Landgericht Kleve:
Urteil vom 2. März 2007
Aktenzeichen: 8 O 128/06

(LG Kleve: Urteil v. 02.03.2007, Az.: 8 O 128/06)

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20. November 2006 bleibt aufrecht erhalten.

Der Verfügungsbeklagte hat auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungsbeklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungskläger vor Vollstreckung in vorgenannter Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Beide Parteien handeln mit Angelzubehör und bieten ihre Waren im Internet (eBay) an.

Der Verfügungsbeklagte bot im Oktober 2006 über eBay ein "Pilker-Set Ostsee/Dänemark 5 Stück" mit der Beschreibung "in bester Sortierung von 60g bis 150g" für 8,95 € zum Kauf an und erläuterte sein Angebot weiter: "Wir sortieren Ihnen 5 Pilker in den fängigsten Farben".

Das Angebot zeigte jedoch eine Abbildung mit 6 Pilkern, die sich in ihrer Größe nicht voneinander unterschieden.

Das Angebot beinhaltete ferner eine Widerrufsbelehrung, in der es u.A. heißt:

"Ist der Besteller Verbraucher, so kann er seine Bestellung bis zu zwei Wochen nach Erhalt der Ware ohne Begründung widerrufen …"

Wegen weiterer Einzelheiten des beanstandeten Angebotes des Verfügungsbeklagten wird auf die mit der Antragsschrift zu den Akten gereichten Ablichtungen dieses Angebotes Bezug genommen.

Der Verfügungskläger ist der Ansicht, das Angebot genüge nicht dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der wesentlichen Merkmale der angebotenen Ware (Art 20 EGBGB, § 1 Abs. IV BGB-InfoV). Er ist ferner der Ansicht, die Widerrufsbelehrung entspreche nicht den Regeln der §§ 355, 126a BGB.

Die Kammer hat auf Antrag des Verfügungsklägers am 20. November 2006 beschlossen:

Auf den der Ausfertigung dieses Beschlusses beigefügten Antrag vom 03. November 2006 nebst Anlagen wird gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 Nr. 1 UWG, § 312c Abs. 1 BGB 1. V. m. Art. 240 EGBGB nebst BGB-lnfoVO 1, und zwar gemäß §§ 937, 944 ZPO wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden der Kammer im Wege einstweiliger Verfügung angeordnet:

Dem Antragsgegner wird es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €‚ ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verboten, im geschäftlichen Verkehr - insbesondere bei Verkaufsaktionen über das Portal "Ebay" - Waren anzubieten,

1. bei denen die im Fernabsatz erforderlichen lnformationspflichten nach § 312 c Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 240 EGBGB und § 1 Abs. 1 Nr. 4 BGB-lnfoVO nicht erfüllt sind,

2. bei denen nicht gemäß § 312 c Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB, Art 240 EGBGB in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 BGB-lnfoVO der Verbraucher spätestens bis zur Warenlieferung in Textform über das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs informiert wurde.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gegen diese am 6. Dezember 2006 zugestellte einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch des Verfügungsbeklagten vom 13. Dezember 2006.

Der Verfügungskläger beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20. November 2006 aufrechtzuerhalten.

Der Verfügungsbeklagte beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20. November 2006 aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Wegen der wechselseitig vertretenen Rechtsansichten der Parteien wird auf deren schriftsätzliche Ausführungen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer war aufrecht zu erhalten, denn der Antrag auf ihren Erlass war zulässig und begründet.

An der Klagebefugnis des Verfügungsklägers bestehen keine Bedenken, denn die Parteien sind Wettbewerber im Sinne des § 8 Abs. III Nr. 1 UWG, wie unstreitig ist.

Das beanstandete Angebot des Verfügungsbeklagten verstößt zumindest insoweit gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art 240 EGBGB, als der Verfügungsbeklagte im Widerspruch zu § 1 Abs. I Nr. 4, (Nr. 7) BGB-InfoVO über ein wesentliches Merkmal der angebotenen Leistung nicht informiert hat. Zu Recht beanstandet der Verfügungskläger, dass dem Angebot des Verfügungsbeklagten nicht zu entnehmen sei, ob zum Kaufpreise von 8.95 € fünf oder sechs Pilker angeboten werden. Zwar spricht der Angebotstext mehrfach von 5 Pilkern, die beigefügte Abbildung zeigt indes sechs. Es ist mithin dem Adressaten des Angebotes überlassen zu vermuten, ob dem Text oder dem Bild der Vorrang gebührt. Einen selbstverständlichen Vorrang auch des wiederholten Wortes vor dem Bild mit der Folge der Eindeutigkeit des Angebotes, vermag die Kammer nicht zu bejahen. Ist mithin dem Angebot nicht eindeutig zu entnehmen, ob der genannte Preis sich auf fünf oder auf sechs Pilker bezieht, so mangelt es an der Angabe eines wesentlichen Merkmals der angebotenen Leistung, nämlich der Anzahl der zum genannten Preis zu liefernden Pilker. Dass dieses Angebot darüber hinaus auch gegen das Erfordernis eindeutiger Preisangabe (§ 1 Abs. I Nr. 7 BGB-InfoVO) verstößt sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt.

Aber auch die vom Verfügungskläger beanstandete Widerrufsbelehrung ist, worauf dieser zu Recht hinweist, fehlerhaft und daher gemäß §§ 312c BGB (nebst Bezugsnormen), §§ 3, 4 Nr. 11 UWG wettbewerbswidrig. Die Widerrufsfrist beträgt hier nicht 2 Wochen, sondern 1 Monat.

Gemäß § 355 Abs. II Satz 1 BGB ist die Widerrufsbelehrung "in Textform" mitzuteilen. "Textform" bedeutet nach der nach Ansicht der Kammer nicht interpretationsbedürftigen oder interpretationsfähigen Regelung in § 129a BGB Widergabe "in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Widergabe in Schriftzeichen geeignete Weise". Die Kammer folgt nicht der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht, diese Voraussetzungen seien auch erfüllt, wenn der Empfänger einer elektronischen Widerrufsbelehrung diese speichern oder ausdrucken und damit dauerhaft machen könne. Nicht der Empfänger der Widerrufsbelehrung hat die Erfüllung der die Textform bestimmenden Merkmale zu leisten, sondern der Anbieter von Waren hat die Belehrung in Textform mitzuteilen, also eine Mitteilung herauszugeben, die seinerseits bereits die genannten Anforderungen erfüllt.

Für eine von dieser streng formalen Deduktion abweichende Interpretation besteht nach Ansicht der Kammer auch kein vertragsrechtlicher Bedarf. Wollte man es als zur Mitteilung der Widerrufsbelehrung in einer Urkunde oder auf eine andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise ausreichen lassen, wenn der Empfänger der Belehrung diese ausdruckt oder speichert, so hinge die Dauer der Widerrufsfrist von der Willkür des Empfängers oder von Zufällen ab, die der Verkäufer weder beeinflussen noch kennen könnte, sei es, der Empfänger verfüge nicht über die zum Ausdruck oder Abspeichern der Belehrung erforderlichen Kenntnisse (was insbesondere bei älteren Internet-Benutzern nicht selten der Fall ist), sei es aber auch nur, der Ausdruck scheiterte daran, dass die Druckerpatrone oder Tonerkartusche seines Druckers leer ist (oder die Festplatte den Zugriff verweigert). Aber auch die vertragsrechtlich gebotene Rechtssicherheit gebietet eine streng formale Deduktion, denn anderenfalls bestünde auf Verkäuferseite eine unaufklärbare Unsicherheit über die Dauer der Widerrufsfrist im Einzelfall. Der vom Landgericht Paderborn vertretenen Ansicht, es reiche aus, wenn die notwendigen Informationen für den Verbraucher im Rahmen des Angebotes zur Verfügung gestellt werden und der Verbraucher (nur) die Möglichkeit hat, sie zu speichern oder auszudrucken, vermag die Kammer nicht zu folgen, weil diese Ansicht im Ergebnis dazu führt, dass die Widerrufsbelehrung allein auf elektronischem Wege stets ausreichend ist. Das aber steht im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung.

Der Kammer ist aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt, dass der "Sofort-Kaufen"-Kaufvertrag bei eBay auf elektronischem Wege in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem elektronischen Gebot des eBay-Käufers zustande kommt, sei es, dass sein Gebot bereits die Annahmeerklärung eines bindenden Kaufvertragsangebotes darstellt, sei es, dass sein Gebot erst das an den eBay-Verkäufer gerichtete Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages ist, welches sodann vom diesem auf elektronischem Wege angenommen wird.

In jedem Fall kommt der Kaufvertrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der elektronischen Erklärung des Käufers zustande, so dass zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses die Widerrufsbelehrung noch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Textform (§ 126a BGB) vorliegt.

Für den Fall, dass die formwirksame Widerrufsbelehrung erst nach Vertragsschluss erfolgt, beträgt die Widerrufsfrist indes nicht, wie der Verfügungsbeklagte elektronisch mitgeteilt hat, 2 Wochen, sondern gemäß § 355 Abs. II Satz 1 BGB 1 Monat, beginnend mit dem Zugang der Mitteilung in Textform.

Die vom Verfügungsbeklagten begangenen Wettbewerbsverstöße begründen die Wiederholungsgefahr (allgem. Meing. vgl. Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht 23. Aufl. UWG § 8 Rn 1.33 m.w.N.), so dass sich die geltend gemachten Unterlassungsansprüche aus § 8 Abs. I UWG ergeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. I ZPO, die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

Streitwert: 15.000 €.






LG Kleve:
Urteil v. 02.03.2007
Az: 8 O 128/06


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