Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Dezember 2003
Aktenzeichen: 19 W (pat) 310/03

(BPatG: Beschluss v. 15.12.2003, Az.: 19 W (pat) 310/03)

Tenor

Das Restpatent wird widerrufen.

Gründe

I Für die am 29. Januar 1990 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung ist die Erteilung des Patents am 7. November 2002, veröffentlicht worden. Das Patent hat die Bezeichnung "Laufwerk zur Schiebeführung von Schiebefenstern, Schiebetüren, Maschinenteilen oder dergleichen". Gegen das Patent hat die Fa. H... & W... GmbH & Co. KG am 6. Februar 2003 Einspruch eingelegt. Zur Begründung hat sie auf § 1 bis 5 PatG verwiesen und behauptet, der Gegenstand des Patents sei nicht neu, beziehungsweise beruhe unter Berücksichtigung des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der geltende, erteilte Patentanspruch 1 lautet:

"Laufwerk zur Schiebeführung von Schiebefenstern, Schiebetüren, Maschinenteilen oder dergleichen, mit in einer Laufschiene geführten Rollenwagen, an denen die Schiebefenster, Schiebetüren, Maschinenteile oder dergleichen mittels Tragzapfen elastisch gelagert sind, wobei die Tragzapfen an oder in im Rollenwagen gelagerten Querbolzen befestigt sind, indem sie jeweils in einer quer zur Längsrichtung verlaufende Bohrung eingesetzt sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Querbolzen als ein Bolzen (10) aus elastischem Material, z.b. Kunststoffmaterial wie Polyurethan oder dergleichen, ausgebildet ist, daß der Querbolzen (10) eine Ausnehmung (13) in Form einer Vertiefung an der Außenseite des Querbolzens (10) aufweist, in der eine Mutter (14) zur Befestigung des Tragzapfens (3) drehfest gelagert ist, daß der Tragzapfen (3) ein Außengewinde aufweist und in die Mutter (14) einschraubbar ist."

Mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen unterteilt lautet der Patentanspruch:

"1. Laufwerk zur Schiebeführung von Schiebefenstern, Schiebetüren, Maschinenteilen oder dergleichen 1.1 mit in einer Schiene 2 geführten Rollenwagen 1, 1.11 an den Rollenwagen 1 sind Schiebefenster, Schiebetüren, Maschinenteile oder dergleichen mittels Tragzapfen 3 elastisch gelagert, 1.12 die Tragzapfen 3 sind an oder in im Rollenwagen 1 gelagerten Querbolzen 10 befestigt, 1.13 die Tragzapfen 3 sind jeweils in eine quer zur Längsrichtung verlaufende Bohrung 11 eingesetzt;

2. der Querbolzen 10 besteht aus elastischem Material, zum Beispiel Kunststoffmaterial, wie Polyurethan oder dergleichen, 3. der Querbolzen 10 weist eine Ausnehmung 13 in Form einer Vertiefung an der Außenseite des Querbolzens 10 auf, 3.1 in dieser Ausnehmung 13 ist eine Mutter 14 zur Befestigung des Tragzapfens 3 drehfest gelagert, 4.1 der Tragzapfen 3 weist ein Außengewinde auf, 4.2 mit diesem Außengewinde ist der Tragzapfen 3 in die Mutter 14 einschraubbar."

Der Anspruch 1 soll gemäß 1. Hilfsantrag ergänzt werden durch die Hinzufügung

"wobei der Tragzapfen (3) lediglich mit der Mutter (14) - und nicht mit der Bohrung (11) des Querbolzens (10) - verschraubbar ist"

gemäß 2. Hilfsantrag durch die Hinzufügung

"wobei durch den elastischen Querbolzen (10) ein federndes Spiel für Bewegungen des Tragzapfens (3) gegenüber dem Rollenwagen gegeben ist"

und gemäß 3. Hilfsantrag durch die Hinzufügungen gemäß 1. und 2. Hilfsantrag.

Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein Laufwerk zu schaffen, das bei schmaler Bauweise einfacher aufgebaut ist und die Möglichkeit schafft, die Elastizität der Lagerung und die Laufruhe zu verbessern (Sp 1, Z 48 bis 52).

Die Einsprechende ist der Ansicht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ergebe sich für den Fachmann aufgrund seiner Fachkenntnis in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Die DE 36 02 440 C2 zeige ein Laufwerk, das bereits die aufgabengemäße elastische Lagerung mit Hilfe eines elastisch gelagerten Querbolzens enthalte. Vor diesem Hintergrund erkenne er auch in dem elastischen Querbolzen der GB 1 405 931 dessen mögliche Funktion für die elastische Lagerung. Sollen höhere Lasten getragen werden, so sei eine Metallmutter nahegelegt, die sich beim Einschraubvorgang nicht mitdrehen dürfe. Sowohl bei der GB 1 405 931 als auch bei der DE 36 02 440 C2 sei Platz für eine Mutter vorhanden.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten, hilfsweisemit Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, bzw. Hilfsantrag 2 bzw. Hilfsantrag 3.

Höchst hilfsweise erklärt sie die Teilung.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, die GB 1 405 931 zeige nur an einer einzigen Stelle den Sonderfall elastischen Materials, und dort auch nur alternativ für den Bolzen oder das Gehäuse. Der Bolzen nach der GB 1 405 931 sei auch nicht in der Lage, eine elastische Lagerung zu bewirken. Würde man das Bolzenmaterial so elastisch machen, dass die Lagerung elastisch werde, so werde der Tragzapfen im Gewinde durchrutschen. Den nächstkommenden Stand der Technik zeige die DE 36 02 440 C2. Ausgehend hiervon gebe es keinerlei Veranlassung, die GB 1 405 931 heranzuziehen, und die GB 1 405 931 gebe auch keinen Hinweis auf die Kombination von elastischem Bolzen und Mutter. Für eine Mutter sei auch weder in der GB 1 405 931 noch in der DE 36 02 440 C2 Platz.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Der Einspruch ist zulässig und hat auch Erfolg, so dass das nach der Teilung verbleibende Restpatent zu widerrufen war.

Gemäß § 147 Abs 3 PatG liegt die Entscheidungsbefugnis bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts.

Dieser hatte - wie in der Entscheidung in der Einspruchssache 19 W (pat) 701/02 (mwN; vgl BPatGE 46,134) ausführlich dargelegt ist - aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Restpatent.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 bis 3 ist nicht patentfähig, weil er auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

Die GB 1 405 931 zeigt in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 (Merkmale 1, 1.1, teilweise 1.11) ein Laufwerk zur Schiebeführung von Schiebetüren mit in einer Laufschiene geführten Rollenwagen, an denen die Schiebetüren mittels Tragzapfen 3 gelagert sind (S 1, Z 9 bis 18, Z 61 bis 73). Die Tragzapfen weisen dabei - entsprechend den Merkmalen 1.12, 1.13 und 4.1 - ein Außengewinde auf und sind in im Rollenwagen gelagerten Querbolzen 2 befestigt, indem sie jeweils in einer quer zur Längsrichtung (= Fahrtrichtung) verlaufenden (Gewinde-) Bohrung 10 eingesetzt sind (Fig 1 bis 3 iVm S 1, Z 74 bis 81). Der Querbolzen 2 besteht in der Regel aus Kunststoff (S 2, Z 34 bis 39). Um auch einen Querbolzen 2 mit Übermaß an den zwei Vorsprüngen 6 vorbei in seine Aufnahme einsetzen zu können, kann er - entsprechend Merkmal 2 - aus geeignetem elastischen Material gemacht werden (S 1, Z 88 bis 92).

Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 ist der bekannte Tragzapfen 3 ohne Mutter direkt in den mit Gewinde versehenen Querbolzen 2 eingeschraubt.

Bei diesem bekannten Laufwerk wird der Fachmann, ein Maschinenbauer mit Fachhochschulabschluß und Erfahrungen in der Konstruktion von Türbeschlägen, aufgrund seiner Fachkenntnisse feststellen, dass das Gewinde des elastischen Kunststoff-Querbolzens für schwere Schiebetüren ungeeignet ist, da es in seiner Tragkraft beschränkt ist.

Bei Schraubverbindungen von relativ weichen oder schwach dimensionierten Kunststoffteilen - insbesondere Möbelbeschlägen - ist es gängige Technik zur Erhöhung der Tragkraft Metallmuttern in das Kunststoffteil einzusetzen, wobei sie gewöhnlich schon aus Gründen der Handhabbarkeit drehfest und für die Montage fixiert in das Kunststoffteil eingebettet werden. Bei einer solchen Maßnahme ist es unüblich und wenig sinnvoll im Kunststoffteil ein zusätzliches Gewinde vorzusehen. Eine so eingebettete Mutter wird der Fachmann auch bei dem Kunststoff-Querbolzen nach der GB 1 405 931 vorsehen, wenn ihm die Tragkraft der bekannten Konstruktion für schwere Türen unzureichend erscheint.

Der Querbolzen weist dann - entsprechend Merkmal 3., 3.1 und 4.2 - eine Ausnehmung in Form einer Vertiefung an der Außenseite des Querbolzens auf, in der die Mutter drehfest gelagert ist, und in die der Tragzapfen mit seinem Außengewinde einschraubbar ist. Der Tragzapfen ist dann - entsprechend dem Hilfsantrag 1 und 3 - lediglich mit der Mutter und nicht mit der Bohrung des Querbolzens verschraubbar. Durch den elastischen Querbolzen ist dann auch automatisch als Nebeneffekt eine elastische Lagerung gemäß Merkmal 1.11 und ein federndes Spiel für Bewegungen des Tragzapfens gegenüber dem Rollenwagen gemäß Hilfsantrag 2 und 3 gegeben.

Es bedurfte somit keiner erfinderischen Überlegungen, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge zu kommen.

Nach Fortfall des Patentanspruchs 1 teilen die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 dessen Schicksal.

III Die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegebene Teilungserklärung ist form- und fristgerecht. Die Erklärung, das Patent werde geteilt, ist auch ausreichend bestimmt, nachdem der BGH in seiner Entscheidung Sammelhefter vom 30. September 2002 (Mitt. 2002, 526 = GRUR 2003, 47) darauf abstellt, die wirksame Teilung eines Patents setze nicht voraus, daß durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert werde, der von diesem abgetrennt werde. Es besteht nach den §§ 60 Abs 1 Satz 3, 39 Abs 3 PatG auch kein "Schwebezustand" dahingehend, daß nach Abgabe der Teilungserklärung im vorliegenden Einspruchsverfahren eine Entscheidung über das Restpatent zunächst nicht möglich ist, denn die maßgebliche Entscheidungsgrundlage ist von der Teilungserklärung nicht berührt. Es gibt keinen mit der Teilungserklärung abgetrennten Teil, der wieder in das Restpatent zurückfallen kann (vgl. Beschluss des 20. Senats BlfPMZ 2003, 293 "Programmartmitteilung").

Dr. Kellerer Schmöger Dr. Mayer Dr.-Ing. Scholz Na






BPatG:
Beschluss v. 15.12.2003
Az: 19 W (pat) 310/03


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