Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2009
Aktenzeichen: 30 W (pat) 25/09

(BPatG: Beschluss v. 28.05.2009, Az.: 30 W (pat) 25/09)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist die Bezeichnung SCHLÜSEL für die Waren und Dienstleistungen

"Baumaterialien aus Metall; Schlosserwaren und Kleineisenwaren, insbesondere Schlösser aus Metall, ausgenommen elektrische Schlösser; Schnappschlösser, Vorhängeschlösser, Zylinderschlösser, Schlüssel, Riegel für Schlösser; Waren aus Metall, soweit in dieser Klasse enthalten, Geldschränke; Dienstleistungen eines Schlüsseldienstes; Reparaturen auf dem Gebiet der Schließund Alarmanlagen, Installation von Schließanlagen, von sicherheitstechnischen Einrichtungen sowie von Alarmanlagen; Sicherheitsdienstleistungen für den Schutz von Sachwerten und Individuen; Dienstleistungen eines Schlüsseldienstes; sicherheitstechnische Beratung, insbesondere im Hinblick auf Einbruchschutz; Schlossnotdienst, Schlüsselnotdienst".

Die Markenstelle für Klasse 45 des Deutschen Patentund Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Markenwort "SCHLÜSEL" handle es sich um eine Bezeichnung, die sich in offenkundiger Weise an den allgemein bekannten Begriff "SCHLÜSSEL", ein Werkzeug zum Öffnen eines Schlosses, beispielsweise eines Türschlosses anlehne. Die Schreibweise der angemeldeten Bezeichnung bewirke keine maßgebliche, d. h. die Unterscheidungskraft begründende Verfremdung gegenüber dem Ausgangswort. Die Reduzierung des Mittelkonsonanten "S" in der Wiedergabeform "SCHLÜSEL" sei nicht hinreichend auffällig. Ein Teil des Verkehrs werde sie vor allem beim flüchtigen Lesen gar nicht bemerken, ein anderer Teil für einen Druckoder Schreibfehler halten, wobei es sich um einen nicht selten gemachten Schreibfehler handle. Selbst wenn dem Verkehr jedoch die schriftbildliche Abweichung des Markenworts "SCHLÜSEL" zu dem deutschen Begriff "SCHLÜSSEL" auffalle, werde er in der angemeldeten Marke den ihm geläufigen und verständlichen deutschsprachigen Sachbegriff erkennen. Der Verkehr werde die Wortmarke "Schlüsel" im Sinne von "Schlüssel" auffassen und im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen so verstehen, dass Schlüssel als solche bzw. deren Teile und Zubehör und/ oder damit eng zusammenhängende oder auf Schlüssel ausgerichtete Dienstleistungen angeboten oder erbracht werden. Es komme auch nicht darauf an, ob die angemeldete Marke "SCHLÜSEL" lexikalisch nachweisbar sei, da auch sprachüblich gebildeten Wortneubildungen, die lediglich eine Sachaussage darstellten, die Unterscheidungskraft fehle. Die von der Anmelderin dargelegten weiteren Interpretationsmöglichkeiten seien sehr viel fernerliegend.

Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Verkehr werde die angemeldete Bezeichnung nicht im Sinne von Schlüssel auffassen, da keine offenkundige Anlehnung an den Begriff Schlüssel vorliege. Es handle sich vielmehr um eine eigenartige Wortneuschöpfung, deren Ursprung offenkundig nicht lediglich in einem Schreibund Druckfehler des Begriffs Schlüssel liege und die als Fantasiewort keine sprachlich festgelegte Bedeutung habe. Es könne dahinstehen, ob und in welcher Häufigkeit das Wort "Schlüssel" tatsächlich in der falschen Schreibweise "Schlüsel" verwendet werde. Für eine Schutzfähigkeit genügten schon geringfügige Abwandlungen eines freihaltebedürftigen Wortes. Eine unbeachtliche Abweichung werde dagegen nur dann angenommen, wenn der Verkehr in der Schreibweise unsicher sei und fehlerhafte Schreibungen häufig seien. Der durchschnittliche gebildete Verkehr werde aber die bewusst so gewählte Schreibweise erkennen. Die Interpretation der angemeldeten Bezeichnung im Sinne von "Schlusel", hergeleitet von "verschlusen" (= verlieren, verbummeln), sei nicht abwegig. Selbst bei einem Verständnis im Sinne von "Schlüssel", hergeleitet sei die Bezeichnung "Schlüsel" keine beschreibende Angabe für alle Waren und Dienstleistungen.

Die Anmelderin beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Die angemeldete Bezeichnung "SCHLÜSEL" ist gemäß § 8 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr für die angemeldeten Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2006, 220 Nr. 27 -BioID; GRUR 2006, 850, 854 -FUSSBALL WM 2006; BGH MarkenR 2004, 39 -City Service). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnittsempfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen, deren Verständnisfähigkeit nicht zu gering zu veranschlagen ist (vgl. EuGH MarkenR 2004, 99 -Postkantoor).

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlossen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann (BGH 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; GRUR 2005, 417, 418 -Berlin Card) oder wenn es sich um beschreibende Angaben handelt, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 1998, 465, 468 -Bonus; BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Weiter fehlt solchen Angaben die erforderliche Unterscheidungskraft, bei denen es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr -etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH a. a. O. -City Service).

Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 -marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 -Libertel-Orange; a. a. O. -Postkantoor).

2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt die angemeldete Bezeichnung selbst diese geringen Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich in der werbemäßigen Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft (vgl. BGH a. a. O. -marktfrisch).

a) Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, handelt es sich bei der angemeldeten Bezeichnung "Schlüsel" um die offenkundige Abwandlung des allgemein gebräuchlichen Sachbegriffs "Schlüssel". Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Abwandlung eines Fachbegriffs selbst ein individualisierender Charakter zukommen, um ihre Unterscheidungskraft als Marke zu begründen (vgl. BGH GRUR 1984, 815, 816 -Indorektal I; GRUR 2005, 258, 259 -Roximycin). Erkennt der Verkehr in der bewusst wahrgenommenen Abwandlung hingegen den ihm geläufigen Fachbegriff ohne weiteres wieder, fehlt der als solcher erkannten Abwandlung die erforderliche Unterscheidungskraft (vgl. BGH GRUR 2002, 540, 541 -

OMEPRAZOK). Gleiches gilt, wenn der Verkehr die nur geringfügige Abwandlung der nicht unterscheidungskräftigen Angabe schon gar nicht bemerkt oder sie für einen Druckoder Hörfehler hält, da es dann schon an der die Unterscheidungskraft herbeiführenden Eigenart gegenüber den nicht unterscheidungskräftigen Begriffen fehlt (Ströbele/Hacker MarkenG 8. Aufl. § 8 Rdn. 88 m. w. N.).

Auch wenn also mit der Anmelderin davon auszugehen wäre, dass der Verkehr die korrekte Schreibweise des Begriffs "Schlüssel" kennt, wird er die fehlerhafte Schreibweise um so deutlicher erkennen. Dabei sind seine Überlegungen, ob er nämlich diese Abweichung für einen unbewussten Schreibfehler oder ein bewusst eingesetztes Stilmittel der Werbung -um hierdurch gezielt Aufmerksamkeit zu erregen -hält, nicht von Bedeutung, solange für ihn die zugrunde liegende Sachangabe erkennbar bleibt. Dies ist hier der Fall.

Das Weglassen einer der beiden Doppelkonsonanten "s" führt lediglich in phonetischer Hinsicht zu einer weicheren Aussprache, lässt aber insbesondere im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die sämtlich mit Schließund Sicherungsanlagen zu tun haben, den zugrunde liegenden beschreibenden Sachbegriff "Schlüssel" noch deutlich erkennen. Die Abwandlung "Schlüsel" stellt nämlich keine -etwa durch neue Bestandteile und Sinngehalte -derart ungewöhnliche oder originell gebildete Wortverfremdung dar, dass sie den Verkehr den Begriff "Schlüssel" vergessen ließe.

Der Verkehr wird die angemeldete Marke daher ohne weiteres als "Schlüssel" verstehen.

b) Im Zusammenhang mit den von der Anmelderin beanspruchten Waren und Dienstleistungen, entnimmt der Verkehr einer entsprechenden Kennzeichnung dieser Waren und Dienstleistungen mit der angemeldeten Marke keinerlei betrieblichen Hinweis, sondern bezieht sie ausschließlich auf deren Art, Verwendung, Einsatzgebiet oder Gegenstand.

Entgegen der Ansicht der Anmelderin vermittelt die angemeldete Marke dabei für sämtliche angemeldeten Waren und Dienstleistungen eine im Vordergrund stehende Sachaussage. Denn alle Waren und Dienstleistungen betreffen -wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat -Schließund Sicherheitsanlagen oder Teile hiervon sowie darauf bezogene Dienstleistungen, die sich inhaltlich und thematisch damit befassen. Nach der Rechtsprechung des EuGH steht weder die Eigenschaft als Wortneubildung noch das Fehlen eines für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eindeutigen und unmittelbar konkret beschreibenden Charakters bzw. eine vorhandene begriffliche Unschärfe der als Marke angemeldeten Bezeichnung der Feststellung eines Eintragungshindernisses entgegen

(vgl. GRUR 2004, 192 -DOUBLEMINT; GRUR 2004, 222 -BIOMILD;

a. a. O. -Postkantoor).

Soweit sich die Anmelderin unter Hinweis auf den Begriff "Schlusel" auf eine mögliche weitere Bedeutung des angemeldeten Begriffs beruft, vermag dies keine Unterscheidungskraft zu begründen, da der beschreibende oder werblich anpreisende Charakter eines Begriffs nicht dadurch aufgehoben wird, dass diesem in verschiedenen Bedeutungen jeweils eine beschreibende oder allgemein anpreisende Aussage innewohnt (vgl. BGH GRUR 2004, 778, 779 "URLAUB DIREKT"). Für die Verneinung der Unterscheidungskraft ist es ausreichend, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Marke von mehreren in Betracht kommenden Bedeutungen eine Aussage mit (eindeutig) beschreibendem Charakter entnehmen können (vgl. BGH GRUR 2005, 257, 258 -Bürogebäude).

Im vorliegenden Fall fehlt es somit an der erforderlichen Unterscheidungskraft, da der unmittelbare Bezug für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen für den Verkehr ohne weiteres ersichtlich ist und sich die Bezeichnung "SCHLÜSEL" in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen in einer im Vordergrund stehenden Sachangabe erschöpft.

Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Hu






BPatG:
Beschluss v. 28.05.2009
Az: 30 W (pat) 25/09


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