Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juli 2006
Aktenzeichen: 14 W (pat) 40/04

(BPatG: Beschluss v. 21.07.2006, Az.: 14 W (pat) 40/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. April 2004 hat die Patentabteilung 41 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 196 50 106 mit der Bezeichnung

"Joghurt-Cremezusammensetzung für Süßigkeiten in aufgeschnittener Form"

in vollem Umfang aufrechterhalten.

Dem Beschluss liegen die erteilten Ansprüche 1 bis 2 zu Grunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

Cremezusammensetzung für Süßigkeiten in aufgeschnittener Form, gekennzeichnet durch folgende Bestandteile, jeweils in Gewichtsprozenten:

Pflanzenfettefrischer Joghurt Joghurtpulver Kondensmilch Milchproteine Glucosesirup Joghurt - Würtstoff Fondantzucker Modifizierte Stärke 35 - 37 %

12 - 16 %

4 - 6 %

14 - 20 %

4 - 6 %

7 - 10 %

0,8 - 1,2 %

13 - 15 %

1 - 2 %

Die Aufrechterhaltung des Patents wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Cremezusammensetzung gemäß Hauptanspruch unbestritten neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Lediglich aus D3: DE 37 27 680 A1 sei eine Cremezusammensetzung bekannt, die eine Kombination aus Joghurt und Kondensmilch enthalte. Davon ausgehend müsste der Fachmann nicht nur den Joghurtgehalt erheblich reduzieren, sondern auch den Fettgehalt bei vergleichbarem Anteil an gezuckerter Kondensmilch signifikant erhöhen, Joghurtpulver zusetzen und den Zucker in speziell aufbereitetem Zustand, d.h. in Form von Glucosesirup und Fondantzucker einsetzen. Dies werde auch in Zusammenschau mit den Druckschriften D2: DE 30 15 825 C2, D4: EP 839 456 A1 und D6: DE 196 15 369 A1 nicht nahe gelegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie macht insbesondere geltend, dass ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik die Aufgabe, eine Creme mit langer Haltbarkeit, Zartheit und hohem Nährwertgehalt bereitzustellen, durch die Creme gemäß Anspruch 1 in nahe liegender Weise gelöst werde. Der Fachmann brauchte dafür nur den Wassergehalt reduzieren, den Fett- und Kohlenhydratgehalt erhöhen und die Saccharose durch Glukosesirup und Fondantzucker ersetzen. Dem Fachmann sei unter Hinweis auf die im Beschwerdeverfahren eingereichte Fachliteratur nämlich bekannt, dass die Reduzierung des Wassergehalts und dabei insbesondere der Wasserverfügbarkeit die Haltbarkeit erhöhe und der Nährwertgehalt und die Zartheit einer Creme durch einen größeren Anteil an Fett- und Kohlenhydraten gesteigert werde, wobei ihm der Ersatz eines Teils des Joghurts durch Joghurtpulver und der Kondensmilch durch Milchproteine aus D4 und D6 bekannt sei. Auch könne der Fachmann dazu die D2, die Milchcremezusammensetzungen mit gleichen Nährstoffgehalten wie das Streitpatent offenbare, in Betracht ziehen, da nach D14: "355c. Richtlinie für Zuckerwaren" des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie, 1995, S. 1 bis 13 Joghurt und Milch zur gleichen Klasse von Zutaten gehörten. Beim Ersatz von Saccharose durch die bekannten Zuckerarten Glukosesirup und Fondant handle es sich um einen fachnotorischen Austausch, der die erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Denn die diesbezüglich vorgelegten Vergleichsversuche D17, D17a - D17l, Vergleichsversuche Joghurtcreme 1, 2 und 3 D18, D18a - D18l, Vergleichsversuche Pausettencreme 1 und 2, zeigten keine signifikanten, sensorisch wahrnehmbaren Unterschiede. Ausgehend von D2 sei der Gegenstand des Streitpatents in Zusammenschau mit D3 gleichfalls nahe gelegt. Die Patentinhaberin habe auch keinen Nachweis geführt, dass die Zusammensetzung des Anspruchs 1 des Streitpatents eine verbesserte Konsistenz und Alterungsbeständigkeit bei gutem Geschmacksempfinden aufweise.

Die Einsprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Hilfsantrag zu 2. bzw. zu 3., jeweils eingegangen am 21. Januar 2000.

Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Cremezusammensetzung nach dem erteilten Anspruch 1 des Streitpatents vom Stand der Technik nicht nahe gelegt werde und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Lösung der Aufgabe komme es auf die richtigen Bestandteile im richtigen Mischungsverhältnis der Cremezusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents an. Um den Geschmack der Creme zu erhalten und die Alterungsbeständigkeit zu erhöhen, müssten sehr enge Grenzen der Bestandteile der Zusammensetzung festgelegt werden. Der Ersatz von Saccharose in der nächstkommenden Zusammensetzung nach D3 durch Glucosesirup und Fondantzucker sei dabei erforderlich, um neben einer Geschmacksverbesserung die Wasserverfügbarkeit positiv zu beeinflussen, wie ein Vergleich der Löslichkeiten in D15e: "Handbuch Süßungsmittel, Eigenschaften und Anwendung", Hrsg.: G.-W. von Rymon Lipinski, H. Schiweck, S. 33 bis 35, 99, 146 bis 181, auf S. 155 zeige. Die vorgelegten Vergleichsversuche seien wenig aussagekräftig, da die nach D17 zum Vergleich herangezogenen Joghurtzusammensetzungen 2 und 3 nur mit einem gegenüber der erfindungsgemäßen Creme modifizierten Verfahren erzeugt werden konnten und die Versuchsergebnisse über die Alterung der Zusammensetzungen nichts aussagten. Auch könne D14 nicht belegen, dass Cremezusammensetzungen auf Kondensmilchbasis und Joghurtcremes zur gleichen Klasse gehörten, da in D14 Kondensmilch nicht erwähnt werde.

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut des Patentanspruchs 2, der eine besondere Ausführungsform der Cremezusammensetzung nach Anspruch 1 betrifft, sowie der jeweiligen Patentansprüche gemäß den Hilfsanträgen zu 2. und zu 3. wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II Die Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig (PatG § 73); sie ist aber nicht begründet.

1. Die erteilten und weiterhin geltenden Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag sind zulässig. Sie entsprechen der ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 und sind auch sonst nicht zu beanstanden.

2. Die Cremezusammensetzung nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist unbestritten neu. Keine der aus den Entgegenhaltungen bekannten Cremezusammensetzungen enthält jedenfalls Fondantzucker, wie es bei der Zusammensetzung nach Anspruch 1 erforderlich ist.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Erfindung liegt die Aufgabe zu Grunde, eine Cremeschnitte bereitzustellen, in welcher die Creme eine Joghurtcreme ist, die sich durch lange Haltbarkeit (Konservierbarkeit), Zartheit und hohen Nährwertgehalt auszeichnet (vgl. Sp. 1 Z. 32 bis 36 der DE 196 50 106 C2). Außerdem soll die Cremezusammensetzung eine verbesserte Konsistenz aufweisen und ein verbessertes Geschmacksempfinden hervorrufen, wie die Patentinhaberin vorträgt. Die Aufgabe wird durch die Cremezusammensetzung gemäß Anspruch 1 gelöst. Zur Lösung der Aufgabe wird sich der Fachmann, ein Lebensmittelingenieur oder Lebensmittelchemiker, der mit der Entwicklung und Herstellung von Süßwaren und Molkereiprodukten vertraut ist und eine Joghurtcreme bereitstellen will, unter den bereits bekannten Joghurtcremezusammensetzungen umsehen. Von Cremezusammensetzungen auf Kondensmilchbasis, wie sie unter anderem in D2 offenbart sind, wird der Fachmann daher im Gegensatz zur Auffassung der Einsprechenden zunächst nicht als nächst liegendem Stand der Technik ausgehen, zumal in der von der Einsprechenden vorgelegten Richtlinie für Zuckerwaren D14 bei den Nährwert bestimmenden Zutaten unter Punkt 4.2 auf S. 3 zwar Joghurt und Milch, aber keine Kondensmilch aufgeführt ist.

Der Fachmann geht vielmehr zur Lösung der Aufgabe unter den Joghurtzusammensetzungen betreffenden Entgegenhaltungen von D3 als nächstliegendem Stand der Technik aus, da nur aus dieser Entgegenhaltung Joghurtcremezusammensetzungen auf der Basis von Joghurt- und Kondensmilchmischungen bekannt sind. Im Einzelnen geht aus D3 eine Cremezusammensetzung auf Basis von Milchbestandteilen, Fettkomponenten, Zucker und Wasser hervor, die 25 bis 27 % Pflanzenfett, 30 bis 50 % Joghurt, Kondensmilch ggf. gezuckert z. B. 16 %, 5 bis 8 % Milcheiweiß, 17 bis 19 % Zucker in Form von Saccharose, Aromen und 0,1 bis 0,6 % Johannisbrotkernmehl als Stärke enthält (vgl. Ansprüche 1, 2 und 3 i. V. m. S. 3 Z. 41 bis 42, 56 bis 58, 64 bis 65, S. 5 Tabelle und Z. 51 bis 52). Die Cremezusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents unterscheidet sich aber in mehrfacher Hinsicht von dieser bekannten Cremezusammensetzung, und zwar im geringeren Anteil an frischem Joghurt, im Zusatz von Joghurtpulver, im höheren Anteil an Pflanzenfett und Zucker insgesamt, und qualitativ im Zusatz von Glucosesirup und Fondantzucker anstelle von Saccharose. Um ausgehend von D3 die Aufgabe zu lösen, ist zwar der Einsprechenden zuzustimmen, dass dem Fachmann geläufig ist, zur Verbesserung der Haltbarkeit den Wassergehalt einer Creme zu verringern. Eine Anregung den Gehalt an frischem Joghurt, der Wasser enthält, bei etwa gleichem Gehalt an Kondensmilch deutlich von 30 bis 50 % auf den engen Bereich von 12 bis 16 % beim Streitpatent zu verringern, erhält der Fachmann aber weder aus D3 noch aus der weiteren eine Joghurtcremezusammensetzung betreffenden Entgegenhaltung D6, bei der der Gehalt an frischem Joghurt zwischen 10 und 40 % liegen kann. D6 kann der Fachmann zwar den Zusatz von Joghurtpulver entnehmen, jedoch nicht in welcher Menge im Verhältnis zum Joghurtanteil. Dem Fachmann ist auch, wie die Einsprechende vorträgt, geläufig, dass ein erhöhter Anteil an Fett und Kohlenhydraten den Nährwertgehalt einer Cremezusammensetzung steigert. Ein Hinweis jedoch gerade den eng begrenzten Anteil von 35 bis 37 % an Pflanzenfett anstelle von 25 bis 27 % bei D3 oder 0 bis 40 % bei D6 (vgl. Anspruch 24) sowie 24,5 bis 47,5 bei D2 (vgl. Ansprüche 1 und 6) in Verbindung mit den übrigen Merkmalen zur Lösung der Aufgabe auszuwählen, liefert der Stand der Technik nicht. Das gleiche gilt für den Anteil an Zucker, der gegenüber D3 in der Summe auf 20 bis 25 % erhöht wurde.

Des Weiteren kann die Auffassung der Einsprechenden nicht durchgreifen, dass im Austausch von Saccharose bei D3 durch eng festgelegte Anteile an Glucosesirup und Fondantzucker lediglich ein fachnotorischer Austausch ohne Vorteile zu sehen sei, der zur erfinderischen Tätigkeit nichts beitragen könne. Denn die von der Einsprechenden vorgelegten Versuche zeigen zum einen, dass das Herstellungsverfahren der Joghurtcremes 2 und 3 beim Zusatz von Saccharose bzw. Glucose anstelle der patentgemäßen Mischung von Glucosesirup/Fondantzucker gegenüber der Verfahrensvorschrift gemäß Streitpatent abgewandelt werden musste, um eine homogene Creme zu erhalten (D17, Blatt 1), zum anderen wird in den Versuchen über das Verhalten der Cremes gemäß Streitpatent und den Vergleichszusammensetzungen zur Alterung nichts ausgesagt, die nach Vortrag der Patentinhaberin bei der Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 des Streitpatents verbessert sein soll. Die Einsprechende hat jedenfalls den ihr obliegenden Nachweis für ihre Behauptung nicht geführt, dass die im Streitpatent dargelegten und in der mündlichen Verhandlung herausgestellten Vorteile beim Gegenstand des Streitpatents nicht eintreten (vgl. Schulte PatG 7. Aufl. § 59 Rdn. 208). Der Patentinhaberin ist auch zuzustimmen, dass die Löslichkeit des eingesetzten Zuckers die Wasserverfügbarkeit einer Cremezusammensetzung beeinflusst, wie sie in der Streitpatentschrift auf Sp. 1 Z. 60 bis Sp. 2 Z. 1 angesprochen wird. Die Löslichkeit weist z. B. bei Glucose und Glucosesirup gegenüber der Saccharose deutliche Unterschiede auf (vgl. D15e, S. 155 bis 156 Punkt 2.5.3 Löslichkeit). Ein Hinweis auf den Einsatz von Fondantzucker, der die Bildung von dicker und stabiler Creme begünstigen soll (Sp. 2 Z. 21 bis 24 der Streitpatentschrift), geschweige denn im Gemisch mit Glucosesirup in eng festgelegten Anteilen, ist jedenfalls dem gesamten Stand der Technik nicht zu entnehmen.

Die Zusammenschau von D3 mit der Milchcremezusammensetzung auf Kondensmilchbasis nach D2 liefert dem Fachmann lediglich einen Hinweis darauf, dass eine Creme mit den Nährstoffgehalten gemäß Streitpatent bereitgestellt werden kann (vgl. das von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Blatt "D2 und Streitpatent"), nicht jedoch, wie eine Creme auf Joghurtbasis im Detail aufgebaut sein muss, um die zu Grunde liegende Aufgabe zu lösen, zumal die weitere eine Joghurtcreme betreffende Veröffentlichung D6 noch in so unmittelbarer zeitlicher Nähe zum vorliegenden Patent liegt und in Kenntnis von D2 und D3 in eine andere Richtung geht und keine Cremezusammensetzungen auf Basis von Joghurt/Kondensmilchmischungen in Betracht zieht.

Nach alledem wird der Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag durch den entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nahe gelegt und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

D4 ist nachveröffentlicht und bleibt bei der Beurteilung der Patentfähigkeit außer Betracht.

Die Berücksichtungen der weiteren dem Senat vorliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr herangezogenen Druckschriften führt zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erfüllt somit alle Kriterien der Patentfähigkeit.

4. Der dem Hauptantrag zugrunde liegende erteilte Anspruch 1 hat somit Bestand. Der auf den Anspruch 1 rückbezogene Anspruch 2, der eine besondere Ausgestaltung der Cremezusammensetzung nach Anspruch 1 betrifft, ist mit diesem ebenfalls rechtsbeständig.






BPatG:
Beschluss v. 21.07.2006
Az: 14 W (pat) 40/04


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