Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 5. Mai 2009
Aktenzeichen: L 1 AL 10/09

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 05.05.2009, Az.: L 1 AL 10/09)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.10.2008 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 19.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007 verurteilt, den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen auf 357 Euro festzusetzen und an den Kläger weitere 47,60 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger 1/8 der außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der erstattungsfähigen Kosten eines Widerspruchsverfahrens.

Der im Dezember 1961 geborene Kläger war bis zum 31.8.2006 als technischer Angestellter beschäftigt und bezog ab dem 1.9.2006 von der Beklagten Arbeitslosengeld.

Im Januar 2007 beantragte er die Förderung einer Einzelumschulung zum Tischler. Orthopädin Dr. W (Agentur für Arbeit X) meinte, der Kläger sei für den Tischlerberuf auf Dauer nicht geeignet, da aufgrund des fehlenden räumlichen Sehvermögens Tätigkeiten an offenen, schnell drehenden Maschinen oder mit Absturzgefahr nicht zulässig seien (Gutachten vom 13.2.2007). Die Beklagte lehnte daraufhin die beantragte Förderung ab (Bescheid vom 22.2.2007). Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers umfassend und machte im Wesentlichen geltend: Es fehle an einer ordnungsgemäßen augenärztlichen Untersuchung und einer auf aktuellen Befunden beruhenden Beurteilung. Insbesondere sei das räumliche Sehvermögen nicht geprüft worden. Der behandelnde Augenarzt Dr. Q aus X halte die Fähigkeit zum räumlichen Sehen für gegeben. Es werde angeregt, zum Beweis von diesem Arzt einen Bericht einzuholen. Bei mehreren Untersuchungen durch die zuständige Berufsgenossenschaft sei niemals eine Gefährdung durch eine Sehbehinderung festgestellt worden. Der Kläger sei in Besitz einer Fahrerlaubnis für Pkw, Motorräder und Motorboote. Bei den jeweiligen Untersuchungen des Sehvermögens seien keine relevanten Einschränkungen festgestellt worden.

Nach Beiziehung eines augenärztlichen Zusatzgutachtens revidierte Dr. W ihre Beurteilung. Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 22.2.2007 auf und entschied, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Kosten auf Antrag erstattet werden; die Zuziehung des Bevollmächtigten werde als notwendig erachtet (Abhilfebescheid vom 29.5.2007).

Der Kläger machte folgende durch die Hinzuziehung seines Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten geltend:

1.Geschäftsgebühr Nr 2500 VV RVG 280,00 Euro 2.Erledigungsgebühr Nr 1005 VV RVG 280,00 Euro 3.Auslagenpauschale Nr 7001 VV RVG 20,00 Euro 4.Umsatzsteuer 19 % Nr 7008 VV RVG 110,20 Euro Summe: 690,20 Euro

Die Beklagte setzte die zu erstattenden Kosten auf 309,40 Euro fest (240,00 Euro Geschäftsgebühr und 20 Euro Auslagenpauschale zzgl. 19% Umsatzsteuer), eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen. Zur Abhilfe sei es in erster Linie aufgrund eines Erkenntnisgewinns der Behörde im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung der Sach- und Rechtslage gekommen. Eine besondere Mitwirkung des Bevollmächtigten liege nicht vor (Bescheid vom 19.6.2007; Widerspruchsbescheid vom 2.7.2007).

Mit seiner am 6.8.2007 (einem Montag) eingegangenen Klage hat der Kläger seinen restlichen Erstattungsanspruch weiter verfolgt. Die ausführliche Widerspruchsbegründung habe dem Zweck gedient, durch Einholung geeigneter ärztlicher Stellungnahmen eine positive Entscheidung schon im Vorverfahren herbeizuführen und eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden.

Die Beklagte hat die Klage für unbegründet gehalten.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Eine Erledigungsgebühr falle nur bei einer Tätigkeit an, die über die bloße Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehe. An einer solchen fehle es hier. Die Reduzierung der Geschäftsgebühr sei nicht Gegenstand des Verfahrens, im Übrigen aber auch rechtmäßig erfolgt (Urteil vom 28.10.2008).

Zur Begründung seiner vom Senat zugelassenen Berufung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2.10.2008 sei sein Anspruch begründet. Sein Prozessbevollmächtigter habe ihn aufgefordert, eine ärztliche Bescheinigung bei Dr. Q zu besorgen. Diese sei am 19.3.2007 erstellt und der Beklagten von seinem Prozessbevollmächtigten zugeleitet worden. Daraufhin sei seinem Begehren abgeholfen worden. Seine Widerspruchsbegründung sowie die Bescheinigung von Dr. Q seien ursächlich für die weitere Sachverhaltsaufklärung und den darauf beruhenden Abhilfebescheid geworden. Diese Ursächlichkeit reiche für die Entstehung der Erledigungsgebühr. Auf den Hinweis des Senats, dass sich die Bescheinigung des Dr. Q nicht bei den Akten befinde, hat der Kläger nunmehr vorgetragen, er habe mit seinem Prozessbevollmächtigten abgesprochen, dass er selbst das Original der Bescheinigung bei der Beklagten abgebe. Er habe es entweder in den Außenbriefkasten der Agentur für Arbeit in X eingeworfen oder am Empfang abgegeben. Warum sich die Bescheinigung nicht in der Verwaltungsakte befinde, sei nicht nachvollziehbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.10.2008 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 19.06.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2007 zu verurteilen, die erstattungsfähigen Kosten auf 690,20 Euro festzusetzen und an ihn weitere 380,20 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung fest. Eine Bescheinigung des Dr. Q sei nicht aktenkundig.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die kraft Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Entgegen der Auffassung des SG ist die Klage zum Teil begründet. Der Kläger ist durch den Bescheid vom 19.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.7.2007 beschwert, weil diese Bescheide rechtswidrig sind (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Beklagte hat die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens zu niedrig festgesetzt. Tatsächlich sind Kosten in Höhe von 357 Euro festzusetzen und dementsprechend weitere 47,60 Euro zu zahlen.

Die Klage ist zulässig. Sie ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist gemäß § 63 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) durch Verwaltungsakt festzustellen (vgl. Roos. AaO. § 63 Rdnr 44 mwN). Dementsprechend ist die Beklagte zu verpflichten, eine entsprechende Entscheidung zu treffen (in diesem Sinne auch: Hess. LSG, Urteil vom 19.3.2008, Aktenzeichen (Az) L 4 SB 51/07; LSG NRW, Urteil vom 13.6.2007, Az L 12 AL 163/06). Die Klage ist auch fristgerecht eingelegt worden. Dabei kann dahin stehen, ob der Widerspruchsbescheid dem Klägerbevollmächtigten am 4.7.2007 zugestellt worden ist (eigener Vortrag) oder ob nach der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X von einer Bekanntgabe am 5.7.2007 auszugehen ist, da die Klageerhebung am Montag, dem 6.8.2007 in jedem Fall rechtzeitig erfolgt ist.

Gegenstand der Entscheidung ist der Bescheid vom 19.6.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.7.2007, § 95 SGG). Darin werden die erstattungsfähigen Kosten festgesetzt. Gegenstand der im Bescheid getroffenen Verfügung - Verfügungssatz - ist nur die (Gesamt-)Höhe der erstattungsfähigen Kosten. Bei den Ausführungen zu einzelnen Positionen handelt es sich lediglich um Begründungselemente für die (Gesamt-)Höhe des Erstattungsanspruchs. Insbesondere ist die Auffassung der Beklagten, es sei keine Erledigungsgebühr angefallen, nicht Gegenstand eines Verfügungsatzes, sondern lediglich eine Begründung für die Abweichung zwischen geltend gemachten und anerkannten Kosten. Dies gilt entsprechend für die Reduzierung der Geschäftsgebühr. Auch eine ausdrückliche oder konkludente Erklärung des Klägers, er lasse seine ursprüngliche Forderung (690,20 Euro) teilweise fallen, ist den Akten nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im Urteil des SG, die Geschäftsgebühr sei nicht Streitgegenstand, treffen vor diesem Hintergrund aus Rechtsgründen nicht zu.

Die Klage ist zu einem geringen Teil begründet und im Übrigen unbegründet.

Der Kläger und nicht sein Prozessbevollmächtigter ist Inhaber des streitigen Erstattungsanspruchs und damit aktiv legitimiert. Obwohl auch sein Prozessbevollmächtigter ein vitales eigenes Interesse an der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs hat, ist er doch nur faktisch (mittelbar) von der Entscheidung betroffen und tritt folgerichtig im Verfahren jedenfalls so lange nur als Bevollmächtigter des Klägers auf, wie der Anspruch nicht an ihn abgetreten worden ist (Roos in: Von Wulffen. SGB X. Kommentar. 6.Aufl. 2008. § 63 Rdnrn 45f mwN; vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 31.5.2007, Az L 16 KR 229/06).

Bei einem erfolgreichen Vorverfahren hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Dabei sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, § 63 Abs 2 SGB X. Da die Beklagte bereits im Bescheid vom 29.5.2007 die Zuziehung eines Rechtsanwalts für notwendig und sich bereit erklärt hat, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf Antrag zu erstatten, ist nur noch die Höhe dieser anwaltlichen Kosten im Streit. Sie bemisst sich nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Vergütung der Rechtsanwälte (BSG Urteile vom 2.10.2008, Az B 9/9a SB 3/07 und 5/07 R).

Die Vergütung für eine anwaltliche Tätigkeit richtet sich seit dem 1.7.2004 nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), Art 1 und 8 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 5.5.2004 (BGBl I 2004, S.717ff, 788ff, 850), § 1 Abs 1 Satz 1 RVG, das mit seinem Inkrafttreten die zuvor maßgebliche Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) abgelöst hat, Art 6 Nr 4 KostRMoG. Dieses Gesetz ist hier anzuwenden, da der Kläger seinem Bevollmächtigten den Auftrag zur Einlegung des Widerspruchs nach dem 1.7.2004 erteilt hat, vgl § 61 Abs 1 Satz 1 RVG. Nach § 3 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet. § 3 RVG gilt auch für das sog. isolierte Vorverfahren (Göttlich/Mümmler. RVG. Kommentar. 1. Aufl. 2004, S.844ff, 851f 3d). Da es sich bei dem Kläger als Versichertem um einen kostenprivilegierten Beteiligten iS des § 183 Satz 1 SGG handelt, findet das GKG (nach § 3 Abs 2 RVG gilt das außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens entsprechend) keine Anwendung, § 197a Abs 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem "Vergütungsverzeichnis" (VV), das dem RVG als Anlage 1 angefügt ist, § 2 Abs 2 Satz 1 RVG.

Danach stehen dem Kläger als Gebühren für die Tätigkeit seines Anwalts 357 Euro zu, die sich wie folgt errechnen:

1.Geschäftsgebühr Nr 2400 VV RVG 280,00 Euro 2.Post- und Telekommunikationsgebühr Nr 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme: 300,00 Euro zzgl 19 % Mehrwertsteuer Nr 7008 VV RVG 57,00 Euro zu zahlender Betrag: 357,00 Euro

Davon hat die Beklagte 309,40 Euro gezahlt, so dass ein restlicher Zahlungsanspruch von (357 - 309,40 Euro =) 47,60 Euro verbleibt. Im Einzelnen:

Die Geschäftsgebühr in Höhe von 280,00 Euro ergibt sich aus §§ 3 Abs 2, 14 Abs 1 RVG in Verbindung mit Nr 2400 VV (bis zum 30.6.2006: VV 2500, vgl Art 5 Abs 1 Zif. 4b KostRMoG). Nach Nr 2400 VV erhält ein Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, eine Gebühr zwischen 40 Euro und 520 Euro, eine Gebühr von mehr als 240 Euro jedoch nur, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Da die Tätigkeit des Klägerbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren jedenfalls umfangreich war, ist der Ansatz der Mittelgebühr in Höhe von 280 Euro gerechtfertigt.

Die Mittelgebühr fällt nach allgemeiner Auffassung an, wenn es sich um einen Normalfall handelt, die anwaltliche Tätigkeit also nach Art und Umfang (anwaltlicher Aufwand, Schwierigkeitsgrad; Bedeutung für den Auftraggeber) im Ergebnis als durchschnittlich anzusehen ist (Jungbauer in: Bischofs u.a ... RVG. 3.Aufl.2009.§ 14 Rdnr 72 mwN). Es kann dahin stehen, ob auf dieser Grundlage eine unterhalb der Mittelgebühr liegende Gebühr für normale, in jeder Hinsicht durchschnittliche Fallgestaltungen zulässig ist oder ob der angegebene Wert sogar nur auf einer falschen Berechnung der Mittelgebühr beruht ([520-40]:2 statt zutreffend [520+40]:2). Denn die hier vom Kläger geltend gemachte Mittelgebühr ist auch bei Anwendung von Nr 2400 VV berechtigt, weil die Tätigkeit umfangreich war. Das dokumentieren Inhalt und Umfang der Widerspruchsbegründung vom 7.3.2007. Darin führt der Klägerbevollmächigte über fast 4 DIN A4 – Seiten umfassend und detailliert aus, warum die Beklagte auf der Grundlage ungeeigneter und unvollständiger Tatsachenermittlungen bei der Beurteilung der Eignung des Klägers von falschen Tatsachen ausgegangen ist, und gibt Hinweise für weitere zielgerichtete Ermittlungen. Diese Ausführungen dokumentieren nach Umfang und Inhalt, dass die Begründung des Widerspruchs mit besonderem Aufwand verbunden war. Der Klägerbevollmächtigte musste zahlreiche Tatsachen ermitteln und aufbereiten, die das ärztliche Urteil der fehlenden Eignung für den Tischlerberuf ernsthaft in Frage stellten. Das ist ihm auch überzeugend gelungen.

Daneben ist eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV nicht angefallen. Nach Nr 1002 VV, auf die Nr 1005 VV Bezug nimmt, entsteht eine Erledigungsgebühr, wenn eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt wird (Satz 1), oder sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt (Satz 2). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Für das Anfallen einer Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV muss ein zusätzliches, über die regelmäßig zu erwartende, durch die Geschäftsgebühr abgegoltene Tätigkeit hinausreichendes Bemühen des Anwalts um einvernehmliche, gütliche Erledigung des Verfahrens nachgewiesen sein (Gerold/Schmidt - Müller-Rabe. Nr 1002 VV. Rdnrn 38ff mwN). Das ist höchstrichterlich geklärt. Erforderlich ist neben der Einlegung des Widerspruchs und seiner - ggf nach Akteneinsichtnahme - erfolgenden sorgfältigen und umfassenden Begründung ein zusätzliches konkretes Bemühen, die Angelegenheit außerhalb des anhängigen Widerspruchsverfahrens zu erledigen (einhellige Auffassung: BSG Urteile vom 7.11.2006, Az B 1 KR 13/06, 22/06 und 23/06 R; Urt. vom 21.3.2007, Az. B 11a AL 53/06 R; Urteile vom 2.10.2008, Az B 9/9a SB 3/07 und 5/07 R mit zust. Anm Schafhausen in ASR 2009, 55; LSG RP, Urteil vom 27.10.2008, AGS 2009, 179ff, anhängig beim BSG unter B 13 R 137/08 R; LSG NRW, Urteil vom 28.7.2008, Az L 19 AS 24/08, anhängig beim BSG unter B 4 AS 21/09 R; LSG NRW, Urteil vom 13.6.2007, Az L 12 AL 163/06; LSG NRW, Urteil vom 31.5.2007, Az L 16 KR 229/06; LSG NRW, Urteil vom 29.9.2005, Az L 2 KR 43/05). Ein solches zusätzliches Bemühen ist hier nicht erwiesen.

Es genügt entgegen der bis zuletzt geäußerten Auffassung des Klägers gerade nicht, dass eine ausführliche, qualifizierte die Beklagte zu weiteren Ermittlungen veranlassende Widerspruchsbegründung vorliegt, und die Beklagte nach solchen Ermittlungen dem Widerspruch vollständig abhilft (LSG PR aaO; Curkovic in: Bischofs u.a ... RVG. 3.Aufl.2009. Nr 1002 VV Rdnr 10 mwN). Auch reicht gerade nicht, dass Widerspruch und Widerspruchsbegründung für die Abhilfeentscheidung (wesentlich oder sogar allein) ursächlich geworden sind (BSG aaO). Schließlich genügt auch nicht, dass die Widerspruchsbegründung - aus Sicht des Klägers - von vorneherein dem Zweck gedient haben mag, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden, da jedes Rechtsbehelfsverfahren primär darauf gerichtet sein muss, dem Rechtsbehelfsführer schnellstmöglich zu seinem Recht zu verhelfen. Vielmehr bedarf es für den Anfall der Erledigungsgebühr objektiv einer besonderen, zusätzlichen erledigungsgerichteten anwaltlichen Tätigkeit, die über die anwaltlichen Pflichten im Rahmen von Widerspruch und Widerspruchsbegründung (die durch die Geschäftsgebühr vollständig abgegolten werden) und die Mitwirkungsobliegenheiten des Beteiligten (aus §§ 60ff Sozialgesetzbuch Erstes Buch) hinausreichen (BSG. AaO). Eine solche besondere Anstrengung ist hier nicht erwiesen.

Soweit der Kläger seinen Sachvortrag im Hinblick auf die Entscheidung des 9. BSG-Senats vom 02.10.2008 (Az L 9/9a SB 3/07 R) ergänzt und behauptet hat, eine von ihm beschaffte und vorgelegte ärztliche Bescheinigung des Augenarztes Dr. Q vom 19.3.2007 sei als besondere, die Erledigungsgebühr rechtfertigende Anstrengung zu werten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Dass diese Bescheinigung der Beklagten bereits zeitnah zugegangen ist und im Widerspruchsverfahren berücksichtigt werden konnte, ist nicht erwiesen. Sie befindet sich nicht in den Verwaltungsakten der Beklagten und ist vom Klägerbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren auch nicht erwähnt worden. In seiner Widerspruchsbegründung hat er im Gegenteil angeregt, die Beklagte möge einen Bericht des behandelnden Arztes Dr. Q einholen. Diese Beweisanregung lässt gerade nicht auf die Absicht schließen, selbst einen solchen Bericht beschaffen zu wollen. Eine Bescheinigung des Dr. Q vom 19.3.2007 hat der Kläger erstmals im Berufungsverfahren zu den Akten gereicht (Schriftsatz vom 21.4.2009). Selbst wenn man unterstellt, dass diese Bescheinigung tatsächlich am 19.3.2007 erstellt wurde, so ist doch jedenfalls nicht erwiesen, dass sie in das Widerspruchsverfahren eingeführt worden ist. Vielmehr lässt nicht zuletzt der wechselnde Vortrag im Berufungsverfahren als möglich erscheinen, dass der Kläger verabsäumt hat, die Bescheinigung beizeiten an die Beklagte weiterzuleiten. Ist die Bescheinigung aber nicht bei der Beklagten eingegangen, so lässt sich nicht feststellen, dass sie zur erfolgten Abhilfe einen Beitrag geleistet hat. Schon deshalb kann der Kläger aus der jüngeren Rechtsprechung des BSG nichts für sich herleiten, nach der die Beschaffung und Vorlage neuer Beweismittel (dort: ärztlicher Befundbericht) als zusätzliche, eine Erledigungsgebühr rechtfertigende Mitwirkungshandlung angesehen wird (BSG Urteil vom 2.10.2008, Az L 9/9a SB 3/07 R).

Die Entscheidung der Beklagten zu Nrn 7002 und 7008 VV ist inhaltlich zutreffend und zu Recht vom Kläger nicht beanstandet worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 1 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, da die Entscheidung in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht, § 160 Abs 2 SGG.






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 05.05.2009
Az: L 1 AL 10/09


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