Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2005
Aktenzeichen: 29 W (pat) 75/03

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2005, Az.: 29 W (pat) 75/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 23.11.2000 für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 3, 9, 16, 18, 24, 27, 28, 29, 30, 32 und 38 eingetragene Wortmarke 399 38 929 JUNIORFUN ist Widerspruch eingelegt worden im Hinblick auf die Waren der Klasse 3

"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel"

aus der prioritätsälteren Wortmarke 427 674 junioreingetragen am 09.01.1931 für die Waren der Klasse 3 und 5

"Arzneimittel, chemische Produkte für medizinische und hygienische Zwecke, pharmazeutische Drogen und Präparate, Pflaster, Verbandstoffe, Tier- und Pflanzenvertilgungsmittel, Desinfektionsmittel, Parfümerien, kosmetische Mittel, ätherische Öle, Seifen, Wasch- und Bleichmittel, Stärke und Stärkepräparate (soweit in Klasse 3 enthalten), Farbzusätze zur Wäsche, Fleckenentfernungsmittel, Putz- und Poliermittel (ausgenommen für Leder), Schleifmittel"

Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch mit Beschluss vom 02.12.2002 zurückgewiesen. Es bestehe keine Verwechslungsgefahr, da trotz der identischen oder sehr ähnlichen Waren aufgrund der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ein ausreichender Abstand zum angegriffenen Zeichen bestehe. Der Begriff "junior" sei in der Werbesprache eine beschreibende Angabe im Hinblick auf Beschaffenheit und Bestimmung der Waren und weise auf die naheliegenden Abnehmerkreise, nämlich die jugendliche Konsumentengruppe, hin. Die zu vergleichenden Zeichen verfügten daher über einen ausreichenden Abstand, da sie sich klanglich und schriftbildlich unterschieden. "Junior" sei in der prioritätsjüngeren Marke nicht prägnant, eine Vereinfachung bzw. Verkürzung von "JUNIORFUN" auf "junior" scheide ebenfalls aus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom 16.12.2002. Die Beschwerde wurde nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Eine Begründung hat sie ebenfalls nicht abgegeben. Aus ihrer Stellungnahme im Amtsverfahren geht hervor, dass die Markeninhaberin "junior" für eine glatt beschreibende Angabe hält, die ausschließlich durch diesen Begriff geprägt werde. "Ziehe" man diesen bei der prioritätsjüngeren Marke ab, verbleibe nichts, so dass - wegen "fun" in der jüngeren Marke - ein deutlicher klanglicher und schriftbildlicher Unterschied gegeben sei.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Vergleichsmarken keine Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 42 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

2. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 4 Abs. 1 lit. b MarkenRL, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke und der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken und zwischen den damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie dominierenden und unterscheidenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont). Die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der mit ihr gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. - Canon; GRUR Int. 2000, 899 - Adidas/Marca Moda; BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHE/TISSERAND; GRUR 2002, 167 - Bit/Bud m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.

3. Die Widersprechende hat nur die identischen Waren der prioritätsjüngeren Marke angegriffen. Ihr daher auf die Waren der Klasse 3 beschränkter Widerspruch führt zum Gegenüber identischer Vergleichswaren.

Aufgrund der Warenidentität müssen die Zeichen einen großen Abstand einhalten, um für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

4. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "junior" ist als leicht unterdurchschnittlich einzustufen. Das Zeichen ist nämlich - aufgrund der beschreibenden Verwendung in Verbindung mit den fraglichen Produkten - eher weniger geeignet, sich dem Publikum aufgrund seiner Eigenart als Marke einzuprägen.

Auf dem Warensektor für "Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer, Zahnputzmittel" ist die Bezeichnung "junior" üblich, um die entsprechende Zielgruppe, nämlich Jugendliche, anzusprechen. Die bloße Registerlage ist zwar nicht überzubewerten, allerdings verzeichnet das Register 14 Eintragungen bei der zielgerichteten Suche nach Klasse 3. Die Recherche in der Suchmaschine "Google" hat zusätzliche Treffer bei Mitteln zur Zahnpflege mit dem "Beinamen" "junior" ergeben ("DuroDont Junior Zahngel", "Colgate Junior", "ELMEX INTER X JUNIOR Zahnbürste", "Blendax Anti-Belag Junior Star Gel", Theramed Junior", "Durodont Junior Zahngel Dino und Harry Hase", "Junior-Zahnbürste Modell: E"; "Krups Bio Care Junior"). Außerdem ist es auf dem Markt üblich, Körperpflegeprodukte nach der Zielgruppe zu benennen, wie z. B. "Seife Junior", "Junior Care Comforting Bath Oil", "Junior Care Soothing Popo Balm", "Kinder Schmink Set Junior Mr. Color" oder "BALNEUM JUNIOR Duschschaum". Der für die Bestimmung der Kennzeichnungskraft maßgebliche Verkehrskreis ist bei diesen Waren des alltäglichen Bedarfs der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher.

Aufgrund dieser Kennzeichnungsschwäche verringert sich - unter Berücksichtigung der Warenidentität - der zu fordernde große Abstand der Zeichen voneinander, so dass ein normaler Abstand einzuhalten ist.

5. Beim Zeichenvergleich ergibt sich, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht, da die Zeichen "junior" und "juniorfun" weder klanglich noch schriftbildlich oder begrifflich ähnlich sind.

Eine alleinige Prägung des jüngeren Zeichens durch "junior" scheidet aus, da es sich um einen Gesamtbegriff handelt, der vom Verkehr als zusammengehörende Einheit aufgenommen wird. Dies korrespondiert mit dem Erfahrungssatz, dass der Durchschnittsverbraucher Marken in der Regel als Ganzes wahrnimmt (EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 - Lloyd; BGH GRUR 1999, 735 - MONOFLAM/ POLYFLAM). Die Grundsätze der Prägetheorie sind daher nicht anwendbar.

Selbst wenn man unterstellt, dass die einzelnen Wortbestandteile beschreibend sind, dominiert keiner der beiden Wortteile den Gesamtbegriff. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich "junior" und "juniorfun" gegenüberstehen.

Klanglich besitzen die Zeichen damit zwar den gleichen Wortanfang, die prioritätsjüngere Marke ist aber um eine Silbe länger. Auch unter Berücksichtigung der naheliegenden Verkürzungsneigung des Verkehrs spezifisch bei mündlicher Verwendung liegt es nicht nahe, das jüngere Zeichen um die Silbe "fun" zu reduzieren, so dass das Zeichen nur mehr mit "junior" benannt würde. Der Verkehr ist an Wortzusammensetzungen mit "Junior", gewöhnt wie z. B. bei den Worten "Juniorchef", "Juniorpartner" o. "Juniorsuite". Auch diese pflegt er nicht zu verkürzen, sondern spricht beide Wortbestandteile aus.

Auf das Schriftbild wirkt sich dies durch eine unterschiedliche Länge der Vergleichszeichen aus. Aufgrund des erkennbaren Sinngehalts der beiden Zeichen kann eine begriffliche Ähnlichkeit ebenfalls ausgeschlossen werden. Das - ursprünglich lateinische - Wort "junior" ("iunior"= jünger; der Jüngere, Komparativ von "iuvenis" = jung; Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 4. Aufl. 2001, CD-ROM) ist in der deutschen Sprache allgemein bekannt hinter Personennamen als Gegensatz zum "Senior", aber auch in Zusammensetzungen mit der Bedeutung "der/die Jüngere" (Wahrig, Universalwörterbuch Rechtschreibung, 2002, S. 550). Das jüngere Zeichen "Juniorfun" enthält als weiteren Bestandteil den ebenfalls sinnhaften Begriff "fun". "Fun" gehört zu den einfachsten Substantiven des englischen Grundwortschatzes und hat Eingang in die deutsche Umgangssprache gefunden. Im deutschen Wörterbuch (Wahrig, a.a.O., S. 405) ist es als "salopp" für "Vergnügen, Spaß" verzeichnet.

Der zwischen den Vergleichszeichen - wie oben festgelegt - erforderliche normale Abstand ist daher gewahrt.

6. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist nicht ersichtlich, da "Junior" weder Stammbestandteil einer Serie der Widersprechenden ist, noch Firmenschlagwort, oder sich sonst eine assoziative gedankliche Verbindung ergeben würde.

Unter Abwägung der einzelnen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr begründenden Faktoren ergibt sich daher, dass diese trotz der Warenidentität aufgrund der leicht unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und des deutlichen Zeichenabstands zu verneinen war.

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






BPatG:
Beschluss v. 12.01.2005
Az: 29 W (pat) 75/03


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