Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2004
Aktenzeichen: 5 W (pat) 413/03

(BPatG: Beschluss v. 17.03.2004, Az.: 5 W (pat) 413/03)

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 19. Juni 2002 im Kostenpunkt aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt der Antragsteller.

Gründe

I Die Antragsgegnerin war Inhaberin des am 19. März 1992 unter Inanspruchsnahme der Priorität der österreichischen Patentanmeldung A 1154/91 vom 7. Juni 1991 angemeldeten und am 7. Mai 1992 unter der Bezeichnung "Gitterplatte" eingetragenen deutschen Gebrauchsmusters 92 03 706, das am 19. März 1998 wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschen ist.

Der Eintragung liegen die ursprünglichen Unterlagen mit 15 Schutzansprüchen zugrunde, von denen die Ansprüche 1, 2 und 4 bis 6 wie folgt lauten:

1. Gitterplatte mit einem Boden und zum Boden einstückigen Seitenwänden, die nach oben offene Kammern bilden, der Boden bei jeder Kammer mit einer Drainageöffnung versehen ist und der Boden am Plattenrand Vorsprünge aufweist, die vom Rand der Gitterplatte überstehen und in den randseitigen Bodenbereich einer benachbarten Gitterplatte greifen, dadurch gekennzeichnet, daß der Plattenrand (5, 7) der einen Gitterplatte mindestens jede übernächste randseitige Kammer (1) schneidet, die geschnittenen Kammern (1) durch Seitenwände (2) der benachbarten Gitterplatte zu weiteren Kammern (1) ergänzt werden und die Seitenwände (2) der beiden Gitterplatten einander nur längs ihrer vertikalen Kanten (9) berühren.

2. Gitterplatte nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß der Plattenrand (5, 7) die randseitigen Seitenwände (2B, 2C) schneidet, die jeweils seitlich offene Teilkammern (1A, 1B, 1C,1D) bilden und die Teilkammern (1A, 1B; 1C, 1D) benachbarter Gitterplatten sich jeweils zu einer weiteren Kammer (1) ergänzen.

4. Gitterplatte mit bienenwabenförmigen Kammern nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß bei randseitigen Kammern (1) mit parallel zum Plattenrand (5) verlaufenden Seitenwänden (2A) der Plattenrand (5) die dazu schräg verlaufenden Seitenwände (2B, 2C) im Abstand zu den parallel zum Plattenrand (5) verlaufenden Seitenwänden (2A) schneidet.

5. Gitterplatte mit bienenwabenförmigen Kammern nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß bei randseitigen Kammern (1) mit senkrecht zum Plattenrand (7) verlaufenden Seitenwänden (2A) der Plattenrand (7) die dazu schräg verlaufenden Seitenwände (2B, 2C) im Abstand zu den senkrecht zum Plattenrand (7) verlaufenden Seitenwänden (2A) schneidet.

6. Gitterplatte nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß am Plattenrand (5, 7) große und kleine Teilkammern (1A, 1B, 1C, 1D) miteinander abwechseln und die kleinen Teilkammern (1A, 1C) die Ergänzung der großen Teilkammern (1B, 1D) bilden.

Der Antragsteller hat am 28. Juni 2001 die Feststellung der Unwirksamkeit des erloschenen Gebrauchsmusters im Umfang der eingetragenen Ansprüche 1 bis 6 und 13 bis 15, letztere in ihren Rückbezügen auf die Ansprüche 1 bis 6, beantragt. Zum Feststellungsinteresse verweist der Antragsteller auf das Endurteil des OLG München in Sachen 6 U 2127/99 vom 31. Mai 2001, in welchem er wegen Verletzung des Streitgebrauchsmusters zur Schadensersatzleistung verurteilt worden ist.

Zur Begründung in sachlicher Hinsicht beruft sich der Antragsteller auf den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Juni 1999 (Gbm 92 03 706 Lö I 203/07). Dieser Beschluss ist in einem gegen das Streitgebrauchsmuster gerichteten Löschungsverfahren ergangen, das durch einen Dritten eingeleitet worden ist. Da das Schutzrecht nach Ausbleiben der Verlängerungsgebühr zwischenzeitlich erloschen war, war jenes Löschungsverfahren für erledigt erklärt worden. Zur Begründung der hierauf ergangenen Entscheidung über die Verfahrenskosten ist in diesem Beschluss ausgeführt, das Streitgebrauchsmuster sei nur im Umfang der am 11. Januar 1996 nachgereichten Schutzansprüche 7 bis 11 rechtsbeständig gewesen. Dagegen beruhe der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 1 vom 11. Januar 1996 gegenüber dem durch

(D1) US 4 111 585 und

(D2) DE 35 34 078 A1 belegten Stand der Technik nicht auf einem erfinderischen Schritt und hätte somit keinen Bestand haben können. Gleiches gelte für die Schutzansprüche 2 bis 6 und 12 bis 14 (vom 11. Januar 1996), deren Gegenstände auf rein handwerklichen Maßnahmen zur Teilung der bei den Gitterplatten vorhandenen Randkammern beruhten.

Die Antragsgegnerin hat dem Feststellungsbegehren im Umfang des eingetragenen Schutzanspruchs 6 in der Rückbeziehung auf Anspruch 5, soweit letzterer auf Anspruch 4 zurückbezogen ist, widersprochen. Soweit sich der Feststellungsantrag gegen das Gebrauchsmuster im nicht verteidigten Umfang richtet, hält sie ihn mangels Rechtsschutzbedürfnisses für unzulässig. Der Antragsteller habe überdies insoweit auch deshalb die Kosten des Feststellungsverfahrens zu tragen, weil er versäumt habe, sie vor Erhebung des Feststellungsantrages abzumahnen. Zur Schutzfähigkeit der Gitterplatte im verteidigten Umfang bezieht sich die Antragsgegnerin insbesondere auf die Entscheidung T 0667/00 der Technischen Beschwerdekammer 3.2.3 des europäischen Patentamts, mit der die Beschwerde gegen eine beschränkte Aufrechterhaltung des korrespondierenden europäischen Patents 0 516 957 durch die zuständige Einspruchsableitung zurückgewiesen wurde. Die beschränkte Aufrechterhaltung erfolgte im europäischen Verfahren auf Basis eines aus den ursprünglich erteilten Ansprüchen 1, 2 und 4 bis 6 zusammengesetzten Anspruchs 1, der inhaltlich dem hier verteidigten Schutzbegehren entspricht.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2002 die Unwirksamkeit des Gebrauchsmusters 92 03 706 im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 6 und 13 bis 15, letztere in ihren Rückbezügen auf die Schutzansprüche 1 bis 6, soweit es hinausgeht über den eingetragenen Schutzanspruch 6 in der Rückbeziehung auf Schutzanspruch 5, soweit dieser auf Schutzanspruch 4 zurückbezogen ist, festgestellt, den weitergehenden Feststellungsantrag zurückgewiesen und die Kosten des Feststellungsverfahrens den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Gegenstand des verteidigten Schutzbegehrens sei gegenüber den in Betracht zu ziehenden Druckschriften, nämlich (D1), D2), ferner

(D3) US 3 960 375

(D4) DE 90 05 078 U1

(D5) DE 86 22 303 U1

(D6) US 4 621 942

(D7) EP 0 384 023 A1 neu und erfinderisch; der verteidigte Schutzanspruch habe daher Bestand. Die das Gebrauchsmuster im nicht verteidigten Umfang betreffenden Kosten des Feststellungsverfahrens seien entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht nach § 93 ZPO dem Antragsteller aufzuerlegen. Zwar habe die Antragsgegnerin insoweit den Feststellungsantrag sofort anerkannt. Jedoch habe sie insoweit auch Veranlassung zur Einleitung des Feststellungsverfahrens gegeben. Allerdings fehlte es an einer vorherigen Verzichtsaufforderung; diese sei jedoch wegen des anhängigen Verletzungsprozesses entbehrlich gewesen. Zwar sei die Verletzungsklage nur auf die eingeschränkte und hier letztlich verteidigte Merkmalskombination gestützt gewesen. Der Antragsteller habe jedoch jedenfalls bei Stellung des Feststellungsantrags nicht ausschließen können, dass die Antragsgegnerin das Gebrauchsmuster in einem weiteren Umfang klageweise geltend machen würde. Diese Möglichkeit sei erst nach Einleitung des Feststellungsverfahrens mit Erhebung des Teilwiderspruchs beseitigt worden. Bei der Kostenentscheidung seien daher die angegriffenen eingetragenen Schutzansprüche (soweit sie den nachgereichten entsprochen hätten) mit dem verteidigten Schutzanspruch zu vergleichen gewesen. Dabei habe die Rechtsbeständigkeit des Streitgebrauchsmusters nur mit einem erheblich eingeschränkten Gegenstand bejaht werden können.

Gegen diesen Beschluß richten sich die Beschwerde des Antragstellers und die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller bemängelt, dass die Gebrauchsmusterabteilung die Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmusters nunmehr anders beurteilt habe als im vorausgegangenen Verfahren GbM 92 03 706 Lö I 203/97 und wirft ihr eine fehlerhafte Merkmalsanalyse vor.

Darüber hinaus könnten die auf ein nicht mittiges Schneiden der Kammern abziehenden Merkmale den erfinderischen Schritt des verteidigten Gegenstands nicht begründen. Diese vom Antragsteller zusammenfassend als "asymmetrische Teilung" umschriebene Merkmalsgruppe werde nämlich bei jeder zufälligen Teilung zu rechteckigen Gitterplatten mit einer beliebigen Schnittlinie erfüllt, sofern diese nicht unmittelbar entlang der parallel zum Plattenrand verlaufenden Seitenwände der Sechseckwaben verlaufe. Einen solchen Schritt werde aber der Fachmann nicht in Betracht ziehen, da ihm die (D2) die Lehre vermittle, die Verbindung benachbarter Platten nicht flächig, sondern linienförmig an aneinanderstoßenden Gitterstegen vorzusehen. Würde der Fachmann zusätzlich einen Hinweis auf eine asymmetrische Teilung benötigen, so würde er diesen sowohl aus (D5) als auch aus (D7) erhalten. Der Antragsteller erläutert seine Auffassung auch anhand der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Gitterplatte.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Unwirksamkeit des angefochtenen Gebrauchsmusters im Umfang der Schutzansprüche 1 bis 6 und 13 bis 15, letztere soweit sie auf Schutzansprüche 1 bis 6 rückbezogen sind, festzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und - im Wege der Anschlussbeschwerde - den angefochtenen Beschluss im Kostenpunkt abzuändern dahingehend, dass dem Antragsteller die gesamten Kosten des ersten Rechtzuges auferlegt werden.

Sie sieht den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung in sachlicher Hinsicht als zutreffend begründet an und keinen Widerspruch zu den lediglich summarischen Erwägungen über die mutmaßliche Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters in der vorangegangenen Kostenentscheidung. Zur Frage der Schutzfähigkeit verweist sie erneut auf die Entscheidung T 0667/00. Falsch an der angefochtenen Entscheidung sei allein der Kostenpunkt.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die zulässige Beschwerde ist sachlich nicht gerechtfertigt. Denn der Feststellungsantrag ist nicht in weitergehendem Umfang, als dies im angefochtenen Beschluss ausgesprochen ist, zulässig und begründet. Dagegen ist die zulässige Anschlussbeschwerde begründet.

1. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist gegeben, soweit dem Feststellungsantrag mit dem Widerspruch entgegengetreten worden ist. Denn in diesem Umfang ist die klageantragsgemäße Verurteilung des Antragsgegners u.a. zu Schadensersatz aus dem Gebrauchsmuster erfolgt. Dagegen erstreckt sich das Urteil des OLG München nicht auch auf den darüber hinausgehenden, mit dem Feststellungsantrag angegriffenen Teil des Gebrauchsmusters; in diesem Umfang war aus dem Verletzungsverfahren keine Besorgnis abzuleiten, aus dem Gebrauchsmuster in Anspruch genommen zu werden. Die bloße abstrakte Möglichkeit, dass vor Abschluss des damals noch anhängigen Verletzungsverfahrens die Inanspruchnahme im Wege einer Klageerweiterung auf den Gegenstand von weitergehenden Schutzansprüchen ausgedehnt würde, rechtfertigt nicht eine entsprechende Besorgnis. Vielmehr hat die Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Stellung des Feststellungsantrags dem Antragsteller und danach keinen Anhalt dafür gegeben, sie werde das Gebrauchsmuster in weitergehendem Umfang als mit ihrem letzten Klageantrag im Verletzungsverfahren getan gegen ihn geltend machen. Das Gebrauchsmuster in seiner ursprünglichen Wirksamkeit in diesem weitergehenden Umfang rein vorsorglich anzugreifen, lässt ein Rechtsschutzinteresse nicht erkennen.

Da die Feststellungsentscheidung der Gebrauchsmusterabteilung im Umfang der Unzulässigkeit mit den Beschwerden aber nicht angegriffen ist, hat es mit dieser Entscheidung insoweit sein Bewenden.

2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Gitterplatte mit einem Boden und zum Boden einstückigen Seitenwänden, welche nach oben offene bienenwabenförmige Kammern bilden, wobei der Boden bei jeder Kammer mit einer DrainageÖffnung versehen ist und der Boden am Plattenrand Vorsprünge aufweist, die vom Rand der Gitterplatte überstehen und in den randseitigen Bodenbereich einer benachbarten Gitterplatte greifen.

Eine derartige Gitterplatte, bei deren Verlegung die randseitigen Seitenwände benachbarter Platten einander berühren, ist aus der Entgegenhaltung (D1) bekannt (vgl auch DE 92 03 706 U1 S 1 Abs 2/3).

Bei den Gitterplatten nach (D1) wird das ein bündiges Anliegen der randseitigen Seitenwände benachbarter Platten erfordernde Verlegen behindert, wenn Steine und Erdreich zwischen die aneinanderzulegenden Seitenwände gelangen (DE 92 03 706 U1 S 1 Abs 5).

Dem Streitgebrauchsmuster liegt ausgehend von diesem Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, die Gitterplatte so auszubilden, dass ein leichtes Verlegen einander benachbarter Platten ohne Behinderung durch Steine und Erdreich möglich ist (DE 92 03 706 U1 S 2 Abs 2).

Diese Aufgabe wird durch den verteidigten Gegenstand mit folgenden Merkmalen gelöst:

a) Gitterplatteb) mit einem Boden und zum Boden einstückigen Seitenwänden, wobei:

c) die Seitenwände nach oben offene bienenwabenförmige Kammern (1) bilden, d) der Boden bei jeder Kammer (1) mit einer DrainageÖffnung versehen ist, e) der Boden am Plattenrand Vorsprünge aufweist, die vom Rand der Gitterplatte überstehen und in den randseitigen Bodenbereich einer benachbarten Gitterplatte greifen, f) der Plattenrand (5, 7) der Gitterplatte jede randseitige Kammer (1) schneidet, g) die geschnittenen Kammern (1) durch Seitenwände (2) der benachbarten Gitterplatte zu weiteren Kammern (1) ergänzt werden, h) die Seitenwände der beiden Gitterplatten einander nur längs ihrer vertikalen Kanten (9) berühren, i) der Plattenrand (5, 7) die randseitigen Seitenwände (2B, 2C) schneidet, die jeweils seitlich offene Teilkammern (1A, 1B, 1C, 1D) bilden, j) die Teilkammern (1A, 1B, 1C, 1D) benachbarter Gitterplatten sich jeweils zu einer weiteren Kammer ergänzen, k) bei randseitigen Kammern (1) mit parallel zum Plattenrand (5) verlaufenden Seitenwänden (2A) der Plattenrand (5) die schräg verlaufenden Seitenwände (2B, 2C) im Abstand zu den parallel zum Plattenrand (5) verlaufenden Seitenwänden (2A) schneidet, l) bei randseitigen Kammern (1) mit senkrecht zum Plattenrand verlaufenden Seitenwänden (2A) der Plattenrand (7) die dazu schräg verlaufenden Seitenwänden (2B, 2C) im Abstand zu den senkrecht zum Plattenrand (7) verlaufenden Seitenwänden (2A) schneidet.

m) am Plattenrand (5, 7) große und kleine Teilkammern (1A, 1B, 1C, 1D) miteinander abwechseln undn) die kleinen Teilkammern (1A 1C) die Ergänzung der großen Teilkammern (1B, 1D) bilden.

Die vom Antragsteller vermutete fehlerhafte Wiedergabe des mit f) bezeichneten Merkmals in dieser aus dem Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung übernommenen Merkmalsanalyse - nach Auffassung des Antragstellers müsse dieses "dass der Plattenrand (5, 7) der einen Gitterplatte mindestens jede übernächste randseitige Kammer schneidet" lauten - liegt nicht vor. Der Antragsteller bezieht sich damit ersichtlich auf das im Kennzeichen des eingetragenen Schutzanspruchs 1 zuerst aufgeführte Merkmal. Da aber nach dem eingetragenen Anspruch 6 am Plattenrand große und kleine Teilkammern miteinander abwechseln, muss notwendigerweise jede randseitige Kammer geschnitten werden. Das in Rede stehende Merkmal des eingetragenen Anspruchs 1 erweist sich somit als Überbestimmung; seine Erwähnung in der Merkmalsanalyse ist daher überflüssig und würde die Verständlichkeit nicht erleichtern, sondern eher beeinträchtigen.

Auch die Beanstandung des Antragstellers, das Merkmal c) sei im ursprünglichen Schutzanspruch 1 nicht enthalten gewesen, gibt zu keinen Zweifeln an der Korrektheit der Merkmalsanalyse Anlaß. Dieses Merkmal ist nämlich in den (ursprünglichen und) eingetragenen Schutzansprüchen 4 und 5 aufgeführt und der verteidigte Gegenstand ist durch die Gesamtheit der Merkmale des eingetragenen Schutzanspruchs 6 in der Rückbeziehung auf Anspruch 5, soweit letzterer auf Anspruch 4 zurückbezogen ist, definiert.

Als zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Maschinenbauingenieur mit vertieften Kenntnissen in der Kunststoffverarbeitung an, da Kunststoff zwar im Streitgebrauchsmuster nicht expressis verbis genannt, aber nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten das für gattungsgemäße Gitterplatten einschlägige Material ist.

3. Die geltend gemachte Schutzunfähigkeit (§ 15 Abs 1 Satz 1 GebrMG) des nach der angefochtenen Entscheidung mit dem Feststellungsantrag noch angegriffenen Gebrauchsmusters lässt sich nicht feststellen.

a) Die Gitterplatte mit den in der Merkmalsanalyse mit a) bis n) bezeichneten Merkmalen ist neu.

Sie unterscheidet sich von den aus (D1) bekannten Gitterplatten schon durch die parallel und senkrecht zu den Seitenwänden (2A) der Sechseckwaben verlaufenden Plattenränder (5, 7), durch deren Schnitt offene Teilkammern ausgebildet werden. Die Gitterplatten nach (D1) werden hingegen durch Seitenwände der Sechseckwaben begrenzt, vergleiche insbesondere Figur 1.

Gegenüber (D2) ist die Neuheit bereits aufgrund des Merkmals c) gegeben, denn in (D2) sind an keiner Stelle bienenwabenförmige Strukturen erwähnt (vgl insbes Fig 1 bis 3).

Auch in (D5) sind keine bienenwabenförmigen Kammern beschrieben (vgl Fig 1 bis 4 und Anspruch 2).

Die Entgegenhaltung (D7) betrifft zwar Trägerplatten (für Dachbegrünungen) mit sechseckigen Zellen (Ansprüche 1 u 8 iVm Fig 1); am Plattenrand sind jedoch keine seitlich offenen Teilkammern ausgebildet, die sich mit den Teilkammern benachbarter Gitterplatten zu einer vollständigen Kammer ergänzen (Merkmale f) und g) der Merkmalsanalyse). Die Trägerplatten nach (D7) werden vielmehr von Außenwänden 10 umschlossen (Fig 1 iVm Sp 5 Z 41 bis 44, Sp 5 Z 56 bis Sp 6 Z 2, Sp 6 Z 47 bis 53 u Sp 7 Z 30 bis 36).

Aus (D3), (D4) und (D6) sind jeweils Gitterplatten mit Sechseckwaben bekannt. Bei den Gitterplatten gemäß (D4) und (D6) sind - ähnlich wie im Falle der (D1) - an den Plattenrändern keine offenen Teilkammern infolge des Merkmals f) ausgebildet (vgl jeweils insbes Fig 1 u 2), und bei den Elementen nach (D3) ist das Merkmal m) nicht erfüllt. Der Schnitt an der Stirnfläche ist hier nämlich so geführt, dass am Plattenrand Teilkammern identischer Größe entstehen (Fig 1 insbes Pos 15 iVm Sp 3 Z 55 bis 59).

b) Der Antragsteller konnte den Senat nicht überzeugen, dass die Bereitstellung des verteidigten Gegenstandes lediglich einer Routineleistung des zuständigen Fachmannes entsprach, also nicht erfinderisch (§ 1 GebrMG) war.

Im Rahmen des Routinekönnens erscheint dem Senat eine Gitterplatte mit den Merkmalen a) bis e) und g) zugänglich.

Eine Gitterplatte mit den Merkmalen a) bis e) geht unstreitig aus der (D1) hervor. Greift nun der Fachmann aus (D2) die Anregung(en) auf, Platten mit rechteckigem Format auszubilden, im Umfangsbereich frei vorspringende Stegabschnitte vorzusehen, die etwa so lang sind wie ein halbes Rastermaß, sowie keine flächige, sondern eine linienförmige Berührung benachbarter Gitterplatten an den Stegabschnitten anzustreben ((D2) Anspruch 6 iVm Sp 3 Z 43 bis 52 u Fig. 1), so führt dies zu folgendem Ergebnis (vgl auch Brückenabs S 6/7 des angefochtenen Beschlusses):

i) Der Plattenrand (7) schneidet die senkrecht zu ihm verlaufenden Seitenwände (2A) etwa in der Mitte. Hierdurch entstehen - wie nach (D2) - am Plattenrand benachbarte Teilkammern gleicher Größe, benachbarte Gitterplatten berühren sich am Plattenrand (7) nur längs der vertikalen Kanten der Stegabschnitte und die Teilkammern benachbarter Gitterplatten ergänzen sich zum Rastermaß. Damit wären bezüglich des Plattenrandes (7) die Merkmale f), g), h) und j) erfüllt, nicht aber die Merkmale l), m) und n).

ii) Auf den parallel zu den Seitenwänden (2A) verlaufenden Plattenrand (5) ist die Lehre der (D2) aufgrund der Bienenwabengeometrie nicht so lückenlos übertragbar. Wird der Schnitt entlang der Seitenwände (2A) geführt, so ist wenigstens für jede zweite Sechseckwabe das halbe Rastermaß annähernd eingehalten. Mit einem derartig gelegten Platenrand (5) wären die Merkmale g) und j) verwirklicht (vgl hierzu auch DE 92 03 706 U1, unterer Teil der Fig. 11) und - entgegen der Auffassung des Antragstellers - wäre damit auch ein in der vertikalen lediglich linienförmiger Kontakt benachbarter Gitterplatten gegeben. Den geschnittenen Stegen (in der genannten Fig. 11 links (2B) und 2C)) stehen zwar geschlossene Zellenwände gegenüber, die Berührung kann aber nur an der vertikalen Kante des Stegs erfolgen und ist somit nicht flächig, sondern linienförmig. Zu einer Ausgestaltung des Plattenrandes (5) nach Maßgabe der Merkmale k), m) und n) liefert die (D2) keinen Hinweis.

Die fachmännische Zusammenschau der Entgegenhaltungen (D1) und (D2) führt somit zu einer zur Lösung der gestellten Aufgabe geeigneten Gitterplatte, die indessen nicht die Gesamtheit der Merkmale a) bis n) aufweist.

In seiner Überzeugung, dass aus einer fachgerechten Zusammenschau der Entgegenhaltungen (D1) und (D2) eine Gitterplatte mit den vorstehend wiedergegebenen Plattenrändern - Plattenrand (7) in (etwa) der kürzeren Achse der Sechseckwaben und hierzu senkrechter Plattenrand (5) in (etwa) der längeren Achse der Sechseckwaben - abzuleiten ist, sieht sich der Senat nicht nur durch die vergleichbare Argumentation der fachkundigen Gebrauchsmusterabteilung bestärkt, sondern auch durch den Stand der Technik nach (D3), der gerade in dieser Weise geschnittene Gitterplatten (für andere Anwendungen) beinhaltet (vgl insbes Fig 1 u 3 sowie die Anlage 2 zum Schriftsatz vom 23. Dezember 1997 in der Amtsakte Lö I 203/97).

c) Obwohl das Erzielen einer linienförmigen Berührung benachbarter Gitterplatten - wie festgestellt - nicht zwangsläufig einen im Abstand zu den parallelen Seitenwänden (2A) verlaufenden Plattenrand (5) erfordert, sei der Vollständigkeit auf diese vom Antragsteller als bevorzugt eingestufte Variante eingegangen.

Die Annahme des Antragstellers, dass jeder irgendwie von der parallelen Seitenwand (2A) beabstandete Schnitt (bei vorausgesetzter paralleler Führung) zu einer Gitterplatte mit der Gesamtheit der Merkmale a) bis n) führt, kann - ganz abgesehen davon, dass sie die den Plattenrand (7) betreffenden Überlegungen gemäß II.3. i). nicht berührt - einer Überprüfung nicht standhalten.

Zwangsläufig realisiert würden mit einer derart zufällig gelegten "asymmetrischen Teilung" lediglich die Merkmale g), h), i), j), k) und m). Die Verwirklichung des Merkmals n) erfordert jedoch einen exakt mittigen Schnitt der schräg verlaufenden Seitenwände (2B, 2C), wie anhand der Fig 1 der Streitgebrauchsmusterschrift besonders deutlich ersichtlich wird. Gemäß den Merkmalen m) und n) der Merkmalsanalyse (bzw den Merkmalen des eingetragenen Anspruchs 6) wechseln am Plattenrand (5) große und kleine Teilkammern miteinander ab, wobei die kleinen Teilkammern (1A) die Ergänzung der großen Teilkammern (1B) bilden. Zugleich müssen sich nach Merkmal j) die kleinen Teilkammern (1A) der (in der Fig 1 links gezeigten) Gitterplatte mit den großen Teilkammern (1B) der benachbarten (in der Fig 1 rechts dargestellten) Gitterplatte zu einer Kammer ergänzen und umgekehrt. Diesen Bedingungen wird ausschließlich dann genügt, wenn die am Plattenrand (5) der Gitterplatte liegende kleinere Teilkammer (1A) die identischen Abmessungen aufweist wie die vom Plattenrand (5) der benachbarten Gitterplatte ausgebildete kleinere Teilkammer (1A) und - ebenso zwangläufig - die größere Teilkammer (1B) exakt gleich bemessen ist wie die größere Teilkammer (1B) der benachbarten Gitterplatte. Würde hingegen der Plattenrand (5) (in der in Fig 1 links abgebildeten Gitterplatte) näher zur parallelen Seitenwand (2A) verlegt, so würden sich zwar die Teilkammern (1A) und (1B) benachbarter Gitterplatten zu einer Kammer ergänzen (Merkmal j)), die am Plattenrand (5) der (links liegenden) Gitterplatte einander abwechselnden Teilkammern (1A) und 1B) wären aber zu klein, um sich zu einer Kammer (einem Rastermaß) zu ergänzen. Umgekehrt würden bei einer Versetzung des Plattenrandes weiter weg von der parallelen Seitenwand (2A) (also in der Fig 1 nach rechts) Teilkammern (1A) und (1B) ausgebildet, deren Zusammenfügung die Abmessungen einer Sechseckkammer übersteigen würde.

Die Behauptung des Antragstellers, jede beliebige asymmetrische Teilung führe zu Gitterplatten mit den Merkmalen des verteidigten Gegenstandes, geht somit fehl.

Lediglich ergänzend ist festzuhalten, dass ein "blind" geführter Schnitt für den Platenrand (7) statistisch lediglich in der Hälfte der Fälle die schräg verlaufenden Seitenwände (2B, 2C) gemäß Merkmal l), treffen würde. Weshalb er sie exakt in der Mitte teilen sollte (die die Merkmale m) und n) betreffenden Ausführungen gelten hier sinngemäß für die kleinen Teilkammern (1C) und die großen Teilkammern (1D)), ist weder vom Antragsteller dargelegt noch für den Senat erkennbar.

Die Entgegenhaltungen (D5) und (D7) liefern kein Vorbild für eine komplementäre Ausbildung von am Plattenrand ein- und derselben Gitterplatte liegenden kleinen und großen Teilkammern nach den Merkmalen m) und n) bzw nach dem eingetragenen Schutzanspruch 6. Die Ergänzung von Teilkammern ist in (D5) Figuren 1 bis 4 und 16 lediglich für benachbarte Gitterplatten beschrieben, also für die Merkmale g) und j). In den in Figur 1 der Entgegenhaltung (D7) dargestellten Zuschnitten von Platten aus Sechseckwaben sieht der Senat eine weitere Bestätigung dafür, dass die Darlegungen unter II.3. nicht auf willkürlichen Annahmen beruhen. Die gemäß der Figur 1 linken und rechten Platten verlaufen - wie unter II.3.i) erörtert - in Analogie zur Lehre der (D2) unter Ausbildung gleich großer benachbarter Teilkammern senkrecht zu den Seitenwänden und nicht durch die schräg verlaufenden Seitenwände (was zwangsläufig den Schnitt durch eine um 1 erhöhte Anzahl von Wänden erfordern würde). An den oberen und unteren Plattenrändern nach Figur 1 wechseln große und kleine Teilkammern gemäß Merkmal m) miteinander ab, bilden aber keine gegenseitige Ergänzung gemäß Merkmal n). Eine gedachte Zusammenfügung der Teilkammern würde die Maße einer Sechseckkammer um annähernd 50% übersteigen.

Somit kann die Zusammenschau von (D1) und (D2) auch unter Berücksichtigung von (D5) und (D7) nicht zum verteidigten Gegenstand führen. Der Inhalt der weiteren Entgegenhaltungen (D3), (D4) und (D6) gibt zu keiner anderen Beurteilung Anlass.

d) Die Antragsgegnerin hat anhand der in der mündlichen Verhandlung gezeigten Kunststoff-Gitterplatte auf den Vorteil der Strukturstabilität eines mit den Merkmalen l), m) und n) definierten Plattenrandes (7) verwiesen. Ferner ist an diesem Gegenstand der Vorteil der Invarianz gegenüber einer 180¡ -Drehung besonders anschaulich geworden, dh der Vorteil, dass beim Verlegen einer Platte rechter und linker Plattenrand sowie oberer und unterer Plattenrand beliebig vertauschbar sind - im Gegensatz zu der in Figur 11 der DE 92 03 706 U1 gezeigten, vom Senat als im Rahmen des Routinekönnens für zugänglich erachteten Gitterplatte.

Der Senat verkennt nicht, dass es - ausgehend von einer gemäß II.3. durch eine Zusammenschau von (D1) und (D2) konzipierten Gitterplatte - zielgerichtete Erwägungen zu einer weiteren Verbesserung geben könnte. Beispielsweise könnte der zuständige Fachmann die volle Steglänge (gem Fig 11 und 12) am Rand einer Kunststoffplatte als nachteilig erachten und daher eine annähernde Halbierung in Betracht ziehen.

Dies sind aber weitergehende Überlegungen von einem durch den Stand der Technik nahegelegten, aber nicht zum Stand der Technik gehörenden Ausgangspunkt. In solche Überlegungen müsste mindestens ein zusätzlicher, unabhängiger Aufgabenteil - Verbesserung der Stabilität - gegenüber der ursprünglich formulierten Aufgabe - Beseitigung der durch Stein und Erdreich verursachten Nachteile beim Verlegen - einbezogen werden, der möglicherweise nicht frei von unzulässigen Lösungsansätzen gehalten werden kann. Solche weiterführenden Überlegungen liegen deshalb außerhalb des Routinekönnens und wären daher das Ergebnis (mindestens) eines erfinderischen Schrittes.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs 2 Satz 2 GebrMG iVm § 84 Abs 2 Satz 1 und 2 PatG, § 91, § 93, § 97 ZPO.

Hinsichtlich der Verfahrenskosten des ersten Rechtszuges greift im Umfang des Widerspruches § 91 ZPO, im übrigen § 93 ZPO ein. Soweit nicht widersprochen worden ist, war damit nicht nur ein sofortiges Anerkenntnis des Feststellungsbegehrens erfolgt. Vielmehr ist auch die gesetzliche Voraussetzung erfüllt, dass die Antragsgegnerin keine Veranlassung zur Einleitung des Feststellungsverfahrens gegeben hat. Auf die Ausführungen zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrag in diesem Umfang wird verwiesen.

Über die Verfahrenskosten des zweiten Rechtszuges war entsprechend der Erfolglosigkeit der Beschwerde und dem Erfolg der Anschlussbeschwerde zu befinden.

Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Goebel Dr. Wagner Dr. Schuster Na/Be






BPatG:
Beschluss v. 17.03.2004
Az: 5 W (pat) 413/03


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