Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 22. Januar 2010
Aktenzeichen: 1 AGH 12/09

(AGH des Landes Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 22.01.2010, Az.: 1 AGH 12/09)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist 53 Jahre alt und seit April 1990 zur Rechtsanwaltschaft als Rechtsanwalt im Bezirk der Antragsgegnerin zugelassen.

Mit Bescheid vom 13.01.2009, zugestellt am 23.01.2009, hat die Antragsgegnerin ihm gemäß §§ 8, 16 Abs. 3 a BRAO aufgegeben, auf seine Kosten ein Gutachten des Amtsarztes des Gesundheitsamtes der Stadt N, Dr. B, vorzulegen, das sich um die Frage zu verhalten habe, ob er aufgrund seines Gesundheitszustandes in der Lage sei, den Rechtsanwaltsberuf weiter auszuüben.

Begründet hat die Antragsgegnerin diese Auflage damit, dass die Kammer zahlreiche Eingaben erhalten habe, so am 20.09.2006 von dem Verwaltungsgericht P (P 18), im April 2008 von dem Obergerichtsvollzieher C und am 28.10.2008 von der Oberfinanzdirektion N, denen Schriftsätze nebst vielseitigen Anlagen beigefügt waren, die den Eindruck vermittelten, dass der Antragsteller die von einem Rechtsanwalt erwartbare Sachlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Ergebnisorientierung zum Wohl der Mandaten vermissen lasse und stattdessen, massenhaft für das Verfahren untaugliche Unterlagen vorlege und damit vermeidbare Kosten für Mandanten produziere.

Das gleiche gelte für eine Stellungnahme des Antragstellers vom 25.03.2008 gegenüber der Antragsgegnerin im Rahmen einer Anhörung zu seinen Vermögensverhältnissen.

Die in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftsätze des Antragstellers befassen sich im Kern mit dem Begehren, durch die Finanzbehörden eine steuerbegünstigte Förderung des Wohnens seiner Mandanten nach §§ 7 h, 10 f EStG oder eine dazu notwendige Bescheinigung der Gemeindebehörden nach gemäß § 7 h Abs. 2 EStG zu erreichen, weil nach seiner Ansicht die Aufwendungen für "angemessenes warmes Wohnen" zu einem steuerfreien Grundbetrag gehören, der grundrechtlich geschützt sei. Hierfür setzt er sich seit mehreren Jahren umfassend gegenüber den Steuerbehörden unter Anrufung von Gerichten aus allen Gerichtszweigen, mehrfach bis hin zum Bundesverfassungsgericht sowie dem Petitionsausschuss des Bundestages ein, da er die Außerachtlassung dieser Kosten beim Steuerfreibetrag für unsozial und verfassungswidrig hält.

Mit Schreiben vom 19.01.2009 und 05.02.2009 hat er die Generalbundesanwaltschaft als oberste Strafverfolgungsbehörde auf dem Gebiet des Staatsschutzes angerufen wegen Bedrohung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik durch eine kriminelle Vereinigung in erster Linie von Richtern des Bundesverfassungsgerichts, des Bundesfinanzhofes und des Bundesverwaltungsgerichts zur verfassungswidrigen Verweigerung steuerlicher Absetzungsmöglichkeiten tatsächlich entstandener Aufwendungen, indem die Geltung der Tatsächlichkeit auf Erden in Abrede gestellt werde. Dabei regt er Haftbefehle, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Telefonüberwachungen im Ermittlungsverfahren durch den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zur Abwehr einer Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates an. Die Generalbundesanwältin hat eine Übernahme dieses Verfahrens abgelehnt.

Weiter hat sich der Antragsteller mit Schreiben vom 05.03.2008 an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gewandt, weil sich die obersten Bundesgerichte nicht in verfassungsgemäß gebotener Weise mit seinem Vorbringen auseinandersetzten.

Ergänzend hierzu hat er durch Schreiben vom 02.02.2009 die Ablehnung der Verfahrensübernahme durch die Generalbundesanwältin in das Petitionsverfahren eingebracht.

Der Petitionsausschuss habe am 06.02.2009 mitgeteilt, dass das sog. Berichterstatterverfahren eingeleitet sei.

Damit liege die ganze Sache nunmehr nach der vom Antragsteller im Schriftsatz vom 05.05.2009 geäußerten Ansicht bei der sonst zuständigen Stelle. Dies sei hier gemäß Art. 17, 19 IV 3, 10 II 2, 20 IV in Verbindung mit § 1 II des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, dem Art. 10 Gesetz, die sog. G-10 Kommission, die mindestens einmal im Monat zusammentrete. Folglich sei auch der Anwaltsgerichtshof nicht mehr zuständig.

In einer von der Antragsgegnerin vorgelegten E-Mail des Antragstellers vom 09.04.2009, die beim Finanzamt X eingereicht wurde und überschrieben ist

"allein gegen die gesamte Exekutiven und Judikative Gewalt

bis hin zum Bundesverfassungsgericht", heißt es auszugsweise:

Was hätte es bedeutet, der erhobenen Stimme des halbwegs gebildeten Juristen aus dem F, nämlich der Geltung der Tatsächlichkeit auf Erden zu glauben, der bislang allein gehandelt hatte, dass man ihn in seiner Auffassung der Geltung der Tatsächlichkeit auf Erden endlich anerkennen muss, als das, was es ist, die Tatsächlichkeit der ehrlichen Wertschöpfung durch uns Menschen selbst auf Erden.

...

Dagegen stand und steht ein mächtiger nationaler Abwehrreflex, bestehend aus der gesamten Exekutive und Judikativen Gewalt bis zum Bundesverfassungsgericht. Wie viel bequemer war es da, den halbwegs ausgebildeten Juristen aus dem F endgültig zum Schweigen zu bringen.

...

Was sich die Finanzbeamten, Beamten bei den Gemeinden ... Richter an Verwaltungsgerichten, an Oberverwaltungsgerichten, an Finanzgerichten, an Amtsgerichten ... an Landgerichten, an Oberlandesgerichten, am Anwaltsgerichtshof NRW, an der Rechtsanwaltskammer I, bei der Stadt Z, am Polizeipräsidium N, Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung N, an allen Bundesgerichten, bei der Generalbundesanwältin, alle

Richterinnen am Bundesverfassungsgericht selbst nicht zutrauen, trauen alle auch dem halbwegs juristisch ausgebildeten, emsländischen Dickkopf nicht zu.

Der Antragsteller macht geltend, dass er und seine Mandanten seit 8 Jahren die Anerkennung der Absetzbarkeit der tatsächlich angefallenen Kosten gemäß den Vorschriften der §§ 10 f, 7 h EStG begehren. Alle Schritte seien dabei abgesprochen und transparent.

Die Verfügung der Rechtsanwaltskammer beinhalte eine Pathologisierung eines rechtsstaatlichen und auf dem Grundgesetz fußenden Vorgehens, mit existenzbedrohender Zielrichtung.

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid vom 13.01.2009 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Antragsgegnerin auf den angefochtenen Bescheid, sowie die danach noch bekannt gewordenen Schreiben des Antragstellers.

In der Sache hat bereits am 08.05.2009 eine mündliche Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof stattgefunden, an deren Ende der Senat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und dies in das Protokoll aufgenommen hat. Der dann abgesetzte Beschluss ist, bevor er von allen Richtern unterzeichnet worden war, verloren gegangen und nicht mehr zugestellt worden.

II.

1)

Trotz Aufnahme des Beschlusses vom 08.05.2008 in das Protokoll ist über das Verfahren noch nicht wirksam entschieden worden, so dass über den Antrag des Antragstellers neu zu verhandeln ist.

Der Beschluss vom 08.05.2008 ist nicht wirksam geworden. Es fehlt an der gemäß §§ 40 Abs. 4 BRAO, 16 FGG erforderlichen Bekanntmachung durch Zustellung.

Eine nochmalige Absetzung des damaligen Beschlusses und Nachholung der Unterschriften ist nach mehr als fünf Monaten seit der mündlichen Verhandlung unzulässig (BGH BRAKMitt. 1998, 93).

2)

In der Sache ist der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin hat ihn zu Recht aufgefordert, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen.

Der gesetzliche Zwang zur ärztlichen Untersuchung nach §§ 8, 16 Abs. 3 a BRAO dient dem Schutz des rechtsuchenden Publikums vor Rechtsanwälten, die aufgrund körperlicher oder geistiger Defizite keine Gewähr für eine ordnungsgemäße und sorgfältige Berufsausübung bieten.

Andererseits bedeutet der Zwang zur ärztlichen Untersuchung (auf eigene Kosten) einen massiven Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährte Grundrecht auf Selbstbestimmung (Henssler/ Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 8a, Rdnr. 3).

Diesem Konflikt ist durch eine abgewogene Verhältnismäßigkeitsprüfung Rechnung zu tragen.

Daraus folgt, dass hinreichend konkrete Anhaltspunkte, die der richterlichen Kontrolle unterliegen, für eine körperliche oder geistige Unzulänglichkeit bestehen müssen, um eine solche Untersuchung anzuordnen (Henssler / Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 8a, Rdnr. 7).

Entscheidend ist dabei, ob die körperlichen oder geistigen Mängel solcher Art und so erheblich sind, dass der Antragsteller deswegen zur ordnungsgemäßen Berufsausübung, also insbesondere zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung der Interessen der Rechtsuchenden dauernd außer Stande ist.

Danach setzt der Widerrufsgrund nicht voraus, dass der Rechtsanwalt geisteskrank oder geistesschwach oder schuldunfähig im Sinne von § 20 StGB ist (BGH Beschluß 26.11.07-AnwZ(B) 102/05).

Dabei rechtfertigen abwegige persönliche Meinungen eines Rechtsanwalts und diffamierende Äußerungen über Richter, Staatsanwälte und die Justiz insgesamt noch nicht die Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens über den Gesundheitszustand des Rechtsanwalts.

Denn § 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO, für den das Verfahren nach §§ 8,16 Abs. 3 a BRAO eine Vorstufe darstellt, zielt nicht darauf ab, solche Rechtsanwälte aus der Rechtsanwaltschaft auszuschließen, die durch wiederholte Verletzung des Sachlichkeitsgebotes den Ablauf einer geordneten Rechtspflege erschweren; dem muss mit berufsrechtlichen und soweit die Grenzen von Straftatbeständen überschritten sind, mit strafrechtlichen Mitteln begegnet werden (vgl. BGH, Beschluss v. 14.02.2000 - AnwZ (B) 17/98).

Etwas anderes gilt allerdings, wenn ein derartiges Verhalten des Rechtsanwalts ernsthaft darauf hindeutet, er könne von seinen Vorstellungen in krankhafter Weise derart beherrscht sein, dass sich dies zugleich und in schwerwiegenderweise auf seine Fähigkeit auswirke, die Belange seiner Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen (BGH Beschluß 26.11.07 - AnwZ (B) 102/05).

Von einer solchen ernsthaften Besorgnis ist im vorliegenden Fall auszugehen.

Der Antragsteller kämpft in einer besonders intensiven und juristisch nicht mehr verständlichen Weise um die steuerliche Absetzbarkeit tatsächlicher Kosten und ruft hierzu immer wieder die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht an, auch wenn er bereits mehrfach zurückgewiesen wurde und ihm deswegen schon mindestens zweimal eine Missbrauchsgebühr vom Bundesverfassungsgericht auferlegt wurde.

Dabei ist eine Steigerung in der Verbissenheit seines Kampfes, den er nach seiner Vorstellung aus der E-Mail vom 09.04.2009 "Allein gegen Alle" führen muss, festzustellen. Diese geht bis zu der plausibel nicht mehr nachvollziehbaren Vorstellung von einer kriminellen Vereinigung aller obersten Richter, die die innere Sicherheit der Bundesrepublik bedrohe. Da selbst die Generalbundesanwaltschaft als oberste Strafverfolgungsbehörde auf dem Gebiet des Staatsschutzes auf seine Anzeige hin dagegen nicht tätig geworden sei, sei für die Angelegenheit nunmehr nach seiner Auffassung allein die "G-10 Kommission" zuständig, ein Organ des Bundestages, das unabhängig über die Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher durch die Nachrichtendienste des Bundes (Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst) durchgeführten Beschränkungsmaßnahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes entscheidet.

Diese Art und Weise, wie der Antragsteller den Kampf um die steuerliche Absetzbarkeit tatsächlicher Kosten führt, zeigt dass es offensichtlich inzwischen das überwiegend beherrschende Thema und eine Haupttriebfeder seiner beruflichen Tätigkeit ist. Sein Verhalten lässt dabei inzwischen den ernsthaften Schluss zu, dass er darauf so stark fixiert ist, dass er davon schon in krankhafter Besessenheit, geradezu dranghaft, beherrscht wird, mit der Folge, dass sich diese psychotische Störung zugleich und in schwerwiegenderweise auf seine Fähigkeit auswirkt, die Belange von Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen. Es besteht demnach die Gefahr, dass der Antragsteller durch diese geistige Beeinträchtigung dauerhaft an der Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt gehindert ist.

Die Anordnung der Antragsgegnerin an den Antragsteller, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen, ist deshalb zu Recht erfolgt, um diese Frage abzuklären.

Da die Anordnung bisher aber noch nicht rechtskräftig war, weil der Antragsteller dagegen den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat, lief die in dem angefochtenen Bescheid hierzu gesetzte Frist von 4 Monaten nicht bereits ab Zustellung des Bescheides, sondern beginnt erst mit der Zustellung dieses Beschlusses.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 201 Abs. 1 BRAO, 13 a FGG. Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats.






AGH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 22.01.2010
Az: 1 AGH 12/09


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