Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 70/05

(BPatG: Beschluss v. 08.11.2006, Az.: 28 W (pat) 70/05)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Angemeldet ist die Wortmarke Retina Implantfür die Waren

"Neuroprothesen, medizintechnische und medizinoptische Produkte, Zubehör für die vorgenannten Waren".

Die Markenstelle für Klasse 10 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch den Beschluss eines Angestellten des höheren Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltungsbedürfnisses zurückgewiesen. Die angemeldete Bezeichnung eigne sich ohne weiteres dazu, wesentliche Merkmale der beanspruchten Waren zu beschreiben, insbesondere deren Art und Bestimmung. "Retina" stehe als aus dem Lateinischen stammender, medizinischer Fachbegriff sowohl im Deutschen wie auch im Englischen für die Netzhaut des Auges, während der Bestandteil "Implant" eine Prothese bzw. als flektierbares Wort den Vorgang "implantieren" bezeichne. Die Wortverbindung stehe für eine lernfähige Sehprothese und werde auch bereits im Inland als medizinischer Fachbegriff verwendet. Ein Freihaltungsbedürfnis sei daher zu bejahen. Der angemeldeten Marke fehle zudem jegliche Unterscheidungskraft, weil die angesprochenen Verkehrskreise in ihr lediglich eine Sachangabe erkennen, jedoch keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen würden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie trägt vor, der Begriff "Retina Implant" setze sich aus zwei beschreibenden Begriffen zusammen, die in ihrer Kombination gerade nicht den medizinischen Fachbegriff darstellten. Der englische Fachbegriff für Netzhautimplantat werde adjektivisch gebildet und laute deswegen "Retinal Implant". Dies sei den Fachkreisen in Deutschland auch durchaus bewusst, zumal sich der Begriff in verschiedenen Sammlungen von Fachbegriffen in diesem Bedeutungsgehalt nachweisen lasse und in englischen Publikationen im Internet von Wissenschaftlern und Unternehmern zur Bezeichnung von Netzhautimplantaten durchweg verwendet werde. Dass auch die angemeldete Bezeichnung bereits beschreibend verwendet werde, wie dies die Markenstelle mit fünf Internetauszügen belegt habe, stelle keinen Nachweis dafür dar, dass auch die hier maßgeblichen Fachkreise den Begriff als beschreibend ansehen würden. Die Bezeichnung "Retina Implant" sei lexikalisch nicht nachweisbar. Vielmehr stelle die Marke eine regelwidrig zusammengesetzte Wortneubildung dar, die als solche schutzfähig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, da die angemeldete Marke als beschreibende Angabe i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist.

Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der Eintragung einer Marke entgegen, wenn sie ausschließlich aus Zeichen oder Angaben besteht, die im Verkehr zur Bezeichnung wesentlicher Merkmale der fraglichen Waren dienen können, wie beispielsweise ihrer Art, Beschaffenheit oder ihrem Bestimmungszweck. Bei einer fremdsprachigen Bezeichnung ist dies dann zu bejahen, wenn ihre sprachregelgemäße Übersetzung ins Deutsche ebenfalls als Beschaffenheitsangabe zu werten ist und sie von beachtlichen inländischen Verkehrskreisen ohne weiteres als solche verstanden wird (vgl. hierzu Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 252). Dies gilt gleichermaßen für Begriffe, die bereits lexikalisch belegbar sind, wie auch für Wortneubildungen, deren beschreibender Aussagegehalt so eindeutig und unmissverständlich ist, dass sie zur Beschreibung von Produkteigenschaften in dem dargestellten Sinn dienen können (vgl. hierzu Ströbele a. a. O., § 8 Rdn. 260). Dabei ist die Verständnisfähigkeit des inländischen Publikums auch bei Kombinationen fremdsprachiger Wörter nicht zu gering zu veranschlagen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als hier ausschließlich medizinische und medizintechnische Fachkreise beteiligt sind, an deren Englischkenntnisse regelmäßig besonders hohe Anforderungen gestellt werden können.

Die beanspruchte Wortmarke setzt sich in sprachüblicher Weise aus zwei beschreibenden Bestandteilen zusammen, was von der Anmelderin eingeräumt wurde. Entgegen ihrer Wertung ergibt sich aber auch aus der konkreten Wortkombination ein unmissverständlicher Hinweis auf den Einsatz und die Verwendung der beanspruchten Waren. Wie bereits die Markenstelle zutreffend dargelegt hat, bezeichnet der Fachbegriff "Retina" sowohl in der inländischen wie auch in der englischen Fachsprache die Netzhaut des Auges (vgl. hierzu: Lexikon der Neurowissenschaften, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2000/2001 - Stichwort: Retina; sowie zum englischen Bedeutungsgehalt LEO, English-German Dictionary, unter http://dict.leo.org), während es sich bei dem zweiten Markenteil "Implant" um das englische Wort für "Implantat" handelt (vgl. hierzu nochmals unter LEO, English-German Dictionary, a. a. O.). Die sprachübliche Verbindung der beiden Wörter ergibt damit den Gesamtbegriff "Retina-Implantat". Bei Retina-Implantaten handelt es sich um implantierbare Sehprothesen für Blinde, mit denen Funktionen der Photorezeptoren des menschlichen Auges durch technische Strukturen ersetzt werden sollen. Die Forschung auf diesem Gebiet wurde durch das Bundesforschungsministerium (BMBF) u. a. durch das im Jahr 2000 gegründete Projekt mit dem Arbeitstitel "Retina Implant" unterstützt, an dem zahlreiche Universitäten, Kliniken und Forschungseinrichtungen beteiligt waren. Bereits die Verwendung dieses Arbeitstitels veranschaulicht, dass es sich dabei - entgegen der Wertung der Anmelderin - um einen für die einschlägigen Fachkreise klar verständlichen Begriff handelt. Zudem ist nicht nur die Bezeichnung "Retina-Implantat", sondern auch das englischsprachige Pendant "retina implant" als Fachbegriff für eine bestimmte photodiodische und mikroelektronische Vorrichtung bereits lexikalisch belegbar (vgl. nochmals Lexikon der Neurowissenschaften, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2000/2001 - Stichwort: Retina-Implantat). Dies belegt, dass mit der angemeldeten Bezeichnung - anders als in der von der Anmelderin zitierten Entscheidung "Babydry" des EuGH (GRUR 2001, 1145) - gerade kein vom üblichen Sprachgebrauch abweichender Gesamtbegriff vorliegt.

Auch der Aspekt einer möglichen Wortneubildung, der von der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung besonders hervorgehoben wurde, ist angesichts des eindeutig beschreibenden Sinngehalts des Begriffs "Retina Implant" von vorneherein nicht geeignet, die angefochtene Zurückweisung der Anmeldung in Frage zu stellen. So ergibt sich bereits aus der Formulierung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ("dienen können"), dass es allein auf die Eignung der betreffenden Bezeichnung ankommt, als beschreibende Angabe verwendet zu werden. Das Schutzhindernis steht damit allen Begriffen entgegen, die diese Eignung aufweisen, unabhängig von ihrer aktuellen Gebräuchlichkeit (vgl. nochmals Ströbele, a. a. O., Rdn. 260). Der EuGH hat im Übrigen nach seinem "Babydry" - Urteil in verschiedenen Entscheidungen klar herausgestellt, dass an die Schutzfähigkeit von Wortneubildungen deutlich höhere Anforderungen zu stellen sind, als nur eine sprachunübliche Zusammenfügung beschreibender Angaben (vgl. EuGH GRUR 2004, 146 - DOUBLEMINT). Eine einzige beschreibende Bedeutungsvariante eines Zeichens ist nach der Rechtsprechung des EuGH ausreichend, um ein Allgemeininteresse an ihrer freien Verwendbarkeit zu bejahen und sie deshalb von der Eintragung auszuschließen (vgl. hierzu den Rechtsprechungsüberblick von Sosnitza/Fröhlich, MarkenR 2006, 383).

Aufgrund der Feststellungen der Markenstelle und des Senats verbleiben keine Zweifel an der Eignung der angemeldeten Marke, die beanspruchten Waren unmittelbar zu beschreiben. Als bloße Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe, aus der sich eine beschreibende Sachbezeichnung ergibt, weist die Bezeichnung "Retina Implant" im Hinblick auf die beanspruchten Waren für den hier angesprochenen Fachverkehr in ohne weiteres verständlicher Weise und ohne jegliche Interpretationsbedürftigkeit auf deren Art und Bestimmungszweck hin.

Damit ist ein berechtigtes Allgemeininteresse i. S. v § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, insbesondere der Mitbewerber der Anmelderin, an der freien Verwendbarkeit der angemeldeten Marke klar zu bejahen. Ob ihr darüber hinaus auch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegensteht, lässt der Senat dahingestellt.

Die Beschwerde musste somit erfolglos bleiben.






BPatG:
Beschluss v. 08.11.2006
Az: 28 W (pat) 70/05


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