarbstoff und eines Haarwaschmittels auf wässriger Grundlage in Form eines üblichen Shampoos, enthaltend mindestens ein Tensid, dadurch gekennzeichnet, dass die pulverförmige Zusammensetzung, die mindestens einen direktziehenden kationischen Haarfarbstoff und mindestens ein Polyethylenglykol mit einem Molekulargewicht von 10.000 enthält und eine Haarwaschmittelzusammensetzung auf wässriger Grundlage, enthaltend mindestens ein Tensid, und ein Alkylpolyglycosid der allgemeinen Formel R - O - (R1O)n-Zx, worin R eine Alkylgruppe mit 8 bis 18 Kohlenstoffatomen, R1 eine Ethylen- oder Propylengruppe, Z einen Saccharidrest mit 5 bis 6 Kohlenstoffatomen, n eine Zahl von 0 bis 10 und x eine Zahl zwischen 1 und 2,5 bedeuten, vor der Anwendung zu einer homogenen Zusammensetzung vermischt und anschließend auf das Haar aufgebracht wird."

Weiter hilfsweise verfolgt die Patentinhaberin ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Patentansprüche 1 und 2 gemäß 2. Hilfsantrag. Der Patentanspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag durch die Angabe eines Mengenbereiches von 2,5 Gew.-% bis 20 Gew.-% im Zusammenhang mit den Alkylpolyglycosiden.

Die sich an die Patentansprüche 1 der beiden Hilfsanträge jeweils anschließenden Patentansprüche 2 entsprechen dem erteilten und veröffentlichten Patentanspruch 2.

Die Patentinhaberin vertritt sinngemäß die Auffassung, dass das beanspruchte Verfahren nicht nur neu sei, sondern auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Tönungsshampoos seien zwar an sich zweifelsfrei bekannt. Gemäß Streitpatent werde jedoch ein Verfahren zum gleichzeitigen Tönen und Waschen menschlicher Haare bereitgestellt, dessen Schwerpunkt darin zu sehen sei, dass die Komponenten Färbemittel und Shampoo erst unmittelbar vor der Anwendung vermischt werden würden. Das in der von der Einsprechenden als neuheitsschädlich erachteten Entgegenhaltung

(4) DE 195 48 291 A1 angegebene Färbeverfahren möge zwar gleichfalls ein Vermischen zweier Komponenten umfassen, die Verwendung der dort beschriebenen anionischen Tenside sei aber nicht automatisch mit einer gleichzeitigen waschenden Wirkung solcher Zusammensetzungen verbunden. Diese anionischen Tenside lägen nach (4) zudem bevorzugt in fester Form vor und seien damit, wie dies auch gemäß Streitpatent der Fall sei, Teil des Farbstoffpulvers selbst. Dies träfe in gleicher Weise auf die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen

(5) JP 06 172 146 A2 (vorgelegt in deutscher Übersetzung) und

(6) DE 195 30 998 A1 zu. Im übrigen enthielten Tönungsmittel im allgemeinen immer irgendwelche Tenside; damit behandelte Haare müssten aber trotzdem nach deren Anwendung gewaschen werden.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß 1. Hilfsantrag, weiter hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 gemäß 2. Hilfsantrag, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, jeweils mit Beschreibungsseiten 3 bis 8 gemäß Patentschrift und Beschreibung Seite 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie widerspricht dem Vorbringen der Patentinhaberin und bestreitet die Neuheit des mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag beanspruchten Verfahrens unter Verweis auf die Entgegenhaltung (4). Dieses Dokument gäbe ein Verfahren an, bei dem eine erste pulverförmige Komponente, die direktziehende, kationische Farbstoffe enthalte, vor der Anwendung mit einer zweiten die restlichen Inhaltsstoffe und damit ua auch Tenside enthaltenden Komponente vermischt werde. Haarwaschmittel seien aber gleichfalls durch einen Gehalt an Tensiden gekennzeichnet und es gehöre zum Basiswissen des Fachmannes, dass Tenside, insbesondere anionische Tenside, zum Reinigen eingesetzt werden würden. Daher gehe er von vornherein davon aus, dass tensidhaltige Mittel, somit auch die in Rede stehenden Lösungen, immer auch reinigten. Darüber hinaus würden in den Zubereitungen gemäß (4) nicht nur anionische Tenside bevorzugt verwendet, auch entsprächen die auf diese bezogenen, angegebenen Mengenangaben jenen gemäß Streitpatent. Somit sei mit (4) bereits das gemäß Patentanspruch 1 beanspruchte Verfahren vollständig offenbart, denn es müsse davon ausgegangen werden, dass gleiche Tenside in gleichen Mengen auch gleich wirkten.

Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bestritt die Einsprechende gleichfalls. So nenne das Dokument (6) ein Färbemittel, bestehend aus zwei vor der Anwendung zu mischenden Komponenten. Zwar seien dort offensichtlich keine kationischen Farbstoffe als Bestandteil des pulverförmigen Färbemittels angegeben, die zweite Komponente sei aber mit einem Haarwaschmittel als identisch anzusehen, weil sie Tenside in wässriger Lösung enthielte. Diese Konfektionierung läge auch deshalb nahe, weil Tenside vom Handel bevorzugt in wässriger Lösung oder Pastenform bereitgestellt werden würden. Damit komme nach Auffassung der Einsprechenden gegenüber (6) nur noch die Auswahl der direktziehenden kationischen Farbstoffe zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit in Betracht. Deren Verwendung in Pulverform sei aber zB aus (5) bzw

(7) DE 41 29 926 C1 notorisch bekannt. Hinsichtlich der Entgegenhaltung (1) treffe das zu (6) Gesagte gleichfalls zu. Auch hier liege der Unterschied nur in dem Austausch von Pflanzenfarbstoffen gegen direktziehende, kationische Farbstoffe. Die nach (1) zum Anrühren des Farbstoffpulvers vorgesehene Seifenlösung stelle dagegen ebenfalls ein Haarwaschmittel dar, da diese aus Tensiden bestände und daher als waschende und reinigende Lösung angesehen werden müsste. Damit sei sie der Basis von Haarwaschmitteln gleich zu setzen, die, wie nach (3) zu ersehen sei, immer überwiegend Tenside in wässriger Lösung als reinigende Inhaltsstoffe enthielte, variiert würde bei solchen Mitteln im allgemeinen daher nur die Zusammensetzung der weiteren Inhaltstoffe. Bezüglich der Entgegenhaltung (5) führt sie im weiteren aus, daß das dort angegebene endgültige, auf die Haare aufzutragende Produkt mit der gemäß Streitpatent zur Anwendung kommenden Zubereitung identisch sei, daß die Tenside in der pulverförmigen Farbstoff-Zubereitung und nicht in der zweiten, zum Anrühren der Zusammensetzung vorgesehenen Komponente enthalten seien, spiele daher keine Rolle. Auch in der mit (5) und (6) angegebenen Maßnahme, die Haare nach dem Tönungsvorgang mit einem Shampoo zu waschen, sieht die Einsprechende keinen Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen. Selbst wenn die Haare mit dem Aufbringen der in Rede stehenden Tönungsmittel gemäß Stand der Technik aufgrund ihres Gehaltes an Tensiden automatisch gewaschen werden würden, könne diese Maßnahme zusätzlich erforderlich sein, um überschüssige Farbstoffe zu entfernen.

Auf die Entgegenhaltung (7) war von Seiten des Senates im Zusammenhang mit der Zwischenverfügung vom 11. März 2003 hingewiesen worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (§ 73 PatG) und auch begründet, weil dem nunmehr beanspruchten Verfahren Patentfähigkeit zukommt.

1. Gegen die Zulässigkeit der geltenden Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag bestehen keine Bedenken.

Sie sind inhaltlich aus den Erstunterlagen Ansprüche 1 und 2 in Verbindung mit Beschreibung S 1 Abs 6, S 3 Abs 4, S 5 Rahmenrezeptur, S 6 Abs 4 und S 7/8 übergreifender Absatz sowie aus der Patentschrift Patentansprüche 1 und 2 iVm Beschreibung S 2 Z 14 bis 17 und 49/50, S 3 Rahmenrezeptur sowie S 4 Z 9 bis 11 und Z 42 bis 47 herleitbar.

2. Das gemäß Patentanspruch 1 in der nunmehr geltenden Fassung beanspruchte Verfahren zum gleichzeitigen Waschen und Tönen von menschlichen Haaren ist neu, denn in keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen ist ein Verfahren genannt, bei dem eine einen direktziehenden, kationischen Farbstoff enthaltende pulverförmige Zusammensetzung vor der Anwendung mit einem Haarwaschmittel auf wässriger Grundlage in Form eines üblichen Shampoos vermischt wird.

So wird in der älteren Patentanmeldung (4) ein Färbeverfahren angegeben, bei dem ein Mittel zur Anwendung kommt, das ua in Form zweier getrennter Komponenten vorliegen kann. Für die erste Komponente wird in diesem Fall als zwingender Bestandteil der in fester Form vorliegende Farbstoff genannt, bei dem es sich um eine Mischung handeln kann, die ua einen direktziehenden kationischen Farbstoff enthält. Die zweite Komponente stellt eine wässrige Lösung weiterer Inhaltsstoffe dar, wobei letztere wiederum in beliebiger Weise zwischen beiden Komponenten aufgeteilt sein können (vgl Ansprüche 1, 5 und 6 iVm Beschreibung S 3 Z 1 bis 5, 15 bis 20 sowie S 3 Z 65 bis S 4 Z 2). Zu diesen Inhaltsstoffen zählen ua auch Tenside, insbesondere anionische Tenside in Pulverform, und zwar in Mengen von 5 bis 20 Gew.-% (vgl Beschreibung S 4 Z 48 bis 57). Die Einsprechende macht nun geltend, aufgrund der Anwesenheit dieser anionischen Tenside würde das Färbemittel gemäß (4) automatisch gleichzeitig neben dem Tönen auch reinigend wirken, da es sich hierbei um eine immanente Eigenschaft solcher Verbindungen handle. Dieser Argumentation kann sich der Senat jedoch nicht anschließen. Tenside stellen eine Wirkstoffgruppe dar, deren einzelne Mitglieder auf vielfältige Weise Verwendung finden können. So beschränkt sich deren Anwendungsbereich auch auf dem Gebiet der Haarkosmetika nicht nur auf den Einsatz als waschaktive Substanzen, sondern umfasst ua gleichermaßen den Einsatz als Formulierungs-Hilfsmittel wie Emulgatoren oder Lösungsvermittler bzw als Wirkstoff-Gruppe wie Ölkörper oder Konditioniermittel. Übereinstimmend damit werden Tönungsmittel auch mit unterschiedlichen Funktionen bereitgestellt. Dies erfolgt in Form von Tönungsshampoos, wie sie zB in (7) beschrieben werden, oder in Form von Tönungsmittel, die nur tönen oder zusätzlich pflegende Eigenschaften aufweisen. Die Verwendung von Tensiden in üblichen nur zur Tönung bereitgestellten Mitteln impliziert daher nicht automatisch ein gleichzeitiges Waschen der Haare. Vielmehr handelt es sich in solchen Fällen um die Verwendung von Hilfsstoffen, die die Anwendbarkeit und Effektivität solcher Mittel unterstützen sollen. Bestätigung findet diese Auffassung durch die Zusammensetzung der im Streitpatent als erste Komponente angegebenen pulverförmigen Farbstoffzubereitung. Unabhängig von dem als zweite Komponente eingesetzten Haarwaschmittel auf wässriger Grundlage in Form eines üblichen Shampoos, enthaltend mindestens ein Tensid, weist diese Zubereitung, die an sich bekannten pulverförmigen Haarfärbemitteln entspricht, nämlich gleichfalls Tenside, auch anionische Tenside, in einem Mengenbereich von 5 bis etwa 30 Gew.-% des Pulvers auf (vgl Streitpatentschrift S 2 Z 27 bis 32). Die Nennung von Tensiden als weitere Wirk-, Zusatz- und Hilfsstoffe gemäß (4) ist daher nicht dazu geeignet, die in dieser Entgegenhaltung als zweite Komponente genannte weitere Inhaltsstoffe enthaltende wässrige Lösung als Haarwaschmittel in Form eines üblichen Shampoos zu charakterisieren. Die Neuheit des mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens ist daher aus den vorstehend dargelegten Gründen gegenüber der Entgegenhaltung (4) anzuerkennen.

Die darüber hinaus im Verfahren genannten Entgegenhaltungen (1), (5), (6) und (7) treffen die Neuheit des beanspruchten Verfahrens ebenfalls nicht. Während nach (1) und (6) keine direktziehenden, kationischen Farbstoffe verwendet werden, wird die Farbstoff enthaltende pulverförmige Zubereitung gemäß (5) vor der Anwendung mit Wasser, nicht jedoch mit einem Haarwaschmittel vermischt. Das Ergreifen einer dem entsprechenden Maßnahme ist nach der Entgegenhaltung (7) von vornherein nicht erforderlich, da diese Tönungsshampoos beschreibt, die bereits gebrauchsfertig für eine sofortige Anwendung konfektioniert sind.

3. Das beanspruchte Verfahren beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn durch keine der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen wird ein Stand der Technik vermittelt, der die beanspruchte Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe nahelegt.

Wie im einleitenden Teil der Streitpatentschrift ausgeführt wird, sind sogenannte Tönungsshampoos, die in einer üblichen wässrigen Shampoogrundlage einen geringen Anteil an direktziehenden Haarfarbstoffen enthalten, seit langem bekannt. Diese Zubereitungen weisen jedoch im wesentlichen den Nachteil auf, dass die mit ihnen zu erzielende Anzahl der Farbnuancen und deren Intensität begrenzt ist, zudem nur wasserlösliche bzw wasserstabile direktziehende Farbstoffe eingesetzt werden (vgl Streitpatentschrift S 2 Z 5 bis 10).

Davon ausgehend liegt dem Streitpatent sinngemäß die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum gleichzeitigen Tönen und Waschen von menschlichen Haaren bereitzustellen, das es auf einfache Weise gestattet, die Intensität und auch die Zahl der Farbnuancen nahezu beliebig zu variieren, unabhängig von der Wasserlöslichkeit und -stabilität der eingesetzten direktziehenden Haarfarbstoffe (vgl Streitpatentschrift S 2 Z 11 bis 13).

Gelöst wird diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 mit einem Verfahren, bei dem eine pulverförmige Farbstoffzubereitung und ein Haarwaschmittel auf wässriger Basis in Form eines Shampoos, enthaltend mindestens ein Tensid, erst vor dem Auftragen auf das Haar gemischt werden (vgl geltenden Patentanspruch 1).

Anregungen dahingehend, ein Verfahren, das durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Maßnahmen gekennzeichnet ist, bereitzustellen, werden dem Fachmann, hier ein mit der Entwicklung von haarkosmetischen Produkten befaßter Diplom-Chemiker, mit keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen gegeben. Verfahren zum Tönen von Haaren, bei denen die Färbemittel erst unmittelbar vor der Anwendung durch Vermischen einer pulverförmigen Farbstoff-Zubereitung und einer wässrigen Lösung, die weitere fakultative Substanzen enthalten kann, hergestellt werden, sind zwar in der Entgegenhaltung (6) beschrieben. Bei diesen fakultativen Inhaltstoffen, die auch Tenside betreffen, handelt es sich aber um Zusatzstoffe, die eingesetzt werden, um die Farbstoffpulver zu stabilisieren. Sie werden auch eingesetzt, um mit dem Anrühren der pulverförmigen Zubereitung eine homogene Dispersion mit geeigneter Viskosität zu erhalten, mit der sodann sowohl ein gleichmäßiger Auftrag auf die Haare als auch ein gleichmäßiges Halten der Dispersion auf den Haaren ermöglicht wird. Auch kann es sich dabei um Zusatzstoffe handeln, die eingesetzt werden, um die Ausspülbarkeit des Mittels nach dem Färben zu erleichtern oder Haare über den Färbevorgang hinaus zu konditionieren bzw ihnen Halt zu verleihen (vgl S 2 Abs [003], S 3 [007], S 8 Abs [0028] bis S 10 Abs [0035] sowie S 13 [0048]). Das Waschen der Haare selbst erfolgt gemäß (6) aber erst nach Beendigung des Tönungsvorganges in einem zusätzlichen, darauf folgenden Schritt (vgl S 10 Abs [0038]). Anregungen dahingehend, pulverförmige, direktziehende, kationische Farbstoffe enthaltenden Zubereitungen unmittelbar vor der Anwendung mit einem üblichen Shampoo zu vermischen, um ein gleichzeitiges Tönen und Waschen zu ermöglichen, werden in dieser Schrift an keiner Stelle gegeben.

Die Entgegenhaltung (5) vermag dem Fachmann gleichfalls nicht die mit dem Streitpatent beanspruchte Lehre zu vermitteln. Vergleichbar mit (6) steht es auch bei diesem Dokument im Vordergrund, im Zuge der Anwendung pulverförmiger Färbemittel eine präzise, gleichmäßige Applikation und eine gegenüber üblichen Zusammensetzungen verbesserte Färbewirkung zu erreichen (vgl S 2 Z 16 bis 21). Dazu wird nach (5) vorgeschlagen, dem Farbstoffpulver Galaktomannan-Polysaccharide zuzugeben (vgl S 2 Z 26 bis 29). Diese Maßnahme betrifft ausschließlich die stoffliche Zusammensetzung des Pulvers selbst. Vor der Anwendung wird dieses Farbstoffpulver - das im übrigen so auch die pulverförmige Farbstoff-Komponente nach dem Streitpatent darstellen kann (vgl Streitpatent S 2 Z 23 iVm geltendem Patentanspruch 1) - sodann mit Wasser vermischt. Zwar enthält diese Zusammensetzung im weiteren ebenfalls Tenside. Hinweise jedoch, dass damit eine zusätzliche waschende oder reinigende Wirkung verbunden sein könnte, sind (5) gleichfalls an keiner Stelle zu entnehmen. Dagegen werden aber auch gemäß dieser Entgegenhaltung die Haare nach Beendigung des Färbeprozesses shampooniert, um überschüssige Bestandteile der Tönungszubereitung zu entfernen (vgl (5) Ansprüche 1 und 6 iVm Beschreibung S 3 Z 45 bis 47). Damit vermittelt dieses Dokument dem Fachmann aber ebenso wenig wie das Dokument (6) eine Anregung das mit dem Patentanspruch 1 angegebene Verfahren bereitzustellen, wenn der Fachmann vor die Aufgabe gestellt ist, übliche Färbeshampoos, wie sie zB aus (7) bekannt sind, hinsichtlich der mit ihnen zu erzielenden Anzahl der Farbnuancen und deren Intensität, unabhängig von der Wasserlöslichkeit und - stabilität der eingesetzten direktziehenden Farbstoffe zu verbessern.

Entsprechende Anregungen sind auch nicht der Entgegenhaltung (1) zu entnehmen. Auch diese verfolgt das Ziel, die Qualität der Haarfärbung durch eine gleichmäßigere Färbung und eine Stabilisierung der Farbstoffpulver zu erreichen. Dazu werden pulverförmige Pflanzenfarbstoffe unmittelbar vor der Anwendung mit einer Seifenlösung vermischt (vgl Patentanspruch iVm S 1 li Sp Z 24 bis re Sp Z 42). Damit mag diese Zusammensetzung zwar nicht nur tönend sondern auch gleichzeitig waschend wirken. Aber weder die Pflanzenpulver nach (1) noch eine einfache Seifenlösung sind hinsichtlich ihrer Bestandteile mit den heute üblicherweise eingesetzten, direktziehende, kationische Farbstoffe enthaltenden Zubereitungen oder üblichen Shampoos vergleichbar. Wie anhand der Druckschrift (3) zu ersehen ist, bestehen Haarwaschmittel in Form von üblichen Shampoos aus einer Vielzahl von Rezepturbestandteilen (vgl S 1681 li Sp Abs 3 bis re Sp Abs 2). Bei deren Anwesenheit muß aber damit gerechnet werden, daß Qualitätsbeeinträchtigungen auftreten können, bedingt zB durch ihre Ionenaktivität, ihre Polarität oder ihr Löslichkeitsverhalten, wenn sie mit einer pulverförmigen direktziehende, kationische Farbstoffe enthaltenden Zubereitung vermischt werden, die üblicherweise selbst eine sehr komplexe Zusammensetzung aufweisen (vgl zB (5) S 2 Z 26 bis 39 und S 3 Z 26 bis 44). Damit ist die Druckschrift (1) weder alleine noch in einer Zusammenschau mit den Entgegenhaltungen (5), (6) oder (7) dazu geeignet, dem Fachmann Lösungsansätze für die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe zu vermitteln. So mag es aus den Entgegenhaltungen (1), (5) und (6) als vorteilhaft bekannt sein, bestimmte Farbstoffzubereitungen in fester Form bereitzustellen, um deren Färbequalität zu erhalten, Anregungen jedoch diese vor der Anwendung mit einem üblichen Shampoo zu vermischen, um damit Nachteile von üblichen Tönungsshampoos abzuhelfen, geben diese Druckschriften nicht.

Die weiteren im Verfahren genannten Entgegenhaltungen betreffen keine Zubereitungen, die zum Tönen bzw Waschen von menschlichen Haaren Verwendung finden und in Form mindestens zweier Komponenten konfektioniert vorliegen, welche erst unmittelbar vor der Anwendung vermischt werden. Auch diese können daher nicht zu einem Verfahren mit den im geltenden Patentanspruch 1 festgelegten Maßnahmen führen.

Damit wird dem Fachmann mit keiner der im Verfahren genannten Entgegenhaltungen die Lehre vermittelt, zur Lösung der dem Streitpatent zugrunde liegenden Aufgabe ein Verfahren zum gleichzeitigen Tönen und Waschen von menschlichen Haaren bereitzustellen, bei dem eine pulverförmige mindestens einen direktziehenden, kationischen Farbstoff enthaltende Zubereitung unmittelbar vor der Anwendung mit einem Haarwaschmittel auf wässriger Basis in Form eines üblichen Shampoos vermischt wird. Somit kann die Bereitstellung des mit dem geltenden Patentanspruch 1 beanspruchten Verfahrens nicht als Folge eines durch den Stand der Technik nahegelegten Verfahrens angesehen werden.

4. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag weist damit alle Kriterien der Patentfähigkeit auf. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher rechtsbeständig. Die Patentansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und haben aus diesem Grund ebenfalls Bestand.

5. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf den 1. und 2. Hilfsantrag. Vielmehr war der angefochtene Beschluss, dessen Gründe gegenüber dem neu formulierten eingeschränkten Patentbegehren nicht mehr zum Tragen kommen, aufzuheben und das Patent mit den im Tenor angegebenen Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten.

Wagner Harrer Proksch-Ledig Gerster Pü






BPatG:
Beschluss v. 18.03.2003
Az: 14 W (pat) 11/02


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