Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 13. Dezember 2002
Aktenzeichen: 6 U 156/02

(OLG Köln: Urteil v. 13.12.2002, Az.: 6 U 156/02)

Tenor

1.)

Auf die Anschlussberufung der Antragsgegnerin wird das am 18.7.2002 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 14 O 124/02 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2.)

Die Berufung der Antragstellers wird zurückgewiesen.

3.)

Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

Die Antragsgegnerin betreibt u.a. in M. (H.) einen Hobbymarkt. In dieser Niederlassung ist im Mai diesen Jahres Kunden, die sich nach einem Rabatt erkundigten, eine "Einkaufsberechtigung für den Personalkauf" ausgehändigt worden, wie sie nachfolgend eingeblendet ist:

pp.

Bei dem 08.06.2002 handelte es sich um einen Samstag. Die Interessenten gehörten nicht zum Personal der Antragsgegnerin und sind vorher auch nicht nach einer entsprechenden Berechtigung gefragt worden.

Der Antragsteller hat einen Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz gerügt, in der Veranstaltung einen Verstoß gegen § 7 UWG gesehen und eine Irreführung mit Blick auf den Umstand beanstandet, dass nicht nur das Personal, sondern jeder Kunde den Rabatt erhalten könne.

Das Landgericht hat eine mündliche Verhandlung durchgeführt und sodann die einstweilige Verfügung (nur) wegen Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz i.V.m. § 1 UWG erlassen. Insoweit sei der Wettbewerbsverstoß eingeräumt. Der weitergehende Antrag sei unbegründet, weil das Verhalten der Antragsgegnerin nicht final darauf gerichtet sei, auch Nicht-Betriebsangehörige an dem Personaleinkauf teilnehmen zu lassen.

Gegen diese Entscheidung haben der Antragsteller Berufung und die Antragsgegnerin unselbständige Anschlussberufung eingelegt.

II

Die Berufung des Antragstellers ist zulässig aber unbegründet. Demgegenüber hat die ebenfalls zulässige Anschlussberufung der Antragsgegnerin auch in der Sache Erfolg.

Auf die Anschlussberufung der Antragsgegnerin ist die durch das angefochtene Urteil erlassene einstweilige Verfügung aufzuheben, weil es an der gem. § 929 Abs.2 ZPO erforderlichen Vollziehung fehlt.

Die einstweilige Verfügung ist nicht zunächst im Beschlusswege erlassen und später im Widerspruchsverfahren überprüft, sondern gem. §§ 922 Abs.1 S.1 1.Alt., 936 ZPO erst nach mündlicher Verhandlung durch Urteil erlassen worden. Auch für diesen Fall der sog. "Urteilsverfügung" gilt indes die Vorschrift des § 929 Abs. 2 ZPO, wonach die einstweilige Verfügung binnen Monatsfrist zu vollziehen ist. Hierzu ist unverändert ganz herrschende und zutreffende Auffassung, dass die bloße Amtszustellung des Urteils eine derartige Vollziehung nicht darstellt (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 8. Auflage, Kap. 55 Rz 42; Köhler-Piper, UWG, 3. Auflage, § 25 Rz. 60,61, jew. m.w.N.; BGH GRUR 93, 415 f. - "Straßenverengung"). Auch bei Urteilsverfügungen ist vielmehr zusätzlich entweder eine Parteizustellung oder doch eine andere Maßnahme erforderlich, die den Willen des Gläubigers zur zwangsweisen Durchsetzung des Anspruchs eindeutig bekundet. Der von dem Antragsteller angeführten Gegenmeinung des OLG Stuttgart (WRP 97,350,352) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Umstand, dass die mit einer Ordnungsmittelandrohung versehene "Urteilsverfügung" bereits vom Zeitpunkt ihrer von Amts wegen erfolgten Zustellung an beachtet werden muss, macht das gesetzliche Erfordernis der Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht zur "bloßen Förmelei". Vielmehr obliegt es nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 929 Abs.2 ZPO dem Gläubiger auch dann, wenn er die einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung erlangt hat und die deswegen als Urteil ergangene Entscheidung dem Schuldner von Amts wegen zugestellt wird, durch geeignete Vollziehungsmaßnahmen eindeutig zum Ausdruck zu bringen, dass er von der so erlangten Eilentscheidung auch Gebrauch zu machen beabsichtigt.

An einer derartigen Vollziehungsmaßnahme fehlt es. Der Antragsteller hat weder das landgerichtliche Urteil im Parteiwege (erneut) zugestellt, noch sonst eine geeignete Vollziehungsmaßnahme ergriffen. Eine solche liegt entgegen seiner Auffassung insbesondere nicht in der Einlegung der Berufung. Der Antragsteller hat zwar innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat und damit auch innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs.2 ZPO Berufung eingelegt. Dies allein stellt aber eine Vollziehung nicht dar: Durch die - nicht zugleich begründete - Berufung hat der Antragsteller lediglich zum Ausdruck gebracht, dass er hinsichtlich des Antragsteiles, mit dem er vor dem Landgericht unterlegen war, in der nächsten Instanz seine Rechte durchzusetzen beabsichtigt. Diese Vorgehensweise belegt indes nicht, dass er zugleich auch den ihm bereits zuerkannten Teil des Anspruches durchsetzen will, weil beide nicht notwendig miteinander im Zusammenhang stehen: Das Landgericht hat der Antragsgegnerin verboten, das Geschäft außerhalb der Ladenöffnungszeiten offen zu halten, demgegenüber richtete sich der abgewiesene Teil des Antrages gegen die Teilnahme von Nichtbetriebsangehörigen an Personaleinkaufsveranstaltungen sowie gegen die bezifferte Rabattgewährung auf jenen Veranstaltungen. Die - schon in der Vorgehensweise des Landgerichts deutlich werdende - Teilbarkeit des Antrags belegt, dass in der bloßen Einlegung der Berufung hinsichtlich des abgewiesenen Teils nicht zugleich eine Durchsetzungsmaßnahme hinsichtlich des zuerkannten Teils des Verfügungsantrages gesehen werden kann.

Der - mit der Berufung des Antragstellers verfolgte - Antrag auf Erlass einer weitergehenden einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Antragstellers liegt ein unzulässiger Sonderverkauf im Sinne des § 7 UWG nicht vor.

Der Antrag ist allerdings - weiterhin - zulässig.

Insbesondere ist hinsichtlich dieses Antragsteiles ein Dringlichkeitsverlust nicht eingetreten. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin kann nicht schon aus dem Umstand, dass der Antragsteller die Frist zur Berufungsbegründung fast vollständig ausgenutzt hat, auf eine mangelnde Dringlichkeit geschlossen werden. Die Ausnutzung der gesetzlichen - nicht verlängerten - Berufungsbegründungsfrist belegt regelmäßig nicht, dass es dem Gläubiger mit der Durchsetzung seiner Rechte im Eilverfahren nicht eilig wäre. Vielmehr ist, wenn auch die Berufungsbegründungsfrist in erster Linie nicht als Maßstab für die Dringlichkeit, sondern anderen Zwecken dient, schon aus Gründen der Rechtssicherheit das Ausnutzen der Fristen grundsätzlich nicht als dringlichkeitsschädlich anzusehen. Das galt nicht nur nach früherem Recht (vgl. Senat NJWE-WettbR 97,176 f), sondern gilt auch seit dem Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes zum 1.1.2002, zumal die Frist des § 520 Abs.2 ZPO zur Berufungsbegründung mit zwei Monaten ab Zustellung des Urteils der längsten (Gesamt-) Frist entspricht, die sich nach früherem Recht durch Addition der Berufungsfrist von einem Monat und der Frist zur Berufungsbegründung von einem weiteren Monat ab Berufungseinlegung ergab. Besondere Umstände, die Anlass für eine andere Beurteilung im vorliegenden Einzelfall ergeben könnten, bestehen nicht.

Auch die Tatsache, dass hinsichtlich des dem Antragsteller bereits zuerkannten Teils seines Antrages inzwischen Dringlichkeitsverlust eingetreten ist (vgl. vorstehend unter II 1.), kann den Vorwurf des Dringlichkeitsverlustes nicht rechtfertigen. Dem steht schon die Tatsache entgegen, dass es sich um zwei ursprünglich zwar nicht getrennte, wohl aber trennbare Antragsteile gehandelt hat. Im übrigen hat der Antragsteller auch innerhalb der Vollziehungsfrist durch die Einlegung der Berufung deutlich gemacht, dass ihm bezüglich des abgewiesenen Teils seines Anspruches an dem Fortgang des Verfahrens noch dringlich gelegen sei. Die Berufungsschrift enthält zwar keine Anträge, sie macht aus sich heraus aber deutlich, dass der Antragsteller sich gerade gegen die teilweise Abweisung seines Antrages richten will.

Schließlich begründet auch die neuerliche Neufassung des Verfügungsantrages im Berufungsverfahren den Dringlichkeitsverlust nicht. Denn der Antragsteller verlangt nicht mehr als in erster Instanz, sondern hat lediglich sein Petitum auf die konkrete Verletzungsform reduziert.

Der Berufungsantrag ist auch nicht wegen mangelnder Bestimmtheit gem. §§ 253, 525 ZPO unzulässig. Dabei mag zutreffen, dass die Formulierung "bei derartigen Personalveranstaltungen" isoliert gesehen nicht eindeutig ist. Das gilt aber schon bei der gebotenen Einbeziehung des in den Antrag nunmehr eingeblendeten Berechtigungsscheines nicht mehr. Erst recht ergibt die Auslegung der Berufungsbegründung eindeutig, dass der Antragsteller (weiterhin) die Bewerbung und Durchführung von Verkaufsveranstaltungen untersagt wissen will, wie sie auf der "Einkaufsberechtigung für den Personaleinkauf" angeboten wird.

Der mithin zulässige Antrag ist unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellt das angegriffene Schreiben nicht die Ankündigung einer gem. § 7 Abs.1 UWG unzulässigen Sonderveranstaltung dar.

Eine solche liegt nach der Legaldefinition des § 7 Abs.1 UWG nur dann vor, wenn eine Verkaufsveranstaltung im Einzelhandel außerhalb des regelmäßigen Geschäftsverkehrs stattfindet, der Beschleunigung des Warenabsatzes dient und den Eindruck der Gewährung besonderer Kaufvorteile hervorruft. Um eine derartige Verkaufsveranstaltung handelt es sich bei dem auf der Einkaufsberechtigung angesprochenen "Personalkauf" nicht. Dieser stellt sich schon deswegen aus der maßgeblichen Sicht des Publikums nicht als Unterbrechung des normalen Geschäftsbetriebes dar, weil die Aktion überhaupt nicht beworben und mit der "Einkaufsberechtigung" gar nicht ein Verkauf für alle, sondern ein solcher allein für das Personal durchgeführt worden ist. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Antragsgegnerin - aus welchen Gründen auch immer - einzelnen drei Kunden die Teilnahme an dem Verkauf gestattet hat, obwohl sie nicht zum Personal gehören. Ein Verbot als Verkaufsveranstaltung nach § 7 Abs.1 UWG käme nur in Frage, wenn es sich um eine Aktion gehandelt hätte, die sich an einen größeren Personenkreis richtete und ihm gestattete, innerhalb des beschriebenen Zeitraumes außerhalb der Ladenöffnungszeiten Einkäufe zu tätigen und dabei die angekündigten Rabatte zu erhalten. Dass dies so war, ist indes nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht oder sonst ersichtlich. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine besondere Werbung für den "Personalkauf" gegenüber dem Publikum nicht stattgefunden hat und dieses im Grundsatz auch keinen Zutritt zu der Verkaufsveranstaltung hatte. Es handelte sich damit um eine interne Verkaufsveranstaltung für das Personal mit der Besonderheit, dass einigen (an sich) Unbefugten die Teilnahme gestattet wurde. Dies stellt eine unzulässige Sonderveranstaltung gemäß § 7 UWG nicht dar.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers wird der Personalkauf auch nicht dadurch zur unzulässigen Sonderveranstaltung, dass er nicht innerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten stattgefunden hat. Die Durchführung einer Verkaufsveranstaltung außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten mag im Regelfall ein Indiz für den Charakter der Aktion als gem. § 7 Abs.1 UWG unzulässige Veranstaltung sein. Das gilt aber nicht für eine Verkaufsaktion, die sich nur an das Personal richtet und im übrigen nicht über den Rahmen dessen hinausgeht, was schon gem. dem früheren § 9 Ziff.3 RabattG gestattet war, und damit nach dessen Aufhebung nicht unzulässig sein kann. Es kommt schließlich hinzu, dass aus dem Berechtigungsschein weder hervorgeht, was "rabattfähige Artikel" sein sollen, noch, auf welche Waren die ausgelobten "10, 20 bzw. 30 %" Rabatt gewährt worden sind. Es ist damit auch nicht glaubhaft gemacht, dass Waren in einer für die Anwendung des § 7 Abs.1 UWG ausreichenden Menge mit einem aus dem Rahmen fallenden Rabatt angeboten worden sind.

Der Antragsteller rügt einen Verstoß gegen § 3 UWG im Berufungsverfahren nicht mehr. Ein solcher liegt auch nicht vor, weil ein möglicher Irrtum über den Kreis der Kaufberechtigten jedenfalls nicht von wettbewerblicher Relevanz wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 97 Abs.1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird endsprechend der unangefochten gebliebenen erstinstanzlichen Wertfestsetzung und in Ergänzung des Senatsbeschlusses vom 1.10.2002 endgültig wie folgt festgesetzt:






OLG Köln:
Urteil v. 13.12.2002
Az: 6 U 156/02


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