Bundespatentgericht:
Urteil vom 2. November 2005
Aktenzeichen: 4 Ni 42/04

(BPatG: Urteil v. 02.11.2005, Az.: 4 Ni 42/04)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 567 530 (Streitpatent), das am 17. Januar 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der schwedischen Patentanmeldung 9100160 vom 18. Januar 1991 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr 692 12 987 geführt. Es betrifft ein Kindertrage-Schultergeschirr und umfasst 12 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Anspruch 1 lautet wie folgt:

Kindertrage-Schultergeschirr mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen (1) zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und einem Kinder-Tragelappen (2) mit zwei Seiten, von denen jede lösbar an einer Halteschlaufe (1) sowohl am oberen als auch am unteren Ende der beiden Seiten befestigt ist, um einen Kinder-Tragebeutel zu bilden, wobei Befestigungsverbindungen (3, 11) zwischen den Halteschlaufen (1) und einem oberen Teil des Kinder-Tragelappens (2) an beiden Seiten des Tragelappens (2) vollständig lösbar sind, um das Herablassen des Lappens um eine untere Verbindung (3, 21) des Lappens mit den Halteschlaufen (1) zu ermöglichen, dadurch gekennzeichnet, dass die Verbindungen zwischen jeder Halteschlaufe (1) und einem unteren Teil des Lappens (2) lösbar sind, wobei der Lappen von den Halteschlaufen (1) abnehmbar ist; und dass die Halteschlaufen (1) miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind und ihre Schlaufe sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch beim Lösen des Kinder-Tragelappens in eine geöffnete Position beibehalten.

Wegen der übrigen, mittelbar oder unmittelbar auf den Anspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 12 wird auf die Streitpatentschrift EP 0 567 530 B1 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu, noch beruhe er auf erfinderischer Tätigkeit; er sei zudem im Laufe des Prüfungsverfahren unzulässig erweitert worden sowie ungenügend offenbart. Zur Begründung trägt sie vor, Babytragegeschirre mit den Merkmalen des Patentgegenstandes seien zum Prioritätszeitpunkt im Stand der Technik bereits bekannt gewesen. Das Merkmal der Halteschlaufen, ihre Schlaufenform sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch beim Lösen des Tragelappens in eine geöffnete Position beizubehalten, fehle in der Fassung der Anmeldung vom 17. Januar 1992. Schließlich sei das Merkmal, dass die Halteschlaufen ihre Schlaufenform sowohl beim Anlagen des Geschirrs als auch beim Lösen des Tragelappens in eine geöffnete Form beibehalten, eine Aufgabe, deren Lösung dem Anspruch nicht zu entnehmen sei. Die Klägerin bezieht sich auf folgende Druckschriften:

- US 3 229 873 (E1)

- US 3 481 517 (E2)

- DE 8615 859 U1 (E3)

- FR 2 642 946 (E4)

- LU 38812 (E5)

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 567 530 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hilfsweise verteidigt sie das Patent beschränkt (Hilfsanträge 1 und 2).

Sie ist der Ansicht, der Gegenstand des Streitpatents sei zum Prioritätszeitpunkt neu gewesen. Eine unzulässige Erweiterung liege nicht vor, weil das fragliche Merkmal der Beibehaltung der Schlaufenform bei Lösung des Tragelappens in eine offene Position sich sowohl aus dem in der Ursprungsanmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel als auch aus den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ergebe. Schließlich sei der Gegenstand des Streitpatents genügend offenbart. Im Übrigen hält sie das Streitpatent zumindest im hilfsweise verteidigten Umfang für patentfähig.

Gründe

Die zulässige Klage, mit der die in Art II § 6 Abs 1 Nr 1 bis 3 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a, b und c EPÜ iVm Art 54 und 56 EPÜ vorgesehenen Nichtigkeitsgründe der mangelnden Patentfähigkeit, der mangelnden Ausführbarkeit und unzulässigen Erweitung geltend gemacht werden, ist nicht begründet.

Der Klägerin ist es nicht gelungen, den Senat vom Vorliegen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu überzeugen.

1. Das Streitpatent betrifft ein Kindertrage-Schultergeschirr, das aus zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen und einem Kinder-Tragelappen besteht. Nach der Patentbeschreibung weisen die im Stand der Technik bekannten Kindertrage-Geschirre eine Reihe von Nachteilen auf. So sei es schwierig, ein schlafendes Kind aus dem Geschirr in ein Bett zu legen, ohne das Kind aufzuwecken. Weiterhin sei es schwierig, ein Kind in das Geschirr einzusetzen oder aus diesem herauszunehmen, während das Geschirr von dem Träger angelegt sei. Die Tragesicherheit der bekannten Geschirre sei relativ gering.

2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, ein Kindertrage-Schultergeschirr zu schaffen, mit dem ein schlafendes Kind aus dem Geschirr mit einem Minimum an Störung in ein Bett gelegt werden kann, wobei die Tragesicherheit des Geschirrs auf einem hohen Niveau bleibt, und mit welchem ein Kind ohne weiteres in das Geschirr hineingesetzt werden kann und aus diesem herausgehoben werden kann, während die Halteschlaufen des Geschirrs von dem Träger angelegt sind und intakt sind.

3. Patentanspruch 1 beschreibt demgemäss (Merkmalsgliederung hinzugefügt):

M1 Kindertrage-Schultergeschirr M2 mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen (1) zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3 einem Kinder-Tragelappen (2) mit zwei Seiten, M4 von denen jede lösbar an einer Halteschlaufe (1) sowohl am oberen als auch am unteren Ende der beiden Seiten befestigt ist, M5 um einen Kinder-Tragebeutel zu bilden, M6 wobei Befestigungsverbindungen (3, 11) zwischen den Halteschlaufen (1) und einem oberen Teil des Kinder-Tragelappens (2) an beiden Seiten des Tragelappens (2) vollständig lösbar sind, um das Herablassen des Lappens um eine untere Verbindung (3, 21) des Lappens mit den Halteschlaufen (1) zu ermöglichen, dadurch gekennzeichnet, dass M7 die Verbindungen zwischen jeder Halteschlaufe (1) und einem unteren Teil des Lappens (2) lösbar sind, M8 wobei der Lappen von den Halteschlaufen (1) abnehmbar ist;

M9 und dass die Halteschlaufen (1) miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind und M10 ihre Schlaufe sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch M11 beim Lösen des Kinder-Tragelappens in eine geöffnete Position beibehalten.

a) Zulässigkeit des Anspruchs 1 Der Patentanspruch 1 ist mit den Merkmalen der Merkmalsgruppen M1 bis M9 in der Verfahrenssprache Englisch den ursprünglichen Unterlagen (als Anmeldeunterlagen wurden die entsprechenden Seiten aus dem Familienmitglied WO 92/12656 eingereicht, vgl die EP-Akte) im Anspruch 1 zu entnehmen. Dass die Halteschlaufen ihre Schlaufe sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch beim Lösen des Kinder-Tragelappens in eine geöffnete Position beibehalten, gemäß der Merkmalsgruppe M10 und M11, ergibt sich für den Fachmann aus den Fig 2, 3, 6 und 7, aus Seite 2, Absatz 3 und aus Seite 8, Absatz 4 der Beschreibung der WO-Schrift.

Als Fachmann ist ein Techniker anzusehen, der Erfahrungen mit der Fertigung von Tragegeschirren aufweist.

Gemäß Seite 8, Absatz 3 wird das Geschirr nach Art einer Jacke ausgezogen. Damit ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass das Geschirr auch entsprechend angezogen und dabei die Schlaufe beibehalten wird (siehe Fig 2 und 7). Beim Lösen des Kindertragelappens bleibt die Schlaufe gemäß den Fig 6 und 7 ebenfalls beibehalten, wobei das Geschirr gemäß Seite 2, Absatz 3 in Position und intakt bleibt.

b) Die im Patentanspruch 1 beanspruchte Erfindung ist im Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Durchschnittsfachmann sie ausführen kann.

Die Klägerin führt dazu eine angeblich falsche Aufteilung der Merkmale im Patentanspruch 1 in Oberbegriff und Kennzeichnungsteil und die Wiederholung von Merkmalen im Patentanspruch 1 an. Diese Mängel haben jedoch keinen Einfluss auf die Ausführbarkeit der Lehre. Außerdem führt die Klägerin zu der Merkmalsgruppe M10 und M11 an, dass diese Merkmale lediglich eine Aufgabe darstellten, deren Lösung dem Anspruch nicht zu entnehmen sei. Zum einen ist für die Beurteilung der Offenbarung die ganze Anmeldung maßgebend (siehe Schulte, PatG, 7. Aufl, § 34, Rdn 341) und zum anderen stellen die in der Beschreibung und den Figuren dargestellten geschlossenen Halteschlaufen 1 eine Ausführungsform für die Halteschlaufen gemäß der Merkmalsgruppe M10 und M11 dar.

c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu, da aus keiner der vorveröffentlichten Druckschriften sämtliche Merkmale bekannt sind, wie sich aus den Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt.

d) Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

Aus der Druckschrift E1 (siehe die Fig 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein M1= Kindertrage-Schultergeschirr (10) bekannt, M2= mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen 13 zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3= einem Kinder-Tragelappen 11 mit zwei Seiten, M4= von denen jede lösbar an einer Halteschlaufe sowohl am oberen (siehe loops 27) als auch am unteren Ende (siehe loops 24) der beiden Seiten befestigt ist, M5= um einen Kinder-Tragebeutel zu bilden, M6= wobei Befestigungsverbindungen 25, 26, 27 zwischen den Halteschlaufen und einem oberen Teil des Kinder-Tragelappens an beiden Seiten des Tragelappens vollständig lösbar sind, um das Herablassen des Lappens um eine untere Verbindung 22, 23, 24 des Lappens mit den Halteschlaufen zu ermöglichen, wobei M7= die Verbindungen zwischen jeder Halteschlaufe und einem unteren Teil des Lappens lösbar sind, M8= wobei der Lappen von den Halteschlaufen abnehmbar ist;

M9= und wobei die Halteschlaufen miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind (siehe 14 und 20).

Gemäß Merkmalsgruppe M10 behalten die Halteschlaufen ihre Schlaufe beim Anlegen des Geschirrs bei. Wenn ein Träger den geöffneten (siehe opening 15) und mit den Halteschlaufen 13 verbundenen Tragelappen 11 wie ein Jackett anzieht, dann bleibt bei dem Geschirr gemäß der Druckschrift E1 ebenfalls die Schlaufe der Halteschlaufen 13 über die Verbindung der Teile 16 und 17 des Tragelappen 11 beim Anlegen des Geschirrs erhalten. Beim Lösen des Kinder-Tragelappens in eine geöffnete Position gemäß Merkmalsgruppe M11, worunter gemäß dem Anspruch 1 ein vollständiges Lösen der Befestigungsverbindungen 3, 11 und ein Abnehmen des Tragelappens gemäß den Merkmalsgruppen M6 und M8 zu verstehen ist, bleibt die Schlaufe nicht beibehalten, da die Schultergurte 13 an der Vorderseite des Geschirrs nicht durchgängig ausgeführt sind. Im Unterschied zum Geschirr gemäß dem Anspruch 1 der Streitpatentschrift bilden somit bei dem Geschirr gemäß der Druckschrift E1 bei abgenommenen Traglappen die Halteschlaufen keine geschlossenen Schlaufen mehr und behalten somit ihre Schlaufenform nicht bei.

Aus der Druckschrift E2 (siehe die Fig 1 und 2 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein M1= Kindertrage-Schultergeschirr 10 bekannt, M2= mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen 16 zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3= einem Kinder-Tragelappen 12 mit zwei Seiten, wobei M9= die Halteschlaufen miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind (siehe cross straps 28) und M10= ihre Schlaufe beim Anlegen des Geschirrs (Anlegen wie bei einem Rucksack, siehe Fig 1) beibehalten.

Da die Halteschlaufen 16 bei dem Traggeschirr der Druckschrift E2 an beiden Enden fest mit dem Tragelappen 12 vernäht sind (siehe Spalte 3, Zeilen 1 bis 5 und Zeilen 29 bis 35), sind aus der Druckschrift E2 die Merkmale der Merkmalsgruppen M4, M5, M6, M7, M8 und M11 nicht bekannt.

Aus der Druckschrift E3 (siehe die Fig 1 bis 3 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein M1= Kindertrage-Schultergeschirr bekannt M2= mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen 10 zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3= einem Kinder-Tragelappen 12 mit zwei Seiten, wobei M9= die Halteschlaufen (10) miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind (an einer Rückwand, siehe Fig 1) und M10= ihre Schlaufe sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch M11= beim Lösen des Kinder-Tragelappens in eine geöffnete Position beibehalten.

Offensichtlich sind die Halteschlaufen 10 (Schulterriemen) an einer Rückwand des Baby-Tragesitzes angebracht, an der auch der Traglappen 12 (Innentragesitz) über Einhakmittel 13 befestigt ist. Demnach ist der Traglappen gemäß den Merkmalsgruppen M4, M5, M6, M7 und M8 nicht an den Halteschlaufen lösbar befestigt. Da der Tragesitz gemäß der Druckschrift E3 wie ein Rucksack an- und abgelegt wird und der Tragelappen an einer Rückwand angebracht ist, behalten die Halteschlaufen gemäß den Merkmalsgruppen M10 und M11 ihre Schlaufe bei.

Aus der Druckschrift E4 (siehe die Fig 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein M1= Kindertrage-Schultergeschirr bekannt M2­ mit lediglich einer Halteschlaufe 2 zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3= einem Kinder-Tragelappen 10 mit zwei Seiten, M4­ von denen jede lösbar an der Halteschlaufe lediglich am oberen der beiden Seiten befestigt ist (siehe Fig 4), M5= um einen Kinder-Tragebeutel zu bilden, M8= wobei der Lappen von den Halteschlaufen abnehmbar ist.

Im Unterschied zum Geschirr des Anspruchs 1 des Streitpatents weist das Geschirr gemäß der Druckschrift E4 lediglich eine Halteschlaufe 2 auf, die auch nur am oberen Ende des Traglappens 10 mit diesem über eine HakenÖsen-Verbindung 6, 8 verbunden ist, während der Traglappen am unteren Ende mit einem Gürtel 1 verbunden ist. Beim Anlegen des Geschirrs muss die Schlaufe geöffnet werden (siehe Halbringe 8) und beim Abnehmen des Traglappens 10 der Gurt 2 vollständig aus den Halbringen 8 entfernt werden (siehe Fig 4), womit die Halteschlaufe ihre Schlaufe nicht beibehält und die Merkmale der Merkmalsgruppen 10 und 11 nicht aus der Druckschrift E4 bekannt sind.

Aus der Druckschrift E5 (siehe die Fig 1 bis 8 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein M1­ Schultergeschirr 1 bekannt M2= mit zwei miteinander verbundenen Halteschlaufen 2, 3 zur Erstreckung um beide Schulterbereiche eines Trägers und M3­ einer Tragekonstruktion mit zwei Seiten (siehe Fig 7), M9= wobei die Halteschlaufen miteinander auf einer Rückseite des Geschirrs verbunden sind (siehe Element 4) und M10= ihre Schlaufe sowohl beim Anlegen des Geschirrs als auch M11­ beim Lösen der Tragekonstruktion in eine geöffnete Position beibehalten.

Die Druckschrift E5 beschreibt ein Tragesystem, mit dem Lasten wie zB Verletzte mit zwei Personen transportiert werden können. Dazu werden an den Schultergeschirren der beiden Träger zwei Stangen 12 eingehängt, an die eine Tragzelle angehängt wird (siehe Fig 7) oder es wird zwischen den zwei Trägern ein Gurt eingehakt (siehe Fig 8). Somit ist aus der Druckschrift E5 kein Kindertrage-Schultergeschirr mit einer Befestigung eines Traglappens gemäß den Merkmalsgruppen M4 bis M8 bekannt.

Die Druckschrift E1 (siehe Fig 3) beschreibt als nächstkommender Stand der Technik ein Kindertrage-Schultergeschirr mit den Merkmalsgruppen M1 bis M10, bei dem die Halteschlaufen 13 bei abgenommenen Tragelappen 11 geöffnet sind und somit ihre Schlaufenform nicht beibehalten. Aus dem bekannten Stand der Technik ergibt sich für den Fachmann keinerlei Anregung, diese Halteschlaufen durchgehend auszubilden. Die Druckschrift E1 gibt dazu für sich genommen keine Anregung, da dort die Halteschlaufen 13 zur Verstellung an dem Kinder-Tragelappen 11 durch Bügel 24, 27 geführt sind (siehe Fig 3). Aus der Druckschrift E2 (siehe Fig 1 und 2) ist kein abnehmbarer Tragelappen bekannt und somit auch kein Hinweis auf eine Ausgestaltung der Halteschlaufen bei abgenommenem Tragelappen. Die Druckschrift E3 (siehe Fig 1) zeigt einen völlig anderen Aufbau des Tragegeschirrs, bei dem ein Innensitz 12 an einer Rückwand angebracht ist und keine Verbindung zu den Schulterriemen 10 aufweist und liefert somit auch keine Anregung zur Ausbildung der Halteschlaufe bei abgenommenem Tragelappen. Die Druckschrift E4 (siehe Fig 2) weist ebenfalls nicht die Merkmale der Merkmalsgruppen M10 und M11 auf und gibt zur Ausbildung einer geschlossenen Schlaufe auch keine Hinweise. Die Druckschrift E5 weist zwar eine Halteschlaufe mit geschlossener Schlaufenform auf (siehe Fig 4), wobei aber an der Halteschlaufe zum Transport von Lasten mit zwei Trägern lediglich zwei Befestigungspunkte 5, 6 angebracht sind, um dort Stangen oder Gurte einzuhängen (siehe Fig 7, 8). Beim Kindertrage-Schultergeschirr der Druckschrift E1 werden aber 4 Befestigungspunkte für den Kinder-Tragelappen benötigt. Für den Fachmann ergibt sich somit keine Veranlassung, die Halteschlaufe mit lediglich zwei Befestigungspunkten aus der E5, die dort zudem zu einem ganz anderen Zweck benutzt wird, bei dem Kindertrage-Schultergeschirr gemäß der Druckschrift E1 einzusetzen.

Auch ausgehend von der Druckschrift E3, die von der Klägerin als nächstliegend bezeichnet wurde, ergibt sich keine andere Beurteilung. Wie bereits beim Merkmalsvergleich mit dem Anspruch 1 des Streitpatents ausgeführt, zeigt der rucksackartig ausgebildete Baby-Tragesitz mit der Anbringung eines Innensitzes an einer Rückwand einen völlig anderen Aufbau als der Gegenstand des Streitpatents und liefert demnach auch keine Hinweise zur Anbringung des Innensitzes 12 an den Schulterriemen 10 (siehe Fig 1).

Demnach kann auch eine Zusammenschau sämtlicher im Verfahren befindlicher Druckschriften die erfinderische Leistung des Gegenstandes nach Anspruch 1 des Streitpatents nicht in Frage stellen, da die Ausbildung der Halteschlaufen bei einem Kindertrage-Schultergeschirr gemäß dem Streitpatent mit Halteschlaufen, die beim Abnehmen des Kinder-Tragelappens ihre Schlaufe beibehalten, nicht nahegelegt ist.

Mit dem Anspruch 1 haben auch die auf diesen rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 12 weiter Bestand.

Einer Erörterung der Hilfsanträge bedarf es daher nicht mehr.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.

Winkler Voit Dr. Maksymiw Dr. Häußler Dr. Morawek Pr






BPatG:
Urteil v. 02.11.2005
Az: 4 Ni 42/04


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