Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2011
Aktenzeichen: 26 W (pat) 193/09

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2011, Az.: 26 W (pat) 193/09)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. Juni 2007 und vom 23. September 2009 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 300 42 756 die Löschung der Marke 301 23 668 angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 300 42 756 wird insoweit zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Marke 301 23 668 für die Waren und Dienstleistungen

"Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16 enthalten; Druckereierzeugnisse; Softwareund Datenverarbeitungsprogramme in gedruckter Form; Buchbindeartikel, Fotografien, Schreibwaren, Klebstoffe für Papierund Schreibwaren oder für Haushaltszwecke; Künstlerbedarfsartikel, Pinsel, Schreibmaschinen und Büroartikel (ausgenommen Möbel), Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, Spielkarten, Drucklettern, Druckstöcke; philatelistische Produkte (soweit in Klasse 16 enthalten), nämlich Briefmarken, Alben und andere zur Aufbewahrung von Briefmarkensammelzubehör geeignete Behältnisse aus Metall oder Kunststoff; Dienstleistungen einer elektronischen Vermittlungsstelle zwischen DV-Netzen (Clearing-Center); Hinzufügen von Daten sowie Konvertieren von Daten in eine empfängerabhängige oder -unabhängige Form/Struktur und/oder Datenabgleich; Telekommunikation; Internetund Onlinedienstleistungen, nämlich elektronische Übermittlung von Nachrichten und Bildern sowie Sammeln, Bereitstellen und Liefern von Informationen und Daten und sonstige Internetund Onlinedienstleistungen, nämlich elektronischer Datenaustausch über Geschäftstransaktionen (z. B. Bestellungen, Rechnungen, Überweisungen, Warenerklärungen) zwischen Betrieben; Bereitstellung von Online-Zugängen (Softund Hardware) zum Aufbau eines baumartigen Adressund Namensverzeichnisses mit den Funktionen eines elektronischen verteilten Verzeichnisdienstes (Directory-Service), der es ermöglicht, mit Existenz nur einer Adressdatenbasis im System komplexe Netzwerke zu administrieren; Dienstleistungen zur elektronischen Übermittlung von Briefsendungen, insbesondere Umsetzung nichtvisueller, elektrisch oder elektronisch übertragener oder gespeicherter Nachrichten in visuell lesbare Nachrichten und körperliche Sendungen zur Übergabe an die Briefbeförderung; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von Reisen; Sendungsverfolgung durch elektronische Standortbestimmung der Waren und Güter sowie weitere unterstützende logistische Dienstleistungen wie die systematische Verknüpfung von Waren und Informationsströmen; Briefdienst-, Frachtdienst-, Kurierdienstleistungen; Beförderung von Gütern, Paketen, Postgut, Päckchen, Sendungen mit schriftlichen Mitteilungen und sonstigen Nachrichten, insbesondere Briefen, Postkarten, Drucksachen, Warensendungen, Wurfsendungen adressierten und unadressierten Werbesendungen, Büchersendungen, Blindensendungen, Zeitungen, Zeitschriften, Druckschriften mit Fahrrädern, Kraftfahrzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Flugzeugen; Einsammeln, Weiterleiten und Ausliefern der vorgenannten Sendungen"

ist Widerspruch erhoben worden aus der für die Dienstleistungen

"35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten;

39: Transport von Wertsachen, Auslieferung von Versandhauswaren, Kurierdienste, Transportwesen, Verpackung und Lagerung von Waren;

40: Materialbearbeitung;

42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" eingetragenen Wortmarke 300 42 756

"Die grüne Post".

Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 14. Juni 2007 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke im Umfang sämtlicher beanspruchter Dienstleistungen angeordnet und den Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke ist erfolglos geblieben.

Zur Begründung der teilweisen Löschungsanordnung hat die Markenstelle ausgeführt, zwischen den beiderseitigen Marken bestehe, soweit sie für identische bzw. ähnliche Dienstleistungen bestimmt seien, Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Marken sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nicht deshalb als von Haus aus gering zu bewerten, weil die Marke auch als Hinweis auf eine "umweltverträglich erbrachte Postdienstleistung" verstanden werden könne. Auf Grund der Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem Gebiet der Postdienstleistungen sei der inländische Verkehr nämlich daran gewöhnt, im Zusammenhang mit solchen Dienstleistungen in Farben -und somit auch in auf Farben abstellenden Wortbestandteilen von Marken -einen betrieblichen Herkunftshinweis zu sehen. Die angegriffene Marke weise aufgrund ihres Bildbestandteils zwar bildliche Unterschiede gegenüber der Widerspruchsmarke auf. In klanglicher Hinsicht sei jedoch von einer Identität der angegriffenen Marke, deren Gesamteindruck insoweit durch den Wortbestandteil "Die grüne Post" geprägt sei, mit der Widerspruchsmarke auszugehen. Zudem liege Verwechslungsgefahr in Form einer Markenusurpation vor. Unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei die angegriffene Marke deshalb teilweise, nämlich für sämtliche Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu löschen.

Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Sie weist darauf hin, dass die Marke 300 12 966 "POST" für sie im Verkehr durchgesetzt sei und zieht daraus den Schluss, dass der Verkehr auch den Bestandteil "Die grüne Post" in der angegriffenen Marke als Hinweis auf ihr Unternehmen verstehen werde. Werde die gleiche Wortfolge demgegenüber von der Widersprechenden verwendet, beschreibe sie lediglich umweltgerecht und umweltverträglich durchgeführte Dienstleistungen im Wirtschaftsbereich "Transport, Logistik und Zustellung", weshalb sie nur über eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft und einen entsprechend geringen Schutzumfang verfüge. Bereits deshalb sei die Gefahr von Verwechslungen auch für identische und hochgradig ähnliche Waren und Dienstleistungen zu verneinen, denn es widerspreche dem Sinn und Zweck des Markenrechts, wenn eine Widerspruchsmarke, die schon nicht hätte eingetragen werden dürfen, in der Lage sei, die Markeninhaberin an der Benutzung eines Zeichens zu hindern, das durch die Verkehrsdurchsetzung des Wortbestandteils "POST" allein auf ihr Unternehmen hinweise. Die angegriffene Marke weise zudem auch deshalb auf das Unternehmen der Markeninhaberin hin, weil es neben dem Wortbestandteil "Die grüne Post" noch das dem Verkehr als Kennzeichnung der Markeninhaberin bekannte Posthorn-Logo enthalte. Dieses präge den Gesamteindruck der angegriffenen Marke zumindest mit. Niemand werde die angegriffene Marke deshalb mit dem Unternehmen der Widersprechenden in Verbindung bringen.

Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht sich, soweit die Gefahr von Verwechslungen zwischen den beiderseitigen Marken bejaht worden ist, die Auffassung der Markenstelle zu eigen. Ergänzend trägt sie vor, die Vorstellung, mit der Bezeichnung "Die Grüne Post" solle auf eine ökologische Erbringung von Postdienstleistungen hingewiesen werden, trete unter Berücksichtigung der besonderen Kennzeichnungsgewohnheiten auf diesem Dienstleistungssektor in den Hintergrund und könne die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht vermindern. Der aus der Widerspruchsmarke identisch in die angegriffene Marke übernommenen Wortfolge "Die grüne Post" sei lediglich ein Bildbestandteil angehängt worden. Da bei der Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr aber erfahrungsgemäß in der Regel dem Wort als einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zukomme, bestehe die Gefahr klanglicher Verwechslungen der Marken gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Zumindest weise der Wortbestandteil "Die grüne Post" innerhalb der angegriffenen Marke aber eine selbständig kennzeichnende Stellung auf, weshalb eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne zu bejahen sei.

II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet. Zwischen den beiderseitigen Marken besteht auch insoweit, als sie für identische oder ähnliche Dienstleistungen eingetragen worden sind, nicht die Gefahr von Verwechslungeni. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

1.

Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach §§ 43 Abs. 2 Satz 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zu lö

schen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Markenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Diese Komponenten stehen zueinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 ff.] -Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] -Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions; BGH GRUR 2005, 513 - Ella May./.MEY). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 ff. [Rz. 51] -Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] -Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] -Adam Opel/Autec).

2.

Angesichts der erheblichen Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke ist nach diesen Grundsätzen eine Verwechslungsgefahr der beiderseitigen Marken auch im Bereich der identischen und ähnlichen Dienstleistungen beider Marken nicht gegeben.

a) Entgegen der Ansicht der Markenstelle kann der Widerspruchsmarke nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft zugebilligt werden.

aa) Eine Marke verfügt über Kennzeichnungskraft, wenn sie geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen worden ist, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und damit diese Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH MarkenR 1999, 189, 194 [Rz. 49] -Chiemsee; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] -Lloyd/Loints). Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft ist dabei maßgeblich, inwieweit sich die Marke dem Publikum aufgrund ihrer Eigenart und ihres ggf. durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades als Produktund Leistungskennzeichnung einzuprägen vermag, so dass sie in Erinnerung behalten und wiedererkannt wird (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., Rn. 320 zu § 14). Diese Eignung ist u. a. zu verneinen, wenn die Widerspruchsmarke einen die geschützten Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Sinngehalt aufweist (vgl. Hacker, Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., Rn. 102 zu § 9 m. w. N.).

Der Grad an Kennzeichnungskraft ist dabei im Widerspruchsverfahren erstmals zu bestimmen (so ausdrücklich EuGH MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 22] -Lloyd/Loints). Auf den bloßen Umstand der Eintragung einer Marke kann dabei nicht abgestellt werden, weil aus der Eintragung lediglich auf den geringstmöglichen Grad an Kennzeichnungskraft geschlossen werden kann; denn zum einen wird die Kennzeichnungskraft im Eintragungsverfahren nicht geprüft, und zum anderen ist die Prüfung der Unterscheidungskraft, soweit man aus deren Prüfung Rückschlüsse auf die Kennzeichnungskraft ziehen kann, nach dem Gesetzeswortlaut (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) auf das Mindestmaß beschränkt (vgl. Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 106). Ob die Marke über eine Kennzeichnungskraft verfügt, die über diesen sich aus ihrer Eintragung ergebenden Mindestschutz hinausgeht, bedarf im Widerspruchsverfahren der erstmaligen gesonderten Feststellung.

bb) Nach diesen Vorgaben kommt der Widerspruchsmarke nur die geringst mögliche originäre Kennzeichnungskraft zu, weil "Die grüne Post" in erster Linie auf umweltverträgliche, klimabewusste Transportund Logistikdienstleistungen hinweist, und daneben allenfalls noch auf die Farbe, die im Zuge der Erbringung der Dienstleistungen verwendet wird.

Wer als Geschäftsoder Privatkunde derartige Dienstleistungen in Anspruch nimmt oder für sie Interesse zeigt, ist daran gewöhnt, das Adjektiv "grün" als werbeüblichen Hinweis auf die Umweltverträglichkeit von Dienstleistungen aufzufassen. Wie die von der Markeninhaberin zur Akte gereichten Nachweise belegen, ist es auch in der Logistik-Branche üblich geworden, mit einem Beitrag des eigenen Unternehmens zur Verringerung des Co2-Ausstoßes zu werben und klimafreundlich erbrachte Dienstleistungen als "grün" zu bezeichnen. Bereits seit Anfang der 90er Jahre setzen sich Experten mit "grüner Logistik" auseinander. Durch öffentliche Debatten haben sie ab dem Jahr 2000 dieses Thema Konsumenten nahegebracht (Quelle: Institut für Logistikund Dienstleistungsmanagement der FOM University of Applied Sciences, Essen, Bauer/Bioly/Hohmann/Klumpp/Keuschen, Vortrag vom 5.10.2010, Volltext unter http://www.fomild.de/download/159FTL05.10.10.pdf m. w. N.). Auf dem hier betroffenen Transportund Logistik-Sektor hat der Verkehr deshalb keine Veranlassung, in dem Adjektiv "grün" darüber hinaus einen Hinweis auf die Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus einem einzelnen Unternehmen zu sehen.

Der Verkehr ist auch daran gewöhnt, zur Beförderung von Sendungen unter verschiedenen, sich am Markt als Konkurrenten gegenüberstehenden Postund Paketdiensten auswählen zu können, die zur Abgrenzung von der mit der Farbe "Gelb" assoziierten Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundespost für ihr Angebot in den verschiedensten Farben werben. So gehören die orangefarbenen Briefkästen eines Wettbewerbers der hiesigen Verfahrensbeteiligten mittlerweile in vielen deutschen Orten zum Stadtbild. Die Farbe "Grün" ist den Verbrauchern noch durch die bundesweit mit großer Resonanz geführte Mindestlohndebatte für Postdienstleister in Erinnerung: Ein weiteres Konkurrenzunternehmen der hiesigen Verfahrensbeteiligten -welches mit dem Slogan: "Schick es grün" warb und den ersten Brief im August 1999 beförderte -sorgte im Dezember 2007 mit dem Versuch einer Umgehung des Mindestlohnes und der Entlassung zahlreicher Mitarbeiter für Aufmerksamkeit. Die grüne Arbeitskleidung dieser Mitarbeiter ist den Verbrauchern aus der mehrere Wochen lang anhaltenden Presseund Fernsehberichterstattung über diese Ereignisse in Erinnerung geblieben. Bei dieser Sachlage kann der Verkehr der Farbe "Grün" und auch dem Wort "Grün" einen gerade auf das Unternehmen der Widersprechenden hindeutenden Herkunftshinweis nicht entnehmen.

Der Begriff "Post" bezeichnete schließlich bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke (vgl. Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 147) im allgemeinen inländischen Sprachgebrauch seit langem einerseits eine Dienstleistungseinrichtung, die Briefe, Pakete, Geldsendungen und andere Gegenstände entgegennimmt, befördert und zustellt. Andererseits diente dieses Wort zugleich als Sammelund Oberbegriff für die von einer solchen Dienstleistungseinrichtung beförderten Güter, insbesondere für Schriftgut aller Art wie z. B. Briefe und Karten (Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Auflage 1999, Band 7, S. 2975 f.). Diese Sprachund Bezeichnungsgewohnheit, die dadurch begründet worden ist, dass Schriftgut, Päckchen und Paketen vor der schrittweise Abschaffung des Postmonopols über mehr als ein Jahrhundert hinweg allein durch staatliche Einrichtungen wie die Kaiserliche Post, die Reichspost und die Bundespost befördert wurden, hat sich umgangssprachlich auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost und ihrer Umwandlung in das Unternehmen "Deutsche Post AG" erhalten. Auch heute noch wird zu beförderndes oder bereits befördertes und zugestelltes Schriftgut mit dem Sammelbegriff "Post" bezeichnet, selbst wenn die Beförderungsleistung andere Unternehmen als das der Markeninhaberin erbringen. In dem zusammengesetzten Zeichen "Die grüne Post" fasst der Verkehr den Begriff "Post" daher beschreibend auf (vgl. BGH GRUR 2009, 672-678 -OSTSEE-POST).

b) Angesichts der äußerst geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke -eine nachträgliche Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, z. B. durch eine langjährige und umfangreiche Benutzung der Marke, hat die Widersprechende nicht dargetan -kommt selbst bei identischen Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr allenfalls bei einer Identität oder einer sehr hochgradigen Ähnlichkeit der Marken in Betracht, die hier nicht gegeben ist.

aa) Die beiderseitigen Marken sind nicht identisch, weil die angegriffene Marke neben dem Wortbestandteil "Die grüne Post" als Bildelement noch die Abbildung eines Posthorns aufweist.

bb) Die Marken weisen auch keine hochgradige Ähnlichkeit auf.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Marken ist von deren eingetragener Form auszugehen. In dieser unterscheiden sich die Marken auf Grund des in der angegriffenen Marke enthaltenen Bildbestandteils ausreichend voneinander. Zwar kann auch dann, wenn die Marken in ihrer Gesamtheit hinreichend unterschiedlich sind, gleichwohl eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn sie in ihrem maßgeblichen Gesamteindruck Ähnlichkeit aufweisen. Dies setzt jedoch voraus, dass der übereinstimmende oder ähnliche Bestandteil der Marken deren Gesamteindruck prägt (EuGH GRUR Int. 2004, 843, 845, Nr. 32 -MATRATZEN; BGH GRUR 2008, 1002, 1004, Nr. 33 -Schuhpark) bzw. die ältere Marke, die als Bestandteil in eine jüngere zusammengesetzte Marke aufgenommen wird, dort eine zur Verwechslungsgefahr führende selbständig kennzeichnende Stellung behält (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Nr. 30 -THOMSON LIFE; BGH GRUR 2007, 1071, 1073, Nr. 35 -Kinder II). Beides ist jedoch in Bezug auf den Wortbestandteil "Die grüne Post" innerhalb der angegriffenen Marke entgegen der in den angegriffenen Beschlüssen und seitens der Widersprechenden vertretenen Ansicht nicht der Fall.

Eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einen einzelnen Bestandteil darf nur angenommen werden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass dieser Bestandteil aus der Verkehrssicht den Gesamteindruck der Marke allein bestimmt und die übrigen Markenteile für die angesprochenen Verkehrskreise in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BGH GRUR 2008, 719, 722, Nr. 37 -idw Informationsdienst Wissenschaft). Dabei ist davon auszugehen, dass glatt beschreibende Bestandteile vom Verkehr nicht als den Gesamteindruck prägende oder selbständig kennzeichnende Elemente aufgefasst werden (BGH GRUR 2004, 775, 776 -EURO 2000).

Der innerhalb der angegriffenen Marke enthaltene, mit der Widerspruchsmarke übereinstimmende Wortbestandteil "Die grüne Post" stellt -wie bereits in den vorstehenden Ausführungen zur Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke festgestellt worden ist -von Haus aus für Postund Transportdienstleistungen eine die Art und Beschaffenheit dieser Leistungen beschreibende Angabe dar, der -wenn überhaupt -allenfalls eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft zukommt. Angesichts dieser Sachlage ist er ungeeignet, den Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein zu prägen. Vielmehr kommt angesichts der äußerst geringen Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils "Die grüne Post" dem in der angegriffenen Marke ebenfalls enthaltenen, ein Posthorn darstellenden Bildbestandteil eine den Gesamteindruck mitbestimmende Bedeutung zu. Dies gilt selbst dann, wenn zu Gunsten der Widersprechenden unterstellt wird, dass auch das "Posthorn" nur über eine geringe Kennzeichnungskraft verfügt; denn auch im Falle gleichermaßen kennzeichnungsschwacher Bestandteile kommt -selbst bei größenmäßiger Hervorhebung eines der Bestandteile -keinem von ihnen eine prägende Bedeutung zu (BGH GRUR 2003, 1040, 1044 -Kinder).

Dies gilt im vorliegenden Fall auch in klanglicher Hinsicht. Zwar ist bei der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit von kombinierten Wort-Bild-Marken in der Regel allein auf den Wortbestandteil als einfachste und kürzeste Bezeichnungsform abzustellen. Dies gilt jedoch nicht in den Fällen, in denen eine Marke neben einem allein schutzbegründenden Bildbestandteil nur beschreibende oder sonst schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Wortbestandteile aufweist. Vielmehr ist in solchen Fällen auch in klanglicher Hinsicht von einer (Mit-)Prägung der Marke durch den Bildbestandteil auszugehen. Eine Übereinstimmung oder Ähnlichkeit nur in dem schutzunfähigen oder kennzeichnungsschwachen Wortbestandteil genügt in diesem Fall nicht, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen (BGH GRUR 1999, 238, 240 -Tour de culture; GRUR 2002, 814, 815 -Festspielhaus). Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn der schutzunfähige oder kennzeichnungsschwache Wortbestandteil in der jüngeren Marke in einer kennzeichenmäßig hervorgehobenen Weise verwendet würde (BGH GRUR 1998, 930, 931 f.

-Fläminger). Davon kann jedoch bei der angegriffenen Marke, innerhalb derer der Bildbestandteil größenmäßig nicht gegenüber dem Wortbestandteil zurückbleibt, sondern diesen in der Höhe sogar übertrifft, nicht ausgegangen werden.

Auch eine selbständig kennzeichnende Stellung kommt dem Wortbestandteil "Die grüne Post" innerhalb der angegriffenen Marke nicht zu, weil es der allein aus dieser Bezeichnung bestehenden Widerspruchsmarke hierfür an der notwendigen mindestens normalen Kennzeichnungskraft (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Nr. 37 -THOMSON LIFE) angesichts ihres bereits im Einzelnen dargelegten dienstleistungsbeschreibenden Charakters offensichtlich fehlt.

Aus eben diesem Grunde besteht letztlich auch nicht die Gefahr einer gedanklichen Verbindung der Marken i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz MarkenG. Bei dieser Sachlage war der Beschwerde der Markeninhaberin stattzugeben.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf eine der Verfahrensbeteiligten gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG bestand im vorliegenden Fall kein Anlass, sodass es bei der in § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG vorgesehenen Kostentragung bleibt.

Dr. Fuchs-Wissemann Dr. Schnurr Reker Bb






BPatG:
Beschluss v. 26.04.2011
Az: 26 W (pat) 193/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/d382b36fe012/BPatG_Beschluss_vom_26-April-2011_Az_26-W-pat-193-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share