Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2004
Aktenzeichen: 10 W (pat) 718/03

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2004, Az.: 10 W (pat) 718/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Der in Spanien ansässige Geschmacksmusterinhaber, der im Inland weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung besitzt, reichte am 1. Juni 1988 beim Deutschen Patentamt (nunmehr Deutsches Patent- und Markenamt, DPMA) die vorliegende Geschmacksmusteranmeldung in Form eines Pakets mit 4 Mustern, jeweils betreffend ein "Schreibgerät", ein und gab hierbei an, dass die Schutzdauer jeweils 15 Jahre betragen solle. Die Eintragung in das Musterregister erfolgte am 12. Juli 1988.

Der Geschmacksmusterinhaber hat beim DPMA mit Schriftsatz vom 25. Juni 2002, eingegangen am 26. Juni 2002, beantragt, die Schutzdauer des Geschmacksmusters auf 20 Jahre zu verlängern. Zugleich zahlte er eine Gebühr in Höhe von 180,-- Euro gemäß Nr. 342 300 des Gebührenverzeichnisses zum PatKostG; am 24. Juli 2002 zahlte er noch weitere 3 x 180,-- Euro, insgesamt 540,-- Euro. Zur Begründung seines Antrags hat er sich auf die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 13. Oktober 1998 (im folgenden: Richtlinie) berufen, zu deren Umsetzung den Mitgliedsstaaten eine Frist bis 28. Oktober 2001 gesetzt worden sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes seien alle Träger der öffentlichen Gewalt in den Mitgliedsstaaten verpflichtet, bei der Anwendung von vor oder nach einer (nicht umgesetzten) Richtlinie erlassenen Rechtsvorschriften deren Auslegung soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten. Das vorliegende Geschmacksmuster falle unter den Anwendungsbereich der Richtlinie (Art. 2 Abs. 1 lit a), folglich sei das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen. Gemäß Art. 10 der Richtlinie müsse ein Muster auf 25 Jahre verlängerbar sein.

Das derzeit geltende nationale Recht lasse auch eine richtlinienkonforme Auslegung zu, denn es gebe keine ausdrückliche nationale Regelung, die für die vor dem 1. Juli 1988 beim DPMA angemeldeten Altmuster eine Schutzdauerverlängerung auf 20 Jahre nicht vorsehe. Gemäß § 9 GeschmMG nF (womit die vom 1. Juli 1988 bis 31. Mai 2004 geltende Fassung gemeint ist, im folgenden: GeschmMG 1988) sei eine Verlängerung auf 20 Jahre möglich. Die Übergangsregelung in Art.5 des Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes vom 18. Dezember 1986 (GeschmMÄndG), wonach für die vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Altmuster die bis dahin geltenden Vorschriften anzuwenden seien, beziehe sich ausdrücklich nur auf die bei den zuständigen Gerichten angemeldeten Muster. Dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung "Schutzdauerverlängerung" (GRUR 1993, 667) Art. 5 GeschmMÄndG auch auf beim DPMA angemeldete Muster angewendet habe, beruhe auf einer analogen Anwendung. Eine solche verbiete sich aber nunmehr angesichts der Rechtsprechung des EuGH zur richtlinienkonformen Auslegung nationaler Rechtsvorschriften. Im übrigen habe der BGH die analoge Anwendung damit begründet, dass der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung der bei den Amtsgerichten eingetragenen Muster einerseits und der beim DPMA eingetragenen Geschmacksmuster andererseits nicht gewollt haben könne. Der Gesetzgeber habe jedoch nunmehr mit dem Erlass des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 eine wissentliche Ungleichbehandlung geschaffen, denn gemäß Art. 10 Nr. 6 dieses Gesetzes seien beim Patentamt der ehemaligen DDR angemeldete Altmuster auf 25 Jahre verlängerbar.

Nach einem Zwischenbescheid hat das Deutsche Patent- und Markenamt - Musterregister - durch Beschluss vom 16. Januar 2003 den Antrag auf Aufrechterhaltung des Schutzes für das 16. bis 20. Schutzjahr abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, § 9 Abs. 2 und 3 GeschmMG 1988 seien auf das vorliegende Geschmacksmuster nicht anwendbar. Die in § 16 Abs. 1 Satz 3 und 4 ErstrG geregelte Aufrechterhaltung bis zu 25 Jahre beziehe sich nur auf industrielle Muster, die am 1. Mai 1992 in dem nach Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet bestanden, § 16 Abs. 1 Satz 1 iVm § 4 Abs. 1 ErstrG. Eine Verlängerungsmöglichkeit ergebe sich auch nicht unmittelbar aus der Richtlinie, denn dieser könne nicht entnommen werden, dass sie auch für Geschmacksmuster gelten solle, die vor dem 1. Juli 1988 beim DPMA angemeldet worden seien. In Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie werde klargestellt, dass die Eintragung des Musters auch die an die Hinterlegung anschließende Bekanntmachung des Musters mit einschließe. Damit werde die Bekanntmachung des Musters als Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Richtlinie festgesetzt; sie stelle neben Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Richtlinie dar. Dabei sei unter Bekanntmachung eine Bildbekanntmachung zu verstehen, die erst bei den nach dem 1. Juli 1988 angemeldeten Mustern erfolgt sei. Die Richtlinie sei daher nicht anwendbar. Hinzu komme, dass auch der eindeutige Wortlaut der nationalen Rechtsvorschriften (§ 16 Abs. 1 Satz 3 und 4 ErstrG) eine der Richtlinie entsprechende Auslegung nicht zulasse.

Hiergegen wendet sich der Geschmacksmusterinhaber mit der Beschwerde. Entgegen der Auffassung im angefochtenen Beschluss sei die Richtlinie anwendbar. Gemäß Art. 2 Abs. 1 gelte sie für die bei den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz eingetragenen Rechte an Mustern. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie stelle keine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Richtlinie auf, sondern besage nur, dass die Richtlinie auch in den Mitgliedsstaaten gelte, in denen es zwar keine Eintragung eines Musters gebe, das Recht an dem Muster aber durch eine Hinterlegung und die anschließende Bekanntmachung begründet werde. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine nicht umgesetzte Richtlinie zwar nicht direkt anwendbar, aber die nationalen Rechtsvorschriften seien soweit als möglich richtlinienkonform auszulegen.

In der mündlichen Verhandlung sowie in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 2. November 2004 führt der Geschmacksmusterinhaber weiter aus, dass auch das am 1. Juni 2004 in Kraft getretene neue Geschmacksmusterrecht bzw. die dortige Übergangsvorschrift in § 66 Abs. 1 GeschmMG nF zu keiner anderen Beurteilung führe. Denn § 66 Abs. 1 GeschmMG nF könne nur so zu verstehen sein, dass für die vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Geschmacksmuster das vor dem neuen Geschmacksmusterrecht geltende Recht weiter gelten solle. Eine andere Auslegung würde dazu führen, dass nachträglich alle Gesetzesänderungen zwischen dem 1. Juli 1988 und dem 23. Juli 2002 für diese Altmuster rückgängig gemacht werden sollten; für diese Absicht gebe es keinen Anhaltspunkt. Es bleibe daher dabei, dass es entscheidend auf die Auslegung des Art. 5 GeschmMÄndG ankomme. Das DPMA habe bei den vor dem 1. Juli 1988 beim DPMA hinterlegten Altmustern auch als Zentralbehörde im Sinne von Art. 2 der Richtlinie gehandelt. Denn das DPMA sei nicht als Gericht anzusehen, ansonsten hätte es nicht der (bloß) analogen Anwendung von Art. 5 GeschmMÄndG durch den BGH bedurft, sondern diese Vorschrift hätte direkt angewendet werden können. Aus der Richtlinie selbst, Art. 10, ergebe sich auch keine Ausnahme von der geforderten Gesamtlaufzeit von 25 Jahren. Da es eines der wesentlichen Anliegen der Richtlinie sei, die Schutzdauer zu vereinheitlichen, hätte es einer ausdrücklichen Erlaubnis für Ausnahmeregelungen bei der Schutzdauer bedurft, die in der Richtlinie nicht enthalten sei.

Der Geschmacksmusterinhaber beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. Januar 2003 aufzuheben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.

Die im Juni und Juli 2002 gezahlten Gebühren haben die Verlängerung bzw. Aufrechterhaltung der Schutzdauer des Geschmacksmusters für das 16. bis 20. Schutzjahr nicht bewirken können, da es bei den vor dem 1. Juli 1988 beim DPMA angemeldeten Geschmacksmustern gemäß Art. 5 des Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes vom 18. Dezember 1986 (GeschmMÄndG) dabei verbleibt, dass ihre Schutzfrist gemäß § 8 GeschmMG aF (= die bis zum 30. Juni 1988 geltende Fassung) höchstens 15 Jahre beträgt.

1. Zur Beurteilung der Frage, ob vor dem 1. Juli 1988 angemeldete Geschmacksmuster auf eine Schutzdauer von 20 Jahren verlängerbar sind, ist in dem hier anhängigen Verfahren grundsätzlich von dem durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts vom 12. März 2004 geschaffenen neuen Geschmacksmustergesetz auszugehen, das zum 1. Juni 2004 in Kraft getreten ist und in seinen Übergangsvorschriften auch solche Altmuster ausdrücklich nennt, § 66 Abs. 1 GeschmMG nF (= die ab 1. Juni 2004 geltende Fassung). Gemäß § 66 Abs. 1 GeschmMG nF finden auf Geschmacksmuster, die vor dem 1. Juli 1988 nach dem Geschmacksmustergesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 442-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2850) angemeldet worden sind, die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften weiterhin Anwendung.

Mit dieser Vorschrift sind unzweifelhaft nur die in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Geschmacksmuster erfasst, wie aus der Angabe des maßgeblichen Geschmacksmustergesetzes sowie dadurch deutlich wird, dass es für die bei dem Patentamt der ehemaligen DDR angemeldeten Altmuster eine gesonderte Übergangsregelung gibt (§ 60 GeschmMG nF). Nicht so eindeutig erscheint aber der sonstige Regelungsgehalt der Vorschrift. Da sie als maßgeblichen Stichtag den 1. Juli 1988 nennt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten großen Geschmacksmusterreform (vgl. Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes vom 18. Dezember 1986), könnte sie nicht bloß als eine Übergangsvorschrift anlässlich des Inkrafttretens der jetzigen Geschmacksmusterreform am 1. Juni 2004 anzusehen sein, sondern auch als eine Regelung, die die für Altmuster bestehende, anlässlich des Inkrafttretens der ersten Geschmacksmusterreform am 1. Juli 1988 geschaffene Übergangsvorschrift in Art. 5 GeschmMÄndG ablöst und ersetzt, indem sie für diese Altmuster unmittelbar die Fortgeltung des vor dem 1. Juli 1988 geltenden Rechts anordnet. Gegen ein solches Verständnis spricht aber der weitere Wortlaut, wonach zwar von Geschmacksmustern die Rede ist, die vor dem 1. Juli 1988 angemeldet worden sind, diese aber in Bezug zu einer späteren Fassung des früheren Geschmacksmustergesetzes gesetzt werden, nämlich des Geschmacksmustergesetzes, das zuletzt im Juli 2002 geändert worden ist und das durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004 abgelöst worden ist (vgl. Art. 4 Nr. 4 Geschmacksmusterreformgesetz vom 12. März 2004, der die Aufhebung des bisherigen Rechts regelt). Die in § 66 Abs. 1 GeschmMG nF verwendete Formulierung, wonach die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften weiterhin Anwendung finden, kann daher, wie es auch der Geschmacksmusterinhaber geltend macht, sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass es bei den vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Geschmacksmustern bei dem Rechtszustand bleibt, wie er vor dem Inkrafttreten des Geschmacksmusterreformgesetzes vom 12. März 2004 gewesen ist. Das schließt auch die Weitergeltung der Übergangsvorschrift des Art. 5 GeschmMÄndG ein.

Diese Auslegung, die dazu führt, dass eine Übergangsvorschrift, nämlich § 66 Abs. 1 GeschmMG nF, auf eine frühere Übergangsvorschrift, nämlich Art. 5 GeschmMÄndG verweist, wird auch gestützt durch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wonach im Zusammenhang mit den Altmustern die bis 31. Mai 2004 geltende Rechtslage, insbesondere Art. 5 GeschmMÄndG und die hierzu ergangene Rechtsprechung, ausführlich dargestellt wird und dazu ausgeführt wird: "Diese noch immer bei den zuständigen Gerichten geführten Altrechte sollen auch weiterhin nach den derzeit für sie geltenden Vorschriften behandelt werden. ... Diese Erwägungen gelten auch für die beim Deutschen Patent- und Markenamt vor dem 1. Juli 1988 hinterlegten und verwalteten Altmuster von Rechtsinhabern ohne Niederlassung oder Wohnsitz in Deutschland." (Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts, BlPMZ 2004, 222, 227 re Sp; vgl. auch a.a.O., Seite 250 li Sp: "Auch die beim Deutschen Patent- und Markenamt vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten und verwalteten Altmuster von Rechtsinhabern ohne Niederlassung oder Wohnsitz im Inland, ..., sollen nicht den Vorschriften des neuen Geschmacksmusterrechts unterfallen.").

Unabhängig davon erscheint die Zugrundelegung des bis zum 31. Mai 2004 geltenden Rechts im vorliegenden Fall auch deshalb sachgerecht, weil von dem Grundsatz auszugehen ist, dass in der Vergangenheit abgeschlossene prozessuale Tatbestände nicht von einem neuen Gesetz erfasst werden (vgl Baumbach/Lauterbach, ZPO, 62. Aufl., Einl III Rdn. 78; z.B. zur fristgebundenen Einlegung des markenrechtlichen Widerspruchs BGH BlPMZ 2000, 320 - FRENORM/FRENON; BPatGE 35, 180, 182 - quickslide). Ein solcher Fall liegt hier vor. Für die Aufrechterhaltung des Schutzes für ein Geschmacksmuster bedarf es der fristgerechten Zahlung von Gebühren. Die Schutzfrist von 15 Jahren für das vorliegende Geschmacksmuster ist Anfang Juni 2003 abgelaufen. Unterstellt, dass es wie ein nach dem 1. Juli 1988 angemeldetes Geschmacksmuster grundsätzlich verlängerbar wäre, wären die Aufrechterhaltungsgebühren für das 16. bis 20. Schutzjahr Ende Juni 2003 fällig gewesen, § 3 Abs. 2 PatKostG, und hätten bis zum Ablauf des sechsten Monats nach Fälligkeit gezahlt werden müssen, § 7 Abs. 1 Satz 2 PatKostG. Die Zahlungsfrist wäre daher noch unter Geltung des bis 31. Mai 2004 geltenden Rechts abgelaufen. Deshalb kann auch nur dieses Recht bei der Frage zugrunde gelegt werden, ob die damalige Gebührenzahlung die Aufrechterhaltung des Schutzes hat bewirken können.

2. Nach dem bis 31. Mai 2004 geltenden Geschmacksmusterrecht ist gemäß § 9 GeschmMG 1988 (= die von 1. Juli 1988 bis 31. Mai 2004 geltende Fassung) die Aufrechterhaltung des Schutzes für ein Geschmacksmuster bis zu 20 Jahren möglich gewesen. Diese Vorschrift ist aber für das vorliegende Geschmacksmuster, das vor dem 1. Juli 1988 angemeldet worden ist, gemäß Art. 5 GeschmMÄndG nicht anwendbar. Denn gemäß Art. 5 GeschmMÄndG sind auf Muster oder Modelle, die vor dem 1. Juli 1988 bei den zuständigen Gerichten angemeldet worden sind, die bis dahin geltenden Vorschriften weiterhin anzuwenden. Zu diesen Vorschriften gehört insbesondere § 8 GeschmMG aF, der eine Ausdehnung der Schutzfrist bis auf höchstens 15 Jahre vorsieht.

Art. 5 GeschmMÄndG erfasst zwar nach seinem Wortlaut nur die bei den Gerichten vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Geschmacksmuster, ist aber auch auf die beim DPMA vor dem 1. Juli 1988 hinterlegten Muster oder Modelle anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1993, 667 - Schutzdauerverlängerung) würde die Nichtanwendung dieser Vorschrift auf die bei dem DPMA hinterlegten Altmuster dazu führen, dass die Inhaber von Altmustern ungleich behandelt würden, je nachdem, ob sie, weil sie einen Sitz im Inland haben, ihre Muster bei den zuständigen Gerichten oder wegen Fehlens eines Inlandssitzes beim DPMA hatten hinterlegen müssen. Dass der Gesetzgeber eine derartige Ungleichbehandlung gewollt habe, sei nicht ersichtlich. Vielmehr sei Sinn und Zweck der Reform des Geschmacksmusterrechts gewesen, den für unzulänglich erachteten Schutz auslaufen zu lassen und möglichst bald durch den verbesserten Schutz nach der Neufassung zu ersetzen. Diesem Ziel würde die Anwendung der neuen Vorschriften über die Schutzdauerverlängerung auf beim DPMA hinterlegte Altmuster durch Erleichterung der Verlängerung entgegenwirken. Die unbeabsichtigte Lücke des Gesetzes sei dadurch zu schließen, dass Art. 5 GeschmMÄndG auf beim DPMA hinterlegte Altmuster entsprechend anzuwenden sei (BGH aaO).

3. Die Richtlinie 98/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 13. Oktober 1998, die in Art. 10 eine Verlängerung der Schutzfrist für ein Muster bis zu einer Gesamtlaufzeit von 25 Jahren ab dem Tag der Anmeldung vorsieht und deren Umsetzungsfrist am 28. Oktober 2001 abgelaufen ist, Art. 19, steht der vorgenannten Auslegung des Art. 5 GeschmMÄndG nicht entgegen.

Zwar ist der Inhalt von Richtlinien, die grundsätzlich der Umsetzung in das nationale Recht bedürfen, da sie sich nur an die Mitgliedsstaaten wenden, nach ganz herrschender Meinung von den nationalen Gerichten auch ohne Umsetzung bei der Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen, wenn der Gesetzgeber bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht tätig geworden ist und der Inhalt der Richtlinie insgesamt oder im angewendeten Bereich eindeutig ist (richtlinienkonforme bzw. gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung, vgl. z.B. EugH NJW 1997, 3365, 3367 Tz 43 - Dorsch Consult; BGH NJW 1998, 2208 - Testpreis-Angebot; BlPMZ 1993, 482 - Dos; Schwarze, EU-Kommentar, Art 10 EGV Rdn. 27, 28 mwN). Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Gebührenzahlung für das vorliegende Geschmacksmuster gegeben. Die Richtlinie ist aber auf vor dem 1. Juli 1988 in der Bundesrepublik Deutschland angemeldete Geschmacksmuster nicht anwendbar.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 lit a gilt die Richtlinie für die bei den Zentralbehörden für den gewerblichen Rechtsschutz der Mitgliedsstaaten eingetragenen Rechte an Mustern. Die Rechtslage bei den vor dem 1. Juli 1988 in der Bundesrepublik Deutschland hinterlegten Geschmacksmustern ist aber gerade durch die dezentrale Hinterlegung gekennzeichnet; erst die am 1. Juli 1988 in Kraft getretene Geschmacksmusterreform hat erstmals die zentrale Hinterlegung eingeführt (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Geschmacksmustergesetzes BlPMZ 1987, 50, 51 li Sp: "Hauptgegenstand des Entwurfs ist die Einführung einer zentralen Hinterlegung"). Gemäß § 9 Abs. 1 GeschmMG aF (= die bis zum 30. Juni 1988 geltende Fassung) wurde das Musterregister von den mit der Führung der Handelsregister beauftragten Gerichtsbehörden geführt. Hinsichtlich der Urheber, welche im Inland weder eine Niederlassung noch einen Wohnsitz hatten, war im Gesetz ursprünglich das Handelsgericht in Leipzig als zuständiges Gericht bestimmt. Das wurde durch Art. 4 § 4 des 5. ÜG vom 18. Juli 1953 dahingehend abgeändert, dass "bis auf weiteres das Patentamt die mit der Führung des Musterregisters beauftragte Behörde" ist. Das DPMA ist danach zwar kein Gericht, es hat aber bei der Entgegennahme der vor dem 1. Juli 1988 eingereichten Musteranmeldungen von Anmeldern ohne Niederlassung oder Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland lediglich als Auffangstelle bzw. Ersatz für ein sonst zuständiges Amtsgericht gehandelt. An der grundsätzlich dezentralen Hinterlegung von Mustern in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Juli 1988 hat Art. 4 § 4 5. ÜG vom 18. Juli 1953 daher nichts geändert. Damit war das DPMA für Muster vor dem 1. Juli 1988 nicht "Zentralbehörde" für den gewerblichen Rechtsschutz, denn dies impliziert eine zentrale Hinterlegung von Mustern (vgl. auch die Begründung zu § 66 Abs. 1 GeschmMG nF, BlPMZ 2004, 250 li Sp 3. Absatz).

Da es somit vor dem 1. Juli 1988 in der Bundesrepublik Deutschland keine zentrale Hinterlegung von Mustern, sondern nur die Hinterlegung eines kleinen Teils von Mustern beim DPMA gegeben hat, ist davon auszugehen, dass nicht nur vor dem 1. Juli 1988 bei den Gerichten angemeldete Geschmacksmuster nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen (vgl. Braitmayer, Leitfaden nationales Geschmacksmuster, 2004, Seite 4), sondern ebensowenig die beim DPMA vor dem 1. Juli 1988 angemeldeten Geschmacksmuster. Auch der Richtlinie insgesamt kann nicht entnommen werden, dass sie den Zweck verfolgt, dass alle in der Vergangenheit, d.h. vor Inkrafttreten der Richtlinie bzw. vor Inkrafttreten des harmonisierten nationalen Rechts in einem Mitgliedsstaat hinterlegten Muster den neuen harmonisierten Regeln unterworfen werden müssen, wie z.B. die Regelung in Art. 11 Abs. 8 der Richtlinie zeigt. Lediglich bei den vor dem 1. Juli 1988 beim Patentamt der ehemaligen DDR angemeldeten Mustern, bei denen der Gesetzgeber in Umsetzung der Richtlinie schon durch die in Art. 10 Nr. 6 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 geregelte Änderung des § 16 ErstrG die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Schutzes bis auf 25 Jahre geschaffen hat, hat es demgegenüber die zentrale Registrierung bei der Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz gegeben. Ein solches in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallendes Muster liegt hier aber unzweifelhaft nicht vor.

Mangels Anwendbarkeit der Richtlinie auf die vor dem 1. Juli 1988 beim DPMA angemeldeten Geschmacksmuster ist daher keine andere Auslegung von Art. 5 GeschmMÄndG geboten. Da § 9 GeschmMG 1988 nicht auf das vorliegende Altmuster anwendbar ist, hat die vom Geschmacksmusterinhaber vorgenommene Gebührenzahlung keine Verlängerung für das 16. bis 20. Schutzjahr bewirken können.

4. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 23 Abs. 3 GeschmMG nF, 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG zuzulassen.

Schülke Richter Rauch ist wegen seines Urlaubs gehindert, zu unterschreiben.

Schülke Püschel Pr






BPatG:
Beschluss v. 28.10.2004
Az: 10 W (pat) 718/03


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