Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. September 2012
Aktenzeichen: 6 U 75/12

(OLG Köln: Urteil v. 21.09.2012, Az.: 6 U 75/12)

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 27.03.2012 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 46/11 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, zu vollstrecken an den Geschäftsführern,

zu unterlassen,

im Rahmen bestehender Telekommunikationsdienstleistungsverträge mit Verbrauchern Tarifänderungen oder Zusatzleistungen, die mit zusätzlichen Kosten verbunden sind, zu bestätigen, wenn die Verbraucher keine entsprechende Vertragserklärung abgegeben haben,

wie nachstehend wiedergegeben:

(Bild/Grafik nur in Originalentscheidung enthalten)

II. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen hat die Beklagte zu tragen.

IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, soweit es nicht abgeändert worden ist, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruches durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Vollstreckung des Kostenerstattungsanspruchs kann die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der klagende Verbraucherverband nimmt die beklagte Anbieterin von Telekommunikationsdienstleistungen auf Unterlassung in Anspruch mit der Behauptung, diese habe Kunden in fünf Fällen nach Beratungsgesprächen Aufträge über Tarifänderungen oder mit zusätzlichen Kosten verbundene Zusatzleistungen bestätigt, ohne dass dem ein entsprechender Auftrag zu Grunde gelegen habe. Außerdem hat sie Abmahnkostenersatz verlangt. Nach Beweisaufnahme vor dem Landgericht hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte eine Reihenfolge angegeben, in der die einzelnen Fälle entschieden werden sollten.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen der Senat Bezug nimmt, hat das Landgericht den Beweis einer Verletzungshandlung nicht im Fall F, jedoch in den Fällen F2 und C als geführt angesehen. Es hat die Beklagte gemäß dem Antrag des Klägers - ohne Einbeziehung der in der vorstehenden Urteilsformel wiedergegebenen Schriftstücke - zur Unterlassung verurteilt, die Klage im Übrigen abgewiesen und die Kosten zu einem Drittel dem Kläger, zu zwei Dritteln der Beklagten auferlegt.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Kläger wendet sich - nach Rücknahme seiner Berufung gegen die Abweisung des Zahlungsantrags nur noch - dagegen, dass das Landgericht die von ihm angeführten Fälle als selbständige Streitgegenstände beurteilt und die Klage daher teilweise abgewiesen hat.

Die Beklagte hält den Klageantrag und den Tenor für zu unbestimmt und zu weitreichend; sie beanstandet ferner die Beweiswürdigung der Kammer.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet.

a) Das Landgericht hat eine Teilabweisung ausgesprochen und bei der Kostenentscheidung mit einem Drittel bewertet, die sich ersichtlich nicht nur auf die Zahlung von 214,00 € Abmahnkosten, sondern darauf bezieht, dass die Kammer den Fall F als selbständigen Streitgegenstand angesehen hat. Daraus folgt der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels ausreichende (vgl. BGH, NJW 1993, 2052 [2053]) Anschein einer die Wertgrenze (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) überschreitenden Beschwer.

b) Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg, denn die Klage ist in dem von der Klägerin nach Rücknahme des Zahlungs- und Modifizierung des Unterlassungsantrags in der Berufungsverhandlung weiter verfolgten Umfang begründet. Die in der Neufassung des Unterlassungsbegehrens liegende klarstellende Beschränkung des Antrags auf die konkrete Verletzungsform, wie sie sich beispielhaft aus den in der Urteilsformel wiedergegebenen Auftragsbestätigungen ergibt, ist zulässig; zum einen hat die Beklagte ihr zugestimmt und zum anderen war sie in dem Antrag aus der Klageschrift bereits als Minus enthalten (vgl. BGH GRUR 2012, 82 = WRP 2012, 198 [Rn. 19] - Auftragsbestätigung).

Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat der Kläger mit der Klage nicht mehrere Streitgegenstände, sondern nur einen einzigen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt. Wie der Senat nach Verkündung der angefochtenen Entscheidung bereits in seinen der Beklagten bekannten Urteilen vom 20.04.2012 - 6 U 222/11 - und vom 16.05.2012 - 6 U 199/11 - ausgesprochen hat, bilden mehrere mit einer Klage geltend gemachte Verletzungsfälle, in denen jeweils das gleiche mit dem Unterlassungsantrag angegriffene Verhalten zum Ausdruck kommt, einen einheitlichen Klagegrund und somit auch nur einen Streitgegenstand (vgl. BGH, GRUR 2012, 630 = WRP 2012, 824 [Rn. 17] - Converse II). Insoweit liegt keine an die verschiedenen Gespräche anknüpfende eventuelle und erst recht keine unzulässige alternative Klagehäufung, sondern eine in zulässiger Weise auf insgesamt fünf tatsächliche Vorgänge gestützte mehrfache Klagebegründung vor; weil für die Begründetheit des geltend gemachten, das Verbot kerngleicher Verstöße ebenfalls umfassenden Unterlassungsanspruchs die Feststellung eines einzigen Verletzungsfalls genügt, bedarf es bei dieser Art der Klagebegründung des Nachweises nur eines Vorganges, um der Klage in vollem Umfang zum Erfolg zu verhelfen.

So liegt es hier: Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Beklagte nach Kundengesprächen mit den Zeuginnen F2 und C im Rahmen bestehender Telekommunikationsdienstleistungsverträgen mit deren Ehemännern die in der Urteilsformel eingeblendeten Auftragsbestätigungen versandt, obwohl die dort aufgeführten Tarifänderungen (Fall C) und entgeltlichen Zusatzleistungen (Fall F) weder von den Anschlussinhabern selbst noch von deren gemäß § 1357 BGB zum Geschäftsabschluss berechtigten Ehefrauen in Auftrag gegeben worden waren. Auf den Nachweis eines gleichartigen Verhaltens der Beklagten im Zusammenhang mit dem vom Zeugen F selbst geführten Gespräch kommt es für das Obsiegen des Klägers nicht an.

2. Soweit die Beklagte mit ihrer zulässigen Berufung die Fassung auch des neugefassten Klageantrags beanstandet und sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts wendet, dringt sie damit nicht durch. Verfahrensfehlerfrei und der Sache nach zu Recht hat das Landgericht den vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 7 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3 UWG bejaht.

a) Unterlassungsantrag und Tenor sind gemäß §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO hinreichend bestimmt. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Begriffe "Tarifänderungen" und "Zusatzleistungen" hinreichend konkret. Eine verständige Auslegung des Tenors ergibt zudem, dass sich der Relativsatz "... die zusätzliche Kosten verursachen" nur auf die Zusatzleistungen bezieht; Tarifänderungen, die nicht in Auftrag gegeben wurden, dürfen nämlich generell nicht vorgenommen werden, also auch dann nicht, wenn sie nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden sind. Des Weiteren ist das im Antrag enthaltene "oder" ersichtlich nicht als ausschließende, sondern als aufzählende Konjunktion ("und/oder") zu verstehen.

b) Der Unterlassungsantrag unterliegt nicht etwa wegen eines zu weiten, auch wettbewerbskonforme Verhaltensweisen erfassenden Verbotsumfangs der Abweisung. Das Versenden einer Auftragsbestätigung im Rahmen bestehender Telekommunikationsdienstleistungsverträge ohne zu Grunde liegenden Änderungsauftrag stellt grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 UWG dar (vgl. Senatsurteil vom 16.05.2012 - 6 U 199/11). Der Fall, dass der Adressat der Auftragsbestätigung den Auftrag zwar nicht höchstpersönlich, aber durch einen Vertreter oder seinen ihn wirksam mitverpflichtenden Ehegatten erteilt hat, fällt nicht darunter, wird jedoch bei verständiger Würdigung - auch ohne ausdrückliche Erwähnung dieser Fallgestaltung im Tenor - ohnehin nicht von dem ausgesprochenen Verbot erfasst. Soweit eine Einschränkung des Tenors im Hinblick auf diejenigen Fälle erforderlich sein mag, in denen die Beklagte irrtümlich von einer Bestellung des Verbrauchers ausgeht, weil ein Dritter die Bestellung unter fremdem Namen aufgegeben hat oder unter derselben Adresse mehrere Personen gleichen Namens wohnen (vgl. BGH, GRUR 2012, 82 = WRP 2012, 198 [Rn. 18] - Auftragsbestätigung), trägt dem die in der Berufungsverhandlung vorgenommene Anpassung des Antrags an die konkrete Verletzungsform - entsprechend dem erkennbaren Begehren des Klägers seit Beginn des Rechtsstreits - hinreichend Rechnung.

c) Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die von ihr im Fall Ehlers versandte Auftragsbestätigung vom 14.01.2011 eine Wiederholungsgefahr für das im Tenor ausgesprochene Verbot begründet, weil es für das Merkmal "Zusatzleistungen, die zusätzliche Kosten verursachen" unerheblich ist, ob die zusätzlichen Kosten für die Kunden sofort oder erst zu einem späteren Zeitpunkt (hier: ab dem zweiten Monat) anfallen.

d) Die Angriffe der Beklagten gegen die Feststellung fehlender Änderungsaufträge der Zeuginnen F und C (vgl. oben Nr. 1 lit. b) bleiben ohne Erfolg. Der Senat hat seiner Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zu Grunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche Anhaltspunkte zeigt die Berufung der Beklagten ebenso wenig auf wie diejenige des Klägers. Verfahrensfehler oder eine objektiv unvollständige Bewertung des Beweisergebnisses durch die Kammer sind nicht ersichtlich. Deren Beweiswürdigung ist in sich schlüssig und von einer umfassenden und gut nachvollziehbaren Würdigung aller Zeugenaussagen getragen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten erschöpft sich demgegenüber in dem Versuch, der überzeugenden Beweiswürdigung des Landgerichts ihre eigene Würdigung entgegenzusetzen; das reicht nicht aus, um eine neue Tatsachenfeststellung durch den Senat zu rechtfertigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen. Die Entscheidung beruht auf der tatrichterlichen Anwendung gesetzlicher und höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze im Einzelfall, ohne dass der Sache grundsätzliche Bedeutung zukommt oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert.






OLG Köln:
Urteil v. 21.09.2012
Az: 6 U 75/12


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